Sin City - Harmonie von roher Gewalt und strikten Moralvorstellungen


Hausarbeit, 2008

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Einflüsse des Film Noir

3 Visuelle Effekte und die Umsetzung in Sin City

4 Charaktermerkmale und Rollenverteilung der Figuren
4.1 Held vs. Antiheld
4.2 Femme fatale vs. Girl next door

5 Großstadtmotiv und die Beeinflussung der Moralvorstellung

6 Literaturliste

Anhang

1 Einleitung

Schrille Polizeisirenen, laute Straßengeräusche und weit entfernt prasselnder Regen bilden einen starken Kontrast zu einer offenbar romantischen Zusammenkunft zweier Personen. Sie treffen sich auf einer dunklen Penthouse-Terrasse, abseits einer langweiligen Partygesellschaft. Trotz nächtlicher Dunkelheit und Düsternis, spiegelt sich stilvolle Eleganz und Romantik im roten Abendkleid und den vollen, roten Lippen der jungen Lady wider. In der sonst schwarz-weißen Umgebung leuchten ihre Augen unnatürlich grün auf. Ein Gewitter naht. Regen kündigt das scheinbar Unver-meidliche an. Man wird plötzlich geblendet von hell-schimmernden, comicartigen Figuren, um schon im nächsten Moment von einer tiefschwarzen Dunkelheit in das wilde Großstadtgeschehen magisch hineingezogen zu werden. Ein schallgedämpfter Schuss aus der Hand des im Smoking gekleideten Herren durchzuckt blitzartig das Bild und kündigt an, was sich schon vorher andeutete: „Sie sind bereit für das Unermessliche. Aber sie wollen dabei nicht allein sein“(Kapitel:1; 0:1:44).

Einem jeden Filmliebhaber und Kenner schießt beim Anblick dieser Szene sofort der Begriff „Noir“ in den Kopf. Doch in dieser Hausarbeit soll es nicht „nur“ um den klassischen Noir Film gehen, sondern um einen Film, der eindeutig bestätigt was viele Filmkritiker versprachen- etwas zuvor noch nie Erlebtes. Ein Film, der verschiedenste Noir Gattungen und Elemente mit einander verknüpft und dem Begriff Neo Noir eine völlig neue Richtung gibt.

Im Vordergrund meiner Hausarbeit steht jedoch die Frage nach vorhandenen Moralvorstellungen und deren Beeinflussung durch das urbanisierte Umfeld im Neo Noir Sin City. Die daraus resultierenden Charaktereigenschaften der Figuren seien vorab zu analysieren und zu interpretieren. Hierzu gilt es zunächst, einen Überblick über die Einflüsse Film Noir zu schaffen und auf die verschiedenen visuellen Elemente, die die Charaktereigenschaften betonen und beleuchten, einzugehen.

2 Die Einflüsse des Film Noir

Wenn man den Versuch unternimmt Noir Film zu definieren, ist wohl folgendes Zitat der Wahrheit am nächsten „[...] a genre, a movement, a visual style, a prevailing mood or tone, a period, or as a transgeneric status [...]“ (Spicer 2002:24). Film Noir scheint ein großes Phänomen zu sein, dass sich ständig weiterentwickelt und sich neu erfindet. Es ist nahezu unmöglich die eine treffende Definition zu finden.

Um sich der Thematik zu nähern und ein besseres Verständnis für den Neo Noir zu schaffen, ist es notwendig sich zunächst mit der Entwicklung und den Einflüssen des Film Noirs auseinander zu setzten.

Die Meinungen über die Entstehung des Film Noir gehen teilweise weit auseinander. Allgemein lässt sich jedoch festhalten, dass der Film Noir nach Andrew Spicer verschiedenen kulturellen Einflüssen zugrunde liegt. Zum einen spielte das sogenannte hardboiled writing und hardboiled fiction eine große Rolle. Völlig geblendet von der Schönheit der Frauen folgen die private eyes nicht der genauen Spur der Tat, sondern lassen sich von der sogenannten femme fatale lenken und verwirren. Im Gangsterfilm traten dann erstmals urbanisierte Schauplätze und deren Auswirkungen auf den Protagonisten dazu, die meist selbst kriminell waren und gelenkt wurden von Selbstentfremdung und Paranoia. Viele Filmwissenschaftler weisen dem Deutschen Expressionismus zwischen 1906 und 1924 eine bedeutende und prägende Rolle zu. Die Erlebnisse und Ängste im Ersten Weltkrieg nahmen einen starken Einfluss auf die Erzählstruktur und die Thematiken des Film Noir. Denn viele deutsche Regisseure emigrierten in die USA, um in Hollywood ihre Filme zu produ-zieren. Erstmals stand nun hauptsächlich das Gefühl und der Ausdruck im Vordergrund.

