„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ – diese Parole aus dem Werk
„Le deuxième sexe“ von Simone de Beauvoir hatte sich Ende der 1960er Jahre der
Feminismus auf seine Fahnen geschrieben. Frauen wollten nicht länger an der
Norm „Mann“ gemessen werden sondern stellten die Forderung nach mehr
Freiheit und einer von weiblichem Einfluss geprägten, grundlegenden
Veränderungen des gesellschaftlichen Normen- und Wertesystems, (Vgl. Der
Brockhaus-Enzyklopädie 1988, Band 7, S. 188).
Zahlreiche populärwissenschaftliche Autoren erkannten die Brisanz aber auch die
Verkaufswirksamkeit der Geschlechterthematik und drängten wenige Jahre später
mit ihren „Geschlechterbibeln“ auf die Bestsellerlisten. Männer die vom Mars
waren und Frauen von der Venus1 sollten plötzlich die Erklärung sein für die
Ungleichheit von Mann und Frau und den daraus erwachsenden Konsequenzen.
Doch auch seriöse Wissenschaftler setzten sich in der so genannten
„Frauenforschung“ mit der Ungleichheit von Mann und Frau auseinander.
Eine Vertreterin dieser Forschungsrichtung ist die 1936 geborene USAmerikanerin
Carol Gilligan. Die ehemalige Schülerin Erik Eriksons und
damalige wissenschaftliche Mitarbeiterin von Lawrence Kohlberg stellte im
Zusammenhang mit ihrer Mitarbeit an den Moralstudien Kohlbergs die These auf,
das Frauen und Männer unterschiedliche Arten von moralischem Denken
praktizieren und setzte sich damit klar von den Forschungsergebnissen Kohlbergs
ab, schuf hiermit das Konstrukt einer „anderen“ Moral – einer „weiblichen“ Moral.
Zur eingehenden Beleuchtung des Konstruktes der „weiblichen Moral“ ist es
zunächst erforderlich, eine Begriffsklärung vorzunehmen: Was meint Moral
überhaupt? Anschließend soll auf die Arbeit Lawrence Kohlbergs zur moralischen
Entwicklung eingegangen werden. Dies stellt die notwendige Basis dar, um
Gilligans Gedankenkonstrukt erfassen zu können - setzt Gilligan ihre Kritik und die Forderung nach der Notwendigkeit einer den Frauen eigenen moralischen
Denkweise schließlich hauptsächlich hiervon ab. Was exakt Gilligan unter ihrer
Idee von einer „weiblichen Moral“ versteht und inwiefern eine mögliche
Zweigeschlechtlichkeit der Moral tatsächlich wissenschaftlich belegbar ist, soll im
Anschluss daran gezeigt werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Weibliche Moral: Wissenschaftliches Konstrukt oder feministische Parole?
1. Moral - eine Begriffsklärung
a) der Moralbegriff im Allgemeinen
b) Der Moralbegriff in der Psychologie
2. Das 6-Stufen-Modell von Lawrence Kohlberg
a) Allgemeines
b) Das Stufenmodell
3. Gilliganversus Kohlberg
4. Das Modell der weiblichen Moral
a) Allgemeines
b) DasStufenmodell
5. Kritische Auseinandersetzung
6. Exkurs - Moralerziehung in der Schule
III. Schluss
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ - diese Parole aus dem Werk „Le deuxième sexe“ von Simone de Beauvoir hatte sich Ende der 1960er Jahre der Feminismus auf seine Fahnen geschrieben. Frauen wollten nicht länger an der Norm „Mann“ gemessen werden sondern stellten die Forderung nach mehr Freiheit und einer von weiblichem Einfluss geprägten, grundlegenden Veränderungen des gesellschaftlichen Normen- und Wertesystems, (Vgl. Der Brockhaus-Enzyklopädie 1988, Band 7, S. 188).
Zahlreiche populärwissenschaftliche Autoren erkannten die Brisanz aber auch die Verkaufswirksamkeit der Geschlechterthematik und drängten wenige Jahre später mit ihren „Geschlechterbibeln“ auf die Bestsellerlisten. Männer die vom Mars waren und Frauen von der Venus[1] sollten plötzlich die Erklärung sein für die Ungleichheit von Mann und Frau und den daraus erwachsenden Konsequenzen. Doch auch seriöse Wissenschaftler setzten sich in der so genannten „Frauenforschung“ mit der Ungleichheit von Mann und Frau auseinander.
