Eine systematische Darstellung und Analyse der Denkschulen im strategischen Management


Magisterarbeit, 2007

97 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau und Vorgehensweise

2. Begriffsklärungen
2.1 Strategie
2.2 Strategisches Management
2.3 Denkschule

3. Systematisierungskonzepte für das strategische Management
3.1 Vorstellung der präskriptiven und deskriptiven Ansätze zur
Einteilung der Denkschulen
3.2 Übersicht verschiedener Systematisierungskonzepte
3.3 Zwischenfazit

4. Zur systematischen Darstellung der Denkschulen im strategischen Management
4.1 Grundlagen
4.1.1 Vorstellung der Hauptvertreter der Denkschulen im
Kontext ihrer wissenschaftlichen Herkunft
4.1.2 Einordnung der Denkschulen nach Zeit/Relevanz
4.1.3 Zentrale Botschaften der jeweiligen Denkschulen
4.2 Strategieverständnis
4.2.1 Unterschiedliche Bedeutungszuweisungen zum Strategiebegriff
4.2.2 Ansichten zum Strategieprozess
4.3 Interne Komponenten und Einflussfaktoren auf die Strategieformulierung
4.3.1 Unternehmertum und Führung
4.3.2 Organisationsstruktur
4.3.3 Ressourcen
4.4 Externe Komponenten und Einflussfaktoren auf die Strategieformulierung
4.4.1 Branchenumfeld
4.4.2 Gesellschaftliche und soziale Anspruchsgruppen
4.5 Möglichkeiten und Maßnahmen der Strategieimplementierung

5. Kritische Analyse und Gegenüberstellung der Denkschulen im strategischen Management
5.1 Weiter Vorgehensweise und Grenzen der Untersuchung
5.2 Untersuchung der präskriptiven Denkschulen
5.2.1 Zur Designschule: Gedanklicher Vorreiter aller präskriptiven Denkschulen
5.2.2 Zur Positionierungsschule: Anspruch auf Begründung einer eigenen Denkschule?
5.2.3 Kritische Betrachtung der präskriptiven Schulen
5.3 Untersuchung der deskriptiven Denkschulen
5.3.1 Differenzierung der deskriptiven Schulen durch Schwerpunktbildung
5.3.2 Kritische Betrachtung der deskriptiven Schulen
5.4 Synthese: Vergleich präskriptiver und deskriptiver Modelle im strategischen Management
5.4.1 Anmerkungen zur Inkommensurabilitätsproblematik
im strategischen Management
5.4.2 Möglichkeiten im Umgang mit dem Theorienpluralismus im strategischen Management

6. Abschließende Beurteilung des Konzeptes der zehn Denkschulen Henry Mintzbergs

BIBLOGRAPHIE

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Forschungsdimensionen im strategischen Management

Abb. 2: Überblick Schulenauswahl

Abb. 3: Aktivitäten der präskriptiven Schulen seit 1965

Abb. 4: Planungsmodell nach Ansoff

Abb. 5: Das Modell einer Wertkette

Abb. 6: Fünf Wettbewerbskräfte

Abb. 7: Interdependenz der präskriptiven Denkschulen

Abb. 8: Interdependenz der deskriptiven Denkschulen

TABELLENVERZEICHNIS

Tab. 1: Verhältnis der Planungs- und Positionierungsschule zur Designschule

Tab. 2: Übersicht der Ergebnisse der deskriptiven Analyse

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Was ist strategisches Management? Schnell wird der Leser im Laufe der Arbeit erkennen, dass für die Beantwortung dieser Frage kaum eine eindeutige Antwort gefunden werden kann. Nur so viel lässt sich einleitend vorwegnehmen: seit dem Auftreten des Forschungs-feldes des strategischen Managements beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Frage, wie eine Unternehmung zum langfristigen Erfolg geführt werden soll. Die Lösungsvor-schläge und Ansätze diesbezüglich variieren jedoch in vielfältiger Form.1

Erklären lässt sich dies durch die weitereichenden intellektuellen Wurzeln des Forschungs-feldes, welches Impulse aus verschiedenen Disziplinen aufgreift. Das Resultat ist ein Schmelztiegel von Ideen und Herangehensweisen, der sich aus Bereichen wie Politik, So-ziologie, Ökonomie und vielen weiteren zusammensetzt.2 Das strategische Management ist demnach funktions-, ebenen- und theorienübergreifend.3

Einerseits lässt sich dieses Phänomen dadurch begründen, dass das strategische Manage­ment ein weitreichendes Konzept ist: Denn da Strategien im Wesentlichen Resultate des Verhaltens der Manager sind und menschliches Verhalten umfangreich und komplex ist, kann strategisches Handeln im Prinzip alles oder nichts sein. Dementsprechend sind die Eintrittsbarrieren in diesem Forschungsgebiet für andere Disziplinen, wie z. B. der Verhal-tenswissenschaften, eher gering.4

Andererseits liefern die Erläuterungen Thomas Kuhns – eines Wissenschaftstheoretikers – eine Erklärung zur Entstehung einer Wissenschaft als anerkanntes Forschungsfeld. Gemäß seiner Thesen erscheint es bei der Herausbildung wissenschaftlicher Strukturen normal, dass sich zunächst viele verschiedene Strömungen und Denkschulen zufällig entwickeln, die das Forschungsfeld dann auf unterschiedlichen Ebenen bereichern. Erst im Laufe der Zeit setzt sich eine dominante – das Phänomen in den Augen der Wissenschaftler am bes-ten erklärende – Theorie durch. Diese wird in der Folge zu einem allgemein anerkannten Paradigma, ohne jedoch den Anspruch zu erheben alle, das Phänomen betreffenden Er- scheinungen zu erklären.5 Folgt man dieser Ansicht, würde die Wissenschaftsdisziplin „Strategisches Management“ noch in ihren Kinderschuhen stecken, sich dann aber für eine bestimmte Denkschule als gemeinsame Bezugsgrundlage entscheiden.

Für diese Theorie Thomas Kuhns spricht, dass die Wissenschaft sich erst seit den 50er Jah-ren des 20sten Jahrhunderts mit strategischen Fragestellungen beschäftigt und sich bereits verschiedene Denkschulen herausgebildet haben.

Doch wie sieht es mit der Etablierung einer generell anerkannten Anschauung für das stra-tegische Management aus?

