Die aktuelle Situation der französischen Presse (Stand 2003)


Seminararbeit, 2003

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entwicklungstendenzen der der Presse
2.1 Sinkende Auflagen bei der französischen Tagespresse
2.1.1 Die Tageszeitung Le Monde
2.1.2 Andere nationale Tageszeitungen
2.1.3 Die Online-Auftritte der PQN
2.2 Positive Auflagenentwicklungen bei der Zeitschriftenpresse
2.2.1 L’ Express
2.2.2 Le Nouvel Observateur
2.2.3 Le Point
2.2.4 L’Evenement du jeudi
2.2.5 Marianne
2.2.6 Le canard enchaîné
2.2.7 Den Nachrichtenmagazinen geht trotz allem der Atem aus
2.3 Große Verluste im Anzeigengeschäft
2.4 Konzentrationstendenzen
2.5 Die Herausbildung einflussreicher Pressekonzerne
2.6 Gesetzesänderungen bieten Pressekonzentration keinen Einhalt

3. Schlussbemerkung

4. Literaturverzeichnis

5. Weitere Quellen

1. Einleitung

Die Presse ist das älteste Massenmedium. Sie ist in Jahrhunderten gewachsen und weist deshalb besonders traditionelle Strukturen auf. Und dabei ist sie jedoch wie kaum ein anderer Bereich ständigen Veränderungen unterworfen, wobei die Strukturen nicht so leicht aufzubrechen sind wie bei jüngeren Medien. Andererseits ist sie gerade deshalb einem größeren Anpassungsdruck ausgesetzt. Deshalb stellt sie immer wieder ein besonders interessantes Untersuchungsfeld dar. Verschiedene technische Neuerungen[1] bewirken die von Grund auf neue Gestaltung des Medienmarktes. „Der Kampf um die wirtschaftliche Existenzsicherung, wie er nicht zuletzt auch in der intensiven Werbung um Leser, Hörer und Zuschauer ablesbar wird, hat zum Teil neue Dimensionen erreicht und ist in seinen Konsequenzen noch nicht absehbar.“[2]

Doch ich möchte in meiner Hausarbeit nicht in die Zukunft blicken, sondern darstellen, in welcher aktuellen Situation sich die französische Presse derzeit befindet. In meiner Hausarbeit werde ich nur einen kleinen Einblick in die Entwicklungstendenzen der wichtigsten Zeitungen und Zeitschriftengeben können. Verschiedene Daten und Hintergründe und auch Vergleiche zu Deutschlands Presse sollen das Ganze abrunden.

2. Entwicklungstendenzen der Presse

Die Krise der französischen Presse schwelt im Grunde seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und spitzt sich seitdem immer wieder periodisch zu: Beim großen Zeitungssterben zu Beginn der 50-er Jahre, während des Fernsehbooms der 70-er und schließlich erneut in den 90-ern. Traditionsreiche Zeitungen und Zeitschriften mussten in diesen Jahren ihr Erscheinen einstellen, während andere neue wie Pilze aus dem Boden schossen. Die einen überlebten nur kurze Zeit, anderen gelang es, sich zu etablieren. Gleichzeitig ändern sich die Eigentumsverhältnisse immer rascher. Diese letzte tiefgreifende Krise der nationalen Presselandschaft ist noch nicht überwunden.

Große und Lüger zitieren in ihrem Buch „Frankreich verstehen“ zwei andere Autoren[3], die sich ebenfalls mit der Lage der französischen Presse auseinandergesetzt haben. Sie beurteilen diese je nach Perspektive aber höchst unterschiedlich:

1. „Frankreichs gegenwärtige Presse macht insgesamt nicht den Eindruck, als ob sie finanz- und staatsunabhängig sowie in ihrer freien Meinungsbildung eingeschränkt sei. Dafür sorgt allein schon die politische Streuung von den kommunistischen bis zu den gaullistischen Blättern, welche sich gegenseitig äußerst scharf überwachen und mit großem Eifer alle Missstände ans Licht der Öffentlichkeit ziehen.“
2. „Die französische Presse befindet sich in einer so bewegten und schwierigen Phase, dass es üblich geworden ist, von einer Krisensituation zu sprechen. In der Tat hat dieser Sektor eine tief greifende und abwechslungsreiche Entwicklung durchgemacht. Dies betrifft vor allem die Modernisierung ihrer Strukturen, die jetzt umso härter erscheint, als sie hinausgezögert wurde...“

Nach der Lektüre diverser Literatur, möchte ich mich letzterer Meinung anschließen, vor allem was die Tagespresse betrifft. Um das darzustellen, werde ich mich nicht auf eine bloße Bestandsaufnahme und die Darstellung aktueller Nachrichtenorgane beschränken. Ich werde auch Bezug nehmen auf eine Reihe ökonomischer Faktoren wie Auflagenentwicklung, Konzentrationsgrad, Werbeaufkommen und deren Einfluss auf Tendenzen inhaltlicher Ausrichtung. Hinzu kommen relativierende Vergleiche mit früheren Entwicklungsstadien und mit Daten zur deutschen Presse.

2.1 Sinkende Auflagen bei der französischen Tagespresse

Der Zuwachs der französischen Zeitschriften, auf die im nachfolgenden Punkt genauer eingegangen werden soll, geht weitgehend zu Lasten der Tagespresse. Vor allem nach 1968, wo noch eine Gesamtauflage von rund 13 Millionen Exemplaren erreicht wurde, nahmen die Zahlen kontinuierlich ab. Eine gegenläufige Tendenz lässt sich für Deutschland ausmachen. Seit den Anfängen der Lizenzpresse wird ein stetiges Auflagenwachstum registriert. Im Anschluss an die Einigung ergab sich zunächst eine Rekordauflage von insgesamt rund 27 Millionen. Im Laufe der Zeit hat es sich allerdings auf einem Niveau von ungefähr 25 Millionen Exemplaren eingependelt. Eine Sättigung des Zeitungsmarktes dürfte auch hier allemal erreicht sein.

Als Erklärung für die unterschiedliche Entwicklung dieses Marktes in Frankreich und Deutschland führen Große und Lüger darauf zurück, dass sich die bundesdeutschen Tageszeitungen durch frühzeitige Modernisierungen im Herstellungsbereich gegenüber dem Konkurrenzdruck anderer Medien, speziell der Zeitschriften und des Fernsehens, bislang besser behaupten konnten.[4] Dabei darf man allerdings nicht außer Acht lassen, dass die absoluten Auflagenzahlen sowohl der Zeitungen als auch der Presse insgesamt in der Grande Nation wesentlich niedriger sind, als in der Bundesrepublik. Das heißt, die hier aufgeführten Druckmedien finden generell ein geringeres Käuferpotenzial.

Dann kommt noch hinzu, dass die Franzosen lausige Zeitungsleser sind. Nicht einmal jeder fünfte Franzose über 15 Jahren liest noch regelmäßig eines der „Quotidiens nationaux“. Mehr noch: Von den 14- bis 34-Jährigen soll jeder Dritte noch nie eine Zeitung oder Zeitschrift gekauft haben.[5] Die Krisenserien haben Frankreich im internationalen Vergleich immer weiter zurückgeworfen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat das Land die weltweit größte Dichte an Zeitungslesern aufgewiesen. Auf der Weltrangliste des Gazettenkonsums dümpeln sie heute so auf Platz 28 herum, weit abgeschlagen hinter Ländern wie Norwegen, Japan oder der Schweiz.[6] Von den 203 Tageszeitungen, die es in Frankreich 1946 gegeben hat, sind gerade noch 70 übrig[7], deren verkaufte Auflage („diffusion“) ebenso kontinuierlich schrumpft wie deren Gesamtauflage („tirage“). Fast entschuldigend pflegen französische Journalisten in Diskussionen zu sagen: „Dafür sind wir bei den Nachrichtenmagazinen ganz vorn.“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Große/Lüger, Seite 254

