Musikunterricht in einer Bläserklasse der Orientierungsstufe (5./6. Klasse)

Analyse der Lernmotivation mit Hilfe von qualitativen Interviews


Hausarbeit, 2009

130 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Einleitung
2.1 Zielsetzung
2.2 Gliederung der Arbeit

3. Klassenmusizieren an allgemein bildenden Schulen
3.1 Formen und Definitionen von Klassenmusizieren
3.1.1 Bedeutungszuweisungen von klassenmusikalischer Aktivität
3.1.2 Die Bläserklasse – Erweiterter Musikunterricht in besonderer Form
3.2 Die Bläserklasse an der Regionalen Schule Salmtal
3.2.1 Vorüberlegungen und Möglichkeiten der Fortbildung
3.2.2 Finanzierung und Öffentlichkeitsarbeit
3.2.3 Organisatorische, musikalische und pädagogische Entscheidungen
3.2.4 Die Arbeit in der Bläserklasse und methodische Grundzüge
3.2.4.1 Kennen lernen, Gemeinsamkeiten entdecken und die Frage nach dem Instrument
3.2.4.2 Instrumentenpflege, Sitzordnung und die ersten Töne
3.2.4.3 Einsatz geeigneter Literatur und die ersten Auftritte

4. Grundzüge qualitativer Sozialforschung
4.1 Quantitative Sozialforschung – ein Überblick
4.2 Geschichtlicher Exkurs zur qualitativen Forschung
4.3 Theoretische Aspekte qualitativer Sozialforschung
4.3.1 Zielsetzung und Kennzeichen
4.3.2 Zentrale Prinzipien als Folge des Symbolischen Interaktionismus
4.3.3 Weitere Prinzipien qualitativen Denkens
4.4 Qualitative Forschung in einer Bläserklasse?

5. Die Planungsphase
5.1 Das Forschungsdesign einer qualitativen Studie
5.2 Die Fragestellung
5.2.1 Aspekte qualitativer Fragestellungen
5.2.2 Präzisierung und Festlegung der Fragestellung
5.2.3 Musiklernen und die Rolle der Motivation
5.3 Das qualitative Interview
5.3.1 Informationsgewinnung durch qualitative Interviews
5.3.2 Varianten von qualitativen Interviews
5.3.3 Begründung der geplanten Interviewmethode
5.3.4 Qualitative Interviews mit Kindern und Jugendlichen
5.4 Wahl der Stichprobe
5.4.1 Möglichkeiten der Stichprobenziehung
5.4.2 Ethische Grundsätze in qualitativer Forschung
5.4.3 Auswahlentscheidungen für die Wahl der Stichprobe in der Bläserklasse
5.4.4 Erweiterung der Stichprobe – Befragung von Eltern
5.5 Konstruktion des Interviewleitfadens
5.5.1 Frageformen und –stil
5.5.2 Aufbau eines Interviewleitfadens
5.5.3 Leitfadenkonstruktion für das Probeinterview

6. Die Durchführungsphase
6.1 Beschreibung der äußeren Rahmenbedingungen
6.2 Darstellung des Probeinterviews
6.3 Konsequenzen aus dem Probeinterview
6.4 Darstellung der Hauptinterviews
6.4.1 Die Schülerinterviews
6.4.2 Ergänzende Interviews mit drei Müttern
6.5 Transkription der Interviews

7. Die Auswertungsphase
7.1 Verfahren der Auswertung
7.1.1 Theoretisches Kodieren
7.1.2 Objektive Hermeneutik
7.1.3 Qualitative Inhaltsanalyse
7.2 Begründung der gewählten Analysemethode
7.3 Analyse der Daten
7.3.1 Instrumentenwahl und Zuordnung
7.3.2 Repertoire
7.3.3 Auftritte
7.3.4 Schulische und persönliche Entwicklung
7.4 Interpretation der Ergebnisse
7.4.1 Instrumentenwahl und Zuordnung
7.4.2 Repertoire
7.4.3 Auftritte
7.4.4 Schulische und persönliche Entwicklung
7.5 Fazit
7.6 Abschließende Betrachtung – Gütekriterien qualitativer Forschung

8. Schlussbemerkungen

9. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

Ziele und Inhalte des Musikunterrichts an allgemein bildenden Schulen werden seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Welche Schwerpunkte sollen gesetzt werden, und mit welchen Mitteln und Methoden soll die Unterrichtszeit sinnvoll ausgefüllt werden?

In meiner Dienstzeit an der Regionalen Schule Salmtal habe ich häufig die Erfahrung gemacht, dass der Musikunterricht von den Schülerinnen und Schülern als besonders interessant und kurzweilig beschrieben wurde, wenn sie selbst aktiv das Unterrichtsgeschehen mitbestimmen konnten. Dies trifft besonders auf Kinder der unteren Jahrgänge, also die 5. oder 6. Jahrgangsstufe zu. Die Bereitschaft der Kinder, durch Singen, Tanzen oder Spielen auf Instrumenten zu musizieren und Freude daran zu haben ist in den meisten Klassen der Orientierungsstufe meiner Ansicht nach vorhanden.

