Effekte integrierter Lernumgebungen in der Lehrerforschung

Qualität von Wissen und Wirkungen des Unterrichts in situiert vs. instruktionalisiert orientierten Lernumgebungen


Magisterarbeit, 2009

140 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Einleitung

1. Probleme in der Anwendung wissenschaftlichen Wissens
1.1 Träges Wissen in der Lehrerbildung
1.2 Subjektive Theorien in der Lehrerausbildung und Handlung
1.3 Motivationsaspekte bei der Wissensaneignung
1.4 Unterrichtsmodelle
1.4.1 Instruktionalisierte Ansätze
1.4.2 Kritik an instruktionalisierten Ansätzen
1.4.3 Situierte Ansätze
1.4.4 Kritik an situierten Ansätzen
1.5 Debatte zur Wirksamkeit verschiedener didaktischer Konzeptionen
1.5.1 Argumentation Anderson, Reder und Simon (1996)
1.5.2 Die Entstehung einer instruktional orientierten Lernumgebung
1.5.3 Argumentation Greeno (1997)
1.5.4 Revival the discussion
1.5.5 Die Entstehung einer situiert orientierten Lernumgebung
1.6 Resultate der Debatten
1.7 Untersuchungsfragen

2. Methode
2.1 Stichprobe
2.2 Experimenteller Aufbau
2.2.1 Konzeption der Lernumgebungen
2.2.2 Seminarinhalt
2.2.3 Seminarziele
2.3 Gruppendesign
2.3.1 Gruppe A: situiert orientierte Lernumgebung
2.3.2 Gruppe B: instruktionalisiertes Design
2.4 Lernmaterialien
2.4.1 Gemeinsame Sitzungen Sommersemester 2007
2.4.2 situiert orientierte Gruppe (A)
2.4.3 instruktionalisiert orientierte Gruppe (B)
2.4.4 Gemeinsame Endsitzung
2.5 Instrumente und Messverfahren
2.5.1 Vorerhebung ± erste Sitzung
2.5.2 Wissenstest
2.5.3 Gemeinsame Gruppenarbeit vom 17.07.2007
2.5.4 Nacherhebung
2.5.5 Validierung der Motivationsitems

3. Durchführung
3.1 Interne Validität (Zusammensetzung der Stichprobe)
3.1.1 Gruppendesign
3.1.2 Die innere Einstellung der Lerner
Deskriptive und Interferenzstatistische Befunde
3.2 Forschungsfrage 1: Welchen Einfluss haben die beiden Seminarkonzeptionen auf die Anwendung von wissenschaftlichem Wissen?
3.2.1 Perspektive Leistungsbetrachtung
3.2.2 Perspektive Inhaltsspezifische Betrachtung (Qualität des Wissens)
3.2.3 Perspektive Wissensart (Anwendungs- versus träges Wissen, als Qualität der Wissensbasis)
3.2.4 strukturelle Perspektive (Vernetztheit und Wissenschaftlichkeit als Elemente der Qualität der Wissensbasis)
3.2.5 Reflexionsniveau aus der Perspektive Wissenschaftlichkeit
3.3 Forschungsfrage 2: Wie wirken sich die beiden Seminar-konzeptionen auf die Aktivierung der Lerner und das Interesse an Theorien aus?
3.3.1 Interesse an Theorie und Wissenschaft
3.3.2 Motivationale Faktoren
3.4 Forschungsfrage 3: Welchen Einfluss hat die Seminarkonzeption auf die Akzeptanz der Lernumgebung?

4. Diskussion

5. Konsequenzen für den Unterricht

6. Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang 1 Vorerhebung
Anhang 2 Gruppenarbeit
Anhang 3 Wissenstest
Anhang 4 Nacherhebung

Zusammenfassung

Lehramtsstudierenden greifen häufig auf ihre, durch Sozialisation erworbenen, subjektiven Theorien zurück und vernachlässigen wissenschaftliches Wissen (vgl. Spiewak, 2004). Daraus resultiert ein träges Wissen, dass zwar reproduziert jedoch nicht angewendet werden kann (vgl. Neuweg, 2007). Als eine Maßnahme die Anwendung wissenschaftlichen Wissens zu fördern gilt die didaktische Gestaltung von Seminarkonzeptionen. Die vorliegende Studie soll prüfen, ob träges Wissen und subjektive Theorien durch die Implementation innovativer Seminarkonzeptionen sowie den Einsatz modifizierter Instruktionsansätze unterbunden werden und langfristige Einstellungsänderungen gegenüber wissenschaftlichen Wissens erfolgen. Hierfür wurden unter Berücksichtigung aktueller Forschungsstände zwei Seminarkonzeptionen entwickelt, die sich hinsichtlich ihrer didaktischen Gestaltung (situiert orientiert vs. instruktional orientiert) unterschieden. Die Seminare wurden im Sommersemester 2007 mit 44 Studierenden im Rahmen der universitären Lehrerausbildung durchgeführt und in Bezug auf die Qualität der Anwendung wissenschaftlichen Wissens, Aktivierung der Lerner und Akzeptanz der Lernumgebung verglichen. Die Leistungen und Einstellungen der Studierenden wurden mittels Fragebögen, Wissenstests und qualitativen Interviews überprüft. Als Ergebnisse der Studie können festgehalten werden, dass die situiert orientierte Seminarkonzeption, sowohl bei der Qualität der Wissensanwendung, der Aktivierung und der Akzeptanz durch die Lerner bessere Ergebnisse erzielte. Lediglich bei hoch komplexen Informationen kann geschlussfolgert werden, dass eine durch reine Instruktion vermittelte Wissensbasis zumindest gleichwertige Ergebnisse erzielt. In beiden Seminarkonzeptionen war dennoch ein erhebliches Steigerungspotential vorhanden, da die erreichten Leistungen der Studierenden nur selten an das theoretische Maximum heranreichten. Bei der Betrachtung motivationaler Faktoren zur Aktivierung zeigte sich, dass die instruktional orientierten Studierenden von der hohen Instruktion profitierten, ihre Furcht vor Misserfolg nahm ab. Die Lerner der situiert orientierten Seminarkonzeption resultierten hingegen von den Freiräumen des selbstbestimmten Lernens und bewerteten das Lernklima als außerordentlich positiv. Gleiches galt auch für die Akzeptanz der Lernumgebung, die bei den situiert orientierten Lernern als wesentlich positiver eingeschätzt wurde und so eine höhere Bereitschaft der Wissensanwendung eruieren lässt.

Einleitung

Unterrichten als zentrale Aufgabe des heutigen Lehrerhandelns ist durch einen stetigen Wandel von Anforderungen, Lernern, Gesetzen und Inhalten determiniert. Heterogene Schülerlandschaften erfordern von Lehrern 1, dass sie komplexe Situationen erfolgreich bewältigen, Entwicklungsstände von Kindern diagnostizieren und im schulischen Alltag eine flexible Managementfunktion übernehmen (Krainer, 2003). Durch Schulentwicklung verändert sich die Lehr-Lernsituation und erweitert sich das Arbeitsfeld von Lehrpersonen. Die zusätzliche Einführung von Bildungsstandards, orientiert am Output und entfernt von der Wissensvermittlung, wie sie in bisherigen Curriculumsplänen vorgeschrieben war, erfordert die Fähigkeit, Wissen in neue Formen und Situationen zu transferieren und befreit den Lehrer vom monotonen Handlungsablauf, wie er in „verstaubten" Lehrplänen festgehalten ist. War das bisherige Bild des Lehrerhandelns geprägt vom „Unterricht halten" (Klafki, 1962), so erweitert sich seine Funktion immer mehr um die Organisations- und Konstruktionskomponente des Wissens. Denn aktuelle Befunde weisen darauf hin, dass die erfolgreiche Bewältigung neuer Handlungsfelder von Schule ohne eine differenzierte Wissensbasis, langfristig gesehen, nicht gelingt (vgl. Stark, 2001; Wahl, 2001). Doch Theorie und Praxis scheinen im täglichen Handlungsfeld der Lehrkräfte weit voneinander entfernt zu sein. Begriffe wie Praxisschock, subjektive Theorien und träges Wissen kennzeichnen diese Kluft. Theorie und Praxis stehen sich dabei nicht nur im alltäglichen Handlungsfeld des Lehrers konträr gegenüber, sondern schon bei der Vermittlung des wissenschaftlichen Wissens in der universitären Lehrerausbildung selbst. Die Lehrerausbildung muss sich folglich der Anwendung von wissenschaftlichem Wissen öffnen und dieses funktionell in das „Unterricht halten" integrieren, so dass zukünftige Lehrer in der Lage sind flexibel auf neue Situationen einzugehen und Unterricht zu konstruieren. Daher erscheint es relevant (vgl. u.a. Anderson, Reder & Simon, 1996; Greeno, 1997; Kirschner, Sweller & Clark, 2004) die Unterrichtssituationen in der universitären Lehrerausbildung detailliert zu evaluieren, um eine bestmögliche Lehr-Lernsituation zu proklamieren, die die Anwendung von wissenschaftlichem Wissen weitestgehend fördert.

