Erkenntnisse der Neuroökonomie für Leadership


Seminararbeit, 2009

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Abstract

1 Die Neurowissenschaften
1.1 Definition und Aufgabenfelder
1.2 Testverfahren und Probleme
1.2.1 PET
1.2.2 EEG
1.2.3 fMRT
1.3 Grenzen der Neurowissenschaften
1.4 Die Neuroökonomie

2 Anwendungen in der Praxis
2.1 Ausspannen fördert die Kreativität und Arbeitsqualität
2.2 Vermeidung altruistischer Bestrafung durch Fairness
2.3 Mitarbeiter motivieren und angemessen weiterbilden
2.4 Kommunikation und Vertrauen in Organisationen
2.5 Selbstbeobachtung und Emotionen im Entscheidungsprozess

3 Analyse und Prognose der Ergebnisse
3.1 Missbrauch neurowissenschaftlicher Ergebnisse
3.2 Die zukünftige Bedeutung der Neurowissenschaften

Literaturverzeichnis

Abstract

Die Führung von Mitarbeitern stellt für Unternehmen in der Dienstleistungsbranche und deren Führungsspitze oft eine besondere Herausforderung dar. Im Gegensatz zu traditionel-len Branchen sind Dienstleistungsunternehmen meist hoch spezialisiert und der Erfolg des Unternehmens liegt in den Fähigkeiten seiner Mitarbeiter.

In den letzten Jahren hat sich ein interdisziplinäres Forschungsfeld aufgetan: die Neuro-ökonomie. Dabei werden Befunde über die Funktionsweise des menschlichen Gehirns in einen ökonomischen Bezugsrahmen gesetzt. Die durch diese Forschung entstandenen Erkenntnisse lassen sich auch auf die Führung von Mitarbeitern übertragen. Eines der Haupt-ziele dieser Arbeit besteht darin, wie Erkenntnisse der Neuroökonomie die „charismatic role“, also die persönliche Nähe zu Mitarbeitern – die z.B. Kommunikation und Motivation betrifft – und die „architectural role“, womit die Schaffung von Organisationsstrukturen gemeint ist – wie z.B. Anreizsysteme und die Arbeitsumgebung von Mitarbeitern – eine Führungskraft bei ihrer alltäglichen Arbeit beeinflussen sollten.

Ferner soll die Arbeit auch auf Probleme und Missbrauch heutiger Forschungsergebnisse hinweisen, um dem Leser unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen zu diesem umstrittenen Thema aufzuzeigen.

1 Die Neurowissenschaften

1.1 Definition und Aufgabenfelder

Im Gegensatz zu den traditionellen Naturwissenschaften wie der Biologie, Physik oder Chemie stellen die Neurowissenschaften ein interdisziplinäres Forschungsfeld dar, welches die Funktionsweise und den Aufbau von Nervensystemen untersucht.1 In den letzten 20 Jahren ist die Forschergemeinde rund um die Neurowissenschaften sehr stark gewachsen. Treiber dieser Forschung kommen nicht nur aus dem medizinischen Sektor, sondern auch aus der Politik, Wirtschaft und sogar dem Militär.2

1.2 Testverfahren und Probleme

Da an vielen Experimenten nur gesunde Menschen ohne Beschwerden und auf freiwilliger Basis teilnehmen, liegt das Hauptaugenmerk auf den nicht-invasiven3 Verfahren. Aber auch mit nicht-invasiven Verfahren gelingt es den Forschern zunehmend besser die Prozesse, die in unserem Gehirn vor sich gehen, zu erkennen und zu benennen.4

Bei ihrer Forschung stehen die Wissenschaftler grundsätzlich vor einem Problem. Sie müssen sich bei ihren Messungen entscheiden, ob es wichtiger ist die genaue Region im Gehirn zu erfassen, die gerade aktiv ist, oder ob die Ergebnisse der Messung möglichst zeitnah am Reiz/Stimulus sein sollen. Diese Entscheidung fällt bei der Wahl des Testverfahrens: Bildgebende Verfahren zeichnen sich durch eine hohe räumliche Auflösung aus und besitzen damit die Fähigkeit die betroffenen Hirnareale exakt zu bestimmen. Um die Messung möglichst nah am Aktivierungszeitpunkt des Reizes auszuführen und somit eine hohe zeitliche Auflösung zu erreichen, werden psychophysiologische Verfahren eingesetzt.5 Da es bis heute kein nicht-invasives Verfahren gibt, das beides zufriedenstellend kann6, sollten häufiger Versuche mit verschiedenen Messmethoden durchgeführt werden. In der Praxis sind es allerdings nur wenige Methoden, die zum Einsatz kommen, und eine Kombination der Messtechniken ist eher unüblich. Die wichtigsten Instrumente der Neurowissenschaftler werden in den nächsten Abschnitten erläutert. Denn erst dann kann auch eine individuelle Bewertung über die Ergebnisse aus Studien und Experimenten getroffen werden.

