Frankreich in der Europäischen Union


Hausarbeit, 2008

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Beteiligung Frankreichs am Aufbau Europas

3. Die französische Beteiligung an Europa
3.1 Die Verknüpfung französischer Institutionen in der europapolitischen Praxis
3.2 Die Europa-Delegation
3.3 Das SGCI
3.4 Die Rolle des Conseil d’Etat

4. Europa in der aktuellen französischen Regierungspraxis
4.1 Scheitern des Verfassungsreferendums 2005
4.2 Zukünftige Entwicklung unter Sarkozy

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Deutschland und Frankreich dürfen diese Motoren-Funktion nicht dazu benutzen, andere vor den Kopf zu stoßen.“

Angela Merkel[1]

Deutschland und Frankreich gelten seit dem Aufbau der Europäischen Union[2] in ihrer heutigen Form, also seit dem Ende des zweiten Weltkriegs, als „Motor der EU“. Vor allem Frankreich stand seit den Anfängen der EU immer im Vordergrund des Integrationsprozesses, der nach den einschneidenden Erlebnissen des zweiten Weltkrieges auf dem Kontinent vor allem Frieden, Sicherheit und Wohlstand implementieren sollte (Kimmel/Uterwedde 2005: 384). Frankreich brachte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer aktiv in die Entwicklung eines stetig wachsenden Europas ein und spielte aufgrund der Zurückhaltung Großbritanniens und Deutschlands immer die „Rolle eines Initiators und Ideengebers“ (Kimmel/Uterwedde 2005: 384).

Trotz dieser Vorreiterrolle bewahrte sich Frankreich immer seinen Ruf als Grande Nation und behielt sich aufgrund seiner intergouvernementalen Integrationsmethoden die Möglichkeit vor, auf seiner nationalstaatlichen Souveränität zu beharren (Kimmel/Uterwedde 2005: 384). Frankreich ist wie kaum ein anderer Staat innerhalb Europas erfolgreich in der Verknüpfung nationalstaatlicher und europäischer Interessen. So stand seit Beginn der EU immer das Bild eines global handlungsfähigen, autonomen Europas, verknüpft mit einer ausreichenden Fundierung im machtpolitischen und militärischen Bereich, im Mittelpunkt der französischen Europapolitik (Kimmel/Uterwedde 2005: 397).

Dies bringt uns zu der Frage, wie es Frankreich als Grande Nation, die ihren Führungsanspruch auf ihre Souveränität und auf der Stärke des Staates aufbaut, so eindrucksvoll gelingen konnte, die Verknüpfung zwischen Frankreich als Nation und Europa als Zusammenschluss souveräner Staaten voran zu treiben. Wie integriert also der französische Regierungsapparat die europäischen Interessen in die französische Regierungspraxis, und welche Institutionen sind unmittelbar an dem politischen Alltag Frankreichs in Europa beteiligt? Diese Fragen bringen uns zu einer grundlegenden Betrachtung Frankreichs im europäischen Kontext und zu der Fragestellung:

Inwiefern ist die französische Beteiligung an Europa in den französischen Institutionen koordiniert und verankert, und welche Verfahren bzw. Institutionen ermöglichen und unterstützen die Beteiligung an europapolitischen Prozessen?

Um diese Frage beantworten zu können, ist es im Verlauf der Arbeit zunächst von Bedeutung, einen kurzen, undetaillierten historischen Überblick über die Beteiligung Frankreichs am Aufbau der EU darzustellen. Dies dient vor allem dazu, den Spagat, den Frankreich im Laufe der neueren europäischen Geschichte zwischen Frankreich als Nation und Europa als Zusammenschluss souveräner Staaten zu vollführen versuchte, näher zu beschreiben. Ebenso soll dieses Kapitel die Rolle Frankreichs als Initiator und „Motor der EU“ beleuchten und einen Überblick über die stetige Initiative Frankreichs im europäischen Einigungsprozess geben. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird nachfolgend auf die eigentliche Verknüpfung der französischen Institutionen und der französischen Regierung[3] mit Europa eingegangen. Hierzu werden die unterschiedlichen Institutionen im Hinblick auf ihre Verknüpfung mit der EU analysiert. Ebenso wird die Beteiligung der französischen Delegation in Brüssel und Straßburg am europäischen Regierungsprozess beleuchtet, sowie die Implementierung spezieller Prozesse in Organen beschrieben . Diesem Punkt folgt ein Überblick über die französische Regierungspraxis im Hinblick auf das gescheiterte Europäische Verfassungsreferendum 2005. Ebenso soll im letzten Abschnitt der Arbeit ein Ausblick über die zukünftige Entwicklung der französischen Europapolitik unter dem Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy erfolgen. Ein Fazit mit der Beantwortung der oben gestellten Forschungsfrage schleißt die vorliegende Arbeit ab.