1.Probleme in der Anwendung wissenschaftlichen Wissens

In einer Befragung von 500 Lehrer/Innen an niedersächsischen Schulen, zu ihren Problemlösestrategien und Wissensquellen in sozialer Interaktion mit Schülern offenbarten 81.7% der Lehrer, dass sie auf subjektive Theorien und Erfahrungen in ihrem Unterricht zurückgreifen. Dem gegenüber gaben gerade einmal 7% an, dass sie sich an einer bestimmten pädagogischen Theorie orientieren. (Neuweg, 2007) In weiteren empirischen Analysen konnten Gruber, Mandl und Renkl-Schwarzer (1999) zudem zeigen, dass Studierende das im Kontext der Universitätslehre erworbene Wissen zwar in Prüfungen reproduzieren (What-you-test-is-what-you-get-Prinzip; Bell, Burkhardt & Swan, 1992), jedoch nicht in alltagsnahe Problemsituationen transferieren können. Auch im Rahmen der Klausurkorrekturen von Lehramtsstudierenden an der Universität des Saarlandes ist festzuhalten, dass Reproduktionsaufgaben meist sehr erfolgreich durch die Studierenden bewältigt werden, Transferaufgaben aber nicht an den empirischen Mittelwert der Punkte für Reproduktionsaufgaben heranreichen (vgl. Herzmann, Stark & Krause, 2008). Die Wissensanwendung beschränkt sich im Studium zumeist auf die Bewältigung von Klausuren und Hausarbeiten; wissenschaftliche Theorien und Forschungsergebnisse werden häufig nur aneinander gereiht und reproduziert (vgl. Kopp, Stark & Fischer, 2007; Stark, 2005). Die Reproduktion des erworbenen Theoriewissens (konzeptuelles deklaratives Wissen) wird einer kognitiven Vernetzung des erlernten wissenschaftlichen Wissens und der kritischen Reflexion sowie Elaboration vorgezogen (vgl. DeJong & Ferguson-Hessler, 1996), unabhängig davon welche Art von Fachwissen gelernt wird. Die für professionelles Lehrerhandeln zentrale Anwendung handlungsrelevanten bildungswissenschaftlichen Wissens wird dadurch massiv behindert und steht im Gegensatz zu dem von der Kultusministerkonferenz geforderten Curriculum, das nach Lernfeldern fächerübergreifend organisiert und handlungsorientiert strukturiert sein sollte, um die wissenschaftliche Wissensanwendung als Schlüsselkompetenz in Lehre und Bildung zu fördern (vgl. Schwarz-Govaers, 2004).

Auch im Gesundheitsbereich (vgl. Schwarz-Govaers, 2001) wird das Problem der Wissensanwendung thematisiert. So verweigerten Pflegeschüler zum Beispiel die Schmerzmittelvergabe mit dem Hinweis, dass dieses abhängig mache, obwohl sie im Unterricht zuvor genau das Gegenteil erlernt hatten. Die Schüler verfügten über ein konzeptuelles deklaratives Wissen, waren aber dennoch nicht in der Lage, dieses in Situationen anzuwenden. Viele Studien belegen, dass Lerner erhebliche Probleme haben, erworbenes Fachwissen auf professionalisierte Problemstellungen erfolgreich zu transferieren (vgl. Renkl, 1996). Generell gelten die Befunde für alle Bildungsbereiche, sollen aber im Folgenden nur für das Lehramtsstudium an Hochschulen exemplifiziert werden. Hier ist besonders relevant, dass viele Lehramtsstudierende ihr bildungswissenschaftliches Wissen nur unzureichend auf pädagogische Problemstellungen anwenden und subjektive Lehr-Lerntheorien bevorzugen (vgl. Terhart, Czerwenka, Ehrich, Jordan & Schmidt, 1994; Wahl 2001). Daraus folgt eine fehlende Qualifizierung von zukünftigen Lehrkräften, die in ihrem täglichen Handlungsfeld nicht mit wissenschaftlich fundiertem Wissen agieren können und somit den Anforderungen der Lehrerrolle — des professionalisierten Vermittlers von Wissen und Bildung — nicht gerecht werden.

> ...] Viele deutsche Lehrer sind trotz sechs- bis achtjähriger Ausbildung Autodidakten: Beim Unterrichten orientieren sie sich eher an ihrer Intuition oder der Erfahrung mit eigenen Kindern als an dem, was sie in Studium und Referendariat gelernt haben. Lieber bedienen sie sich aus einem privaten Schatzkästlein mit Tipps, Rezepten und überlieferten Glaubenssätzen." (Spiewak, 2004)

Wenn aber zukünftige Lehrer, komplexere Situationen erfolgreich bewältigen sollen, die Entwicklungsstände von Kindern diagnostizieren sollen und im schulischen Alltag eine flexible Managementfunktion übernehmen müssen (vgl. Krainer, 2003), dann kann ihnen dies nur gelingen, wenn sie in ihrer Ausbildung ein fundiertes methodisches Wissen zur Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse erhalten, das sie in flexibler Weise an unterschiedliche pädagogische Situationen anpassen können und somit nicht auf „überlieferte Glaubensätze" zurückgreifen müssen. Alle Unterrichtskonzeptionen erheben den Anspruch, theoretisch fundiertes Wissen vermitteln zu können, das den Lerner auf die zukünftige Anwendungssituation und professionelles Handeln vorbereitet (vgl. 1.5 Debatte zur Wirksamkeit verschiedener didaktischer Konzeptionen). Weitestgehend unberücksichtigt bleiben in den Diskursen jedoch die Motivation und Volition der Lerner zur Anwendung wissenschaftlichen Wissens, obwohl sie ebenso ausschlaggebend für die Entstehung trägen Wissens sein können. Insbesondere eine geringe Motivation und Volition des Lerners können in der Erwerbssituation, wie auch in der zukünftigen Anwendungssituation einen negativen Einfluss auf die Einstellung gegenüber wissenschaftlichem Wissen ausüben. Daher folgt im Kapitel „1.3 Motivationsaspekte bei der Wissensaneignung" eine detaillierte Abhandlung der Motivation unter besonderer Berücksichtigung der Anwendung wissenschaftlichen Wissens im Erwerbsprozess. Auch äußere Faktoren (wie zum Beispiel der Zeitdruck am Ende einer Unterrichtseinheit, Ablenkungen durch den Lernverband, der Raum als dritter Pädagoge) können auf den Lernprozess wirken, sie sollen aber nur am Rande Erwähnung finden.

Die Essenz für das überwiegende Lehrerhandeln (vgl. Neuweg, 2007) ist das vermittelte träge Wissen (Renkl, 1994; Renkl, 1996; Gruber & Renkl, 2000), welches den Lerner dazu verleitet auf seine subjektiven Theorien zurückzugreifen. Diese korrespondieren im Allgemeinen nur schwach mit wissenschaftlichen Theorien (vgl. Groeben, Wahl, Schlee & Scheele, 1988; Gerstenmaier & Mandl, 1996) und werden vom Lerner im zukünftigen Handlungskontext bevorzugt. Auffällig ist dabei, dass erlernte pädagogische Theorien dennoch reproduziert werden können (vgl. Renkl, 1994). Erworbene pädagogische Theorien stellen somit keine ausreichend verlässliche Basis für die Anwendung von wissenschaftlichem Wissen dar, sondern müssen in verschiedenen Dimensionen des Wissens spezifiziert und konstruiert werden.

Eine erste Differenzierung von Wissen in deklaratives (knowing that) und prozedurales Wissen (knowing how) nahm Ryle (1969) vor und im weiteren Verlauf wurde unter Berücksichtigung von Gedächtnis sowie Bewusstsein (mind) Wissen als Sach-, Handlungs- und Metawissen analysiert und konzipiert (vgl. Renkl, 1996). Das Wissen über Theorien, Objekte und Personen wird dabei als deklaratives Wissen (Sachwissen) operationalisiert und intern in proportionaler Form, unabhängig von situativen constraints 2 und affordance 3 repräsentiert (vgl. Ryle, 1969; Mandl & Spada, 1988; Eysenck & Keane, 2000). Das prozedurale Wissen (Handlungswissen), als weitere Komponente des Wissens, stellt hingegen die Handlungsmöglichkeit mit deklarativem Wissen bereit und gilt als Prozess der Verarbeitung von Information in Bezug auf die soziale Umwelt. Die abschließende dritte Art - das Metawissen - ermöglicht ein Verständnis für die Gewinnung sowie Verlässlichkeit von Wissen und eruiert die Tragweite und Auswirkung des erworbenen Wissens für den Lerner. (vgl. Ryle, 1969; Spada & Mandl, 1988; Eysenck & Keane, 2000; Eysenck & Keane, 2005) Diese Einteilung von Wissen hat auch heute noch in den verschiedenen psychologischen und pädagogischen Theorien Bestand und findet immer wieder Beachtung. Dabei besteht jedoch das Problem, dass sich wissenschaftliches Wissen und subjektive Theorien nur im ersten Moment in der Verfügbarkeit 4 von Subkategorien des Wissens unterscheiden (vgl. Stark, 2001). Viel eher sind die Qualität des deklarativen Wissens und die Qualität der Wissensbasis ausschlaggebend für die Anwendung wissenschaftlichen Wissens (vgl. Abbildung 1). So kann die Dimension der ÄQualität des (deklarativen) Wissens3 mittels Reproduktion über das jeweilige Themengebiet diagnostiziert werden und ermöglicht dadurch eine Überprüfung von erworbenem wissenschaftlichen Wissen, welches in Subkategorien wie Theorien, Modelle, Paradigmen und empirische Befunde klassifiziert werden kann (vgl. Kuhn, 1976). Es ist anzunehmen, dass die verschiedenen Subkategorien deklarativen Wissens unterschiedlich schwer zu erwerben und daher auch zu reproduzieren sind. Diese Annahme wird durch kognitionspsychologische Erkenntnisse der Gedächtnisforschung (vgl. Miller, 1956; Atkinson & Shiffrin, 1968; Anderson, Reder & Simon, 1996) unterstützt. In diesen konnte gezeigt werden, dass die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses begrenzt ist und dadurch die Aufnahme neuen Wissens ins Langzeitgedächtnis beschränkt wird (vgl. Kapitel:

1.5.4 Revival the discussion — Cognitive Overload). Die Dimension der „Qualität deklarativen Wissens" korreliert proportional zur Quantität des korrekten5 deklarativen Wissens, und Monokausalität ist als Phänomen subjektiver Theorien zu bewerten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1

Anwendbarkeit wissenschaftlichen Wissens als Theoretisierungskompetenz

Für seminardidaktische Konzeptionen in der Lehramtsausbildung ist folglich zu beachten, dass deklaratives Wissen zu Problemen bei der Wissensanwendung führen kann, sofern es unvollständig bzw. unstrukturiert präsentiert wird. Diese Strukturdefizite verursachen unvollständiges bzw. unstrukturiertes deklaratives Wissen, das im Lerner verankert ist und ihm nur mangelhaft zur Verfügung steht (vgl. Renkl, 1994). Eine zukünftige Anwendung des wissenschaftlichen Wissens wird massiv beschränkt bzw. verhindert. Zudem kann es auch zum Cognitive Overload im Lerner führen, wenn der Grad der Abstraktheit die kognitiven Ressourcen des Lerners übersteigt. Strukturdefiziterklärungen sollen daher im folgenden Kapitel über „1.1 Träges Wissen in der Lehrerbildung" eine tiefere Beachtung finden.

Die Dimension der „Qualität der Wissensbasis" wissenschaftlichen Wissens differenziert sich hingegen in die Dimensionen „Verfugbarkeit von prozeduralem Wissen" sowie „Vernetztheit" und „Wissenschaftlichkeit von Wissen" und begrundet sich aus der Theorie zur kognitiven Flexibilität (vgl. Spiro, 1991; Mandl, Kopp & Dvorak, 2004). Prozedurales Wissens wird in verschiedenen situativen constraints und affordance (Kontextualisierungskompetenz, Neuweg, 2007) veranschaulicht. Es ist als domänenspezifisches, bzw. als themenspezifisches Konstrukt (vgl. Stark, Hinkofer & Mandl, 2001) nach dem methodischem Vorbild der „criss-crossing the knowledge domain" Instruktionsmaßnahme (vgl. Gruber, Mandl & Renkl, 1999) konzipiert, das Handelnde befähigt, situatives Wissen aus den jeweiligen Kontexten zu verschiedenen Zeitpunkten zu elaborieren und gegebenenfalls zu erweitern. „Es ermöglicht somit die Adaption mentaler Modelle an die [aktuelle] Problemlösesituation" (Stark, Hinkofer & Mandl, 2001). Von angehenden Lehrkräften wird deshalb gefordert, dass sie in der Lage sind, aus den verschiedenen pädagogischen Problemstellungen Schlüsse und Ankerpunkte für die Verwendung deklarativen Fachwissens der Pädagogik zu extrahieren, um professionell zu handeln.

Ein Problem der Wissensanwendung bei Lehrkräften ist jedoch durch prozedurales Wissen determiniert, welches Wissen zur erfolgreichen Handlungs- und Problembewältigung nicht mit entsprechendem Wissen über relevante Konzepte und Prinzipien vernetzt (vgl. Ryle, 1969). In einem Forschungsansatz von Stark, Puhl und Krause (2007) konnten unter anderem drei idealtypische Klassifizierungen der Korrespondenzprobleme von prozeduralen wissenschaftlichem Wissen analysiert werden, die das Problem der Wissensanwendung entsprechend operationalisieren (Stark, 2005; Stark, Puhl & Krause, 2007).

1. Vernetzung auf Elemente nicht wissenschaftlicher Alltagsargumentation
2. defizitäre Vernetzung auf wissenschaftliche Theorien, Ansätze und Paradigmen
3. defizitäre Vernetzung auf Studien und empirische Befunde

Lerner haben nach dieser Klassifizierung sowohl Probleme in der Differenzierung von wissenschaftlichem Wissen und Alltagswissen (subjektive Theorien), wie auch Probleme in der Unterscheidung von Subdimensionen wissenschaftlichen Wissens selbst (Theorien, Modelle und empirische Befunde) und deren Interpretation sowie Transfer in Anwendungssituationen (vgl. Kuhn, 1989). Ein theoriegeleitetes Wahrnehmen (vgl. Neuweg, 2007), als zukünftiges professionelles Lehrerhandeln wird dadurch massiv behindert (vgl. Darling-Hammond, 2006; Helmke, Helmke & Schrader, 2007; Bromme, 2008) und fördert den Einsatz subjektiver Theorien. Die daraus resultierenden Transferdefizite verursachen träges Wissen, welches nur einen geringen Grad an Vernetzung zu anderen Konstrukten aufweist und unterbinden das Lehren im wissenschaftlichen Verständnis (vgl. Spada & Mandl, 1988; Stark, Hinkofer & Mandl, 2001; Gerstenmaier & Mandl, 1996; Gruber, Mandl & Renkl, 1999). Lernumgebungen sollen aber die Anwendung wissenschaftlichen Wissens fördern, daher müssen sie Raum zur korrekten Vernetzung von wissenschaftlichem Wissen schaffen und den Lernenden mit möglichst vielen Anwendungssituationen des Erlernten konfrontieren. Dadurch entsteht die sogenannte Multiperspektivität (vgl. Spiro, 1991), die Wissen als kontextgebunden operationalisiert (vgl. Greeno, 1997).

Ein hoher Grad an Vernetztheit und Transferierbarkeit ist aber nicht nur ein Aspekt der Qualität der Wissensbasis wissenschaftlichen Anwendungswissens, sondern ist auch Bestandteil subjektiver Theorien. Verglichen mit der dritten Wissensart (Metawissen) fehlt es den subjektiven Theorien jedoch an höherem Reflexionsniveau (vgl. Glissmann & Ruhmann, 2004). Denn erst ein elaboriertes und kritisch geprüftes Wissen stellt eine notwendige Basis für eine erfolgreiche Wissensanwendung im Allgemeinen sowie Transfer im Besonderen dar (vgl. Stark, Hinkofer & Mandl, 2001) und gilt als abschließendes Qualitätsmerkmal wissenschaftlichen Wissens (vgl. Abbildung 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2

Reflexionsniveau

Differenzierung des Wissens

In der erziehungswissenschaftlichen Forschung (vgl. Spiro, 1991; Mandl, Kopp & Dvorak 2004) wird vom flexiblen Wissen - der kognitiven Flexibilität - gesprochen. Es schließt den effektiven und effizienten Umgang mit routinemäßigen, vertrauten Repräsentationen ebenso ein, wie multiple Transferleistung innerhalb der jeweiligen Domäne (vgl. Spiro, 1991). Die Lehramtsstudierenden sind in der Lage die richtige wissenschaftliche Theorie der entsprechenden pädagogischen Problemstellungen / Situation anzupassen, diese zu modifizieren und zu reflektieren. Nach Salomon und Globerson (1987) sollen folglich sowohl low-road- als auch high-road-Anforderungen durch den Lerner bewältigt werden können. Die erfolgreiche Wissensanwendung wissenschaftlichen Wissens setzt daher eine differenzierte domänenspezifische (deklaratives Wissen) sowie kognitive (prozedurales Wissen) und metakognitive (Metawissen) Wissensstruktur beim Lerner voraus und wird als Prozess der Repräsentation, Kommunikation, Nutzung sowie Reflexion und Elaboration von Wissen verstanden (Reinmann-Rothmeier, Mandl, Erlach & Neubauer, 2001).