Eine Tatsache, die für die französischen Tageszeitungen ebenfalls negativ ins Gewicht fällt, ist der schwankende Kundenkreis. Denn der größte Teil der Zeitungen wird an Kiosken verkauft. Daher resultiert auch die aufwendigere Gestaltung der Titelblätter. Der Rest, nicht einmal 20 Prozent der Tagesauflage, wird über Abonnements verkauft. In Deutschland ist es dagegen umgekehrt. Hier dominiert eindeutig die Abonnementzeitung, und etwa 30 Prozent der Auflage werden über den Straßenverkauf abgesetzt. Wobei die Tendenz steigend ist. In Paris ist die rückläufige Auflagenentwicklung wesentlich deutlicher zu spüren als in der Provinz. „Lag zu Beginn des Jahrhunderts die Auflage der in Paris gedruckten Presse noch um einiges höher als die der regional erscheinenden, so glich sich das Verhältnis bereits in den 30-er Jahren aus. Heute macht die Provinzpresse mit etwa gleich bleibender Auflagenhöhe mehr als zwei Drittel der Gesamtauflage der französischen Tageszeitungen aus, der Anteil der Hauptstadtpresse sinkt dagegen weiter, wenn auch in abgeschwächter Form.“[8] Die folgende Tabelle zeigt die Auflagenhöhe der größten Tageszeitungen[9] in Frankreich und Deutschland.

Auflagenhöhe der größten Tageszeitungen in 1 000 Stück

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: www.ojd.com, 1999

Absoluter Spitzenreiter mit einer Auflage von knapp 800 000 Exemplaren ist die Regionalzeitung Ouest France[10], die selbst die nationalen Tageszeitungen übertrifft. Großer Beliebtheit erfreut sich auch die täglich erscheinende Sportzeitung L’Equipe. Es verzeichnet die stärksten Zuwachsraten überhaupt. In den 80-er Jahren stieg die Auflage um 46 Prozent und lag 1999 bei fast 400 000 Exemplaren. Und so sportbegeistert französische Zeitungsleser auch sind, so wenig ausgeprägt ist ihre Vorliebe für Klatsch. Zwar kommt Le Parisien auf eine höhere Auflage als Le Figaro, aber im Unterschied zu England und Deutschland existiert ist Frankreich weder eine starke noch eine aggressive Boulevardpresse. „Die Schlüssellochperspektive in das Privatleben von Politikern gilt in Frankreich als verpönt.“[11]

Aber was ist der Hauptgrund für den Strukturwandel? Große und Lüger vermuten ihn weniger in einer abnehmenden Zentrierung auf Paris, als vielmehr in der Tatsache, dass es die Regionalpresse mit einer relativ klar abgrenzbaren Leserschaft[12] zu tun hat und ihre Informationsgebung darauf abstimmen kann. Des Weiteren sind die Bindung zwischen dem Leser und dem Blatt und die Attraktivität für Inserenten höher. Letztere können dadurch ihre Produktwerbung besser auf einzelne Zielgruppen ausrichten. Unabhängig davon werden heute natürlich auch ursprüngliche Aufgaben der nationalen Presse, die Verbreitung überregionaler Nachrichten, sowohl von Rundfunk und Fernsehen als auch von den Regionalzeitungen wahrgenommen.

Die Pariser Presse hat versucht, dem entgegenzuwirken, indem sie zusätzliche Sonderpublikationen veröffentlichte, die Aufmachung leserfreundlicher gestaltete und sich immer mehr zu einer Regionalpresse für den Pariser Raum gewandelt hat. Damit hat sie sich auch den veränderten Medienbedingungen angepasst. Eine presse quotdienne nationale gibt es laut Große und Lüger nicht mehr; außer wenn man die Tageszeitung Aujourd’hui, seit 1994 als Ableger des Parisien unter eigenem Titel in ganz Frankreich verbreitet, als solche betrachten wolle. Eine Sonderrolle nimmt außerdem Le Monde ein.