In der Tat gab es Bemühungen, eine solch allgemein gültige Grundlage für das strategische Management zu entwickeln6, doch waren diese Versuche bisher nicht von Erfolg geprägt. So hat sich statt eines homogenen Paradigmas, das sich innerhalb des Reifeprozesses einer Wissenschaft bilden sollte, der Theorienpluralismus im strategischen Management gefes-tigt.7

Beobachtet man diesen Trend und bewegt man sich auf die Ebene des praktischen Nutzens strategischer Belange für Manager, kommt man zu der Frage, ob diese Entwicklungen für die Lösung ihrer täglichen Probleme hilfreich sind. Denn statt ein Allgemeinrezept zu be-kommen, müssen Manager sich nun mit einer Vielzahl strategischer Ansätze befassen, die Komplexität und Verwirrung nur zu fördern scheinen. Rückt dadurch das Ziel des For-schungszweiges des strategischen Managements, nämlich strategische Handlungsempfeh-lungen für den Berufsalltag des Managers zu geben, in weite Ferne? Oder werden durch die Vielschichtigkeit möglicher Antworten strategische Entscheidungen maßgeblich berei-chert?

Die vorliegende Arbeit konzentriert sich darauf, die Vorarbeit zur Beantwortung dieser Fragen zu leisten. Dies geschieht durch eine bisher nicht erfolgte sinnvoll strukturierte Darstellung und Weiterentwicklung bestehender Konzepte, wodurch ein verbesserter Zu-gang zu und Überblick über Denkrichtungen anstrebt werden soll. Die verwendete Metho-dik ist dabei eine systematische Analyse und ein kritischer Vergleich ausgewählter Denk-schulen, womit es sich um eine theoretische Arbeit handelt.8 Die Untersuchung zielt dem- nach auf die Beantwortung der Frage des Verhältnisses der einzelnen Denkschulen zuein-ander ab. Im Rahmen dieser Arbeit wird jedoch kein Fazit angestrebt, das universelle Be-hauptungen bezüglich der Zweckmäßigkeit des Theorienpluralismus aufstellt. Vielmehr soll abschließend die Aufmerksamkeit auf die Chancen und Möglichkeiten des Nebenein-anderbestehens der einzelnen Strömungen gelenkt werden, so dass der denkende Stratege besser in der Lage ist, ein eigenes Urteil über die Verwendung seiner persönlichen Strate-gie zu fällen.

1.2 Aufbau und Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit umfasst insgesamt sechs thematische Abschnitte. Im Anschluss an die Einleitung erfolgen zunächst Klärungen und Abgrenzungen von rele- vanten Begriffen.

Der dritte Teil beschäftigt sich damit, den Fokus der Magisterarbeit einzuschränken. In ihm soll auf verschiedene Modelle und Systematisierungskonzepte eingegangen werden, um schließlich daraus ein, die weitere Untersuchungsgrundlage enthaltendes Zwischenfazit abzuleiten. Dabei wird zunächst eine Grobuntergliederung in zwei dominante Grundkon-zeptionen vorgenommen, die präskriptiven und deskriptiven Modelle.

Im weiteren Verlauf des dritten Teils werden verschiedene Systematisierungskonzepte vorgestellt, die versuchen Forschungsarbeiten einzelnen Denkschulen zuzuordnen. Da es eine Vielzahl verschiedener Systematisierungskonzepte gibt, stellt sich die Frage, auf wel­cher Grundlage man die zu untersuchenden Denkschulen auswählt. Demzufolge wird im Zwischenfazit aufgrund zweier Systematisierungskonzepte – den zehn Denkschulen Henry Mintzbergs9 einerseits und den vier Kategorisierungen Alain-Charles Martinets10 anderer-seits – eine Auswahl an Denkschulen getroffen, die im Rahmen dieser Arbeit untersucht und analysiert werden.

Die Untersuchung der Denkschulen stellt den vierten Themenkomplex dar. Hier werden die Denkschulen anhand verschiedener Bezugspunkte (z. B. Strategieverständnis) systema-tisch dargestellt.

Um zunächst einen groben Überblick über die Denkschulen zu erlangen, umfasst der erste Unterpunkt (4.1) grundlegende Anmerkungen, wie Hauptvertreter, zeitliche Abfolge und den zentralen Grundgedanken der Schulen.

Im zweiten Unterpunkt (4.2) wird schließlich das den Denkschulen zu Grunde liegende Strategieverständnis geklärt. Dabei wird neben deren unterschiedlichen Definitionen des Strategiebegriffs auch auf deren spezifisches Prozessverständnis eingegangen, also der Frage nach dem sequentiellen Verlauf der Strategieformulierung und Strategieimplemen-tierung.11

Es lässt sich beobachten, dass traditionell die Berücksichtigung der Thematik der Strategie-formulierung eine eindeutige Vorrangstellung vor der Strategieimplementierung besitzt (v. a. auch im Rahmen der präskriptiven Strategieforschungen).12 Dieses Ungleichgewicht erklärt auch die asymmetrische Gewichtung der nächsten drei Punkte. So beschäftigen sich Punkt 4.3 und Punkt 4.4 mit den Aspekten und Einflussfaktoren des Strategieformulie-rungsprozesses, wobei ersterer auf die internen Komponenten abzielt und letzterer sich mit den äußeren Rahmenbedingungen auseinandersetzt. Der Strategieimplementierungsprozess findet in Abschnitt 4.5 Berücksichtigung. Dabei ist jedoch vorab zu sagen, dass gerade we-gen der weniger ausgeprägten Prozessfokussierung früherer Publikationen13 der Aspekt der Strategieimplementierung marginal gestreift wird und seiner eigentlichen Bedeutung nicht gerecht wird. Das erklärt auch, warum weitere Prozessschritte, wie z. B. der der strategi-schen Kontrolle, im Rahmen dieser Arbeit vernachlässigt werden.

Im Anschluss folgt der Analyseteil. Die ihn betreffende Vorgehensweise wird aber erst zu Beginn des zweiten Hauptteiles (Punkt 5.1) beschrieben, um nicht durch noch unbekannte Tatsachen zu verwirren.

2. Begriffsklärungen

2.1 Strategie

Ein zentraler Begriff der vorliegenden Arbeit ist der der Strategie, der nun im Folgenden erläutert werden soll.

