Tristan und Isolde

Vergleich der Werke Gottfried von Straßburgs und Eilhart von Obergs


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

25 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Der Liebestrank

3. Minnegrotte vs. Waldleben

4. Weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Der „vorhöfische“[1] Tristan-Roman[2] Eilhart von Obergs war die erste vollständige Bearbeitung des Tristan-Stoffes in deutscher Sprache[3]. Später wurde dieses Thema von Gottfried von Straßburg aufgegriffen und in einigen Aspekten entschieden verändert. Diese Änderungen sind einerseits auf eine andere Stofftradition zurückzuführen[4], andererseits auf eine andere Gesamtkonzeption der Werke und Weltsicht der Autoren.

In der vorliegenden Arbeit sollen die konzeptionellen Eigenheiten in den Werken der beiden mittelhochdeutschen Schriftsteller anhand zweier, in der Sekundärliteratur zum Thema meist diskutierter Unterschiede herausgearbeitet werden.

Zunächst soll dazu der Liebestrank, bzw. dessen Darstellung, Wirkung und Bewertung innerhalb der beiden Romane erläutert und verglichen werden. Als auslösendes Moment kommt ihm eine Schlüsselstellung zu, er motiviert und beeinflusst die Handlung in beiden Romanen, jedoch nicht auf die gleiche Art und Weise.

Ein weiterer Unterschied ist die Darstellung des Lebens außerhalb der Gesellschaft. In beiden Werken gibt es eine Episode, in welcher Tristan und Isolde die Hofgesellschaft verlassen und zurückgezogen in Zwei-, bzw. Dreisamkeit[5] in der Natur leben. Die Konzeption dieser Szenen unterscheidet sich stark zwischen den Autoren. Welche Unterschiede konkret vorhanden sind und mit welcher Intention die jeweilige Darstellungsform gewählt wurde wird hier zu zeigen sein.

Das dritte Kapitel skizziert weitere Unterschiede der beiden Werke, die in der Literatur als relevant angesehen werden.

Der Fokus dieser Ausarbeitung liegt aber eindeutig auf der Darstellung des Liebestranks und seinen Folgen, sowie auf der Konzeption der „Minnegrotte“, bzw. der „Waldleben- Episode“. Auf der Grundlage der, in diesen Gegenüberstellungen herausgefunden Unterschiede und Gemeinsamkeiten, soll der Vergleich der beiden Werke erfolgen.

2. Der Liebestrank

Der Auslöser der dramatischen Handlung in beiden Romanen ist ein „magischer“[6] Liebestrank, der, für Isolde und Marke bestimmt, versehentlich von Tristan und Isolde getrunken wird. Beiden Werken ist gemein, dass die Charaktere sich daraufhin ineinander verlieben. Im Anschluss jedoch, unterscheiden sich die Darstellungen von Gottfried und Eilhart auffallend. Es bedarf demnach einer differenzierten Betrachtung beider Konzeptionen, in deren Verlauf ein Vergleich durchgeführt werden soll.

Zunächst soll das Augenmerk auf die ältere Tristan-Version gerichtet werden. Der „tranck“[7] wird zum ersten Mal erwähnt als Isolde den Hof ihres Vaters verlassen muss, um mit Tristan nach Cornwall zu reisen und König Marke zu heiraten. Isoldes Mutter übergibt Brangene, der Zofe Isoldes, ein Fläschchen mit dem Auftrag dafür Sorge zu tragen, dass Marke und Isolde in ihrer ersten gemeinsamen Nacht das enthaltene Getränk gemeinsam trinken. Der Erzähler in Eilharts Roman erklärt daraufhin die Wirkung des Tranks en détail: Wenn eine Frau und ein Mann ihn gemeinsam tranken, so verfielen sie für vier Jahre in unsterbliche Liebe füreinander; die Rede ist hier von körperlicher Liebe („sie musten sich minnen mit allen iren sinnen“ (E.V 2391 ff.)). In der aktuellen Literaturforschung wird davon ausgegangen, dass „Minne als emotionale Verbundenheit während der Trankwirkung keine Rolle [spielt]“[8] und tatsächlich lässt auch in der weiteren Beschreibung der Wirkung wenig direkt auf „Gefühle“ schließen. Körperlicher Art sind nämlich auch die Auswirkungen, die eintreten, wenn sich die so einander Verfallenen nicht sehen, sprechen oder „minnen“ können; nach einem Tag folgt Krankheit, nach einer Woche gar der Tod. Von Oberg beschreibt diesen Zustand folgendermaßen:

vier jar sie pflegten so grosser lieb baid,

ja daß sie sich nit schaiden möchten och ainen tag.