Anwendbares Wissen als wissenschaftliche Theoretisierungskompetenz kann folglich durch diese vier Perspektiven operationalisiert werden:

1. Leistungsbetrachtung (Qualität des Wissens und Qualität der Wissensbasis über das gesamte Inhaltsgebiet)
a. wissenschaftliche Modelle, Theorien und empirische Befunde reproduzieren können
b. wissenschaftliche Konzepte, Ansätze und Theorien reflektieren, bewerten und anwenden können
2. Inhaltsspezifische Betrachtung (Qualität des Wissens)
a. empirische Studien, Befunde beschreiben und kritisch analysieren können
b. verschiedene methodologische Forschungszugänge beschreiben können (Quantität deklarativen wissenschaftlichen Wissens)
3. Wissensart (Anwendungs- versus träges Wissen, als Qualität der Wissensbasis)
a. der Vergleich des Abschneidens bei anwendungsbezogenen Aufgaben mit Reproduktionsaufgaben
b. deklaratives wissenschaftliches Wissen modifizieren und auf verschiedene pädagogische Problemstellungen transferieren
4. strukturelle Perspektive (Vernetztheit und Wissenschaftlichkeit als Elemente der Qualität der Wissensbasis)
a. Der Grad der Vernetztheit und die Wissenschaftlichkeit (Reflexionsniveau, Elaboration und kritische Prüfung) als Prädiktor der Qualität des Wissens

Schlussendlich gilt es träges wissenschaftliches Wissen zu vermeiden und den Rückgriff auf subjektive Theorien in der Lehrerausbildung zu unterbinden. Es ist daher notwendig Lernumgebungen in der universitären Lehrerausbildung so zu gestalten, dass sie wissenschaftliches deklaratives Wissen dem Lerner zur Verfügung stellen, durch verschiedene situative contraints und motivationale Aspekte die Anwendung des prozeduralen Wissens fördern und die Vernetzung, Elaboration sowie kritische Prüfung ermöglichen. Denn durch die kritische Reflexion der jeweiligen situativen Problemstellung und des eigenen pädagogischen Handelns, sowie durch die Verfügbarkeit einer Anzahl wissenschaftlich fundierter Theorien, Konzepte und Methoden gelingt dem Studierenden die Anwendung wissenschaftlichen Wissens und er ist intrinsisch motiviert (Deci & Ryan, 1980), es anzuwenden.

1.1 Träges Wissen in der Lehrerbildung

Gruber, Mandl und Renkl-Schwarzer (1999) konnten in empirischen Analysen zeigen, dass Studierende im Kontext der Universitätslehre erworbenes Wissen zwar in Prüfungen abriefen, jedoch nicht auf alltagsnahe Problemsituationen übertrugen (vgl. auch Stark, 2005; Stark, Krause & Puhl, 2007). Das theoretische Fachwissen (deklaratives) war somit nicht zugleich Handlungswissen (prozedurales), sondern die Studierenden bezogen ihre handlungsrelevanten Informationen aus subjektiven Theorien, die durch ein Alltagsverständnis elaboriert wurden, sofern eine konkrete, komplexe Problemstellung vorlag. Die Lerner präferierten den Arbeitsaufwand zu minimieren und auf einem relativ niedrigen kognitiven Niveau zu agieren.

In einer Studie zur Fortbildung von Lehrkräften als Multiplikatoren (im Rahmen von SchiLf) von Bergmüller (2008) 6 wurden im Zeitraum von drei Jahren 24 Lehrkräfte für Unterrichtsentwicklung (vgl. Rolff, Buhren, Lindau-Bank & Müller 1999) ausgebildet. Hierbei konnte gezeigt werden, dass Multiplikatoren in Schulen nicht ihr in der Ausbildung erworbenes Wissen anwendeten und auf subjektive Theorien zurückgriffen, wenn das Lehrkollegium ohne geteilte Problemsicht und mit passiven Verhaltensweisen arbeitete. Die fortzubildenden Lehrer forderten die Wissensinhalte als abgeschlossene Entitäten, vermutlich war der potentielle Nutzen der Fortbildung für das Lehrerkollegium unklar. Das Wissen aus der Ausbildung konnte durch die Multiplikatoren nicht angewendet werden. Darüber hinaus war zu verzeichnen, dass gerade Schulen, die einem negativen Idealtypus entsprachen, vermehrt die Schulen waren, die die Studie wegen kollegialen Problemen abbrachen. Schulen die hingegen eine geteilte Problemsicht hatten und sich die Entwicklung von Unterricht als Ziel setzten, verfügten über ein reflexives Fortbildungsverständnis und sahen sich eigenverantwortlich für die Fortbildung ihrer Lehrer. Die Trainer konnten vermehrt ihr wissenschaftlich fundiertes Wissen auf das Kollegium anwenden und weitergeben (vgl. Bergmüller, 2008).

Um erlerntes Wissen als träge zu klassifizieren, müssen daher gewisse Determinanten miteinander korrespondieren. Relevantes Faktenwissen, das dem Lerner zu kompetentem Handeln befähigen sollte, muss vorhanden sein und trotzdem nicht angewendet werden. (vgl. Gruber & Renkl, 2000). Wie bereits in der Fachliteratur (vgl. Renkl, 1994; Renkl, 1996) über träges Wissen, wird die Operationalisierung des Wissens (vgl. Ryle, 1969; Spada & Mandl, 1988; Eyseneck & Keane, 2000) in die drei Ebenen deskriptives, prozedurales und (Meta)Wissen beibehalten. Für die Ebene des deskriptiven Wissens sind Strukturdefizit-Erklärungen angeführt die als Defizite im Inhaltsgebiet des Wissens verortet sind (vgl. Renkl, 1994). So können eine mangelnde Wissenskompilierung, die Trennung von implizitem und explizitem Wissen in Form abgeschlossener Entitäten, aber auch Fehlkonzepte im konzeptuellen Wissen als Erklärungen für träges Wissen angesehen werden. Diese Strukturdefizite können sowohl im Wissen selbst (extrinsisch) verankert sein, als auch bei der Vermittlung des Wissens (extrinsisch/intrinsisch) bzw. bei der Abspeicherung durch den Lerner (intrinsisch) verursacht worden sein. In Anlehnung an die instruktionalisierten Lernumgebungen, gelten daher der Grad der Instruktion und die Aufbereitung des Wissens als ausschlaggebend für die Qualität des verinnerlichten deklarativen Wissens (vgl. Kirschner, Sweller & Clark, 2006).

Zusätzlich postulieren die situierten Lernumgebungen auch eine fehlende Kontextgebundenheit und die daraus resultierende „mangelhafte" Struktur des zu verinnerlichenden Wissens, als bedeutend für die Entstehung trägen Wissens (vgl. Greeno, 1997). Denn ein unvollständig wissenschaftliches Wissen muss alleine noch kein träges Wissen begründen. Daher werden auf der Ebene des Handlungswissens (prozedurales Wissen) Situiertheits-Erklärungen angeführt, die aus der konstruktivistischen Annahme hervorgehen, dass Wissen generell kontextgebunden ist (vgl. Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001; Wahl, 2004) und nicht losgelöst von der Situation vermittelt werden kann. Whitehead verwies schon 1929 auf diese Problematik des trägen Wissens, indem er formulierte: „Theoretical ideas should always find important applications within the pupil's curriculum. This is not an easy doctrine to apply, but a very hard one. It contains within itself the problem of keeping knowledge alive, of preventing it from becoming inert, which is the central problem of all education." Jene Grundthese gilt als zentrales Element der situiert orientierten Didaktik und begründet zugleich die Kritik an instruktionalisierten Lehr-Lernverfahren. Sie sehen träges Wissen nicht nur durch fehlende oder unvollständige Instruktion verursacht, sondern ebenso hervorgerufen durch eine fehlende Einbettung des Wissens in die Situation (vgl. Gruber, Mandl und Renkl-Schwarzer, 1999; Reinmann-Rothmeier & Mandl, 2001; Stark & Krause, 2006).

Letztlich sind auch Probleme des Metawissens relevant für die Entstehung von trägem Wissen. Metaprozess-Erklärungen versuchen daher das träge Wissen als metakognitive und motivationale Defizite zu begründen. Denn bei der kritischen Prüfung, höheren Reflexion und Elaboration des neu zu erwerbenden Wissens spielen Kosten-Nutzen-Abwägungen des Lerners eine entscheidende Rolle und können zu motivationalen sowie volitionalen Defiziten und dysfunktionalen epistemologischen Überzeugungen führen (vgl. Renkl, 1994). Wenn zum Beispiel die Reproduktion des Wissens (wie sie häufig universitäre Prüfungen abverlangen) durch den Studierenden als ausreichend empfunden wird (What-you-test-is-what-you-get-Prinzip; Bell, Burkhardt & Swan, 1992), sollte keine tiefere Elaboration des neu zu erwerbenden Wissens vollzogen werden, da Kosten und Nutzen in geringer Relation zueinander stehen (Ökonomieprinzip des Lernens). Gleichwohl kann aber auch das Interesse des Lerners an wissenschaftlichen Theorien entscheidend für die Anwendung und Reflexion wissenschaftlichen Wissens sein.

In Bezug auf die didaktische Gestaltung von Lernumgebungen kann träges Wissen daher als Konsequenz aus verschiedenen Punkten extrahiert werden (vgl. Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1996), die sowohl auf den Ebenen des Sach-, Handlungs- und Metawissens sowie der Motivation von Bedeutung sind. So ist zum Beispiel anzunehmen, dass eine rezeptive Wissensvermittlung zum Lernumstand führt, dass die Lernenden passiv und die Lehrenden aktiv sind. Es fehlt an Eigenaktivität sowie Initiative der Lernenden und die Leistungsmotivation nach dem Selbsterfahrungsmodell wird erschwert (vgl. Göttert & Kuhl, 1980; Trope, 1986; Heckhausen, 1989; Wild & Schiefele, 1994; Gruber & Moschner, 2005). Wenn zusätzlich die Aufnahme und Wiedergabe von Wissen im Vordergrund steht, erfolgt die Vermittlung neuer Wissensinhalte als abgeschlossene Entität, eine höhere Reflexion, kritisches Prüfen und Elaboration des Wissens wird unterbunden (vgl. Stark, Hinkofer & Mandl, 2001; Glissmann & Ruhrmann, 2004). Sofern die Inhalte des neu erworbenen Wissens keinen Bezug zum Erfahrungskontext der Lernenden herstellen, verlieren sie an Handlungsrelevanz und der potentielle Nutzen des Gelernten wird in realen Situationen unklar. Folglich ist träges Wissen ein Resultat aus verschiedenen Unterrichtsfaktoren und kann damit nicht als Konsequenz einer einzigen Dimension, wie es u.a. Kirschner, Sweller und Clark (2004) 7 in ihren Publikationen zugrunde legen, angeführt werden.