Schon bei der Vorstellung der Vorgehensweise wurde erläutert, dass in Punkt 4.2 auf das Strategieverständnis der einzelnen Schulen eingegangen wird. Daraus kann man bereits ab-leiten, dass, abhängig von der Auffassung der Vertreter der Denkrichtungen, der Begriff Strategie von jeweils einer eigenen Definition bestimmt wird, die den spezifischen Vorstel-lungen der Schulen entspricht. Das Problem lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass Strategie „ein gedankliches Konstrukt“ und daher ein schlecht zu fassender Begriff ist.14 Die Beschreibung dessen was ist, nimmt mehrere Formen an und kann sehr umfassend sein, weswegen sich bisher noch keine einheitlich verwendete Definition durchgesetzt hat.15

Eine gemeinsame Basis für das unterschiedliche Strategieverständnis der Schulen bietet hier nur der Ursprung des Wortes Strategie, auf den nun im Folgenden kurz eingegangen werden soll. Die Wurzeln entspringen des griechischen Wortes für Heeresführung (stratos = Heer, agos = Führer).16 Weitere Bezugspunkte der Strategie im Zusammenhang mit der Kriegeskunst findet man einerseits im frühen China mit dem Auftauchen der Schriften des chinesischen Philosophen Sun Tzu (400-300 v. Chr.). Andererseits wird der Begriff im preußischen Deutschland zur Erklärung der militärischen Kriegsführung durch General Carl von Clausewitz verwendet. Beiden geht es dabei darum, strategische Taktiken zu fin-den, um gegenüber dem Feind auf dem Heeresfeld eine anhaltend vorteilhafte Position zu erreichen.17 Die Übernahme in den betriebswirtschaftlichen Kontext erfolgte schließlich im Jahre 1947 durch Morgenstern und Neumann im Rahmen spieltheoretischer Überlegun-gen.18

Obwohl die Auffassungen der Denkschulen zum Strategiebegriff in Punkt 4.2 ausführlich behandelt werden, wird an dieser Stelle – um den Zugang zum Themengebiet zu erleich- tern – vorab ein kurzer Überblick über allgemeine Verwendungsarten des Strategiebegriffs gegeben.

Dieser Überblick lehnt sich an Henry Mintzbergs 1987 erschienen Artikel „5 Ps for Strate­gy“ an. Darin unterscheidet Mintzberg fünf Gebrauchsmöglichkeiten des Strategiebegriffes („plan, ploy, pattern, position and perspective“), die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen.19

Zunächst kann Strategie ein Plan („plan“) sein, der im Vorfeld und mit klaren Handlungs-schritten die Erreichung von Unternehmenszielen bezweckt. Der Ablauf ist bewusst und der strategische Plan wurde analytisch konzipiert. Dem nahe liegend kann Strategie einem Schachzug („ploy“) im Sinne einer ausgefeilten Taktik gegenüber Konkurrenten entspre-chen. Daneben kann Strategie auch als erkennbares Handlungsmuster („pattern“) bezeich-net werden, dem entweder ein bewusster Plan vorausgeht („intended“), oder lediglich un-bewusste Handlungen, die erst im Nachhinein als Muster identifiziert werden („not inten­ded“). Bei der letzten Möglichkeit handelt es sich um so genannte emergente Strategien. Diese Strategien versuchen Situationen mit einzubeziehen, bei denen Manager intuitiv, spontan und ohne erkennbaren Plan handeln. Die bewusste Formulierung einer konkreten Strategie im Vorfeld muss daher nicht zwingend erfolgen. Vielmehr können Strategien plötzlich auftauchen („emerging“), um dann, unabhängig von der eigentlichen Intention, realisiert zu werden. Daneben bezieht sich die vierte Verwendungsform Mintzbergs auf die Positionierung („position“) des Unternehmens in der Umwelt. Ziel dabei ist, das Unter-nehmen strategisch so zu orten, dass es einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Kon-kurrenten erlangen kann. Schließlich besteht die Möglichkeit, Strategie als Perspektive („perspective“) zu bezeichnen, die auf geteilten Wahrnehmungen und Anschauungen über das Unternehmen beruht. Bei dieser Verwendung wird wieder deutlich, dass Strategie ein nicht zu fassendes Konstrukt ist, da sich die Vorstellung darüber, was Strategie ist, in den Köpfen der Teilnehmer abspielt.20

Neben den Verwendungsformen spielt die Reichweite des Strategiebegriffes eine ebenso entscheidende Rolle. Eine relativ „enge Begriffsauffassung“ wählt beispielsweise Hartmut Kreikebaum.21 Demnach ist eine Strategie ein „Gesamtkonzept zur Erreichung eines Zieles oder mehrerer Ziele, dass (...) auf längere Zeit ausgelegt ist und (...) aggregierte Größen beinhaltet“22. Strategie ist somit ein Mittel zur Erreichung von Zielen. Die breiten Ausle-gungen hingegen trennen nicht zwischen der Formulierung der Ziele an sich und der Stra-tegie als Mittel zur Verwirklichung der Ziele.23

2.2 Strategisches Management

Bei der Klärung des Begriffs des strategischen Managements muss man feststellen, dass es auch hier eine Vielzahl von Definitionen und Konzepten gibt, die, entsprechend ihrer je-weiligen theoretischen Perspektive, voneinander abweichen.24 Das, was strategisches Ma­nagement umfasst, ist ebenso schlecht greifbar und abgrenzbar wie die Strategie selbst.

Um dennoch eine gewisse Vorstellung über strategisches Management zu bekommen, wird auch an dieser Stelle zunächst auf dessen Chronik eingegangen.

Mittlerweile herrscht in der Praxis eine größtenteils akzeptierte Unterscheidung von vier aufeinander folgenden Phasen vor: die der Finanzplanung, die der Langfristplanung, ge-folgt von der Phase der strategischen Planung und abschließend derjenigen des strategi-schen Managements.25

Diese Entwicklung lässt sich darauf begründen, dass Firmen ihren Fokus hinsichtlich Pro-duktvielfalt und Markterweiterung enorm ausgeweitet haben. Waren in der ersten Hälfte des 20sten Jahrhunderts Finanzpläne für meist national tätige Unternehmen mit nur einem Produkt in aller Regel ausreichend (Strategien spielten sich bis dato nur in den Köpfen ein-zelner Unternehmer ab), so wurden diese den Anforderungen der stetig wachsenden Unter-nehmen in den 50er Jahren bereits nicht mehr gerecht.26

Die Umwelt wurde zusehends komplexer. Die Langfristplanung stellte mit einem Pla-nungshorizont von fünf Jahren eine adäquate Alternative dar, doch wurde sie schnell von der strategischen Planung abgelöst.27

Erklären lässt sich dies durch die international diversifizierenden Unternehmen, deren For-derung nach mehr Flexibilität und gezieltem Handeln zusätzliche Aspekte auf den Plan rie-fen. Im Mittelpunkt der strategischen Planung standen daher Umweltanalysen und kom-plexe Strategieformulierungsprozesse. Der Planungsprozess wurde für viele Unternehmen zu umfangreich, berücksichtigte kaum Fragen der Strategieimplementierung und wurde daher ab Ende der 70er Jahre durch das strategische Management ersetzt. Aspekte der stra-tegischen Umsetzung und der internen Unternehmensanalyse sowie sozialpolitische Per-spektiven wurden dort ebenso berücksichtigt wie externe Marktfaktoren. Das strategische Management stellt somit ein ganzheitliches Konzept dar, welches unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte das Unternehmen zu lang anhaltendem Erfolg führen soll.28