stätlich ainß deß andern pflag an ze sehen by nacht und tagen:

also hort ich da von sagen. daß macht ouch der tranck

daß yeglichs ward siech und kranck, ob sie waren ein wochen

von ain ander ungesprochen, sie musten baide wesen tod. (E.V. 2394 ff.)

(Wenn eine Frau und ein Mann gemeinsam davon tranken,

so konnten sie vier Jahre nicht voneinander lassen.

Was immer sie tun mochten: Ihr Leben lang waren sie einander

mit allen Fasern ihres Herzens in Liebe verbunden. Und vier Jahre

war diese Liebe so übermächtig groß, daß [sic!] sie auch nicht einen einzigen

Tag lang ohne einander leben konnten. Wie mir’s versichert wurde, mußten [sic!]

sie einander jeden Tag und jede Nacht unbedingt sehen. Und wenn sie eine

Woche lang nicht miteinander reden konnten, so bewirkte der Trank, daß [sic!] sie

beide erkrankten und dahinsiechten, ja am Ende sogar den Tod fanden. (E.S.63))

Tristan und Isolde fahren daraufhin mit dem Schiff in Richtung Cornwall, wo Isolde Marke zur Frau gegeben werden soll. Während der Überfahrt überkommt beide Durst und sie lassen sich von einem „junckfrolin“ (E.V. 2454) etwas zu trinken reichen: den Liebestrank. Beide wissen weder von seiner Existenz, noch von seiner Wirkung und so trinken sie das Getränk gemeinsam aus. Sofort überkommt sie „heißes Liebesverlangen“ (E.S. 65) („sie verlúren baid ir sinne, oder sie müsten ain ander minne“ (E.V. 2465 ff.)), welches sie sich nicht erklären können. Beide sind verwirrt und leiden dreieinhalb Tage lang Qualen, bis Brangene das Unglück bemerkt und die beiden durch eine List zusammenführt. Von diesem Zeitpunkt bis zur Ankunft in Cornwall verbringen Tristan und Isolde die Zeit auf dem Schiff gemeinsam in Isoldes Unterkunft und geben sich ganz der „minne“ hin.

Bei näherer Betrachtung und Deutung dieser Szenen werden mehrere konzeptionelle Eigenheiten des Werks deutlich.

Zunächst erwächst „Herzeleid aus Körperqual“[9] ; sowohl Tristan als auch Isolde leiden Qualen körperlicher Art bedingt durch die Wirkung des Trankes („siech und kranck“ (E.V. 2402)) bis sie endlich zusammenkommen können. Das Leid ist in dieser Beziehung also von Anfang an vorhanden und wird nicht erst im Handlungsverlauf des Romans von außen an die Beziehung herangetragen. Weiterhin ist es den Beiden unmöglich sich zu trennen, ohne den Tod zu finden. Von einer „vierjährigen Zwangszeit mit Krankheitswert“[10] zu reden mag übertrieben anmuten, tatsächlich konzipierte Eilhart aber durchaus eine Macht, der sich die Betroffenen nicht entziehen konnten: einen Zwang. Dieses „Zwang- Motiv“, hat Eilharts Konzeption und die Deutung derselben maßgeblich beeinflusst. Zum einen erreicht er damit, dass das ehebrecherische Verhalten Tristans und Isoldes moralisch entlastet wird, da sie sich ihm nicht entziehen können[11] ; er kreiert eine Art der „Schuldunfähigkeit“[12]. Zum anderen benutzte er ein literarisches Motiv, das schon im Mittelalter bekannt war; in der Literaturwissenschaft wird es, auf Eilhart bezogen, als „Eine Liebe ‚ane dang‘“[13] bezeichnet. Dies bedeutet, dass alle Ereignisse in den vier Jahren der Trankwirkung ohne die Zustimmung Tristans und Isoldes geschehen, und verstärkt so den Eindruck von einem Zwang, dem die beiden willenlos ausgesetzt sind. Der Autor erklärt mit der aus dem Trank folgenden Willenlosigkeit auch im Verlauf seines Romans kritische Stellen, die nicht recht zum Bild des „vorbildlichen Helden“[14] Tristan passen wollen. So wird in der „Bettsprung-Szene“ (Tristan will zu Isolde gelangen, obwohl ihm die Gefahr einer neuerlichen Aufdeckung ihres Verhältnisses bewusst ist) wiederum gesagt:

daß waß ain groß tumphait, daß er daß nit vermaid

durch sineß liebe ß freysen . Er wolt vor reysen zu der kúngin komen.

Doch hab wir wol vernomen, daß [Hervorhebung im Original] von dem tranck kam. (E.V. 4053 ff.)

(Es war dies jedoch eine große Unüberlegtheit, daß [sic!] er sich mit Vorbedacht

In Lebensgefahr begab. Er wollte eben unbedingt noch vor seiner Abreise

zur Königin kommen. Nun haben wir ja bereits vernommen, daß [sic!] jener Trank

schuld daran war. (E.S. 105))

Hier, wie an vielen anderen Stellen[15], wird der Trank und seine zwanghafte Wirkung explizit erwähnt, um irrationales oder „tumbes“ Verhalten der Hauptcharaktere zu erklären oder zu entschuldigen. Dass Eilhart hier eine Wertung des Zwangs einfließen lässt, wird vor allem klar, wenn man die Attribute miteinbezieht, die der Szene folgen, in der Tristan und Isolde den Trank trinken: sie ist mit negativen Ausdrücken, wie „verloren“, „jämmerlich“, „Tod“ (E.S. 72) und ähnlichem durchzogen. Der Trank und seine Wirkung werden von Eilhart folglich als Auslöser, Verursacher und Motor des Romangeschehens verwendet; alles geschieht unter der Prämisse des nicht- entziehbaren „Zwangs“.

Wie Gottfried von Straßburg das Trankmotiv verwendete, soll im Folgenden erläutert werden. Zudem werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Erzählungen aufgedeckt.

Auch in diesem Tristan-Roman, stammt der Trank von der Mutter Isoldes, über die Wirkung des Tranks äußert sich ebenfalls der Erzähler des Romans. Hier wird von einem „tranc von minnen“ (E.V. 11435) berichtet, der

mit alsô cleinen sinnen ûf geleit und vor bedâht,

mit solher crefte vollebrâht: mit sweme sîn ieman getranc,

den muose er âne sînen danc vor allen dingen meinen

und er dâ wider in einen.

In was ein tôd unde ein leben, ein triuwe, ein vröude samet gegeben. (G. V. 11436)

([...] mit so feinem Verstand gewählt und ausgedacht

und mit solcher Kraft ausgestattet war, daß [sic!] jeder,

der davon mit jemand anders trank, diesen, ob er selbst nun wollte oder nicht,

mehr als alles andere lieben mußte [sic!] und der andere wiederum ihn allein.

Nur ein [Hervorhebung im Original] Tod und ein [Hervorhebung im Original] Leben, eine [Hervorhebung im Original] Traurigkeit und ein [Hervorhebung im Original] Glück

war ihnen gemeinsam. (G.S. 97))

In diesem Ausspruch werden mehrere Merkmale, die sich von der älteren Darstellung unterscheiden, aber auch Gemeinsamkeiten deutlich, die im Folgenden nach und nach erläutert werden sollen.

