Das neue Sehen - Die neuen Frauen - Die neuen Fotografinnen - Bildbetrachtungen Aenne Biermann - Neue Fotografin, Neue Frau


Hausarbeit, 2002

22 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die neue Situation

Das Neue Sehen

Die Neuverteilung der Rollen

Die neuen Fotografinnen

Aenne Biermann – „Neue Fotografin“ und „Neue Frau“

Bildbetrachtungen

Bibliographie

Vorwort

In der vorliegenden Arbeit skizziere ich die veränderte politische und wirtschaftliche Situation Deutschlands um daraus die Entwicklung eines Neuen Sehens und eines neuen Rollenverständnisses der Geschlechter abzuleiten. Beide Bewegungen verliefen parallel und waren niemals homogen. Ich werde auf die Entwicklung des Neuen Sehens/ der Neuen Fotografie in den Zwanziger Jahren eingehen.

Von vielen Seiten wurde der Versuch unternommen das Bild der Neuen Frau festzuschreiben. Mit dem Ergebnis, das Kategorien und Klischees erschuf, die dem neuen Kulturideal nur oberflächlich gerecht wurden. Dennoch werde ich in dieser Arbeit mit diesen Kategorien arbeiten, da sie für meine Zwecke ausreichend erscheinen. In einem weiteren Abschnitt werde ich den Beruf Fotografin näher beleuchten um dann das Leben und einige Werke der Künstlerin Aenne Biermann unter den Gesichtspunkten der Neuen Fotografie und dem veränderten Geschlechterverständnis zu betrachten.

Die erste deutsche Republik, eine Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs, wurde von vielen Frauen als hoffnungsvoller Übergang in eine liberale Zukunft erlebt. In diesen Jahren der aufbrechenden sozialen Hierarchien suchten und fanden zahlreiche Fotografinnen Zugang zu den neuen, sich erweiternden Bereichen fotografischer Tätigkeit. Die Kamera ermöglichte nicht nur eine neue Chance zur Berufstätigkeit für Frauen, sondern bedeutete auch gleichzeitig ein mögliches Instrument zur gesellschaftlichen Teilnahme (vgl. Eskildsen 1994).

Ein wichtiger, meist vernachlässigter Zweig der Fotografie ist jenen unzähligen, meist unbekannten AmateurfotografInnen zu verdanken, die sich dem fotografischen Kunsthandwerk widmeten und mit ihren Produkten selten einem vorgegebenem Regelkanon entsprachen. Dennoch spiegeln sie die Eigenheiten und Besonderheiten der Fotografie wider oder betonen sie auf besondere Weise. In Ausstellungen oder Veröffentlichungen ist dem heutigen Betrachter aus der unabschätzbaren Masse an Fotografien nur ein Bruchteil an Aufnahmen zugänglich (vgl. Frizot 1998).

In diesem Zusammenhang sind die ersten Aufnahmen Aenne Biermanns zu sehen. Als Tochter aus reichem Haus heiratete sie einen wohlhabenden, sozial angesehenen Kaufhausbesitzer und musste sich über Geld nie Gedanken machen. Die vielen Angestellten, die die tägliche Hausarbeit und die Versorgung der Kinder übernahmen, ermöglichten ihr einen hohen Grad an Freizeit. Ob dies möglicherweise ein Grund für den Beginn ihrer Beschäftigung mit der Fotografie war, bleibt offen. Auslösendes Moment waren mit großer Sicherheit die Geburten ihrer Kinder.

Seit 1992 wird der Aenne- Biermann- Preis für deutsche Gegenwartsfotografie ausgeschrieben und verliehen. Dieser Preis gehört zu den renommiertesten Preisen für Gegenwartsfotografie (vgl. Rüdiger 1998)

Aenne Biermann schuf ihr künstlerisches Werk innerhalb weniger Jahre in Gera. Der Großteil ihres Werkes gilt als verschollen. Einige Arbeiten werden in Museen der Stadt Gera aufbewahrt und andere befinden sich in Geraer Privatsammlungen. 1988 wurde eine große Retrospektive des fotografischen Werkes im Museum für Angewandte Kunst Gera gezeigt, die vom Folkwang- Museum in Essen unter der Regie von Ute Eskildsen veranstaltet wurde.

Die neue Situation

Als der Erste Weltkrieg ausbrach war Deutschland eine bedeutende Industrie- und Weltmacht. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg brach die politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung in Deutschland zusammen. Nach schweren Notjahren, die von Inflation und politischen Ereignissen geprägt waren, begannen um das Jahr 1924 bessere Zeiten. Mit Hilfe von Geldern britischer und amerikanischer Banken gelang es Deutschland sich zu stabilisieren. Durch diese Anleihen ging es auch wirtschaftlich bergauf. Das Produktionsvolumen stieg zwischen 1924 und 1929 um 50%. Die Jahre zwischen der Sanierung und dem Beginn der Weltwirtschaftskrise werden häufig als die „goldenen Zwanziger“ bezeichnet.

Das Neue Sehen

„Aus dem erweiterten Bewusstsein für die ästhetischen Möglichkeiten der geometrischen Form, sei es an der Maschine, sei es am Bau, entstand in Deutschland eine avantgardistische Richtung der Fotografie, die häufig als „neues Sehen“ apostrophiert wurde.“ (van deren Coke 1982, S.8)

Die neuen Entwicklungen in der Fotografie der 20er Jahre brechen mit den traditionellen Sehweisen, erschließen neue Themen- und Anwendungsbereiche. Bereits 1920 zeichneten sich neue Einsatzgebiete für die Fotografie ab, z.B. in der Werbung und dem Journalismus. Die „neuen“ FotografInnen erfanden neue Verwendungsmöglichkeiten für die neuartigen Kameras und lichtempfindlichen Filme, die in den 20er Jahren in Deutschland eingeführt wurden. Der spontane Gebrauch der Kamera selbst in bewegten, turbulenten Szenen war ein großer Fortschritt, der neue Sujets erschloss und damit das Themenspektrum erweiterte. Die Industriefotografie, die sich mit den technischen Errungenschaften beschäftigte, entwickelte sich.