Analog dazu entwickelte sich das strategische Management zur Wissenschaftsdisziplin, de-ren Einfluss sich stetig ausweitete. Strategische Fragestellungen wurden zunächst von Beg-riffen wie „Business Policy“ und „Long Range Planning“ bestimmt. Mittelpunkt deren Entstehungsgeschichte waren vor allem die Managementkurse an der amerikanischen Har­vard Business School. In jenem Rahmen wurden anhand von so genannten „case studies“ (Praxisfällen) normative Handlungsempfehlungen für Manager generiert. Im weiteren Ver-lauf bildeten sich verschiedene Ansätze und Denkschulen heraus, die nun, indem sie bei-spielsweise empirische Forschungen zu strategischen Fragestellungen durchführten, eine theoretische Grundlage zu schaffen versuchten.29

Die eigentliche „Geburtsstunde“ des strategischen Managements lässt sich auf das Jahr 1977 festlegen, als eine Konferenz in Pittsburgh zum Thema „Business Policy and Plan­ning“ stattfand. Ziel war es dabei, ein gemeinsames Paradigma unter dem Namen des „Strategic Management“ zu bilden.30

Doch, wie eingangs bereits erwähnt, war dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt, was an-gesichts des weiten Anwendungsgebietes des strategischen Managements kaum verwun-derlich ist.31 Vielmehr wurde eine „Fülle von Einzelergebnissen“ fabriziert, die sich durch unterschiedliche Begriffsdefinitionen und theoretische Konzeptionen unterschieden und kaum miteinander vergleichbar zu sein schienen.32

Einigkeit über Sachverhalte gibt es im strategischen Management nur auf einer Metaebene. So wird zum einen zwischen Strategieinhaltsforschung und Strategieprozessforschung un-terschieden. Bei Ersterer stehen konkrete Strategien und deren Implikationen für den Un-ternehmenserfolg im Vordergrund. Demnach könnte eine exemplarische Fragestellung lau- ten: Wie wirkt sich eine Diversifikationsstrategie hinsichtlich des Produktes X auf dem Markt Y auf den ROI eines Unternehmens aus?33

Betrachtet man strategisches Management als Prozess, ist der Forschungsgegenstand ein konkretes Ablaufschema, welches mehrere Schritte beinhalten kann. Laut Hofer und Schendel umfasst dieser Prozess sechs Stufen:

„There are six major tasks that comprise the strategic management process: (1) goal formation; (2) environmental analysis; (3) strategy formulation; (4) strategy evalua­tion; (5) strategy implementation; and (6) strategic control.”34

Die Anzahl der als relevant erachteten Prozessschritte kann jedoch, wiederum abhängig von der Sichtweise des Autors, variieren.

Eine weitere Dimension auf der Metaebene des strategischen Managements ist, wie von Andrew Pettigrew vorgeschlagen, dessen Kontext (vgl. Abb. 1). Dabei wird einerseits auf den internen Kontext und andererseits auf den äußeren Kontext Rücksicht genommen.35 So gesehen bezieht sich die Kontextforschung auf diejenigen Umstände, die die Bildung von Strategien beeinflussen.36

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Forschungsdimensionen im strategischen Management, eigene Darstellung in Anlehnung an Pettigrew 1987, S. 5.

2.3 Denkschule

Schließlich kommen wir zu dem letzten hier zu definierenden Begriff, dem der Denkschu-le.

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, wird in der Kuhn’schen Wissenschaftstheorie der Begriff der Denkschule im Rahmen der Entstehungsgeschichte von Wissenschaften erklärt. Entsprechend Kuhns Annahmen bilden sich Denkschulen im Zuge der Etablierung eines Paradigmas37 heraus. Folglich stellen sie Vorstufen zur Gestaltung eines wissenschaftli-chen Rahmens dar.38 Ihr Ursprung wird dabei „von außen herangetragen (...), vielleicht durch eine geläufige Metaphysik, eine andere Wissenschaft oder durch persönliche und ge-schichtliche Zufälle“ und stellt im Resultat einen „Komplex von Überzeugungen“ dar.39 Diese lassen sich auf reale Beobachtungen zurückführen, die entweder unterschiedlichen Interpretationen Raum geben, oder unterschiedliche Teilaspekte beleuchten. Demnach be-schreibt eine Denkschule das gleiche Phänomen „auf unterschiedliche Art und Weise“40. Erst mit der Zeit gelingt es einer Anschauung, sich gegenüber den anderen durchzusetzen, wobei Letztere verschwinden und Erstere als allgemeines Paradigma angenommen wird.41 Diesem Verständnis schließen sich auch weitere Publikationen an, die Denkschulen ohne vorstehende Erklärung mit Paradigmen gleichsetzen.42

Dem stehen die Ansichten Igor Ansoffs gegenüber. Dessen Denkschulen werden schließ-lich durch ein gemeinsames Paradigma, gleich einem Regenschirm, der sich über die ein-zelnen Theorien spannt, miteinander verknüpft, auch wenn sie vordergründig konkurrie-rende Ideen behandeln. Denn es sei ja gerade die Aufgabe eines Paradigmas, gegensätzli-che Strömungen zu verbinden.43 Eine Denkschule ist demnach eher ein Unteraspekt eines Paradigmas44 und geht nicht komplett und ohne Zusatz weiterer Strömungen in dieses ü-ber.

Jedoch spielt diese Unterscheidung innerhalb dieser Arbeit eine untergeordnete Rolle, zu-mal Kuhn selbst dem Vorwurf ausgesetzt ist, verschiedene und teilweise widersprüchliche Beschreibungen bei der Verwendung des Begriffes Paradigma abzugeben.45 Wichtig für das Verständnis einer Denkschule ist die Tatsache, dass sich ihre Theorien oder Überzeu-gungen durch einen „bestimmten [und eventuell konkurrierenden] Zugang“46 unterschei-den, obwohl es sich im Grunde um das gleiche Erfahrungsobjekt handelt.

3. Systematisierungskonzepte für das strategische Management

3.1 Vorstellung der präskriptiven und deskriptiven Ansätze zur Einteilung der Denkschulen

Im weiteren Verlauf sollen Konzepte und Modelle vorgestellt werden, die versuchen, ver-schiedene wissenschaftliche Abhandlungen bestimmten Clustern zuzuordnen. Ziel der Wissenschaftler war, durch die Kategorisierungen eine Übersicht über das fragmentierte Forschungsfeld zu geben.

