Die Transkulturalität auf dem Prüfstand


Hausarbeit, 2009

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Themenwahl und Vorgehensweise

1 Zum traditionellen Kulturverständnis
1.1 Kultur: Begriffsinhalt
1.2 Ursachen im Kopf – Folgen in der Welt
1.3 Kulturkontakt: Inter- und Multikulturalität
1.3.1 Kritik an den Konzepten
1.3.2 Hofstedes Modell der Interkulturalität

2 Transkulturalität als Beschreibung veränderter Realitäten
2.1 Gesellschaftliche Transkulturalität
2.1.1 Merkmale der transkulturellen Gesellschaft
2.1.2 Gesellschaftliche Transkulturalität am Beispiel Deutschlands
2.2 Individuelle Transkulturalität
2.2.1 Der Einzelmensch als „kultureller Mischling“
2.2.2 Chancen und Probleme hybrider Identitäten
2.3 Kulturbegriff der Transkulturalität
2.4 Transkulturalität und Globalisierung
2.5 Grenzen und Unzulänglichkeiten des Konzepts
2.6 Transkultureller DaF-Unterricht?

Zusammenfassung und Fazit

Literaturverzeichnis

Themenwahl und Vorgehensweise

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Kulturkonzept der Transkulturalität des Jenaer Philosophieprofessors Dr. Wolfgang Welsch. Welschs pragmatische Vorstellung von Kultur war eines der Themen im DaF-Seminar „Landeskunde und interkulturelle Begegnung“ im Wintersemester 08/09 an der Universität Jena.

Seine Ideen stehen stellvertretend für ein neueres Paradigma in der Kulturwissenschaft (vgl. Hansen 2003: 360), das die Nation als zentrale Untersuchungsgröße aus dem Zentrum des Interesses rückt und neuen Wirklichkeiten verstärkt Beachtung schenkt.

In der Arbeit sollen die Herleitung des Konzepts, seine inhaltlichen Aussagen und mögliche Konsequenzen der Transkulturalität nachvollzogen, geprüft und ggf. kritisiert werden.

Im ersten Teil wird hierzu der traditionelle Kulturbegriff vorgestellt und seine Ursachen und Wirkung sowohl historisch als auch in heutiger Zeit untersucht. Anhand eines Modells der interkulturellen Kommunikation wird Welschs Kritik an ebendieser nachvollzogen.

Ausgehend von der tatsächlichen Verfassung von Kulturen und Identitäten wird dann im zweiten Teil das Konzept der Transkulturalität erläutert. Dabei werden Welschs Aussagen sowohl auf die deutsche Gesellschaft als auch auf sogenannte hybride Identitäten bezogen. Außerdem werden seine Thesen zum Kulturbegriff der Transkulturalität dargestellt, sowie deren Verhältnis zur Globalisierung geklärt. Nach einer kritischen Auseinandersetzung soll abschließend geprüft werden, inwieweit die Forderungen Welschs Eingang in den Unterricht für Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache finden können.

1 Zum traditionellen Kulturverständnis

1.1 Kultur: Begriffsinhalt

Welschs Ansatzpunkt für die Entwicklung der Transkulturalität ist die Kritik am traditionellen Kulturkonzept. Dieses betrachtet einzig die Nationalkultur, welche ihrerseits durch drei Charakteristika bestimmt ist (vgl. WELSCH 1995):

- Alle Mitglieder gehören ein- und derselben Ethnie, also einem Volk an (ethnische Fundierung). Kultur ist dabei die Äußerung eines spezifischen Volkscharakters.
- Kultur wirkt sozial homogenisierend, d. h. innerkulturelle Unterschieden sind nicht vorhanden oder nicht relevant.
- Jede Kultur ist einzigartig und soll es durch Abgrenzung gegen andere Volkskulturen auch bleiben.

Demnach werden „Kulturen als Kugeln oder autonome Inseln [beschrieben], die jeweils dem territorialen Bereich und der sprachlichen Extension eines Volkes entsprechen sollten […]. (ebd.)