1.2.1 PET

Die Positronenemissionstomographie – kurz PET – nutzt die Tatsache, dass aktive Hirnregionen mehr Glukose verbrauchen als weniger Aktive. Sie wurde in den 1970er Jahren entwickelt und gehört zu den bildgebenden Verfahren. Zur Messung des Glukosespiegels werden dem Probanden radioaktive Glukosemoleküle (18F-Fluordesoxyglucose – FDG)7 als Kontrastmittel in die Blutlaufbahn injiziert. Die radioaktiv markierten Teilchen akkumulieren dann im Gewebe, das dann später bei der Verarbeitung zu Bildern die aktiven Gehirnregionen markiert. Die PET besitzt durch die radioaktive Markierung der Glukose nicht nur eine sehr hohe räumliche sondern auch zeitliche Auflösung. Es ist offensichtlich, dass der Nachteil dieser Methode in der Strahlenbelastung der Probanden liegt. Obwohl immer bessere Kontrastmittel hergestellt werden, ist es dennoch den Probanden nicht zuzumuten Wiederholungsmessungen durchzuführen oder an einer Testreihe teilzunehmen.8

1.2.2 EEG

Die aus den 1920er Jahren stammende Elektroenzephalographie – kurz EEG – misst die elektrische Hirnaktivität in Echtzeit, indem mehrere Elektroden an bestimmten, genau definierten Stellen auf der Kopfhaut angebracht werden. Die dabei aufgezeichneten Hirnwellen geben Aufschluss über das Ausmaß der Gehirnaktivität. Während die EEG eine sehr hohe zeitliche Auflösung globaler Zustände ermöglicht, ist die räumliche Auflösung als moderat einzustufen. Durch Schädelknochen und Hirngewebe kann es zu starken räumlichen Verzerrungen und Dämpfungen der aufgezeichneten Signale kommen.9 Diese Tatsache erschwert die Lokalisation spezifischer, kognitiver Prozesse.10

1.2.3 fMRT

Bei der funktionellen Magnetresonanztomographie11 handelt es sich um die zurzeit modernste, bildgebende Methode, die ständig weiterentwickelt wird. Der Proband muss sich zur Messung typischerweise für ca. 60-90 Minuten in eine MRT-Röhre legen, in der sich durch sehr starke Magnetfelder der Anteil von sauerstoffarmem zu sauerstoffreichem Blut bestimmen lässt. Das Gehirn wird dabei komplett eingescannt während der Proband keine spezifische Aufgabe verrichten soll. Im Anschluss erfolgt die eigentliche funktionelle Messung, in welcher der Proband auf audiovisuelle, mechanische oder taktile Reize reagiert. In dieser Zeit werden vom Gehirn im Abstand weniger Sekunden Aufnahmen angefertigt, die speziell die sauerstoffreichen Regionen abbilden. Diese Vorgehensweise bietet nicht nur eine sehr hohe räumliche Auflösung, sondern auch die zeitliche Auflösung hat sich in den letzten Jahren stark verbessert.12 Dies hat dazu beigetragen, dass die fMRT im Moment die am häufigsten genutzte Methode der Neurowissenschaftler ist.13

1.3 Grenzen der Neurowissenschaften

Als erstes sollte herausgestellt werden, dass die neurowissenschaftlichen Methoden zwar die Hirnregionen lokalisieren können, die durch einen Stimulus aktiviert wurden; der eigentliche Gedanke des Menschen, der die Ursache für die Reaktion ist, bleibt dem Forscher jedoch verschlossen.14 Für die Forscher kommt erschwerend hinzu, dass interindividuell sehr große Unterschiede in der neuronalen Reaktion auf denselben Reiz beobachtet werden. Für den gesamten Aufbau und die Funktion des zentralen Nervensystems werden 50% aller genetischen Informationen benötigt. So sorgen Sequenzvariationen im Genmaterial dafür, dass Dopamin Rezeptoren, die uns normalerweise mit Glücksgefühlen belohnen, unterschiedlich stark auf Belohnungsreize anspringen.15