Nach Reinmann-Rothmeier und Mandl (2001) ist Unterricht mit jenen Eigenschaften das „Primat der Instruktion". Die Perspektive auf das Unterrichtsgeschehen ist lehrerzentriert. Sie unterstützen ihre Annahmen durch Studien wie TIMS (1998) und PISA (2000), die Schwierigkeiten in der schulischen Wissensvermittlung offen gelegt haben, die durch traditionelle Forschungs- und Evaluationsansätze nur minimal überprüfbar waren. Erst durch internationale Querschnittvergleiche deskriptiver Natur, war eine Betrachtung von Instruktionsphilosophien verschiedener Länder möglich. Das — nicht erwartete — schlechte Abschneiden deutscher Schüler in den Vergleichstests führte zu öffentlichen Diskussionen, die den Druck zur Analyse und Beseitigung von Lerndefiziten und Ursachen im Schulunterricht erhöhten (vgl. Baumert, et al., 1997). Schlussendlich war die zentrale Erkenntnis der zahlreichen Diskussionen, dass Wissensvermittlung in der Tradition des „Beybringens" (vgl. Nilrnberger Trichter) den heutigen Anforderungen nur gering Rechnung tragen kann und die Anwendung von erlernten wissenschaftlichem Wissen erschwert. Die Arbeit mit neu erworbenem wissenschaftlichem Wissen erfordert vom Individuum höhere kognitive Anstrengung und so führt eine fehlende Aktivierung des Lerners und mangelnde Aufbereitung des Wissens zur Präferenz von subjektiven Theorien und der Vernachlässigung des Erlernten. Insbesondere im Bereich der Bildungswissenschaften konnte diese Präferenz, unter der Annahme, dass Wissen aus der eigenen Sozialisation ausreichend für die Erziehung und Wissensvermittlung im schulischen Kontext ist, nachgewiesen werden (vgl. Gräsel, Prenzel & Mandl, 1993; Terhart, et al., 1994; Hof, et al., 2000), zumal doch die Position des Lehrers dem angehenden Lehramtsstudenten vielversprechend vertraut erscheint. Die jahrelange Interaktion, Beobachtungen und Erfahrungen im Umgang mit Lehrern und ihren Unterrichtsmethoden übertragen stereotype Erwartungen an das eigene Handeln und erscheinen dem Lehramtsstudenten als eigentliche Expertise/Professionalität des Lehrerhandelns. Ein Fehlkonzept, das nur selten reflektiert und bewusst elaboriert wird und die Fort- und Ausbildung von Lehrkräften erschwert.

1.2 Subjektive Theorien in der Lehrerausbildung und Handlung

Subjektive Theorien dienen der gleichen Intention wie wissenschaftliches Anwendungswissen, sie unterscheiden sich aber in ihren Gütekriterien: Objektivität, Reliabilität und Validität (vgl. Schütz, 1972; Groeben, 1988) sowie in ihrem allgemeinem Handlungsfeld (Subjekt versus Wissenschaft). Durch vielfältige Erfahrungen entwickeln sich Vorstellungen von Funktionen der Welt, die durch den Lerner konstruiert, gespeichert und verdichtet8 werden (vgl. Schwarz-Govaers, 2001) sowie im Dialog-Konsens aktualisierbar und rekonstruierbar sind. Generell dienen sie dem Individuum als subjektiv-theoretische Wissensbestände zur Prognose und Analyse von Verhaltensweisen und ermöglichen ihm Handlungsmuster in seiner Umwelt zu interpretieren und intendieren (vgl. Schwarz-Govaers, 2001). Jene Wissensbestände sind auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlichem Abstraktionsgrad operationalisiert und können ebenso in deklarativen (Funktions-) sowie prozeduralen (Handlungswissen) Wissen differenziert werden (vgl. Dann, 1994). Über eine Metaebene des Wissens verfügen sie hingegen nicht. Subjektives deklaratives Funktionswissen wird zum Beispiel zur [nachträglichen] Erklärung von Verhaltensweisen, Ereignissen oder Zuständen sowie der Rechtfertigung und Entlastung des Individuums herangezogen (vgl. Dann, 1994). Subjektive Theorien in Form von Handlungswissen hingegen liegen dem Subjekt als Gebrauchsanweisungen vor, die ihm helfen sollen den Alltag sinnvoll zu strukturieren und auf neue Situation und Gegebenheiten schnell zu reagieren (vgl. Schütz, 1972; Schütz & Luckmann, 1975). Diese Schnelligkeit, hervorgerufen durch situativen Handlungsdruck, basiert auf Konzepten die einen monokausalen Theoriecharakter besitzen und nicht für die Bewältigung komplexer Problemstellungen ausreichen. Sie sind für ein professionalisiertes Anwendungsverständnis unzureichend und bieten dem Handelnden nur eine geringe Erklärungskraft. Insbesondere die veränderten Arbeitsbedingungen von Lehrpersonen erfordern aber gerade eine wissenschaftlich fundierte Diagnosekompetenz sowie die Kompetenz im Umgang mit erziehungswissenschaftlichen und psychologischen Theorien. Gerade in der Ausbildung und Erziehung von Schülern/Kindern kann die Anwendung subjektiver Theorien daher gravierende Probleme verursachen. Zum Beispiel subjektive Theorien, die dem Lehrer Streitigkeiten zwischen Schülern suggerieren, könnten unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten längst als Bullying im Klassenzimmer diagnostiziert werden und dem Lehrer zu entsprechenden Interventions- und Präventionsmaßnahmen auffordern.

Erschwerend kommt hinzu, dass subjektive Theorien über eine innere Resistenzkraft verfügen, bei der neu erworbenes Wissen zumeist ungeprüft übernommen wird und Ankerpunkte für wissenschaftliche Theorien nicht bzw. nur gering vorhanden sind (vgl. Wahl, 2001). Diese komplexen Aggregate von prinzipiell aktualisierbaren Kognitionen können zum Teil unbewusst übernommen werden und stehen so in einem Argumentationszusammenhang der vernetzte Wissensstrukturen bildet (vgl. Koch-Priewe, 1986), die parallel zu wissenschaftlich fundiertem Wissen existieren - Strukturparallelität (vgl. Groeben, et al., 1988).

Wie bereits9 angeführt, sind Lehramtsstudierende schon vor ihrem Studium der Erziehungswissenschaft mit Erfahrungen aus ihrem zukünftigen Arbeitsgebiet vertraut. Die Sozialisation durch Familie und Schule spielt folglich eine entscheidende Rolle, die dazu führt, dass deklaratives Wissen aus dem eigenen subjektiven Erfahrungskontext in die zukünftige Profession unreflektiert übertragen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3

Wissensquellen praktizierender Lehrer (Terhart et.al . 1994,196).

Durch dieses Vorhandensein von unreflektierten subjektiven Theorien über den erziehungswissenschaftlichen Bereich erschwert sich die Anwendung von wissenschaftlichem Wissen, unabhängig von temporalen und situativen Faktoren (vgl. Terhart et. al. 1994; Terhart, 1996). Dadurch entsteht ein Problem der mangelnden Dissemination des Ausbildungswissens in der Praxis und es fehlt an der theoriegeleiteter Wahrnehmung von wissenschaftlichen Erkenntnissen (vgl. Neuweg, 2007). So dass das Anwendungswissen nicht aus wissenschaftlich fundierten Konzepten der theoretischen Ausbildung resultiert, sondern der Handelnde sein prozeduralisiertes Wissen durch den allgemeinen Erfahrungsaustausch mit anderen, bzw. durch subjektive Theorien gewinnt (vgl. Gräsel, Prenzel & Mandl, 1993; Stark, 2001).

