Das Zeichnen in der italienischen Renaissance

Funktionen, Techniken und Strategien des Zeichnens


Seminararbeit, 2002

18 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Gegenstand der Arbeit

2 Voraussetzungen für das Zeichnen
2.1 Geschichtliche Voraussetzungen
2.2 Materielle Voraussetzungen

3 Zeichnung
3.1 Funktionen des Zeichnens
3.2 Formen der Zeichnung zur Gemäldevorbereitung
3.2.1 Schizzo
3.2.2 Macchia
3.2.3 Concepto
3.2.4 Studie
3.2.5 Vorzeichnung
3.2.6 Fertiger Entwurf
3.2.7 Karton
3.2.8 Unterzeichnung
3.2.9 Nachzeichnung und Kopie
3.3 Gestaltungselemente der Zeichnung
3.3.1 Einsatz des Zeichengeräts
3.3.2 Ziel der Naturwahrheit
3.3.3 Proportion
3.3.4 Perspektive

4 Geometrische Körper
4.1 Entstehung geometrischer Körper vor
4.2 Geometrische Körper in der Renaissance

5 Literaturverzeichnis

1 Gegenstand der Arbeit

In dieser Arbeit werden charakteristische Merkmale des Zeichnens in der italienischen Renaissance dargestellt, zum einen in Hinsicht auf die geschichtlichen und materiellen Voraussetzungen für die Künstler jener Zeit, zum anderen unter besonderer Betrachtung der verschiedenen Funktionen und damit verbundenen Formen und Gestaltungselementen der Zeichnung, sowie ihrer Ziele (Naturähnlichkeit, Proportion, Perspektive). Auch wird hier unter den Gesichtspunkten der Entstehung und des Stellenwerts solcher Formen in der Zeit der Renaissance gesondert das Thema der geometrischen Körper behandelt.

2 Voraussetzungen für das Zeichnen

2.1 Geschichtliche Voraussetzungen

Der Beginn der Renaissance läßt sich ungefähr auf das vierzehnte Jahrhundert schätzen, in welchem, nach dem Ende des Mittelalters, ein Wiederaufleben der Antike angestrebt wurde. Entstanden ist die sogenannte Frührenaissance in Italien, die entscheidenden Impulse scheinen allerdings aus dem speziellen politischen und kulturellen Klima der Stadt Florenz gegeben worden zu sein. Dafür müssen die Ursachen vor allem in der wirtschaftlichen und politischen Situation der Stadtrepublik zu Beginn des „Quattrocento“ gesehen werden[1]. So ermöglichte „die ökonomische Struktur der rivalisierenden Stadtstaaten und Fürstenhöfe in Italien durch umfangreiche Aufträge eine erweiterte Produktionsweise der Künstlerwerkstätten und begünstigte allgemein den Aufstieg der bildenden Künste und das wachsende soziale Prestige der Architekten, Bildhauer und Maler“[2]. Dies wiederum hatte zu Folge, daß das Selbstbewußtsein und damit verbunden die Emanzipation der Künstler angehoben wurde und sich mit der Zeit ein neues Bild des Künstlers entwickelte: vom zunftabhängigen Handwerker zum (fast) eigenständigen, individuellen Künstler. Der Rang eines Menschen wurde nun nicht mehr nach seiner gebürtigen Stellung bewertet, sondern hauptsächlich nach seiner persönlichen Leistung.

Neben den ökonomischen Grundlagen jener Zeit betraf der Wandel, der zur Entstehung der Renaissance führte, sowohl das politische Geschehen, als auch die gesellschaftliche Entwicklung, das religiöse Leben und das gesamte Weltbild. Der Mensch als Individuum rückte nun mehr und mehr in den Mittelpunkt des Denkens und wurde damit zur zentralen Figur des öffentlichen Lebens. Dieses Phänomen des neuen Identitätsbewußtseins der Menschen, das von jetzt an als „Humanismus“ bezeichnet wird, ist ein charakteristisches Merkmal für die Frührenaissance. Damit verlor also die vorher ausschließlich auf die Grundlage des Christentums gebaute Denkweise an Gültigkeit und es entstand durch die Rückbesinnung auf das antike Gedankengut ein „neues Heidentum“. Durch die damit verbundene allgemeine Bewegung zur Säkularisierung des Bewußtseins nahm das Papsttum sein Ende und die Stellung der Kirche wurde entscheidend geschwächt. Glaubensbereitschaft wurde nun durch Wissensdrang ersetzt und es entstand eine neue analysierende Sehweise, die sich auf die Dinge des Lebens und der Welt richtete.