Welsch führt den Inhalt dieser traditionellen Auffassung auf die Schriften Johann Gottfried Herders zurück, wofür er von Anne Löchte (2005: 128), die sich intensiv mit dessen Kulturtheorie auseinandersetzte, heftig kritisiert wird: „Es ist in der Herder-Rezeption eine verbreitete Fehlauffassung, Herder sei von der Notwendigkeit kultureller Abschottung ausgegangen. Ein Beitrag von Wolfgang Welsch enthält eine besonders frappierende Falschdarstellung der Herderschen Kulturtheorie […]

Herder betone demnach immer wieder die befruchtende Wirkung der Völker aufeinander (vgl. ebd.: 131). Desweiteren sehe er im Volk keine biologische, sondern eine sich kulturell und sprachlich konstituierende Gemeinschaft (vgl. ebd.: 135).

Doch unabhängig davon, wie Welsch zu seinen Aussagen über den vermeintlich Herderschen Kulturbegriff gekommen ist, kann man nicht von der Hand weisen, dass viele Menschen an die drei Kultur-Säulen der ethnischen Fundierung, der sozialen Homogenisierung und der Abgrenzung nach außen glaubten oder dies noch heute tun, was zum Teil gravierenden Konsequenzen hat, wie die Unterdrückung von Minderheiten, Kriege oder ethnische Säuberungen. Mögliche Ursachen für eine solche Weltsicht sind in der Sozialpsychologie zu finden.

1.2 Ursachen im Kopf – Folgen in der Welt

Es soll der Frage nachgegangen werden, was aus sozialpsychologischer Perspektive Menschen dazu veranlasst, die Welt in homogene, sich voneinander abgrenzende Kollektive - seien es Kulturen, Nationen oder sonstige Gruppen - einzuteilen.

Zentral für diese Problematik ist die Funktion von Vorurteilen und Stereotypen, auf denen eine solche Weltsicht maßgeblich basiert. Welchen Nutzen also hat ein Mensch oder ein Kollektiv davon, wenn er bzw. es sich den vorschnellen Bewertungen anderer Personen und Gruppen hingeben?

Als Hauptfunktionen von Vorurteilen nennt Nicklas (vgl. 2006: 111) die Orientierungsfunktion sowie die Stärkung der gesellschaftlichen Integration. Zur ersteren zählt, dass dieser Mechanismus der Stereotypenbildung die Welt für ein Individuum besser fassbar macht und klare Freund-Feind-Schemata liefert. Außerdem kann durch die Reduktion der Komplexität der Welt vermieden werden, dass ein Mensch in schwer zu ertragende und beängstigende Situation der Uneindeutigkeit gerät.

Auf gesellschaftlicher Ebene übernimmt die Vorurteilsbildung ihm zufolge gleich mehrere Funktionen: Erstens kann über den „Sündenbockmechanismus“ die Verantwortung für innergesellschaftliche Missstände nach außen abgelenkt werden, was auf das Kollektiv entlastend wirkt. »Die Juden sind an allem Schuld« wäre zwar ein extremes, aber dennoch typisches Beispiel für dieses Phänomen. Zweitens gibt die Übernahme von kollektiven Stereotypen eine gewisse Garantie dafür, dass man nicht selbst in die Außenseiterrolle gerät und drittens erhöht der Ausschluss von Fremden die Bindung an die eigene Gruppe und somit das subjektive Geborgenheitsempfinden.

Diese dritte soziale Funktion führt zum sogenannten „Tajfel-Dilemma“ (vgl. ebd.: 114): Jeder Mensch strebt nach einem positiven Selbstbild, welches jedoch maßgeblich an eine solide soziale Integration gebunden ist. Zwangsläufig müssen Gruppengrenzen definiert werden, über die hinweg unvermeidbare Vergleichsprozesse mit einer positiven Attribuierung der eigenen und einer negativen Attribuierung der anderen Gruppe von statten gehen. Genau dadurch aber entstehen Ausgrenzung, Vorurteile und Aggressionen, sodass das ursprünglich erstrebenswerte Ziel in seinen Konsequenzen sehr problematisch ist.

Die Folgen solcher Prozesse, die vermutlich maßgeblich an der Herausbildung des ethnisch-homogenen Kulturdenkens beteiligt sind, kann man sowohl historisch und politisch als auch im Alltagsleben leicht und zahlreich beobachten: Es geht auf unterster Ebene los, wenn sich die Polizei schützend zwischen die Anhänger zweier verfeindeter Fußballklubs stellen muss und tritt in der extremsten Form als kriegerische Auseinandersetzung, ethnische Säuberung oder Völkermord auf.