Ä Übrig bleibt ein rudimentäres Planungshandeln, das an Schlichtheit fast nicht mehr zu unterbieten ist. Um so planen zu können, hätte man keine Lehrerausbildung von durchschnittlich 5 Jahren durchlaufen müssen; das wäre auch in fünf Stunden erlernbar gewesen!" (Wahl, 2001)

Es bleibt unbestritten, dass wissenschaftliches Wissen stets mit subjektiven Theorien korreliert. Hof et al. (2000) konnten in empirischen Studien zu subjektiven Wissenstheorien von Kursleiter/innnen einen starken Zusammenhang zwischen subjektiver Wissenstheorie und der Konzeption von Unterricht nachweisen. Dies beruht auf der Konstruktion des Wissenserwerbsprozesses, der nicht losgelöst von den eigenen Erfahrungen des Subjektes erfolgen kann. Für ein professionalisiertes Verständnis von Wissen besteht aber die Notwendigkeit der Reflexion, Elaboration und kritischen Prüfung von eigenem und neu erworbenen Wissens, die Optimierung der Wissensbasis (vgl. Schütz, 1972). Daher müssen Lernumgebungen nicht nur deklaratives wissenschaftliches Wissen für den Lehramtsstudierenden bereitstellen, sondern sie müssen auch die Möglichkeit geben, über eigene subjektive Theorien zu reflektieren. Denn nur so bleibt das Handlungswissen nicht weiter unreflektiert, sondern wird durch den Lehramtsstudierenden elaboriert und kritisch geprüft. Es gewinnt an Wissenschaftlichkeit und erleichtert die theoriegeleitete Wahrnehmung (vgl. Neuweg, 2007). Dadurch kann der Student seine subjektiven Theorien durch prozedurales Wissen aus wissenschaftlich deklarativen Wissen ersetzen (Steigerung der Qualität von Wissen und der Qualität der Wissensbasis) und professionalisiert sein zukünftiges Lehrerhandeln. Er wird befähigt zu diagnostizieren, ob es sich nun um Bullying handelt oder nicht.

1.3 Motivationsaspekte bei der Wissensaneignung

Die Arbeit mit subjektiven Theorien erfordert vom Individuum geringere zeitliche und kognitive Kapazitäten, als die Anwendung wissenschaftlich fundierten Wissens (Ökonomisches Prinzip). Motivationale und volitionale Aspekte korrespondieren dabei nicht nur mit der konkreten Anwendungssituation im (zukünftigen) Praxisfeld, sondern lassen sich vor allem im Erwerbsprozess des wissenschaftlichen Anwendungswissens wiederfinden. Folglich gelten auch die Volition und Motivation des Lerners als Prädiktoren für die Qualität der Auseinandersetzung mit dem Lernstoff und beeinflussen somit maßgeblich die spätere Wissensanwendung. Motivationale Prädiktoren, wie die Leistungsmotivation, das Lernklima und die Beteiligung der Studierenden müssen bei didaktischen Ansätzen zur Gestaltung von Lernumgebungen ebenso eine Rolle spielen, wie Aspekte des Wissenstransfers und Wissensanwendung. Darüber hinaus gelten auch das Interesse 10 und die Einstellungen der Studenten gegenüber dem Lehrstoff als relevante dispositionale Anknüpfungspunkte für die Anwendung wissenschaftlichen Wissens, da sie situationsunabhängige motivationale Einflüsse ausüben (vgl. Bohnsack, 2000).

Ein geringes Interesse an Theorien und Wissenschaft kann nicht nur dazu führen, dass das wissenschaftliche Wissen im Erwerbsprozess ungenügend elaboriert, reflektiert und strukturiert wird, sondern unabhängig davon auch, dass das erworbene Wissen in der (zukünftigen) Lehranwendung nicht praktiziert wird. Daraus resultiert ein Rückgriff des Lehrers auf seine subjektiven Theorien. Die Nutzung des erworbenen wissenschaftlichen Wissens bleibt aus und verursacht die Entstehung trägen wissenschaftlichen Wissens bei sich und seinen Schülern.

Es besteht der Konsens, dass Interesse und Lernmotivation aussagekräftige Prädiktoren für die Qualität schulisches und akademisches Lernens und Lehrens sind (Krapp, 1992; Schiefele, Krapp & Schreyer, 1993; Pekrun & Schiefele, 1996; Krapp, 1998), daher werden in der vorliegenden Arbeit Variablen aus verschiedenen theoretischen Überlegungen der aktuellen Motivationsforschung berücksichtigt (Wild & Schiefele, 1994; Moschner & Gruber, 2005).

Lernmotivation wird im Allgemeinen als Wunsch oder Absicht verstanden, bestimmte Dinge zu lernen bzw. Aufgaben zu bewältigen (vgl. Rheinberg, 1996, Schiefele, 1996). Ob eine Intention als intrinsisch bzw. extrinsisch zu klassifizieren ist, soll dabei offen bleiben. Sinnvoller erscheint die Betrachtung der ganzheitlichen Leistungsmotivation (vgl. Rheinberg, 1996), da sie Aussagen über motivationale Konsequenzen für die didaktische Gestaltung von Lernumgebungen machen kann. Diese Auffassung konnte in den verschiedenen Theorien um leistungsmotivierten Verhalten nachgewiesen werden (vgl. Schneider & Schmalt, 2000) und findet im folgenden eine genauere Beachtung.

Ein Verhalten wird dann als leistungsmotiviert erachtet, wenn es auf die Bewertung der eigenen Leistung abzielt und den Vergleich mit einem Gütemaßstab ermöglicht (vgl. Rheinberg, 1996). Variablen der Leistungsmotivation lassen sich so als Erwartungs- und Wertaspekte operationalisieren (vgl. Stark, 1999, Heckhausen, 1989). [In der Literatur wird das Konstrukt der Leistungsmotivation mit unterschiedlichen Begriffen belegt (vgl. Dweck, 1986; Dweck & Legett, 1988; Schiefele, 1996; Schiefele & Köller, 1998).] Eine hohe Anstrengungsbereitschaft und positiver Lernerfolg (vgl. Heckhausen, 1989; Helmke, 1992) werden durch das Leistungsmotiv „Hoffnung auf Erfolg" (vgl. Göttert & Kuhl, 1980; Heckhausen, 1989) und ein positives Fähigkeitskonzept (vgl. Pekrun, 1983; Schneider-Schmalt, 2000) begünstigt. Sie stellen die Erwartungsaspekte der Leistungsmotivation dar. Die lernförderlichen Wertaspekte können hingegen als Aufgabenorientierung (vgl. Dweck & Elliot, 1988; Dweck, 1999) bzw. Bewältigungsorientierung (vgl. Rheinberg, 1996, Schneider & Schmalt, 2000) und als Interesse am Lerngegenstand (Krapp, 1992; Pekrun & Schiefele, 1996) verstanden werden und sollten gerade bei der Anwendung von Wissen den Lernzuwachs fördern. Diese Wertaspekte ermöglichen die kritische Auseinandersetzung und das Reflektieren der neu erlernten Inhalte und wirken somit positiv auf Lernleistung und Lernqualität (vgl. Nollen, 1989; Schiefele, Krapp & Schreyer, 1993; Schiefele & Schreyer, 1994).

Ungünstige Fähigkeitskonzepte und ein divergentes, ergebnisorientiertes Leistungsmotiv als „Furcht vor Misserfolg" fuhren hingegen nur zur oberflachlichen Auseinandersetzung mit den zu erwerbenden Lerninhalten (vgl. Renkl, 1994; Gräsel & Mandl, 1999; Stark, 2001). Sie können bei ungünstiger stabiler Attribution zur „gelernter Hilflosigkeit" fuhren (Schneider & Schmalt, 2000). Lehramtsstudierende, deren Leistungsmotiv als divergent und ergebnisorientiert zu interpretieren ist, tendieren daher zu Aufgaben mit Reproduktionscharakter und hoher Instruktion [aufgrund der hohen Erfolgswahrscheinlichkeit11 ]. Sie weisen in dieser Dimension bessere Lernleistungen als in der Wissensanwendung vor. Die damit bedingte Option des sozialen Vergleiches durch die Reproduktion von Wissen Performanceorientierung - erhöht folglich die Lernqualität bei Reproduktionsaufgaben für Studierende mit ungünstigen Fähigkeitskonzepten. (Schneider & Schmalt, 2000)

Häufig ist zu beobachten, dass Lehramtsstudierende nur ein geringes Interesse am Lerninhalt (deklarativem Wissen) aufweisen (vgl. Herzmann, Stark & Krause, 2008; Stark, Krause & Puhl, 2007). Dies scheint verständlich, da die Motivation zur Auswahl eines Seminars unterschiedlich positioniert ist (vgl. Abbildung 4). So können die Studierenden zwar einen gewissen Anteil von Veranstaltungen auf Grundlage ihrer eigenen Interessengebiete aussuchen, müssen aber auch an Pflichtveranstaltungen teilnehmen. Es ist anzunehmen, dass die freiwillige Auswahl von Vorlesungen und Seminaren stärker mit intrinsischer Motivation korrespondiert, weil ein Interesse am Thema 12 besteht, während ein gewisser Anteil an Pflichtmodulen external motiviert besucht wird (vgl. Deci & Ryan, 1980).