Ein neues Selbstbewusstsein und Vertrauen in die Fotografie als künstlerisches Medium und angesehenen Berufszweig entstand. Der Bedarf an Fotos stieg, sei es in der Werbung, Wirtschaft, Handel oder im privaten Sektor. Durch die neue Freiheit zu Experimentieren eröffneten sich neue Räume und Möglichkeiten.

Als die beiden Pioniere bei der Durchsetzung des „neuen Sehens“ bezeichnet van deren Coke Làszlò Moholy-Nagy und Albert Renger-Patzsch in dem von ihm herausgegebenem Buch „Avantgarde-Fotografie in Deutschland: 1919-1939“. Er betont an späterer Stelle, dass neben diesen beiden auch viele andere FotografInnen wichtige Beiträge leisteten.

Moholy erkannte die vielfältigen Möglichkeiten, die die Fotografie in sich barg. Er war der Meinung, die Fotografie müsse sich über die allgemein respektierten, tradierten Grenzen hinwegsetzen und die Kamera und den Film als vielseitiges Mittel zur Erzeugung von Bildern mit Hilfe von Licht betrachten. Er sah in der Kamera und im lichtempfindlichen Papier Mittel, um einer breiten Öffentlichkeit auf neue Weise seine Auseinandersetzung mit der Zeit vorzuführen. Moholy nutzte die Erkenntnis, dass die Kamera den Blick einengte und vertraute Formen so verändern kann, so dass sie plötzlich neu erscheinen. Er bestimmte das Medium Fotografie aus seinem Verhältnis zum Licht und betrachtete die Kamera als Instrument, das Licht zur Erzeugung von Bildern verwendbar macht (vgl. van deren Coke 1982).

Albert Renger-Patzsch vertrat die Ansicht, dass ein Gegenstand aus der ihm eigenen günstigsten strukturellen Perspektive fotografiert werden muss. Er ist der Auffassung, die Fotografie habe die Möglichkeit Entstehungs- und Fertigungsprozesse mit großer Klarheit wiederzugeben. Er sah als wesentliches Merkmal der Fotografie deren Möglichkeiten zur realistischen Wiedergabe der Objektwelt (vgl. ebd.).

Im Jahrbuch „Das deutsche Lichtbild“ (Nr.1, 1927) äußerten sich Moholy und Renger-Patzsch über die „neue Fotografie“: Sie stimmten darin überein, dass die Fotografie ein autonomer Zweig der Kunst sei. Moholy stellt die Fotografie in den Bereich der visuellen Kunst und hob die Neuartigkeit dieser Form von Bilderzeugung hervor. Renger-Patzsch betonte die Möglichkeiten der Kamera, die Wirklichkeit über das normalerweise Wahrnehmbare hinaus abzubilden (vgl. ebd.).

Das Buch „Es kommt der neue Fotograf“ von Werner Gräff aus dem Jahr 1929 bezeichnet van deren Coke als das Symbol der neuen fotografischen Bewegung. Moholys Buch „Malerei Fotografie Film“, erschienen in der Reihe des Bauhauses, muss, so der Autor, mit dem Gräffs in Zusammenhang gesehen werden. Beide riefen zu einer Abkehr von den überkommenen Regeln auf.

Zu den Neuerungen zählten u.a.:

1. Steilaufnahmen nach oben oder unten
2. kameralose Erzeugung von Bildern auf lichtempfindlichem Papier (Fotogramme)
3. Schnappschussaufnahmen mit kleinen Kameras
4. Negativkopien, die die Realität umkehrten
5. aus extremer Nähe aufgenommene Portraits, die eine dramatische Wirkung erzielten
6. Äußerst scharfe Detailaufnahmen von Pflanzen, Tieren und Mineralien
7. Bewusste Verwendung der Diagonalen

Zwischen 1920 und 1933 wurden in Deutschland sehr viel mehr groß angelegte Fotoausstellungen veranstaltet als in irgendeinem anderen Land. Bezeichnend für den Beginn einer zunehmenden Anerkennung des „Neuen Sehens“ ist die vom Jenaer Kunstverein geleitete Ausstellung „Neue Wege der Photografie“ im Jahre 1928. Bis zur Machtergreifung Hitlers 1933 gab es fast jährlich große

Fotoausstellungen. Sie unterstützten das Interesse an der „neuen Fotografie“.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das neue Sehen - Die neuen Frauen - Die neuen Fotografinnen - Bildbetrachtungen Aenne Biermann - Neue Fotografin, Neue Frau
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Theater-, Film- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Bild und Text in der Avantgarde- Fotografie der zwanziger Jahre
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2002
Seiten
22
Katalognummer
V13156
ISBN (eBook)
9783638188807
Dateigröße
2862 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neues Sehen, Fotografie, Fotografin, Rollenbilder, Frau, Aenne Biermann
Arbeit zitieren
Nicole Schulze (Autor:in), 2002, Das neue Sehen - Die neuen Frauen - Die neuen Fotografinnen - Bildbetrachtungen Aenne Biermann - Neue Fotografin, Neue Frau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13156

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