Die Künstler machten sich die Natur zum Vorbild und setzten sich die Antike als Maßstab. Die damit geltenden Bewertungskriterien von Zeichnungen waren demnach die Orientierung an der Natur und an einer idealen Schönheit, ausgelöst von vorhandener Anmut, stimmiger Proportion, errechneter Geometrie und richtiger Perspektive.

2.2 Materielle Voraussetzungen

Den Künstlern der Renaissance standen als übliche Zeichenflächen Pergament und Papier zu Verfügung. Da Pergament aber ein kostbares Material war, setzte es dem Alltagsgebrauch entschiedene Grenzen. Daher war die Verwendung von Papier die üblichere Arbeitsmethode der Renaissance-Zeichner.

Übliche Zeichengeräte waren zu jener Zeit Federn, Metallstifte, Kreiden, Rötel, Kohle und Pinsel. Als Zeichenfeder wurde meist ein Gänsekiel benutzt, mit dem man unter Verwendung von Tinte, sowohl aus Eisengallustinte, wie auch aus schwarzer oder brauner Rußtinte, feine Formen zu Papier bringen konnte. Die Metallstifte stammen ursprünglich aus der Antike, wo sie zum Einritzen in wachsbeschichtete Holztafeln verwendet wurden, aber auch auf rauhen Flächen Spuren hinterließen. Zur Zeit der Renaissance wurde neben dem Bleistift und später auch dem Graphitstift auch der eher seltene Silberstift verwendet, wobei Silberstiftzeichnungen oftmals schon von der Intention ihres Schöpfers her auf Vollkommenheit angelegt waren und nicht, wie die meisten anderen Zeichnungen, als Hilfsmittel verstanden wurden.

Neben der Naturkreide und der Kohle gab es schon im sechzehnten Jahrhundert Stifte, die aus Ruß und Bindemittel gefertigt waren und deren Erfindung Leonardo da Vinci zugeschrieben wird. Auch andersfarbige Stifte, wie Rötel und mehrfarbige Pastellkreiden, kamen in jenem Jahrhundert in Mode.

3 Zeichnung

Nach Felipe de Guevara[3] ist die Zeichnung (ital. disegno) das allen anderen Künsten zugrundeliegende Element, von dem daher zur Zeit der Renaissance die große Erneuerung ausgegangen ist.

Die Charakteristika des neuen Zeichenstils, der sich in Italien ab dem vierzehnten Jahrhundert beobachten läßt, waren die Lösung des Mediums aus seiner dienenden Rolle und Freisetzung zu einer autonomen Stellung, Betonung eines neuen, auf antiken Vorbildern beruhenden, Schönheitsideals (Proportion), verstärktes Naturstudium (Anatomie), Individualität der Darstellung (Porträt), Perspektive[4]. Es entwickelt sich in dieser Epoche eine zeichnerische Vorliebe für eine freiere Gestaltungsweise mit skizzenhaft offenen Zügen, für fragmentarische Darstellungen, für eine größere Lebendigkeit in der Wiedergabe und für eine optische Richtigkeit.

In Florenz tritt in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts eine Zeichengattung von herausragender Wirkung auf, die das Leitmotiv der folgenden Entwicklung bildet, nämlich die Studie nach dem bekleideten, besonders aber nach dem nackten menschlichen Körper („Modellstudien“).

3.1 Funktionen des Zeichnens

Die Zeichnung wurde schon früh zur Grundlage der künstlerischen Schöpfungskraft erklärt, wodurch die Vokabel disegno neben dem Ausdruck Zeichnung auch die Bedeutungen Entwurf, Plan und Idee erhielt.

Das Zeichnen ist damit einerseits Mittel zur Erkenntnisgewinnung unter wissenschaftlichem Aspekt, andererseits ist es die Grundlage des künstlerischen Schaffens überhaupt und der Inbegriff der künstlerischen Schaffenskraft. Es wird also hier unterschieden zwischen zwei Funktionen des Zeichnens: Zeichnen als praktische Tätigkeit (disegno pratico oder disegno esterno) und Zeichnen als geistige Konzeption (disegno intelletivo oder disegno interno).

Die Ziele des Zeichnens definieren sich damit einerseits als die „Vorbereitung künftiger Werke“ und andererseits als das „zeichnerische Begreifen der sichtbaren Welt“.