Das vorliegende Kapitel zeigt, dass es eine Vielzahl nicht aufeinander abgestimmter Sys-tematisierungsansätze gibt, die dem eigentlichen Ziel, einen Überblick über das For-schungsfeld zu geben, entgegenlaufen. Zunächst werden jedoch zwei Grundmodelle erläu-tert, die auch den dominanten Unterscheidungstypen in der Literatur entsprechen: die prä-skriptiven und deskriptiven Ansätze.47 Sie geben allerdings nur eine grobe Einteilung und sind Überbegriffe für die unterschiedlichen Differenzierungen, die sich immer auf einen der beiden Ansätze zurückführen lassen. Zwar werden sie mancherorts anders benannt48, doch laufen sie im Prinzip auf die gleichen Annahmen hinaus.

Das zentrale Unterscheidungskriterium ist ihre Art der Übermittlung der aus normativer Konzeption oder empirischer Forschung erworbenen Erkenntnisse: die präskriptiven Schu-len beschreiben den idealen Weg zur Strategieformulierung, die deskriptiven Schulen be- schreiben hingegen den realen Weg, wie Strategien de facto in der Praxis formuliert wer- den.49

Deshalb haben die beiden Modelle auch unterschiedliche methodische Anforderungen:

„To be valid, a descriptive observation must meet a single test: it must be an accu­rate observation of reality. A prescription must pass a much more rigorous test: it must offer evidence that use of the prescription will enable an organization to meet the objective by which it judges its success.”50

Gemeinsam ist beiden Ansätzen Handlungsempfehlungen für Manager zu entwickeln. Bei den präskriptiven Schulen ist diese Absicht durch das „du solltest“ zwar offensichtlicher51, doch streben dies auch die deskriptiven Modelle an52. Die Umsetzung dieses Vorhabens er-folgt bei Ersteren zumeist dadurch, dass sie für Manager einen konkreten Plan oder eine bewusste Vorgehensweise herausarbeiten.53 Bei letzteren variieren die Möglichkeiten, konkrete Behilflichkeiten zu entwickeln, jedoch relativ stark. So gibt es beispielsweise In-krementalmodelle, die sowohl bewussten als auch emergenten Strategien Raum geben54, aber auch evolutionäre Modelle, die dem Management keinerlei Handlungsspielraum zu-sprechen55. Somit wäre das Management im extremsten Fall handlungsunfähig, womit in logischer Konsequenz Handlungsempfehlungen nicht zu generieren wären.

Neben dieser Unterteilung kann noch ein dritter Typus ausgewiesen werden, der Schulen beinhaltet, die präskriptive und deskriptive Modelle kombinieren.56 Diese so genannten synthetischen Ansätze, wie z. B. die „boundary school“, die „dynamic capability school“ oder die „configuration school“ spiegeln vor allem jüngste Entwicklungen im strategischen Management wieder.57

Trotz dieser Tatsache beinhaltet die Auswahl der in dieser Arbeit zu untersuchenden Denk-schulen nur präskriptive und deskriptive Ansätze. Diskussionen über die synthetischen An-sätze und dabei allen voran über den der Konfigurationsschule, werden erst wieder am En-de der später folgenden Analyse aufgenommen.

3.2 Übersicht über verschiedene Systematisierungskonzepte

Bevor nun die Aufmerksamkeit auf die Darstellung verschiedener Systematisierungskon-zepte gelenkt wird, ist es wichtig anzumerken, dass diese Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.58 Die Absicht besteht eher darin, einige Möglichkeiten aufzuzeigen, wie Forschungsarbeiten im strategischen Management untergliedert werden können.

Eine der umfangreichsten und detailliertesten Ansätze bieten die zehn Denkschulen Henry Mintzbergs. In seinem BuchStrategy Safari – eine Reise durch die Wildnis des strategi-schen Managementsunterscheidet er drei präskriptive Schulen und sechs deskriptive Schu-len sowie den Mischtyp seiner eigens konzipierten Konfigurationsschule. Zu den präskrip-tiven Schulen zählen die Designschule, die Planungsschule und die Positionierungsschule, zu den deskriptiven Schulen zählt er die unternehmerische Schule, die kognitive Schule, die Lernschule, die Machtschule, die Kulturschule und zuletzt die Umweltschule.59 Die Differenzierung der einzelnen Schulen erfolgt hauptsächlich entlang der ihnen zu Grunde liegenden Basiswissenschaften. Demnach entspringt beispielsweise die Machtschule den Politikwissenschaften, die Umweltschule der Biologie.60

Mintzberg weist in seinem Buch auf eine weitere „interessante (...), alternative (...) Kate-gorisierung“ hin.61 Deren Schöpfer ist Alain-Charles Martinet, ein französischer Strategie-professor. Seiner Idee zufolge gibt es vier Themengebiete, die das Feld des strategischen Managements umzäunen: ein teleologischer und ein soziologischer Zweig sowie ein ideo-logischer und zuletzt ein ökologischer Bereich.62

Ein weiteres Konzept, das oftmals in diesem Zusammenhang erwähnt wird, ist jenes von Richard Whittington. Dabei erkennt er vier Ansätze an, nämlich den „classical approach“, den „evolutionary approach“, die „processualists“ und schließlich den „systematic appro­ach“. Diese Aufteilung begründet er anhand von zwei Dimensionen: das Ausmaß des Ge-winnstrebens und die Höhe des Einflusses des Managements auf die Bildung von Strate-gien. Beispielsweise sind die Anhänger des klassischen Ansatzes davon überzeugt, dass das Unternehmen einen möglichst hohen Profit erzielen soll, dessen endgültiger Betrag durch die Handlungen des Managements gesteuert werden kann.63

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Unterteilung in Form von zeitlichen Abschnit-ten. Edward Bowman grenzt dabei drei aufeinander folgende Phasen voneinander ab: wa-ren in den 60ern die Institutionalisten die vorherrschende Forschungsklasse, so lag der Schwerpunkt in den 70er und 80er Jahren bei den Ökonomen, die schließlich von Verhal-tenswissenschaftlern in den 90er Jahren abgelöst wurden.64

Weitere Systematisierungsansätze, die beispielsweise im deutschsprachigen Raum anzu-treffen sind, finden sich bei Welge und Al-Laham sowie bei Müller-Stewens und Lechner. Diese beiden Richtungen enthalten zwar den einen oder anderen Aspekt, der von Mintz-berg übertragen (so greifen Müller-Stewens und Lechner die Design- und Planungsschule auf), oder bei Whittington anzutreffen ist (vgl. rational-entscheidungsorientierte Perspekti-ven bei Welge/Al-Laham). Allerdings berücksichtigen sie ebenso weitere Perspektiven (z. B. systemtheoretische Ansätze bei Welge und Al-Laham) oder lassen für andere Wis-senschaftler relevante Strömungen ohne Beachtung (z. B. Mintzbergs unternehmerische Schule).65

Eine tiefer greifende Analyse der Schnittpunkte und Differenzen der einzelnen Systemati-sierungsversuche wird hier nicht angestrebt. Vielmehr soll der Blick dafür geschärft wer-den, dass es nebeneinander bestehende Ansätze gibt, die sich in ihrer Reichweite und ih-rem Fokus unterscheiden.