2. Die Beteiligung Frankreichs am Aufbau Europas

Nach dem zweiten Weltkrieg stand für Europa eine grundlegende Neuordnung an. Der Krieg hatte verheerende Folgen gehabt und war vor allem für Frankreich, das sich zu diesem Zeitpunkt noch als IV Republik darstellte und das seine Niederlage gegen die Deutschen im Jahr 1940 nur schwer verkraftet hatte, der Auslöser, nach neuen Optionen zur Erhaltung des Friedens zu suchen. Somit erwuchs die Idee einer grundlegenden Neuordnung Europas vor allem aus dem Sicherheitsbedürfnis Frankreichs zum Schutz vor Deutschland (Müller-Brandeck- Bocquet 2004: 13). Zunächst sah es von französischer Seite allerdings nicht nach einem Europa der souveränen Staaten aus. Vor allem wollte die französische Regierung unter de Gaulle keinen deutschen Staat, sondern eine Länder-Föderation ohne Zentralverwaltung. Erst die Schaffung der internationalen Ruhrbehörde 1948 brachte Frankreich dazu, dem Beitritt Deutschlands in die 1947 geschaffene Bizone[4] zuzustimmen. Vor allem war es der sich abzeichnende Kalte Krieg zwischen den USA und der UdSSR, der Frankreich dazu bewegte, in eine neue Staatlichkeit Deutschlands einzuwilligen. Nun war der erste grundlegende Schritt für den Aufbau eines neues Europas geschaffen worden (Müller-Brandeck- Bocquet 2004: 13f.).

Die ersten Integrationsprozesse, die 1950 unter französischer Initiative stattfanden, waren die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) sowie der gescheiterte Versuch, innerhalb Europas eine Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu integrieren. Dies diente, vor allem angesichts der zentralen Supermächte sowohl im Osten als auch im Westen, zur Einigung und Stärkung des jungen Europas. Ebenso sollte auch eine langfristige Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in Sicherheitsstrukturen innerhalb Europas etabliert werden (Müller-Brandeck-Bocquet 2004: 14). So kann die EGKS auch als Kontrollinstanz der deutschen Rüstungsindustrie gesehen werden, welche Frankreichs Sicherheitsbedürfnis gegenüber Deutschland innerhalb des europäischen Kontextes darstellte. Ebenso war die Einbindung Westdeutschlands durch die französische Initiative als Schutz vor dem Osten und vor allem als Stärkung des westdeutschen Teilstaats innerhalb Europas zu sehen (Müller-Brandeck-Bocquet 2004: 14). Bei der Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Ende 1954, nahm Frankreich eine eher passive Rolle ein[5]. Im Gegensatz dazu, ging der Entwurf für das Projekt einer Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) 1956, ausgehend von Jean Monnet, der als französischer Geschäftsmann und Politiker auch als einer der Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaft EG bekannt wurde, von der französischen Seite aus (Müller-Brandeck- Bocquet 2004: 15). Nun traten am 1.1.1958 die römischen Verträge in Kraft, welche die zum Grossteil von den Franzosen angeregten Neuerungen, wie die EWG und vor allem aber Euratom, innerhalb Europas beinhalteten. Die IV. Republik überdauerte die Unterzeichnung der römischen Verträge nur um wenige Monate[6]. Mit der V. Republik zeichnete sich, durch französische Initiative, nun ein neuer Abschnitt in der Entwicklung Europas ab (Müller-Brandeck- Bocquet 2004: 15ff.).