Zudem findet die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Theorien bei Lehramtsstudenten überwiegend nur divergent leistungsbezogen (vgl. Stark, 2001; Stark, et al. 2001) und external motiviert statt (vgl. Prenzel, et al., 2002), und hier insbesondere durch die „Furcht vor Misserfolg" gekennzeichnet. Für die Anwendung von Wissen ist dadurch die Tatsache entscheidend, dass Studierende die „Furcht vor Misserfolg" orientiert sind und Ober eine divergente Anstrengungsbereitschaft verfügen, gegenüber neuem Wissen ängstlich eingestellt sind. Man geht von einem geringen Erwartungsaspekt der Leistungsmotivation aus. Die Auseinandersetzung mit dem neuen Wissen erfolgt nicht so intensiv und es ist anzunehmen, dass eine zusätzlich geringe Akzeptanz der Lernumgebung die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichem Wissen (die Anwendung von wissenschaftlichem Wissen) erschwert. Der Wertaspekt des neu zu erlernenden Wissens wird nicht mehr im Wissen selbst operationalisiert, sondern in der Nutzung des Wissens zur eigenen Profilierung in Bezug zu anderen Lernern - Performanceorientierung. Ziel muss es daher sein, Lernumgebungen motivational so zu gestalten, dass Studierende „Hoffnung auf Erfolg" orientiert werden und Ober eine hohe Anstrengungsbereitschaft verfügen um neuem Wissen gegenüber optimistisch eingestellt zu sein - Lernorientierung. Dies wird als Erwartungsaspekt der Leistungsmotivation definiert. In dessen Zentrum steht das neu zu erwerbende Wissen selbst, denn so ist der Lerner in der Lage das neu erworbene Wissen kritisch zu prüfen, zu elaborieren und zu reflektieren. In der Fachliteratur (vgl. Schneider & Schmalt, 2000) gilt dies als lernförderlicher Wertaspekt, der mit dem subjektiven Lernerfolg, der Akzeptanz der Lernumgebung sowie dem Lernklima interagiert und so Probleme bei der Wissensanwendung minimiert.

Die Leistungsmotivation der Studierenden ist aber nur ein Teilaspekt des erfolgreichen Lernens, auch die Effekte der Lernumgebung selbst haben einen Einfluss auf den Lernvorgang (vgl. Stark, 2001). So verweist Bloom (1976) auf eine reziproke Beziehung zwischen Motivation und Kognition. Wenn folglich eine instruktionale Maßnahme längerfristig ungünstige Motivationsaspekte zeigt, dann führt dies zu Problemen beim Wissenserwerb. Kirscher, Sweller und Clark (2006) ziehen diese Annahme in ihrem Cognitive Overload mit ein, welcher durch fehlende bzw. minimale Instruktion geringen bis keinen Lernerfolg hervorruft. Die Lernfreude der Lerner kann daher einen aussagekräftigen Indikator für die kognitive Belastung in Lernumgebungen darstellen (vgl. Stark, 2001; Stark, Puhl & Krause, 2007) und ebenso zur Erklärung von Problemen bei der Wissensanwendung beitragen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4

Korrelation zwischen den Varianten motivierten Lernen und ihren Bedingungen in der Lernumgebung (n =866) p .01 (Prenzel, et. al., 2002).

Darüber hinaus können das Lernklima, die Beteiligung der Studierenden am Unterricht und die von ihnen aufgebrachte Anstrengung ebenso als relevante motivationale Variablen von Instruktionsansätzen verstanden werden. Denn eine hohe Beteiligung der Studierenden am Unterricht (vgl. Rindermann, 2004) und ein hoher subjektiver Lernerfolg (vgl. Schmidt, Fuhrmann & Juch, 2005) sind aussagekräftige Prädiktoren für die Akzeptanz der Lernumgebung (vgl. Wild, Schiefele & Wintele, 1994), die Aktivierung der Lerner im Unterricht sowie ihr Interesse am Lernstoff (vgl. Stark, 2001).

Abschließend kann so die Konklusion entwickelt werden, dass die Berücksichtigung von inneren Einstellungen der Lerner („Hoffnung auf Erfolg" versus „Furcht vor Misserfolg") und der motivationsfördernde Ausprägungsgrad von Lernumgebungen einer hohen Leistungsbereitschaft förderlich sein sollten und so zur Optimierung von Lern- und Instruktionsansätzen, bei der Vermittlung wissenschaftlichen anwendbaren Wissens, beitragen kann (vgl. Pintrich, Marx und Boyle, 1993).

1.4 Unterrichtsmodelle

Primäres Ziel von Unterrichtsmodellen in der universitären Lehre ist die Vermittlung von anwendbarem wissenschaftlichem Wissen. Dies impliziert sowohl deklaratives wissenschaftliches Wissen (konzeptuelles Wissen), wie auch prozedurales und Metawissen. Dabei kommen in der aktuellen wissenschaftlichen Lektüre verschiedene Metaanalysen, Studien und empirische Befunde (vgl. Anderson, Reeder & Simon, 1996; Greeno, 1997; Kirschner, Sweller & Clark, 2006; Loyens, Gog & Paas, 2007) zu divergenten Erkenntnissen, welcher Instruktionsansatz optimal für die Vermittlung anwendbaren wissenschaftlichen Wissens geeignet ist. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen den Lehrstrategien des situierten Lernens13 (Dochy, et al., 2003; Hmelo 1998; Hmelo & Lin, 2000) und der direkten Instruktion (Kirschner, et al., 2006; Swelller, 1988, Anderson, et al., 1996). Wobei, entsprechend den Präferenzen, die Effektivität situiert orientierter Lernumgebungen (Hmelo-Silver, Duncan & Chinn, 2007; Schmidt, Loyens, Van Gog & Paas, 2007), wie auch die der instruktional orientierten Lernumgebungen (Kirschner, Sweller & Clark, 2006) repliziert werden konnten.

Bei situiert orientierten Lernumgebungen konnte insbesondere die Förderung anwendbaren und flexiblen Wissens elaboriert werden, die zur Etablierung dieser Ansätze im schulischen Kontext führte. Forschungen zu instruktional orientierten Ansätzen konnten durch direkte Instruktionen und einer hohen Bereitstellung von aufbereiteten Wissen positive Effekte für die Vermittlung deklarativen (konzeptuellen) Wissen darstellen (vgl. Dochy, et al., 2003; Kirschner, Sweller & Clark, 2006). Diese Effekte ließen sich vor allem, bei geringem Vorwissen der Lerner und einer hohen Komplexität des Wissens reproduzieren. Weiterhin ist aber auch anzunehmen, dass sich diese Effekte bei der Vermittlung von Wissen mit geringer Komplexität und bei ungünstigen motivationalen und kognitiven Voraussetzungen der Lerner zeigen dürften (vgl. Köller, 1998; 2008). Die methodische Orientierung einer Lernumgebung und deren Erfolgskontrolle (Reproduktions- vs. Anwendungsaufgaben; soziale vs. individuelle Bezugsnorm) sollte folglich mit den intrinsischen Voraussetzungen der Lerner korrespondieren (vgl. Kapitel: 1.3 Motivationsaspekte bei der Wissensaneignung Um beide Klassen von Lern-Lehr-Situationen elaborierter zu betrachten, ist es notwendig den Begriff des Lehrens und Lernen genauer zu operationalisieren. Dabei versteht Einsiedler (1981) unter Lehren eine Unterstützung der internalen Lernprozesse durch Maßnahmen der Lernumweltgestaltung. Nach Meyer (1987) sind Unterrichtsmethoden „die Formen und Verfahren, in und mit denen sich Lehrer und Schüler die sie umgebende natürliche und gesellschaftliche Wirklichkeit unter institutionellen Rahmenbedingungen aneignen." Beide Definitionen fokussieren die Bedeutung der Instruktion und Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt (vgl. Gudjons, 2003) durch die Lehrmethoden, unterscheiden sich aber in ihrer wissenschaftlichen Tradition. Einsiedler fokussiert Lernen als einen rein kognitiven Erwerbsprozess, der durch die Lernumgebung unterstützt wird, indem das zur Verfügung stehende Wissen bestmöglich den kognitiven Voraussetzungen der Lerner angepasst wird. Meyer (1987) beschreibt dagegen die Wissenskonstruktion des handelnden Individuums als Lernen. Lernumgebungen haben nach seiner Sichtweise die Funktion, Strategien zur Auseinandersetzung mit der Umwelt bereitzustellen.

1.4.1 Instruktionalisierte Ansätze

Eine erste idealtypische Form von Unterricht mit hoher Lenkung durch den Lehrer und rezeptiver Wissensvermittlung ist der Instructional Design Ansatz aus der historischen Tradition des „Beybringens". Die Gestaltung gegenstandzentrierter Lernumgebungen gilt als technologische Lehrstrategie, die das Ziel hat fertige Wissenssysteme an die Schülerschaft zu vermitteln. Wissen wird als abgeschlossene Entität aufgefasst und gilt somit als kontextfrei. Ein situativer Bezug erscheint für die Wissensvermittlung als nicht notwendig (vgl. Anderson, Reeder & Simon, 1996). Das Lehr- und Lerngeschehen wird als kognitiver Prozess verstanden, bei dem der Lehrende objektive Inhalte so zu übermitteln versucht, dass die Lernenden am Ende des Wissenstransfers den Lerngegenstand in identischer Form besitzen, wie der Lehrende (vgl. Reinmann-Rothmeier & Mandl, 1997). Dadurch sind Bezugspunkte der Wissensvermittlung nach dem operanten Konditionieren des Behaviorismus zu erkennen, die gerade in der Anfangszeit, der instruktionalen Ansätze, hohe Beachtung fanden (vgl. Programmierter Unterricht — Skinner, 1968). Der Lehrer entscheidet, wie der Unterricht geplant, organisiert und gesteuert wird. Dadurch gilt er als „didactic leader", welcher die Informationen fur den Lerner aufbereitet, vernetzt, strukturiert und anschließend evaluiert, während der Lerner selbst in passiver Haltung die Wissensvermittlung zur Kenntnis nimmt und dieses neu erworbene Wissen in sich aufnimmt (Wissensvermittlungsstrategien nach dem top-down-Prinzip). Ziel ist der Lernerfolg im Sinne von vorher festgelegten Lehr- Lernzielen und die Überprüfung dieser. Die Lernumgebung ist knowledge-centered und assesment-centered ausgelegt (vgl. Bransford, Brown & Cocking, 1999). Der Anspruch des Lehrers ist die „Optimierung der Instruktion" (Krapp & Weidemann, 2004), die er durch die intensive Vorbereitung des Unterrichts realisieren möchte. Diese Notwendigkeit einer hohen Lenkung im Unterricht wird durch kognitionspsychologische Erkenntnisse unterstützt, die auf die kognitive Architektur des Menschen verweisen (vgl. Atkinson & Shiffrin, 1968; Sweller, 2003; Mayer, 2004). So wird die direkte Instruktion als unterstützende Lernstrategie verstanden, die dem Lernenden relevante, vollständige Informationen zum entsprechenden Wissenskonzept bereitstellt und die entsprechenden kognitive Architektur des Lerners beachtet (Kirschner, Sweller & Clark, 2006). Diese Aufbereitung des Wissens beschränkt sich nicht nur auf die Übertragung deskriptiven wissenschaftlichen Wissens und der Vermeidung von Strukturdefiziten, sondern umfasst ebenso prozedurales Wissen und Metawissen. Denn Probleme der Wissensanwendung verursachen kognitive Überlastungen des Lerners und Strukturdefizite des zu vermittelnden Lernstoffes. Die Kontextgebundenheit des Wissens und äußere Faktoren scheinen für diesen Ansatz als nicht relevant für den Lernprozess.