Zunächst aber zum Handlungsverlauf: Entsprechend der eilhartschen Version, besteigen Tristan und Isolde ihr Schiff und fahren in Richtung Cornwall. Während der Fahrt fühlen sich die Damen unwohl, sodass das Schiff vor Anker geht und eine Pause eingelegt wird. Während dieser Pause besucht Tristan Isolde in ihrer Kabine, um sich über ihr Befinden zu informieren. Beide haben Durst und Tristan verlangt nach Wein. Eine „konturlose“[16], junge Hofdame reicht ihnen dann anstatt eines Weins den Liebestrank. Das versehentliche Trinken des Liebestranks wird bei Eilhart als eine „Verbildlichung des Schicksalhafte und Zufälligen der Minne“[17] gedeutet. In dieser Fassung kann das Mädchen, das den Beiden den Trank reicht und bezeichnenderweise nicht näher gekennzeichnet wird, ebenfalls als „Arm des Schicksals“[18] betrachtet werden.

[...]


[1] Mikatsch- Köthner, S. 13.

[2] Die von Eilhart gewählten Namen der Hauptcharaktere „Tristrant und Isalde“ sollen im Folgenden zugunsten der Lesbarkeit, wie bei Gottfried, als „Tristan und Isolde“ benutzt werden.

[3] Vgl. Langosch, Stammler, Ruh, S. 412 ff.

[4] Während vermutlich Eilhart und auch Béroul die altfranzösische „Estoire“ (auch „Ur-Tristan“ genannt) als Vorlage zur Verfügung hatten und ihre Ausführungen der „version commune“ (Spielmannsversion) zuzuordnen sind, benutzte Gottfried eine Tristan- Bearbeitung, die von Thomas von Britanje geschrieben wurde und den Regeln der „version courtoise“ (höfische Fassung) folgte. Während die erste Version das Hauptaugenmerk auf Abenteuer und die Gesellschaft legte, stellte die zweite (courtoise) die Liebe und höfisches Verhalten in den Vordergrund (Vgl. Huber, S.15 ff).

[5] In beiden Fassungen begleitet Kurnewall zunächst Tristrant und Isalde während ihres Waldlebens.

[6] Vgl. Mikatsch- Köthner, S. 50.

[7] Oberg, V. 2370. Im Folgenden sollen Zitate aus Eilharts Originaltext und deren Übersetzung mit „E.V“ („Eilhart Vers“), bzw. „E.S.“ („Eilhart Seite) gekennzeichnet werden. Ersteres steht für den mittelhochdeutschen Text, das zweite Kürzel für die von Buschinger/ Spiewok vorgenommene Übersetzung.

Gleiches gilt für Gottfried von Straßburgs Werk, dort werden allerdings die Kürzel „G.V.“ („Gottfried Vers“) und „G.S.“ („Gottfried Seite“), für die Übersetzung von KROHN verwendet.

[8] Fritsch- Rößler, S.309.

[9] Vgl. Fritsch- Rößler, S. 308.

[10] Fritsch- Rößler, S. 308.

[11] Vgl. Walz, S. 93: Walz behauptet weiterhin, der Trank habe nur der Motivation des Ehebruchs gedient, damit wäre seinen anderen Funktionen aber nicht genüge getan.

[12] Vgl. Huber, S. 72.

[13] So der Titel eines Kapitels in: Keck, S. 97.

[14] Vgl. Langosch, Stammler, Ruh, S. 414.

[15] Als weiteres Beispiel sei hier die Szene genannt, in der Brangene an Isoldes statt zu Marke ins Bett steigt, um deren verlorene Jungfräulichkeit zu decken. Tristans fehlende triuwe und sein Betrug an Marke werden wieder mit der Wirkung des „gar unselig tranck[s]“ (Oberg, V. 2966) erklärt.

[16] Vgl. Huber, S. 75.

[17] Vgl. Mikatsch- Köthner, S. 50.

[18] Huber, S. 75.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Tristan und Isolde
Untertitel
Vergleich der Werke Gottfried von Straßburgs und Eilhart von Obergs
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für deutsche Philologie des Mittelalters)
Veranstaltung
Höfische Kultur um 1200
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
25
Katalognummer
V131586
ISBN (eBook)
9783640373512
ISBN (Buch)
9783640373246
Dateigröße
515 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tristan, Isolde, Vergleich, Werke, Gottfried, Straßburgs, Eilhart, Obergs
Arbeit zitieren
Julian Gotthardt (Autor:in), 2009, Tristan und Isolde, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131586

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