In der vorliegenden Seminararbeit möchte ich den Versuch unternehmen, einen Überblick über den Begriff „Weisheit“ zu geben. Dabei habe ich den Schwerpunkt dieser Arbeit auf die psychologische Erforschung von Weisheit gelegt, d.h. philosophische und religiöse Bezüge werden weitesgehend ausgeblendet. Dabei möchte ich bei meinen Ausführungen vor allem Bezug nehmen auf das von der Forschergruppe um Paul Baltes entwickelte Berliner Weisheitsmodell.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Annäherung an den Begriff "Weisheit"
3. implizite Weisheitstheorien
4. explizite Weisheitstheorien
4.1 Berliner Weisheitsparadigma
4.1.1. Definition und theoretische Verankerung
4.1.2. fünf Kriterien zur Beurteilung der Qualität weisheitsbezogener Leistungen
4.1.3. empirische Erfassung weisheitsbezogener Leistungen
4.1.4. Arbeitsmodell zur Erforschung der Vorbedingungen, Korrelate und Konsequenzen weisheitsbezogenen Wissens und Urteilens
4.1.5. empirische Befunde
4.1.5.1 Die Rolle des Lebensalters
4.1.5.2. Der Einfluss beruflicher Erfahrungswelten
4.1.5.3. Untersuchung von als weise Nominierten
4.1.5.4. Lokalisierung weisheitsbezogener Leistungen im psychometrischen Raum
4.1.6. Förderung weisheitsbezogenen Wissens und Urteilens
4.1.7. Zusammenfassung
4.1.7.1 Querverbindungen zu anderen Bereichen psychologischer Forschung
4.1.7.2. Ausblick
5. Reflexion und Schlussgedanken
6. Literaturangabe
1. Einleitung
In der vorliegenden Seminararbeit möchte ich den Versuch unternehmen, einen Überblick über den Begriff „Weisheit“ zu geben. Dabei habe ich den Schwerpunkt dieser Arbeit auf die psychologische Erforschung von Weisheit gelegt, d.h. philosophische und religiöse Bezüge werden weitesgehend ausgeblendet. Dabei möchte ich bei meinen Ausführungen vor allem Bezug nehmen auf das von der Forschergruppe um Paul Baltes entwickelte Berliner Weisheitsmodell.
Um mich dem Begriff "Weisheit" etwas anzunähern, wird im ersten Teil dieser Arbeit der Versuch einer Definition gewagt. Da sehr viele Definitionen vorhanden sind, werde ich mich auf einige Ausgewählte beschränken.
Daran anschließend werde ich die zwei großen Stränge psychologischer Weisheitsforschung vorstellen und voneinander abgrenzen: implizite und explizite Weisheitstheorien. Als ein Beispiel für einen laienpsychologischen Weisheitsbegriff werde ich auszugsweise die Ergebnisse unserer Seminarstunde vom 11.01.2006 zur Thematik „Wen würdet ihr als „weise“ nominieren?“ darstellen. Als ein Beispiel für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konstrukt „Weisheit“ dient das Berliner Weisheitsparadigma.
Der Hauptteil der Arbeit besteht darin, dass Berliner Weisheitsparadigma vorzustellen. Zunächst wird eine Definition von Weisheit im Sinne des Berliner Weisheitsparadigmas gegeben, sowie auf theoretische Grundlagen des Weisheitskonzeptes eingegangen. Dem folgen die fünf Kriterien zur Beurteilung der Qualität weisheitsbezogener Leistungen. Anschließend werde ich auf das ontogenetische Modell der Weisheitsentwicklung zu sprechen kommen, das beinhaltet, welche Vorbedingungen und modifizierenden Faktoren im Lebenslauf einwirken und zusammenwirken müssen, damit sich Weisheit oder zumindest weisheitsbezogenes Wissen und Urteilen entwickeln können.
Nach diesem Abriss der theoretischen Überlegungen wird im Rahmen des Berliner Weisheitskonzeptes auf einige empirische Untersuchungen und deren Ergebnisse eingegangen, die auf die Überprüfung einiger Bestandteile des ontogenetischen Weisheitsmodells abzielten.
Daran anschließend werde ich auf einige Möglichkeiten zu sprechen kommen, wie weisheitsbezogenes Wissen und Urteilen gefördert werden kann.
Des Weiteren folgt dann eine Zusammenfassung, die sowohl zentrale Erkenntnisse des Weisheitsmodells und Querverbindungen zu anderen Bereichen psychologischer Forschung beinhaltet, als auch Grenzen des Berliner Weisheitsmodells sowie mögliche zukünftige Entwicklungstendenzen aufzeigt.
Abschließen möchte ich diese Arbeit mit einer Reflexion, die die Frage aufgreifen soll, inwieweit Möglichkeiten bestehen, die Entwicklung von Weisheit zu beeinflussen, d.h. Kann Weisheit gelernt und gelehrt werden oder muss Weisheit als Geschenk Gottes angesehen werden?