Eine Vertreterin dieser Forschungsrichtung ist die 1936 geborene US- Amerikanerin Carol Gilligan. Die ehemalige Schülerin Erik Eriksons und damalige wissenschaftliche Mitarbeiterin von Lawrence Kohlberg stellte im Zusammenhang mit ihrer Mitarbeit an den Moralstudien Kohlbergs die These auf, das Frauen und Männer unterschiedliche Arten von moralischem Denken praktizieren und setzte sich damit klar von den Forschungsergebnissen Kohlbergs ab, schuf hiermit das Konstrukt einer „anderen“ Moral - einer „weiblichen“ Moral. Zur eingehenden Beleuchtung des Konstruktes der „weiblichen Moral“ ist es zunächst erforderlich, eine Begriffsklärung vorzunehmen: Was meint Moral überhaupt? Anschließend soll auf die Arbeit Lawrence Kohlbergs zur moralischen Entwicklung eingegangen werden. Dies stellt die notwendige Basis dar, um Gilligans Gedankenkonstrukt erfassen zu können - setzt Gilligan ihre Kritik und die Forderung nach der Notwendigkeit einer den Frauen eigenen moralischen Denkweise schließlich hauptsächlich hiervon ab. Was exakt Gilligan unter ihrer Idee von einer „weiblichen Moral“ versteht und inwiefern eine mögliche Zweigeschlechtlichkeit der Moral tatsächlich wissenschaftlich belegbar ist, soll im Anschluss daran gezeigt werden.
II. Weibliche Moral
1. Moral - eine Begriffsklärung
a) Der Moralbegriff im Allgemeinen
Schlägt man im Brockhaus den Begriff „Moral“ nach, findet man zunächst den Hinweis auf dessen lateinischen Ursprung, „moralis“, was so viel bedeutet wie „die Sitten betreffend“. Im modernen Sprachgebrauch, so fährt der Artikel fort, ist „Moral“ eine Sammelbezeichnung „...für die der gesellschaftlichen Praxis zugrunde liegenden und als verbindlich akzeptierten ethisch-sittlichen Normen(systeme) des Handelns und der Werturteile, der Tugenden und Ideale einer bestimmten Gesellschaft, bestimmter gesellschaftlicher Gruppen und der ihnen integrierten Individuen bzw. einer historischen Epoche, (vgl. Brockhaus 1988, Band 15, S. 96).
Dieser Definition soll eine weitere von Ulich zur Seite gestellt werden. Dieser bezeichnet Moral als „.ein System von Aussagen über Werte und Normen, das sowohl handlungsleitende wie auch handlungsbewertende Wirkungen intendiert und aus dem sich begründete Ansprüche an die Gestaltung menschlicher Ordnungen, Beziehungen und Handlungsweisen ergeben“, (Ulich 1999, S. 6). Hierbei meint „Werte“ erwünschte Eigenschaften oder Zustände - kurzum würde man hierfür im alltäglichen Sprachgebrauch wohl am ehesten den Begriff „Tugenden“ verwenden. „Normen“ regeln - so Ulich - die Aufrechterhaltung, die Verwirklichung und den Schutz moralischer Werte, (vgl. Ulich 1999, S. 6f).
b) Der Moralbegriff in der Psychologie
„Es ist nicht Anspruch der Psychologie, eine Ethik zu begründen“ - beschreibt Leo Montada in einem Aufsatz über moralische Entwicklung und moralische Sozialisation treffend das Verhältnis zwischen Psychologie und dem Moralbegriff. Die Psychologie bestimmt also nicht, was als „gut“ oder „böse“ zu gelten hat, das wäre Aufgabe der Ethik und der Metaethik, (vgl. Brockhaus 1988, Band 15, S. 96). Vielmehr, so Montada, wolle sie (die Psychologie, Anm. der Verf.), stattdessen aufzeigen, „...wie unterschiedlich normative Überzeugungen sind, die das Erleben, Urteilen und Handeln von Menschen leiten, wie unterschiedlich Menschen diese Normen verstehen wie unterschiedlich sie diese begründen, einhalten und wie unterschiedlich sie auf Übertretungen reagieren“, (Montada 2002, S. 621).
Ein wichtiger Vertreter, der sich mit der Entwicklung von Begründungen normativer Urteile und den Orientierungen, die diese Urteile leiten, intensiv in seinen Forschungen auseinandersetzte ist Lawrence Kohlberg. Mit der Entwicklung seines im Folgenden aufgegriffenen 6-Stufen-Modells zur Entwicklung des moralischen Urteilens leistete er einen großen Beitrag auf diesem Forschungssektor. Betont werden sollte an dieser Stelle, dass Gegenstand Kohlbergs Psychologie der Moralentwicklung nicht das moralische Handeln, sondern das moralische Urteilen war. Es geht um die Frage, wie Menschen Handlungen nach den Maßstäben von „gut“ und „böse“ beurteilen. (vgl. Zimbardo 1996, S. 503).