2.1.1 Die Tageszeitung Le Monde

Die in Paris herausgegebene Tageszeitung halten viele als eine der besten überhaupt. Sie ist über die Grenzen Frankreichs hinaus wegen ihrer umfassenden, inhaltlich fundierten und thematisch vielfältigen Berichterstattung bekannt und beliebt. Sie hat deshalb einen großen Einfluss auf den französischen Pressemarkt: erst wenn etwas hier veröffentlicht wurde, gilt es als Nachricht, als glaubwürdig und relevant. Die Aufmacher dienen häufig als Vorlage für die Gestaltung der Abendnachrichten im Fernsehen. Als modellhaft bei Le Monde galten – zumindest bis 1995 – die Besitz- und Entscheidungsstrukturen. Als die Zeitung 1944 von Hubert Beuve-Méry gegründet wurde, ging sie nicht in den Besitz eines privaten Verlegers über, sondern wurde eine GmbH. Deren Grundkapital wurde nach einem bestimmten Schlüssel auf die Redakteure, Gründungsmitglieder, Herausgeber und die übrigen Angestellten verteilt. Mitte der 80-er Jahre war Le Monde aber in so große finanzielle Schwierigkeiten geraten, dass ein gewisser Teil der Anteilsscheine verkauft werden musste, man aber gleichzeitig eine beträchtliche Summe einnahm, die wiederum zur Modernisierung des Blattes genutzt wurde. Die redaktionelle Unabhängigkeit blieb trotz allem weiterhin unangetastet, weil man in den Statuten die Einflussnahme zeitungsexterner Interessengruppen, einschließlich der Leserschaft, ausgeschlossen hat.

[...]


[1] Zum Beispiel das Internet.

[2] Vgl. Große/ Lüger, Seite 245

[3] Vgl. Große/ Lüger, Seite 245

[4] Vgl. Große/ Lüger, Seite 252

[5] Durch die Verkabelung, die Multimedialisierung, die verstärkte Nutzung des Satellitenfernsehens und den Ausbau privater Programmangebote kann sich diese Tendenz noch wesentlich verschärfen. Meinungsforscher haben auch herausgefunden, dass die Menschen in Frankreich der Presse weniger Glauben schenken als dem Fernsehen.

[6] Siehe Tabelle auf nächster Seite zur Leserdichte.

[7] Von den 70 übrig gebliebenen Tageszeitungen sind jedoch nur noch acht nationale Blätter. Ein Grund dafür ist das Wegsterben der Leser.

[8] Vgl. Große/ Lüger, Seite 253

[9] Die nationale französische Tagespresse umfasst mehr als 70 Titel. Trotz der Bezeichnung „national“ werden sie in Paris gemacht und berichten zum größten Teil auch über Paris. Die Themen aus den Regionen spielen eine zweitrangige Rolle.

[10] Die in Rennes herausgegebene Zeitung steht für die Normandie und die Bretagne unangefochten an der Spitze.

[11] Documente, IV/1995, Seite 299

[12] Charakteristika: Mentalität, Gewohnheiten, Lebensweise, Lebensniveau, kulturelle Interessen ...

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Die aktuelle Situation der französischen Presse (Stand 2003)
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Seminar: Von der Gazette zum Internet
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
34
Katalognummer
V13778
ISBN (eBook)
9783638193375
ISBN (Buch)
9783638698764
Dateigröße
594 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Situation, Presse, Seminar, Gazette, Internet
Arbeit zitieren
Susanne Richter (Autor:in), 2003, Die aktuelle Situation der französischen Presse (Stand 2003), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13778

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