2. Annäherung an den Begriff "Weisheit"
Seit Jahrtausenden gilt Weisheit im Sinne von Lebensklugheit in verschiedenen Kulturen als möglicher Höhepunkt menschlicher Entwicklung, Gipfel menschlicher Reife und Lebenserfahrung. In der Entwicklungspsychologie wird der Begriff seit langem als idealer Endpunkt der menschlichen Entwicklung diskutiert (vgl. Staudinger, 2000). Verstärkt in den letzten Jahren ist das Konstrukt Weisheit in den westlichen Industriegesellschaften und gerade im deutschsprachigen Kulturraum wieder zu einem Thema geworden (vgl. Staudinger, 1996). Da es sich bei dem Begriff allerdings um ein sehr komplexes Phänomen handelt, dass eine lange Begriffsgeschichte aufweist, sich dabei einfachen Definitionen und typischen Messmethoden (z.B. Tests) weitgehend entzieht und von anderen Konstrukten wie Intelligenz oder Kreativität schwer abgrenzbar ist, sind bislang recht wenige psychologische Untersuchungen durchgeführt wurden und die psycholog. Erforschung von Weisheit steckt noch in ihren Kinderschuhen.
Um mich dem Begriff "Weisheit" anzunähern, möchte ich im Folgenden auf verschiedene Definitionen eingehen.
Für eine erste Annäherung an den Begriff geht man zunächst von Wörterbüchern und Enzyklopädien als Quellen aus. Das Grimmsche Wörterbuch definiert Weisheit als "…Einsichten in und Wissen über sich selbst und die Welt … und reifes Urteil in schwierigen Lebensfragen" (Grimm & Grimm, 1984/1854, S.1109 -1134).
Im Brockhaus wird Weisheit definiert als „menschliche Grundhaltung, die auf einer allgemeinen Lebenserfahrung und einem umfassenden Verstehen und Wissen um Ursprung, Sinn und Ziel der Welt und des Lebens sowie um die letzten Dinge gegründet ist“ (Brockhaus, 2004).
Stanley Hall ist 1920 einer der ersten Psychologen gewesen, der sich theoretisch mit dem Thema Weisheit auseinander gesetzt hat und Weisheit mit der im Alter wachsenden philosophischen Ruhe, Unparteilichkeit und dem Wunsch nach dem Ableiten moralischer Maxime in Beziehung gesetzt hat. Er beschreibt Weisheit als ein Charakteristikum des guten Alterns.
Sternberg grenzt 1985 den Begriff Weisheit erstmalig von impliziten Konzepten zu Intelligenz und Kreativität ab und stellt fest, dass Weisheit durch sechs Dimensionen beschrieben werden kann: schlussfolgerndes Denken, Lernen auf Basis von Ideen und der Umgebung; Urteilsfähigkeit, Intuition, Nutzen von Informationen und Erfahrung und Klugheit (Wahl, 2000, S.10)
Andere Psychologen beschreiben Weisheit als die Suche nach dem goldenen Mittelweg zwischen den Extremen, als die Dynamik zwischen Wissen und Zweifel, als Distanz vom vorliegenden Problem und Wollen (vgl. Staudinger, 1996).
Psychologische Forschung verfolgt allerdings nicht nur das Ziel, eine Definition für ein untersuchtes Phänomen zu finden, sondern ist stets auch auf der Suche nach möglichen empirischen Zugängen. Nach Baltes & Smith (1990) ist es jedoch unklar, ob eine Rekonstruktion des Phänomens nach wissenschaftlichen Regeln aufgrund der enormen Komplexität und des Facettenreichtums überhaupt möglich ist (vgl. Staudinger, 1996). Weitgehend einig sind sich die Psychologen hinsichtlich der Eigenschaften, durch die sich weise Personen auszeichnen: Ruhe und Gelassenheit, Zentrierung ihres Lebens um Verantwortung für andere, Entsagen des Strebens nach Macht und Ruhm ebenso wie Angst vor Alter, Krankheit und Tod (vgl. Förster, 1993, s.189)
In der aktuellen psychologischen Weisheitsforschung sind zwei große Stränge erkennbar: implizite und explizite Theorien von Weisheit. Nähere Erläuterungen folgen im Abschnitt 3 und 4.
3. implizite Weisheitstheorien
Ein Strang der psychologischen Weisheitsforschung beschäftigt sich mit den Laientheorien von Weisheit, d.h. Wie werden die Begriffe „weise“ und „Weisheit“ im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet bzw. was verstehen Laien unter dem Begriff „Weisheit”? Welche Personen bzw. welche Personeneigenschaften werden als weise angesehen?