In der V. Republik spielte Europa für Frankreich unter De Gaulle als Staatspräsident eine besondere Rolle. Er konnte sich Europa nur als ein Europa der Nationen vorstellen und hegte den Wunsch, Europa unter Frankreichs Führung zu einem Gegengewicht gegenüber den Mächten des kalten Krieges, also den USA und der UdSSR, werden zu lassen. So war De Gaulle nicht bereit, während seiner Amtszeit seine Idee eines Europas unter Frankreichs Führung, den Bedürfnissen der europäischen Integration unterzuordnen (Kimmel/Uterwedde 2005: 385f.). Dieses intergouvernementale Konzept Frankreichs kam zum ersten Mal 1961/62 zum Tragen. Es ist bis heute für die Europapolitik Frankreichs kennzeichnend und zum Teil hinderlich für den Integrationsprozess. So scheiterten die Fouchet-Pläne, da De Gaulle die USA als Schutzmacht aus Europa zu verdrängen suchte. Ebenso praktizierte er 1965 die Politik des leeren Stuhls innerhalb der EWG-Institutionen. De Gaulle wollte damit verhindern, dass das bis dato praktizierte supranationale Prinzip weiter in die EWG vordringt. Dies allerdings mit wenig Erfolg. So wurde 1966 bei dem so genannten Luxemburger Kompromiss jedem Staat ein Vetorecht bei wichtigen Interessen zugestanden (Kimmel/Uterwedde 2005: 386).

Unter dem zweiten Präsidenten der V. Republik Georges Pompidou wurde 1972 der europäische Währungsbund, welcher eine Vorform des Europäischen Währungssystems darstellte, geschaffen. Die seit 1971 geplante Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) konnte zu diesem Zeitpunkt aufgrund des massiven Drucks seitens der USA[7] nicht wie geplant ratifiziert werden. 1974 trat Frankreich dann aus der EWS aus, da diese nicht ausreichte, die Währungsturbulenzen zu überwinden (Müller-Brandeck-Bocquet 2004: 29).

Die erste Direktwahl des europäischen Parlaments folgte 1979 unter Valéry Giscard D’Estaing, der ein anderes Verfassungsverständnis als seine Vorgänger mitbrachte. Für ihn war die direkte Zusammenarbeit mit seinen Ministern unumgänglich, und so ging er als „permanent eingreifender Staatschef“ in die Geschichte ein (Müller-Brandeck-Bocquet 2004: 33). Zudem förderte er das Abkommen von Lomé, welches eine europäische Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern vorsah. Ebenso trat Frankreich 1978 in Verhandlungen mit Deutschland über ein Europäisches Währungssystem (EWS) ein. Dieses wurde am 1.1.1979 beschlossen und setzte so die monetäre Position Frankreichs in Währungsfragen durch (Müller-Brandeck-Bocquet 2004: 39).

[...]


[1] Interview in der FAZ zur Rolle von Deutschland und Frankreich in der Europäischen Union, 24. Juni 2005.

[2] Wird im Verlauf der Arbeit mit der Abkürzung EU bezeichnet.

[3] In dieser Hausarbeit wird lediglich die Verknüpfung der Institutionen in der V. Republik mit Europa betrachtet. Auf eine Analyse der Integrationsprozesse der IV. Republik wird aus Gründen der Aktualität verzichtet. Dieser Aspekt wird nur kurz im historischen Überblick erwähnt und ist nachzulesen in: Stanat, Markus (2006): Die französiche Nationalversammlung und die Europäische Union (1-86).

[4] Frankreich stimmte diesem Beitritt erst zu, nachdem die USA bereit war, Frankreich ein- und das Saargebiet auszugliedern (Müller-Brandeck- Bocquet 2004: 13).

[5] Dies lässt sich mit dem Entkolonialisierungsprozess nach dem zweiten Weltkrieg erklären. Die Regierung und somit ihr Handeln in Bezug auf die französische Außenpolitik, hatte zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Kolonie in Algerien zu kämpfen, da dort seit 1954 ein Befreiungskrieg herrschte. Diesem musste, angesichts der Schwäche der IV Republik, Vorrang vor europäischen Angelegenheiten gewährt werden. Ein genauerer Überblick über die Geschichte der IV Republik sowie über die Algerienkrise wird in dieser Arbeit ausgelassen. Sie ist allerdings u.a. nachzulesen in: Kimmel/Uterwedde 2005: 65ff.

[6] Siehe Fußnote 4.

[7] Die USA hatten 1971 das internationale Währungssystem von Bretton Woods außer Kraft gesetzt und somit den Dollar um ein vielfaches aufgewertet. Europa musste einen Weg finden, diesem Druck seitens der USA entgegenzutreten (Müller-Brandeck-Bocquet 2004: 29).

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Frankreich in der Europäischen Union
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V133177
ISBN (eBook)
9783640396825
ISBN (Buch)
9783640397082
Dateigröße
603 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frankreich, Europäischen, Union
Arbeit zitieren
Sabine Dorsheimer (Autor:in), 2008, Frankreich in der Europäischen Union, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133177

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