Die ersten Noir Filme dieser Zeit sind gezeichnet von Irrationalität, starker Subjektivität, Infragestellungen von Moral, zwiespältigen Persönlichkeiten und einzelnen Bruchstücken von Handlungen und Erzählungen. Im Street Film und Urban Thriller wurde dies mit noch stärkerem Einsatz von visuellen Elementen vertieft wie z.B. dunklen Schatten, flackernden Lichtern und dichtem Nebel auf den Straßen. Im Vergleich zu den üblichen Hollywood Filmen, die meist beschönte, perfekte Welten und entsprechende Charaktere beinhalteten, stellte die nun neu entstandene Gattung des Film Noir einen starken Kontrast dar. Diese große Lücke zwischen der glanzvollen, perfekten Welt und der völlig verlorenen, kalten Darstellung der Stadt, füllte der French Poetic Realism. Unter dessen Einfluss wurden banale Alltagssituationen und Durchschnittsbürger als Ausgangspunkt für kriminelle Handlungen genutzt.

Abschließend sei noch der große Einfluss des Horrorfilms auf den im Folgenden zu untersuchenden Film Sin City genannt.

3 Visuelle Effekte und die Umsetzung in Sin City

Der Film Noir zeichnet sich durch seine besonderen visuellen Effekte aus.

Die neue Idee bestand darin einen Film zu produzieren, den die Zuschauer nicht nur sehen, sondern auch fühlen konnten. Es war notwendig eine bestimmte Stimmung zu erzeugen, um den Zuschauer dicht genug an das Geschehen und an die Charaktere des Noir Films heranführen zu können. Das

Gefühl, selbst am Filmgeschehen teilzunehmen und die Gedanken und Gefühle des Protagonisten teilen zu wollen, sollten vermittelt werden.

Hierfür gibt es verschiedene klassische Techniken. Eines der wohl bedeutensten Elemente ist das Spiel mit Schatten und Licht. Es wird speziell der Low- Key Stil oder auch die sogenannte Chiaroscuro - Beleuchtung eingesetzt. Hierbei wird darauf geachtet, dass man vor einem dunklen Hintergrund nur selektiv Licht einsetzt, um beispielsweise bestimmte Körperregionen oder Geschehnisse hervorstechen zu lassen und somit düstere Stimmungen erzeugen zu können. Diese kontrastreichen Szenen werden in Sin City in sofern überspitzt, als dass man durch sogenannte extreme close- ups einerseits nur noch einzelne Körperauszüge wie z.B. die Augen erkennt und man somit das Gefühl hat der Figur direkt in die Seele schauen zu können (Kapitel:10; 00:45:11). Andererseits wird man plötzlich geblendet von leuchtenden Figuren, von denen nur die äußeren Konturen erkennbar sind und der Rest in absoluter Dunkelheit erstickt (Kapitel:01; 00:02:10). Auch klassische Elemente wie z.B. der Schatten einer geöffneten Jalousie (Kapitel:24; 1:41:30) oder die Reflexionen in Spiegeln finden sich in Sin City wider. Ebenfalls taucht die typische Straßenszene auf, in der sich ein altes Auto auf einem endlosscheinenden Highway durch den Regen kämpft, während der Fahrer einen inneren Monolog hält und die Geschehnisse kommentiert oder gar verarbeitet (Kapitel:18; 1:15:35). Diese Art der sprachlichen Darstellung wird Voice- over genannt. Zur Unterstützung werden weitere besonders für Neo-Noir typische, verzerrende Techniken wie Flashbacks oder Flashforwards verwendet. Sie dienen dazu noch nicht erzählte Geschehnisse dem Zuschauer vor Augen zu führen oder ihn gar an wichtige Schlüsselereignisse zu erinnern (Kapitel:09; 00:40:40). Es lässt sich schon hier erkennen, dass Film Noir sehr stark auf den Protagonisten fixiert ist und diesen in den Mittelpunkt des Geschehens stellt. Es soll erzielt werden, dass der Protagonist mit seinen Gedanken und Gefühlen das Geschehen ist. Diese Wirkung wird u.a. mit gezielten Kameratechniken erzeugt. Typisch sind hierbei Aufnahmen von Personen in Spiegeln, niedrige oder schräge Kameraperspektiven, Weitwinkel, close- ups, bird's eye views und das Einhalten der 180°- Regel. In Sin City wird diese Regel in bestimmten Momenten absichtlich durchbrochen, um wie z.B. in der Gefängnisszene Hartigans durch einen panning shot seine Einsamkeit und die Leere, die ihn in diesen 8 Jahren erfüllt, zu verdeutlichen. Den Noir Regisseuren gelingt es somit Unsichtbares sichtbar und vor allem fühlbar zu machen.