Neben den genetischen Faktoren wirken im Entscheidungsprozess des Menschen viele andere „Kräfte“. Soziale Präferenzen, der Kulturkreis, seine Erfahrungen und insbesondere seine Gefühle spielen eine wichtige Rolle.16 Somit stellt jedes wissenschaftliche Ergebnis eine komplexe Interpretationsleistung dar17, die sich nicht ohne weiteres auf andere Gruppen oder Organisationen übertragen lässt. „Die Überschaubarkeit des Gegenstandes (ein Gehirn, eine Person) und die implizite Theorie, dass durch die Betrachtung eines Individuums Rückschlüsse auf eine strukturell identische Handlungslogik aller Individuen möglich seien, erlaubt klare und überprüfbare Theorie.“18. Mangelt es dieser Theorie an ausgereifter Operationalisierung und stringenten Versuchsanordnungen, so ist die Gefahr groß, dass die faszinierenden Einsichten in die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns instrumentell trivialisiert werden.19 Amartya Sen – Wohlfahrtstheoretiker und Träger des Wirtschaftsnobelpreises – weist in seinen Arbeiten explizit darauf hin wie wichtig ein Kontext-abhängiger Bezug für wissenschaftliche Ergebnisse sei.20 Teilweise tragen die Publikationszeitschriften und die allgemeine Publizistik eine Mitschuld daran, wenn Ergebnisse in einem falschen Kontext dargestellt werden, da sie selektiv die Ergebnisse nochmals überarbeiten ohne die relativierenden Bemerkungen der Forscher zu beachten.21

Der aktuelle Stand der Technik versetzt die Neurowissenschaftler nicht in die Lage durch Aktivierung bestimmter Hirnareale ein komplexes Verhalten, wie z.B. eine Kaufabsicht, vorherzusagen oder zu bestimmen.22 Damit wäre das Gehirn ein deterministischer Apparat, der nicht formbar wäre. Jede Erziehungsmaßnahme und jede unvorhersehbare Umweltveränderung würde vom Gehirn ignoriert. Aus einer evolutionären Perspektive würde der Mangel an Anpassungsfähigkeit zu einem Aussterben der Spezies Mensch führen.

1.4 Die Neuroökonomie

Kevin McCabe, Direktor des „Center for the Study of Neuroeconomics“ an der George Mason University beschreibt das Aufgabenfeld der Neuroökonomie mit den folgenden Worten: „the study of how the embodied brain interacts with its external environment to produce economic behavior. Research in this field will allow social scientists to better understand individual decision making and consequently to better predict economic behavior.”23 Die Neuroökonomie stellt also ein interdisziplinäres Forschungsfeld zwischen den Neurowissenschaften und den Wirtschaftswissenschaften dar. Dabei werden nicht nur grundlegende ökonomische Fragestellungen erforscht, wie z.B. die Grundlagen für Vertrauen in Organisationen, sondern auch konkrete anwendungsspezifische Situationen.24

2 Anwendungen in der Praxis

2.1 Ausspannen fördert die Kreativität und Arbeitsqualität

Gerade in der Dienstleistungsbranche kann sich ein Unternehmen durch Kreativität und damit verbundenen Innovationen von seinen Mitbewerbern abheben, da der Mensch hier die wichtigste Ressource im Prozess der Leistungserstellung ist. Der Wert des Unternehmens steht und fällt mit dem Ideenreichtum seiner Mitarbeiter. Erkenntnisse der Neuroökonomie unterstützen die Führung eines jeden Unternehmens, das eine Exzellenz hinsichtlich Innovation und Arbeitsqualität anstrebt.