3.3 Zwischenfazit

Das Zwischenfazit setzt sich mit der Frage auseinander, welche Denkschulen für die anste-hende Darstellung und Analyse auswählt werden sollen. Ein Problem der Auswahl liegt darin, dass es, wie im vorangehenden Gliederungspunkt gezeigt, eine Vielzahl von unter-schiedlichen Konzepten zur Darstellung des strategischen Managements gibt.

Im Rahmen der vorliegenden Magisterarbeit soll das Konzept der zehn Denkschulen Henry Mintzbergs aufgegriffen werden, da er sich am intensivsten und umfassendsten mit den einzelnen Schulen auseinandersetzt. Um jedoch die Komplexität, die bei der Untersuchung von zehn Denkschulen aufkommen würde, zu verringern, wird deren Anzahl auf Grundla-ge der Kategorisierungen Martinets eingeschränkt. Dabei erfolgt eine Orientierung an Jacques Lauriol, Professor im strategischen Management an der Rouen School of Mana-gement66, der Mintzbergs Denkschulen den vier Grundrichtungen Martinets zuteilt.

So ordnet Lauriol die präskriptiven Schulen Mintzbergs, also die Design-, die Planungs-und die Positionierungsschule, dem teleologischen Zweig Martinets zu. Weiterhin werden der soziologischen Schiene, die Lernschule, die Konfigurationsschule und die Machtschule zugeteilt. Gemeinsam ist diesen soziologischen Denkschulen, dass sie nach den, im sozia-len Umfeld konstruierten Bedingungen fragen, die die Strategiebildung beeinflussen. Die unternehmerische Schule, die kognitive Schule und die Kulturschule bilden den ideologi-schen Block. Letztlich gibt es noch den ökologischen Pol, der der Mintzberg’schen Um-weltschule entspricht. Die wissenschaftlichen Wurzeln entstammen dem Forschungsfeld Biologie. So müssen sich Unternehmen der Umwelt anpassen, um ihr Überleben zu si-chern.67

Für die Auswahl der nachfolgend untersuchten Schulen ist einerseits der teleologische Zweig, also die Frage nach dem Gegenstand zielgerichteten Handelns und andererseits der ideologische Pol, der sich damit beschäftigt, wie strategische Ziele in der Realität erreicht werden68, relevant. Wie auch in Abbildung 2 ersichtlich, handelt es sich bei der Auswahl um drei präskriptive und drei deskriptive Schulen, die jeweils auch dem teleologischen und ideologischen Zweig Martinets entsprechen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Überblick Schulenauswahl, eigene Darstel-lung in Anlehnung an Lauriol, 1996, S. 51 f.

Diese Schulen werden auch deshalb ausgewählt, weil sie steuerbar sind. Bei den drei prä-skriptiven Schulen erfolgt die Steuerung durch rationales Vorgehen und Planung. Dem Manager werden die Möglichkeiten der bewussten und proaktiven Steuerung eingeräumt.69 Bei der unternehmerischen Schule resultiert die Steuerung aus der treibenden visionären Kraft einer Führungsperson, deren Ursprung auch in irrationalen Vorstellungen liegen kann.70 Bei der Kulturschule erfolgt die Steuerung kollektiv: Gemeinsame Wahrnehmun-gen und Auffassungen dienen als ausschlaggebende Triebkräfte bei der Positionierung der Unternehmen in ihrer sozialen Umwelt.71

Nur die kognitive Schule reiht sich nicht einwandfrei in diese Konstellation ein. Freilich beinhaltet auch sie Elemente der direkten Steuerung72, doch im Grunde unterliegen die Entscheidungen des Individuums dabei „Grenzen informationeller und kalkulatorischer Art“73. Obwohl der Entscheidungsträger eine zwar für ihn bewusste Wahl trifft, ist er doch Beschränkungen ausgesetzt, wie z. B. begrenzter Information, persönlicher Präferenz und Wahrnehmung, die eine rein rationale Entscheidung beeinträchtigen.74

Detaillierter werden diese Aspekte jedoch noch in der nun folgenden Darstellung der sechs hier ausgewählten Denkschulen besprochen.

4. Zur systematischen Darstellung der Denkschulen im strategischen Management

4.1 Grundlagen

4.1.1 Vorstellung der Hauptvertreter der Denkschulen im Kontext ihrer wissenschaftlichen Herkunft

Ein wichtiger Aspekt bei der Unterscheidung der Denkschulen sind deren Hauptvertreter, auf die nun eingegangen wird. Die hier vorgestellten Autoren sollen dabei im Kontext ihres wissenschaftlichen Hintergrunds vorgestellt werden, da dieser, entsprechend der oben ge-nannten Definition der Denkschule, einen entscheidenden Einfluss auf deren Haltung zum strategischen Management ausübt.75 Einschränkend muss erwähnt werden, dass hier zu-nächst auf die ursprüngliche Intention der Autoren eingegangen werden soll und weniger auf deren Entwicklungsgeschichte. Zwar lässt sich mancherorts eine gewisse Abweichung vom ursprünglichen Standpunkt der Autoren nicht bestreiten – so weicht z. B. Ansoff von seinem anfänglichen Planungsdogma ab76 – doch wird eine vertiefende Diskussion darüber erst in der später folgende Analyse angestrebt.

Bei der Designschule ist hervorzuheben, dass sie maßgeblich von zwei Strömungen beein-flusst wurde. Eine davon wurde von Philip Selznick, ehemals Professor an der Berkeley Universität in Kalifornien77, geprägt. Sein Fachgebiet war Soziologie, was auch die Inhalte seiner Forschung widerspiegelt. So war dort zentrales Erkenntnisobjekt die Untersuchung des Verhaltens von Individuen, darunter insbesondere jene, die Teil der institutionellen Unternehmensleitung waren.78

Der zweite relevante Autorenkreis bildet sich um die Wissenschaftler der Harvard Busi­ness School und dort vor allem um Kenneth Andrews.79 Im Mittelpunkt stand hier das von ihm mitverfasste BuchBusiness Policy – Text and Cases. Die Autoren kritisierten dabei bewusst die Anwendung anderer wissenschaftlicher Konzepte im Bereich der Unterneh-mensführung und entwickelten einen normativen theoretischen Rahmen, der von Case Stu­dies abgeleitet wurde:

„A considerable body of literature purporting to make general statements about policy making is in existence. It generally reflects either the unsystematically re- ported evidence of individuals or the logical projection to general management of concepts taken from engineering, economics, psychology, sociology, or mathe­matics. Neither suffices. (...) Knowlede generated from one set of ends is not read­ily applicable to another. (...) The most useful literature for our purpose, however, is not that of general statements, but case studies.“80

In der Tradition der Case Studies steht auch Alfred Chandlers berühmtes Werk Strategy and Structure (1962), welches auf Basis von nur vier Praxisfällen81 bis heute relevante Prämissen aufstellt. Mintzberg weist Chandler darüber hinaus noch als Hauptautor seiner Konfigurationsschule aus82 (erwähnt ihn aber ebenso im Zusammenhang mit der Design-schule83), doch ist dies eher ein vereinzelter Standpunkt, da Chandler auch von anderen Autoren zumeist Ansätzen zugeordnet wird, die dem Geiste der Designschule entspre-chen.84

Der wichtigste Vertreter der Planungsschule ist Igor H. Ansoff. Zwar war er Professor für Business Administration, doch beeinflusste sein Studium der Ingenieurswissenschaften sowie seine Promotion im Fach Mathematik85 seine Einstellung zum Thema Strategie inso-fern, als er analytische und formale Methodiken zur Strategieformulierung entwickelte.86

Auch aus dem Umfeld der Harvard Business School stammt Michael E. Porter, der wohl prominenteste Autor der Mintzberg’schen Positionierungsschule. Dort war er als Professor – ebenso wie Andrews – an strategischen Zusammenhängen interessiert. Was seine Arbei-ten von denen der anderen Harvard Autoren unterschied, war seine interdisziplinäre Fokus-sierung. So standen neben dem strategischen Management auch industrieökonomische Fragestellungen im Vordergrund. Sein Anspruch war es, die „Kluft“ zwischen den beiden Forschungsrichtungen „zu überwinden“.87

Einer gänzlich anderen Tradition folgten die Arbeiten zur unternehmerischen Schule. Ob-wohl Mintzberg dieser Schule selbst keinen eindeutigen Ursprung zuordnet, sondern nur Joseph A. Schumpeter als die Quelle des Ursprungs ausweist88, verweist ein weiterer Hauptvertreter, nämlich Arthur H. Cole, auf geschichtswissenschaftliche Wurzeln89. Er be-gründet dies vor allem durch das Studium und die Analyse der „entrepreneurial history“.90

Hauptvertreter der kognitiven Schule sind Herbert A. Simon und James G. March. Beide Autoren weisen Bezüge zur verhaltenswissenschaftlichen Theorien, wie Politik91 und Psy-chologie92, auf.

Zuletzt wird im Rahmen der Kulturschule Eric Rhenman vorgestellt. Grundlage der Stu-dien des schwedischen Professors für Business Administration waren ebenfalls verschie-dene Case Studies.93 Zunächst sollte diese Untersuchung die präskriptiven Theorien Selz-nicks oder Ansoffs stützen, wobei sich jedoch schnell eine eigene Perspektive herauskris-tallisierte.94 Es lässt sich festhalten, dass seine Arbeiten heute eher im anthropologischen Kontext zu betrachten sind, da er nur Fälle behandelt95, die sich in nordeuropäischen Län-dern abspielen und vermutlich seine Ergebnisse beeinflusst haben.

Die anstehende Darstellung und Analyse bezieht sich schwerpunktmäßig auf die For-schungsarbeiten der hier genannten Hauptvertreter. Weitere Publikationen anderer hier re-zitierter Autoren spielen insofern eine Rolle, als sie die Grundaussagen der Hauptvertreter zumeist stützen und deren Aussagen marginal erweitern.

4.1.2 Einordnung der Denkschulen nach Zeit/Relevanz

Einen ersten Hinweis bezüglich der gegenseitigen Ergänzung, Abhängigkeit oder Gegen-läufigkeit der Denkschulen bietet die Untersuchung des Zeitpunkts, an dem ihre Publikati-onen auftauchen bzw. an Bedeutung und Einfluss gewinnen. Die vorliegende Abbildung zeigt die Publikationen und Relevanz der präskriptiven Schulen ab 1965.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Aktivitäten der präskriptiven Schulen seit 1965, eigene Darstellung in Anlehnung an Mintzberg 2007, S. 395.

Die Ursprünge der Designschule lassen sich, obwohl in der Abbildung nicht dargestellt, bis ins Jahr 1911 zurückverfolgen. Zu diesem Zeitpunkt wurde ihr Grundstein durch die Ein-führung der Business Policy Kurse an der Harvard Business School gelegt.96 Ihren eigent-lichen Startschuss erhielt sie jedoch erst durch die Werke Selznicks und Chandlers Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre97. Weiterhin wurde deren Bedeutung durch das zuerst 1965 aufgelegte BuchBusiness Policy – Text and Casesgeprägt.98 Das darin entwickelte Konzept, auch unter dem Synonym LCAG-Schema99 bekannt, wurde zur Grundlage vieler weiterer Publikationen100 und nimmt bis heute eine dominante Stellung im Rahmen der präskriptiven Schulen ein, worauf an späterer Stelle noch intensiver eingegangen werden soll. Es ist anzumerken, dass weite Teile des inhaltlichen Konzepts maßgeblich von Ken­neth Andrews beeinflusst wurden101, weshalb ausschließlich er im weiteren Verlauf dieser Arbeit im Zusammenhang mit diesem entscheidenden Werk erwähnt werden wird.

[...]


1 Vgl. Kreikebaum (1997), S. 15.

2 Vgl. Meyer (1991), S. 821.

3 Meyer (1991), S. 829.

4 Vgl. Meyer (1991), S. 831.

5 Vgl. Kuhn (1989), S. 31-33.

6 Vgl. z. B. Hofer/Schendel (1979), S. 2.

7 Vgl. Scherer (1995), S. 86.

8 Vgl. Sachs/Hauser (2002), S. 36 f.

9 Henry Mintzberg ist anerkannter Wissenschaftler im Bereich des strategischen Managements und Profes­sor an der McGill Universität in Montreal. Vgl. http://www.henrymintzberg.com/pdf/cv-hm.pdf [03.07.07].