Auch Michelangelo Buonarroti definiert die Funktion der Zeichnung als Kunstentwurf und Wissenschaft wie folgt: „Im Zeichnen, das man mit anderem Namen auch die Kunst des Entwerfens nennt, gipfeln Malerei, Skulptur und Architektur. Die Zeichnung ist Urquell und Seele aller Arten des Malens und Wurzel aller Wissenschaft.“[5].

Neben den bisher genannten Aufgaben des Zeichnens als Planungsmittel für die Malerei und als freies sinnliches Erkenntnis- und Forschungsmittel, hat das Zeichnen in der Renaissance noch weitere Funktionen, nämlich die der Bildhauerzeichnung, der Architekturzeichnung, der technischen Zeichnung, der Werkzeichnung für das Kunstgewerbe, der Kartographie, der Illustration und Buchmalerei, Zeichnung für den Stich, Dekorations-, Ornaments- und Schriftzeichnung.

3.2 Formen der Zeichnung zur Gemäldevorbereitung

Joseph Meder hat die verschiedenen Formen der Zeichnung unter folgenden Begriffen zusammengefaßt: 1. macchia, 2. schizzo, 3. concepto oder concetto, 4. modello[6].

Mit macchia ist hier der allerflüchtigste Entwurf eines Gedankens, einer Figur, Bewegung oder Landschaft gemeint. Schizzo (Skizze) ist ein Begriff, der neben dem Aspekt der Funktion auch den der äußeren Form erfaßt. Concepto (auf deutsch: Entwurf) ist die Formulierung, die klar auf ein zu schaffendes Werk als Ziel des Bemühens vorausweist und modello beschreibt den daraus entstandenen endgültigen Entwurf, der dem Auftraggeber als Muster vorgelegt werden kann.

Uwe Westfehling fügt hier noch den Begriff der Studie an, den der Vorzeichnung, des fertigen Entwurfs, des Kartons, der Unterzeichnung und den der Nachzeichnung und Kopie[7].

3.2.1 Schizzo

Wichtig für die Charakterisierung einer Skizze ist die schnelle und spontane Ausführung der Zeichnung, dies läßt sich schon aus der italienischen Bezeichnung schizzo herleiten, da dieses Wort den deutschen Begriffen hinspritzen und ausspeien gleichbedeutend ist. Die Funktion der Skizze ist daher die einer raschen Notiz um eine Idee, einen Formgedanken oder einen flüchtigen optischen Eindruck festzuhalten. Damit ist die Skizze der Inbegriff einer sowohl freien als auch zupackenden Gestaltung, „unmittelbar geboren aus der Inspiration des Künstlers“[8].

[...]


[1] Uwe Westfehling : „Zeichnen in der Renaissance: Entwicklung – Techniken – Formen – Themen“, Köln 1993, S. 19

[2] Joscijka Gabriele Abels: „Erkenntnis der Bilder. Die Perspektive in der Kunst der Renaissance“, Frankfurt a.M. / New York 1985, S. 195

[3] Felipe de Guevara: „Comentarios de la Pintura“, um 1560

[4] Uwe Westfehling: „Zeichnen in der Renaissance: Entwicklung – Techniken – Formen – Themen“, Köln 1993, S. 38

[5] Nach Franzesco de Hollanda; zitiert nach: Joseph Meder: „Die Handzeichnung, ihre Technik und Entwicklung“, Wien 1919, S. 288, Anm. 2.

[6] Joseph Meder: „Die Handzeichnung, ihre Technik und Entwicklung“, Wien 1919, S. 284 ff.

[7] Uwe Westfehling: „Zeichnen in der Renaissance: Entwicklung –Technik – Formen – Themen“, Köln 1993, S. 144 ff.

[8] Vasari zitiert nach: P. Ramade: „Première idée“, Musée des Beaux-Arts de Rennes, Rennes 1987, S. 15

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Zeichnen in der italienischen Renaissance
Untertitel
Funktionen, Techniken und Strategien des Zeichnens
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltung
Vorlesung „Die Renaissance in Italien"
Note
2
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V134247
ISBN (eBook)
9783640425679
ISBN (Buch)
9783640422494
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zeichnen, Renaissance, Funktionen, Techniken, Strategien, Zeichnens
Arbeit zitieren
Jana Dietsch (Autor:in), 2002, Das Zeichnen in der italienischen Renaissance, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/134247

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