Doch der Neo Noir Sin City geht noch einen Schritt weiter. Der Film vereint nicht nur verschiedenste typische visuelle Elemente, sondern es lässt sich klar erkennen woraus sich der Neo Noir entwickelt hat und in welche Richtung er sich weiter entwickeln wird. Der Film bedient sich in vereinzelten Szenen zusätzlichen Genre wie dem Eastern (Kapitel:18; 1:15:09), hardboiled writing,

Splatter (Kapitel:09; 00:37:04) und der comicartigen Darstellung von Figuren (Kapitel:27; 01:47:53).

Entstanden ist ein Neo Noir Film, der sich aus vielen verschiedenen visuellen Elementen zusammen setzt und diese miteinander ein völlig neues Element bilden.

Wichtig sei hierbei auch die inhaltliche Veränderung zu betrachten. Grundsätzlich ist zunächst zu erwähnen , dass der Film Noir stark pessimistisch, unheilvoll und unbeständig ist. Es gibt keine offensichtlich guten oder schlechten Charaktere. Alle Figuren sind in einem komplizierten und undurchsichtigen Beziehungsnetz miteinander verbunden. Wie Sin City zeigt ist alles möglich und völlig unvorhersehbar.

Das Kennzeichen des Film Noir ist sein Sinn für in einer Falle sitzende Menschen – gefangen in einem Netz von Paranoia und Angst, unfähig, Schuld von Unschuld zu unterscheiden, echte Identität von falscher. Die Bösen sind anziehend und sympathisch [...]. Seine Helden und Heldinnen sind schwach, verstört. Die Umwelt ist düster und verschlossen, die Schauplätze andeutungsweise bedrückend. Am Ende wird das Böse aufgedeckt, aber das Überleben der Guten bleibt unklar und zwiespältig (Sklar, Robert: 1994)

Während sich dem zu Folge der klassische Film Noir meist mehr mit der komplex verknüpften Beziehung des (Anti-) Helden mit der femme fatale und dem aufzuklärenden Verbrechen auseinandersetzt, beschäftig sich der Neo Noir zusätzlich mit den sozialen Einflüssen und weiteren äußeren Umständen, die auf das Geschehen einwirken oder es gar erzeugen. Wichtige Thematiken sind hierbei Identitätskrisen u.a. aufgrund der starken Anonymität in Großstädten und die eigene Subjektivität- wie sieht sich die Figur in ihrem Umfeld und wie wird sie wahrgenommen? Ein weiteres großes Thema ist die zunehmende Urbanisierung und die Thematisierung von Problemen mit dem schnellen technischen Fortschritt.

Da in Noir Filmen nicht die Handlung, sondern ehr ein bestimmtes Gefühl im Vordergrund steht, ist es umso bemerkenswerter wie die hyperrealistischen Comics von Frank Miller in einen unglaublich ausdrucksstarken Film umgesetzt werden konnten. Frank Miller und Robert Rodriguez spielen mit einer schwarz- weiß, realistisch- comicartigen Bildsprache. Der Film wirkt trotz seiner künstlich erschaffenen Welt nicht völlig unecht, da eine Verknüpfung von echten Schauspielern mit dem Comic durch Computeranimationen und Scherenschnitten auf höchstem Niveau gelungen ist und dem Film Glaubwürdigkeit verleiht. Die reduzierte Optik und die auffälligen Großaufnahmen der Figuren und Handlungen führen gleichzeitig zu grotesken und komischen Szenen. Mit diesem Stilmittel ist es den Regisseuren ebenfalls gelungen, im normalen Film nicht darstellbare Szenen dennoch umsetzten zu können (Kapitel:17; 01:12:56) Wie schon erwähnt zeichnet sich der Neo Noir Sin City durch eine zuvor nicht existierenden Kombination vieler verschiedener Stilmittel aus.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Sin City - Harmonie von roher Gewalt und strikten Moralvorstellungen
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Anglistik)
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V132545
ISBN (eBook)
9783640387960
ISBN (Buch)
9783640388318
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Film Noir, Neo Noir, Sin City, Anglistik, Protagonisten, Moral, Film, Gewalt, Charakter, schwarz, weiß, Klassiker
Arbeit zitieren
Janine Heiner (Autor:in), 2008, Sin City - Harmonie von roher Gewalt und strikten Moralvorstellungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132545

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