2. Das 6-Stufen-Modell von Lawrence Kohlberg
a) Allgemeines
Kohlberg entwickelte die Arbeit Jean Piagets weiter. Dieser hatte zuvor durch umfangreiche Befragungen fünf- bis 13-jähriger Kinder ein Modell der moralischen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter entworfen. Kohlberg erweiterte Piagets Ansatz insofern, als dass er die von Piaget benannten zwei Stadien der moralischen Entwicklung - jenes der Heteronomie und jenes der Autonomie - auf drei Entwicklungsniveaus, die jeweils zwei Stufen umfassen, erweiterte und seine Forschungen auch das Erwachsenenalter umfassen. Zum Erfassen auf welcher Entwicklungsstufe sich eine Person befindet, entwickelte Kohlberg die Methode des moralischen Dilemmas. Die befragte Person bekommt eine hypothetische Situation geschildert, in welcher der Protagonist in eine moralische Zwickmühle kommt. Egal, wie er sich entscheidet, muss der Protagonist ein moralisches Prinzip zugunsten eines anderen verletzen - das wohl bekannteste Dilemma ist das sog. „Heinz- Dilemma“, (vgl. Montada 2002, S. 637).
Die Frau von Heinz leidet an einer seltenen Krebsart. Nur ein Apotheker verfügt über das heilende Medikament. Der Apotheker möchte Heinz das Medikament nur um ein Vielfaches seiner Herstellungskosten überlassen, Heinz ist es jedoch unter keinen Umständen möglich, die erforderliche Summe aufzubringen. Nach ergebnislosen Verhandlungen mit dem Apotheker bricht Heinz schließlich in die Apotheke ein und stielt das Medikament für seine Frau.
b) das Modell
Wie bereits angedeutet unterscheidet Kohlberg in seiner Arbeit zur Entwicklung des moralischen Urteilens drei Niveaus. Es sind dies die präkonventionelle, die konventionelle und die postkonventionelle Moral. Jede dieser Entwicklungsniveaus umfasst wiederum zwei Stufen. Konkret wurden im Anschluss an die Vorstellung eines Dilemmas, beispielsweise des HeinzDilemmas, Fragen gestellt wie etwa „Was ist schlimmer: Jemanden sterben zu lassen oder zu stehlen? Warum?“, „Soll der Richter Heinz verurteilen? Warum?“ et cetera. Durch die Auswertung der den Antworten immanenten Argumentationen, leitete Kohlberg das folgende Modell ab:
Präkonventionelle Moral
1. Stufe: Gehorsam und Orientierung an Strafe
Hier handelt das Individuum durch Orientierung an Belohnung und Strafe. Unberücksichtigt bleiben dabei die Interessen anderer.
2. Stufe: Naiv-hedonistische Orientierung
Nach dem Motto „Eine Hand wäscht die andere“ vermag das Individuum nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung die Bedürfnisse anderer in seine Überlegungen miteinzubeziehen. Hier geht es jedoch eher darum, die Bedürfnisse anderer insofern zu berücksichtigen, als dass dieser Zug zu einem anderen Zeitpunkt dem Individuum selbst wieder Vorteile bringt
Konventionelle Moral
3. Stufe: Good-Boy-Orientation
Der Fokus des Individuums erweitert sich um die Dimension der Gemeinschaft. Das Individuum ist bestrebt, wichtige Sozialbeziehungen zu Erhalten, wobei sich auf dieser Stufe die Orientierung eher auf Familie und andere Primärpersonen beschränkt.
4. Stufe: Orientierung an Recht und Ordnung
Der Fokus auf die Gesellschaft gewinnt an Weite, das Individuum erweitert seine Perspektive von den unmittelbaren Sozialbeziehungen hin zu übergreifenden Systemen wie z.B. den Staat. Die Erfüllung eines gegebenen Ordnungs- und Rechtssystems, in dem Rechte, Pflichten und Ansprüche der Menschen untereinander geregelt sind, ist das Ziel
Die postkonventionelle Moral
5. Stufe: Die Wandelbarkeit des Systems
Das Individuum erkennt, dass das System eine Art Gesellschaftsvertrag ist, der prinzipiell zwischen den Beteiligten vereinbar ist und somit verändert werden kann. Das Individuum ist bemüht, Prinzipien und Werte zu finden, die unabhängig von der Autorität einzelner Gruppen oder Personen sind.
6. Stufe: Orientierung an universellen ethischen Prinzipien
Das Individuum begibt sich hier auf die Suche nach allgemeingültigen ethischen Prinzipien. Das moralische Urteil ist losgelöst von eigener Bedürftigkeit, Autoritäten und gesellschaftlichen Pflichten und Normen. Im Mittelpunkt steht die Würde einesjeden Einzelnen.
(vgl. Montada 2003, S. 635ff; Weber 1996, S. 98ff).
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[1] Anspielung auf das Buch „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ von John Gray. Gray beschreibt darin die Unterschiedlichkeit von Männern und Frauen und leitet daraus Verhaltensregeln ab.
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