Implizite Weisheitstheorien sind Theorien, die nicht als solche bezeichnet werden können und nicht erst aufgestellt werden, sondern bereits "im Kopf" des Einzelnen existieren. Es handelt sich demnach um Allgemeingut. Nach Assmann (1991) besitzt nahezu jeder Mensch implizites Wissen darüber, was Weisheit ist (vgl. Wahl, 2000, S. 7)
In empirischen Untersuchungen befragt man die Probanden nach ihrer Definition von Weisheit oder einer weisen Person; oder auch danach, wie sich Weisheit von Kreativität unterscheidet.
Eine Befragung der Seminarteilnehmer unseres Seminars "Persönlichkeit und Kompetenzen" am 11.01.2006 brachte folgende als weise Nominierte hervor:
Auszug der Ergebnisse der als weise Nominierte
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse aller Studien zu impliziten Theorien, die von Ursula Staudinger verfasst wurde, zeigt, dass es klare Vorstellungen von Weisheit gibt; dass es einen breiten Konsens dahingehend gibt, dass Weisheit eine wünschenswerte Eigenschaft darstellt; dass Weisheit mit dem höheren Alter assoziiert wird; dass Weisheit in den Köpfen vieler Menschen eng mit weisen Personen und ihren Handlungen verknüpft ist; dass weise Personen einen außergewöhnlichen Intellekt und Charakter miteinander verbinden und in der Lage sind, verschiedene Interessen und Wahlmöglichkeiten abzuwägen; dass Weisheit starke interpersonelle und soziale Anteile hat und das Weisheit Überlappungen mit Konzepten wie Intelligenz aufweist, aber gleichzeitig durch Eigenschaften wie Klugheit und Integration von Denken, Fühlen und Wollen hohe Eigenvarianz aufweist (vgl. Staudinger 2005, S.343).
4. explizite Weisheitstheorien
Ein anderer Strang der Weisheitsforschung beschäftigt sich mit expliziten, von "Experten“ entwickelten Theoriekonstruktionen von Weisheit, die empirisch überprüft werden müssen. Explizite Theorien müssen dabei strengen Kriterien genügen: Präzision, Widerspruchsfreiheit, Operationalisierbarkeit, kritische Prüfung, Falsifizierbarkeit und Erkenntnisgewinn.
Die expliziten Theorien von Weisheit lassen sich nochmals unterscheiden in Theorien, die sich für selbstbezogene Weisheit interessieren und solchen, wo die allgemeine Weisheit im Zentrum steht. Selbstbezogene Weisheit bezieht sich dabei auf die höchste Einsicht und Urteilsfähigkeit in schwierigen und unsicheren Fragen des eigenen Lebens, wohingegen sich bei der allgemeinen Weisheit die Einsichten und Urteile auf schwierige Fragen des Lebens anderer beziehen. Bei der selbstbezogenen Weisheit ist der Befragte demnach selbst von der Situation betroffen, bei der allgemeinen Weisheit fehlt die direkte Betroffenheit.
Nach Staudinger & Smith (1994) lassen sich drei weitere Schwerpunkte in der Erforschung explizit psychologischer Theorien ermitteln: ein erster Ansatz versucht Weisheit als Persönlichkeitseigenschaft zu erfassen; eine zweite erfasst Weisheit als Charakteristik des Denkens, wobei Weisheit als eine außergewöhnlich hohe und nur von wenigen Menschen erreichte Stufe der kognitiven Entwicklung betrachtet wird („postformales, dialektisches Denken“ in der Tradition Piagets) und ein dritter Ansatz erfasst Weisheit als Expertentum in fundamentalen Fragen der Lebensplanung, -gestaltung und –deutung. Auf den dritten Ansatz, dem integrativen Ansatz, baut das psychologische Berliner Weisheitsparadigma von Baltes und Staudinger auf, das ich im Folgenden näher vorstellen möchte.
4.1 Berliner Weisheitsparadigma
Seit den 80er Jahren bis heute werden verschiedene Weisheitskonzeptionen
entwickelt, aber nur wenige sind gut ausgearbeitet und noch wenigere sind empirisch untermauert. Eine der elaboriertesten und zudem gut untersuchten
Konzeptionen ist im Berliner Max - Planck-Institut, von der Arbeitsgruppe um Baltes und seinen Mitarbeitern (Staudinger, Smith) entwickelt wurden. Hintergrund des Modells war die Suche nach einem positiven Entwicklungs-potential im höheren Lebensalter. Ziel dieser Arbeitsgruppe war es, einen theoretischen Rahmen zur empirischen Analyse von Weisheit und ihren Vorstufen, Lebenserfahrung oder Lebenswissen, zu finden (Staudinger, Smith, Baltes: Handbuch zur Erfassung v. weisheitsbezogenen Wissen, 1994, S.9). Dabei wurden zahlreiche Aspekte aus alltagspsychologischen Weisheitskonzepten wieder aufgegriffen.
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