Zusammenfassend kann demnach gesagt werden, dass die Abkapselung von Kulturen, wie sie sowohl damals als auch heute vielfach gedacht wird, trotz der allen bekannten und zum Teil verheerenden Folgen sozialpsychologisch durchaus plausibel ist, oder wie Nicklas es formuliert: „Diese vielfältigen Funktionen, die Vorurteile […] erfüllen, sind die Ursache dafür, dass Menschen so hartnäckig an ihnen festhalten und sie so schwer zu bekämpfen sind.“ (ebd.: 111)

1.3 Kulturkontakt: Inter- und Multikulturalität

1.3.1 Kritik an den Konzepten

Was aber geschieht, wenn diese kugel- oder inselartigen Kulturen nun aufeinandertreffen, seien es zwei Gesellschaften oder Staaten, was nach Welschs Begrifflichkeit Interkulturalität ausmacht, oder innerhalb einer staatlichen Gemeinschaft, was als Multikulturalität bezeichnet wird?

Welsch sieht die Notwendigkeit, dass die althergebrachte Kulturauffassung dazu führt, dass Kulturen […] sich der Logik ihres Begriffes gemäß eben nur voneinander absetzen, sich gegenseitig verkennen, ignorieren, diffamieren oder bekämpfen [können].“ (WELSCH 1995)

Die fortschrittlicheren Konzepte der Inter- und Multikulturalität versuchen nun, diese problematischen Folgen des heute alltäglichen Kulturkontaktes durch Maßnahmen abzufangen, die gegenseitiges Verständnis, Toleranz und Offenheit fördern. Dies sei seiner Auffassung nach zwar löblich, aber letztlich ineffizient und ergebnislos, weil die Prämisse des traditionellen Kulturbegriffs - Homogenität und klare Unterscheidbarkeit - in beiden Konzepten unverändert mit sich fortgeschleppt werde. Dadurch werden diese Ansätze seiner Meinung nach nie ihre selbstgesteckten Ziele erreichen können, da die Probleme, die beim Kulturkontakt auftreten und die sie zu bekämpfen versuchen, erst aus der Kugelthese der Kulturen entspringen.

Somit versäume die Interkulturalität, „die Wurzel des Problems anzugehen. Es ist nicht radikal genug, sondern bloß kosmetisch.“ (ebd.)

Am Multikulturalitätsgedanken kritisiert er, dass durch die Hinnahme der kulturellen Schranken, die die Kugelthese mit sich bringt, durch die Berufung auf kulturelle Identität Entwicklungen in Richtung Gettoisierung und Fundamentalismus befördert werden könnten.

Um Welschs Skepsis gegenüber den inter- und multikulturellen Ansätzen besser nachvollziehen zu können, wird im Folgenden ein Interkulturalitäts-Modell der von ihm kritisierten Art vorgestellt.

1.3.2 Hofstedes Modell der Interkulturalität

Das Modell des niederländischen Psychologie-Professors Geert Hofstede entstammt dem interkulturellen Business. Auf Grundlage einer Befragung von IBM-Mitarbeitern aus 64 Ländern aus den Jahren 1967-73 und späteren, ergänzenden Umfragen verschiedener Gesellschaftsgruppen entwickelte er ein Modell, das jede Nationalkultur in fünf voneinander unabhängigen Kulturdimensionen zahlenmäßig genau erfasst und somit vergleichbar macht. Diese Dimensionen sind (vgl. HOFSTEDE):

- Machtdistanz (Power Distance Index): Inwieweit werden innergesellschaftliche Machtunterschiede erwartet oder akzeptiert?
- Individualismus/Kollektivismus (Individualism): Wie stark ist der Einzelne in Gruppen eingebunden?
- Maskulinität/Feminintät (Masculinity): Inwieweit unterscheiden sich die Werte der Männer von denen der Frauen?

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Transkulturalität auf dem Prüfstand
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Auslandsgermanistik/Deutsch als Fremd- und Zweitsprache)
Veranstaltung
Landeskunde und interkulturelle Begegnung
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V128806
ISBN (eBook)
9783640350414
ISBN (Buch)
9783640350131
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Transkulturalität, Prüfstand
Arbeit zitieren
Felix Block (Autor:in), 2009, Die Transkulturalität auf dem Prüfstand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128806

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