Wissenschaftlich untermauerte Unterrichtsmethoden nach dem Prinzip der direkten Instruktion sind zum Beispiel der Programmierte Unterricht (Skinner, 1968), Expository Teaching (Asubel, 1974) sowie der Instructional-Design-Ansatz (vgl. Reigeluth & Stein, 1983). Im Folgenden soll daher ein kognitiver Ansatz als idealtypisch beleuchtet werden.

Der Instructional-Design-Ansatz (ID) nach Gagnè (1988) formuliert eine systematische und strikt rationale Planung, Entwicklung und Evaluation von Lehr-Lernumgebungen. Die Gestaltung erfolgt durch Regeln und Verfahrensformulierungen die auf Grundlage von empirischen Erkenntnissen aus psychologischen und erziehungswissenschaftlichen Forschungsbereichen zustande kamen. Der Lehrer soll Instruktionspläne als Handreichungen erhalten, die ihm zeigen welche Instruktionsstrategien und Lehrmethoden er bei entsprechenden Voraussetzungen der Lerner verwenden muss (Krapp & Weidemann, 2004). Die Instruktionspläne (vgl. Reigeluth & Stein, 1983; Snow, 1989) beruhen auf fünf Schritten des wissenschaftlichen Vorgehens: 1. Bedarfsanalyse - Das zu vermittelnde Wissen muss ermittelt und möglichst konkret beschrieben werden, um im Folgenden 2. eine Planung und Konzeption zur Gestaltung der Lernumgebung zu entwickeln, bei der Lehr-Lernziele genau überprüfbar sind. Im Anschluss erfolgt die 3. Entwicklung von Inhalten, Materialien und Medien des Unterrichts, die in den Bildungsprozess (4. Einsatz / Implementierung) eingebunden werden. Zum Abschluss wird der Lehr-Lernerfolg (5. Evaluation / Revision) überprüft, um [bei Erfolg] das neue Wissen in den Lerner einzubinden, bzw. gefundene Schwierigkeiten auszubessern.

Um diesen Ansatz erfolgreich im schulischen und akademischen Lehren zu betreiben, müssen aber alle Lerner ähnliche Wissensstände besitzen [homogene Lernergruppen - als zentrales Merkmal von ID-Ansätzen]. Dem empirischen Anspruch werden ID-Ansätze gerecht, indem sie Eingangsvoraussetzungen, Übergänge und Endzustände der Wissensvermittlung überprüfen - Instruktionsanalysen (Snow, 1989). Sie ermöglichen es, dem Lehrer das Wissen zu präsentieren, welches die Lernergruppe nicht in vollständiger Weise erhalten hat (Reigeluth & Stein, 1983). In Erweiterung der Instructional-Design-Ansätze wurden auch den metakognitiven Strategien der Lerner immer mehr Beachtung geschenkt (vgl. Krapp & Weidemann, 2004), denn dadurch konnte die Auffassung, dass Wissen unabhängig vom Lernenden besteht - Wissen als abgeschlossene Entität - und objektiv vermittelbar ist weiterhin bestehen bleiben (vgl. Anderson, Reeder & Simon, 1996; Krapp & Weidemann, 2004).

[...]


1 Aus Gründen der Lesbarkeit wurde auf eine weibliche Anrede verzichtet. Stellvertretend steht die männliche Form für beide Geschlechter (vgl. Miehte, Kajatin & Pohl; 2002).

2 Unter dem Begriff des situative constraints werden durch die Situation verursachte Begrenzungen verstanden.

3 Affordance können hingegen als Aufforderungscharaktere durch die Situation bzw. Aufgabenstellung verstanden werden; Übersetzungen ins Deutsche sind unzureichend (vgl. Müsseler & Prinz, 2002)

4 Anwendbares wissenschaftliches Wissen verfügt über die drei Subkategorien: deklaratives wissenschaftliches Wissen, prozedurales Wissen und Metawissen, während subjektive Theorien nur über die Kategorien deklaratives und prozedurales Wissen verfügen. Daraus folgt, dass subjektive Theorien nicht reflektiert werden (vgl. Dann, 1994). Dieser Annahme steht jedoch entgegen, dass subjektive Theorien in eine feste Struktur eingebunden sind (vgl. Groeben, et al., 1988; Koch-Priewe, 1986), was bedeutet, dass ihr Wirkungsgrad zumindest durch Erfahrungswerte reflektiert wurde, daher verfügen, wenn auch nicht im gleichen Maße, auch subjektive Theorien über Ebenen im Metawissen.

5 uer Begriff „korrekt" wird in diesem Zusammenhang bewusst verwendet, da er nur eine Aussage über die Richtigkeit des deklarativen Wissens machen soll, eine Bewertung hinsichtlich der wissenschaftlichen Fundiertheit wird nicht getroffen.

6 %HUJPOOHU &ODXGLD 3UlVHQWDWLRQ Ä/HKUNUlIWH DOV )RUWELOGHQGH3 6DDUEUFNHQ

7 Träges Wissen wird nach Kirschner, Sweller & Clark (2004) verursacht durch eine kognitive Überlastung des Lerners. Diese Überlastung führt dazu, dass der Lerner nicht in der Lage ist, dass neu erworbene Wissen in seinen bestehenden Wissenskontext einzubinden und es daher los gelöst existiert, bzw. nicht aufgenommen und verarbeitet wird.

8 Der Begriff Verdichtung bezieht sich auf die Klassifikation von ähnlichen Situationen, parallel dazu werden auch entsprechend ähnliche Handlungen zu Handlungsklassen zusammengefasst, die der Mensch schematisch anwendet.

9 Kapitel ,, 1.1 Träges Wissen in der Lehrerbildung "

10 So konnten Schiefele, Krapp & Schreyer (1993) in einer Metaanalyse über mehrere Schulformen, Klassenstufen und Schulfächern eine mittlere Korrelation von r = .30 zwischen Interesse (als Disposition) und Leistungen (Noten / Tests) ermitteln

11 Nach dem theoretischen Konstrukt des Risiko-Wahl-Modells (vgl. Atkinson, 1964) sollten „Furcht vor Miflerfolgsorientierte" ebenso Aufgaben mit geringen Erfolgswahrscheinlichkeiten und hohem Schwierigkeitsgrad bevorzugt wählen.

12 Auch pragmatische Überlegungen können eine Präferenz für bestimmte Veranstaltungen hervorrufen, sollen hier aber keine weitere Beachtung finden, da pragmatische Überlegungen sowohl mit internaler und externaler Motivation korrespondieren können.

13 Situiertes Lernen beinhaltet in dieser Arbeit spezifische didaktische Gestaltungen, wie das Problem-based-Learning, Kooperatives Lernen und Partnerarbeit. Ein zentrales Merkmal dieser Unterrichtsmethoden ist die Selbstbestimmung, Kompetenz- und Wirksamkeitserfahrung sowie soziale Eingebundenheit der Lerner in den Wissensprozess durch die aktive Auseinandersetzung und Konstruktion des Wissens.

Ende der Leseprobe aus 140 Seiten

Details

Titel
Effekte integrierter Lernumgebungen in der Lehrerforschung
Untertitel
Qualität von Wissen und Wirkungen des Unterrichts in situiert vs. instruktionalisiert orientierten Lernumgebungen
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Erziehungswissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
140
Katalognummer
V137616
ISBN (eBook)
9783640452224
ISBN (Buch)
9783640452408
Dateigröße
2200 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Effekte, Lernumgebungen, Lehrerforschung, Qualität, Wissen, Wirkungen, Unterrichts, Lernumgebungen
Arbeit zitieren
Jan Fendler (Autor:in), 2009, Effekte integrierter Lernumgebungen in der Lehrerforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137616

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