In ihrer Januar Ausgabe von 2005 veröffentlichte die „Harvard Business Review“ einen Artikel mit dem Titel „Overloaded circuits: Why Smart People underperform.“. Darin wurde das Schicksal einer Managerin beschrieben, die durch ständige Reizüberflutung und Unterbrechungen in ihrer Arbeit am „Attention Deficit Trait25 “ (ADT) erkrankte. ADT ist eine Krankheit, die vollständig durch Umwelteinflüsse ausgelöst wird. In der Entwicklung des Menschen gab es bisher keine Stufe, in der vom menschlichen Gehirn verlangt wurde so viele Aufgaben gleichzeitig zu verrichten. Wird das Gehirn nun ständig unterbrochen ohne dass ein Gedanke zu Ende geführt werden kann, so passiert es, dass höhere Gehirnfunktionen, die unser rationales Handeln steuern durch andere Teile des Gehirns, die aus der frühen Phase der Evolution stammen, übernommen werden. „Im Überlebenskampf kam es für unsere Vorvorfahren eher darauf an, die Aufmerksamkeit auf wenige wichtige Dinge zu richten und sich zu konzentrieren.“26 Dieser Verlust des rationalen Handelns wird als „Amygdala Hijack“27 bezeichnet. Die Amygdala ist eine der entwicklungsgeschichtlich ältesten Strukturen in unserem Gehirn, deren Signale dafür sorgen, dass Ärger und ein Gefühl der Panik die Oberhand gewinnen, um uns für eine Flucht oder Attacke vorzubereiten.28 In einer solchen Situation sind Dinge wie Humor oder Kreativität für das Gehirn nebensächlich.29 Entscheidungen werden daher nicht mehr im Hinblick auf das Ganze und die eigentlichen Ziele getroffen, sondern nur schnell und instinktiv, um der Situation genauso schnell zu entkommen.

[...]


1 Vgl. (Wikipedia - Neuroscience)

2 Vgl. (Schwarz, 2005) – S. 5

3 In der medizinischen Diagnostik werden solche Methoden als nicht-invasiv bezeichnet, die nicht in den Körper eindringen.

4 Vgl. (Das Manifest, 2004) – S. 31

5 Vgl. (Oliver Schilke, 2007)

6 Bei den invasiven Verfahren, z.B. über implantierte Elektroden, ist sowohl eine hohe räumliche als auch zeitliche Auflösung möglich.

7 (Wikipedia Fluordesoxyglucose)

8 Vgl. (Oliver Schilke, 2007) – S.250

9 Vgl. (Elger, 2009) – S.9

10 Vgl. (Oliver Schilke, 2007) – S.250, Vgl. (Das Manifest, 2004) – S.31

11 Synonym zu „Kernspintomographie“

12 Vgl. (Oliver Schilke, 2007) – S.250f

13 Vgl. (Rust, 2007) – S.2

14 Vgl. (Oliver Schilke, 2007) – S.257

15 Vgl. (Elger, 2009) – S.113

16 Vgl. (Rust, 2007) – S.2

17 Vgl. (Oliver Schilke, 2007) – S.257

18 (Rust, 2007) – S.3

19 Vgl. (Oliver Schilke, 2007) – S.257, (Rust, 2007) – S.4

20 Vgl. (Rust, 2007) – S.12

21 Vgl. (Rust, 2007) – S.7f, 11

22 Vgl. (Das Manifest, 2004) – S.32

23 (Rust, 2007) – S.5f

24 Vgl. (Oliver Schilke, 2007) – S.248f

25 Im Deutschen wird dies als „Managerkrankheit“ bezeichnet.

26 (Elger, 2009) – S.68

27 Dieser Begriff wurde von Daniel Goleman geprägt.

28 Vgl. (Wikipedia Amygdala)

29 Vgl. (Mettle Group, 2007) – S.4

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Erkenntnisse der Neuroökonomie für Leadership
Hochschule
Universität Trier  (Promit)
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V138375
ISBN (eBook)
9783640481835
ISBN (Buch)
9783640481699
Dateigröße
646 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neuroökonomie, Neuroleadership, Neurowissenschaften, Neuroeconomics, Leadership, charismatic role, architectural role, neuro enhancements, neuro pusher, oxytocin, Kreativität, Innovation, Motivation, Kommunikation, Missbrauch, Kritik
Arbeit zitieren
Matthias Sebastian Erich Kaspar Görg (Autor:in), 2009, Erkenntnisse der Neuroökonomie für Leadership, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138375

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