10 Alain Charles-Martinet ist französischer Strategieprofessor und Wissenschaftler an der wirtschaftswis-senschaftlichen Universität Lyon. Vgl. http://iae.univ-lyon3.fr/alain.martinet/0/fiche_04__annuaireksup/&RH=IAE-PRESfonc-prof&RF=IAE-LIENaens [03.07.2007]

11 Vgl. Welge/Al-Laham (2005), S. 19.

12 Vgl. Hofer/Schendel (1979), S. 16.

13 Vgl. Pennings (1985), S. 11.

14 Vgl. Kreikebaum (1997), S. 18.

15 Vgl. Kreikebaum (1997), S. 18.

16 Vgl. Müller-Stewens/Lechner(2003), S. 8.

17 Vgl. Mintzberg/Ahlstrand/Lampel (2007), S. 104-110.

18 Vgl. Müller-Stewens/Lechner(2003), S. 8.

19 Vgl. Mintzberg (1987), S. 11.

20 Vgl. Mintzberg (1987), S. 11-17.

21 Vgl. Kreikebaum (1997), S. 19.

22 Kreikebaum (1997), S. 19.

23 Vgl. Hofer/Schendel (1978), S. 200.

24 Vgl. Volberda/Elfring (2001b), S. 1.

25 Vgl. Welge/Al-Laham (2005), S. 8-11; Gluck et al. (1980), S. 145-159.

26 Vgl. Hofer/Schendel (1978), S. 13-15.

27 Vgl. Gluck et al. (1980), S. 156 f.

28 Vgl. Welge/Al-Laham (2005), S. 9 f.

29 Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2003), S. 9.

30 Vgl. Welge/Al-Laham (2005), S. 8.

31 Vgl. Welge/Al-Laham (2005), S. 20.

32 Vgl. Welge/Al-Laham (2005), S. 95.

33 Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2003), S. 13.

34 Hofer/Schendel (1979), S. 14.

35 Vgl. Pettigrew (1978), S. 5.

36 Vgl. Rasche (2006), S. 4.

37 In diesem Zusammenhang werden Paradigmen als „allgemein anerkannte wissenschaftliche Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen liefern“, definiert. Kuhn (1989), S. 10.

38 Vgl. Kuhn (1989), S. 31.

39 Vgl. Kuhn (1989), S. 31.

40 Kuhn (1989), S. 31.

41 Vgl. Kuhn (1989), S. 32.

42 Vgl. Elfring/Volberda (2001b), S. 1.

43 Vgl. Ansoff (1987), S. 501 f.

44 Laut Ansoff entspricht dies auch dem (weiterentwickelten) Verständnis Kuhns. Vgl. Ansoff (1987), S. 502.

45 Vgl. Suppe (1977), S. 136 f.

46 Vgl. Mintzberg (2007), S. 313.

47 Vgl. Hofer/Schendel (1979), S. 384; Scherer (1995), S. 14 f.

48 So unterscheidet Farjoun die „mechanistic“ und „organic perspective“, die dem Fokus der präskriptiven und deskriptiven Modelle entsprechen. Vgl. Farjoun (2002), S. 561.

49 Vgl. Mintzberg (2007), S. 17 f.

50 Ansoff (1991), S. 455 f.

51 Vgl. Hofer/Schendel (1979), S. 385.

52 Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2003), S. 66.

53 Vgl. Farjoun (2002), S. 561.

54 Vgl. Müller-Stewens/Lechner (2003), S. 71.

55 Vgl. Welge/Al-Laham (2005), S. 65.

56 Vgl. Mintzberg (2007), S. 19.

57 Vgl. Volberda/Elfring (2001b), S. 2.

58 Weitere Systematisierungskonzepte finden sich z. B. bei Michael Behnam. Vgl. Behnam (1998), S. 30-36.

59 Vgl. Mintzberg (2007), S. 17-19.

60 Vgl. Volberda (2001b), S 3.

61 Vgl. Minzberg (2007), S. 17.

62 Vgl. Martinet (1996), S. 67.

63 Vgl. Whittington (1993), S. 2.

64 Vgl. Bowman (1995), S. 27.

65 Vgl. Welge/Al-Laham (2005), S. 20-73; Müller-Stewens/Lechner (2003), S. 61-71.

66 http://www.rsom.fr/html_page.asp?n0=8&n1=160&Article=faculty&en_page=1&prof=59 [13.07.07]

67 Vgl. Lauriol (1996), S. 51 f.

68 Vgl. Lauriol (1996), S. 51 f.

69 Vgl. Volberda/Elfring (2001b), S. 5.

70 Vgl. Schumpeter (1997), S. 116.

71 Vgl. Rhenman (1973), S. 54-57.

72 Vgl. Volberda/Elfring (2001b), S. 8.

73 Cyert/March (1995), S. 221.

74 Vgl. Cyert/March (1995), S. 225.

75 Vgl. Kuhn (1989), S. 31.

76 Vgl. Ansoff (1987), S. 510.

77 Vgl. http://www.law.berkeley.edu/faculty/profiles/facultyProfile.php?facID=232 [26.04.07]

78 Vgl. Selznick (1957), S. 22.

79 Vgl. Mintzbert (2007), S. 39.

80 Andrews et al. (1978), S. 6.

81 Vgl. Chandler (1962), S. 4.

82 Vgl. Mintzberg (2007), S. 343.

83 Vgl. Mintzberg (2007), S. 39.

84 Vgl. Whittington (1993), S. 11.

85 Vgl. http://www.betriebswirtschaft.info/1388.html [18.07.07]

86 Vgl. Ansoff (1966), S. 14.

87 Vgl. Porter (1999), S. 18.

88 Vgl. Mintzberg (2007), S. 343.

89 Vgl. Cole (1971), S. X.

90 Cole (1971), S. 227.

91 Vgl. Simon (1960), S. IX.

92 Vgl. Volberda/Elfring (2001b), S. 5.

93 Vgl. Rhenman (1973), S. 22.

94 Vgl. Rhenman (1973), S. 1-3.

95 Vgl. Volberda/Elfring (2001b), S. 6.

96 Vgl. Andrews et al. (1978), S. XI.

97 SelznicksLeadership in Administrationist 1957 erschienen und ChandlersStrategy and Structureim Jahre 1962.

98 Vgl. Andrews et al. (1978), S. 39.

99 LCAG entspricht den Anfangsbuchstaben der Autoren (Learned, Christensen, Andrews und Guth). Vgl. Mintzberg (1990), S. 173.

100 So bezieht sich z. B. Porter ausdrücklich auf das Grundmodell der Designschule. Vgl. Porter (1999), S. 24.

101 Vgl. Mintzberg (2007), S. 39.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Eine systematische Darstellung und Analyse der Denkschulen im strategischen Management
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
1,1
Autor
Jahr
2007
Seiten
97
Katalognummer
V131889
ISBN (eBook)
9783640381067
ISBN (Buch)
9783640380756
Dateigröße
868 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Eine, Darstellung, Analyse, Denkschulen, Management
Arbeit zitieren
Nathalie Dolatschko (Autor:in), 2007, Eine systematische Darstellung und Analyse der Denkschulen im strategischen Management, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131889

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