Mit dieser Grundüberzeugung habe ich vor ca. drei Jahren damit begonnen, mich über die notwendigen Planungsschritte zur Einrichtung einer Bläserklasse zu informieren. In den Jahren zuvor fühlte ich mich als Einzelperson nicht in der Lage, ein solches Vorhaben zu realisieren. Zu groß war der Respekt vor dem organisatorischen Aufwand. Dies betraf vor allem die Finanzierung der Instrumente und eine Erfolg versprechende Unterrichtsmethode. Nach zehn Jahren an der gleichen Schule überwog dann schließlich doch die Unzufriedenheit und das Gefühl der beruflichen Eintönigkeit: Ich wollte etwas Neues ausprobieren.

Dabei war für mich von Anfang an klar, dass eine neu zu gründende Musikklasse mit Blasinstrumenten ausgestattet werden sollte. Mit diesen Instrumenten bin ich am meisten vertraut. Seit meinem siebten Lebensjahr spiele ich Trompete und wirke seit dieser Zeit aktiv im Musikverein meines Heimatortes mit, den ich von 1990 bis 2007 auch dirigierte. Jugendausbildung und –förderung ist eine der wichtigsten Aufgaben erfolgreicher Vereinsarbeit. In diesen Jahren konnte ich sehr viele Erfahrungen sammeln und in Fort- und Weiterbildungen vertiefen.

Bestärkt durch dieses Vorwissen und mit der notwendigen Unterstützung meiner Schulleitung konnte schließlich die Einrichtung einer Bläserklasse zum Schuljahr 2007/08 in Angriff genommen werden.

2. Einleitung

2.1 Zielsetzung

Musikunterricht in einer Bläserklasse stellt für den unterrichtenden Lehrer stets eine Herausforderung dar. Sind die organisatorischen Voraussetzungen zur Einrichtung einer solchen Klasse erfüllt, beginnt die Unterrichtspraxis, die sich vom traditionellen Musikunterricht in vielen Punkten unterscheidet. Die Konzentration auf das Instrumentalspiel macht beispielsweise die Anschaffung eines normalen Musikbuchs überflüssig. Es existieren allerdings noch keine fertig ausgearbeiteten Unterrichtskonzepte, mit denen die zweijährige Arbeit in einer Bläserklasse systematisch vorangetrieben werden können.

Der Leiter einer Bläserklasse besitzt in dieser Hinsicht sehr viele Freiheiten. Er bestimmt die Besetzung des Klassenorchesters, die Verteilung und Zuordnung der Instrumente, sowie die Auswahl eines Methodenheftes und Anschaffung von Spielliteratur. Die Unterrichtsmethode, nach denen die Kinder mit dem Instrument vertraut gemacht werden sollen, ist schließlich ein weiterer zentraler Kernpunkt innerhalb der methodisch-didaktischen Entscheidungsfindung.

Ich habe mir solche Entscheidungen nie leicht gemacht, da mir bewusst ist, dass Fehlentwicklungen nachhaltige Konsequenzen haben könnten. Hinzu kam eine deutlich erhöhte Erwartungshaltung der Eltern, die ihre Kinder zur ersten Bläserklasse an meiner Schule anmeldeten.

Unzufriedenheit und Frusterlebnisse fördern meiner Ansicht nach nicht die Motivation der Kinder, in der Bläserklasse mitzuarbeiten und Fortschritte zu erzielen. Deshalb interessiert mich seit der Einrichtung der Bläserklasse ganz besonders, mit welcher Motivation, Spaß, Lust oder Eigeninitiative die unterrichteten Kinder an die Sache herangehen.

Die vorliegende Arbeit versucht darauf eine Antwort zu geben. Sie ist quasi eine Art Bestandsaufnahme, ob die getroffenen Entscheidungen insgesamt positiv aufgefasst wurden oder ob Alternativen aufgezeigt werden und Veränderungen von Nöten sind. Gewonnene Ergebnisse lassen sich sicher nur begrenzt auf nachfolgende Bläserklassen übertragen. Dies liegt daran, dass die verwendete Untersuchungsmethode sich unmittelbar an der tatsächlichen Lerngruppe orientiert. Wenn in der Theorie häufig von der ‚Nähe zum Gegenstand’ berichtet wird, so kann dies meines Erachtens sehr leicht missverstanden werden. Der Begriff wirkt sehr abstrakt, denn in Wirklichkeit geht es um die Kinder in der Bläserklasse selbst. Sie sind sozusagen die Hauptdarsteller, ohne deren Bereitschaft zur Mitarbeit diese Arbeit nicht zustande gekommen wäre.

2.2 Gliederung der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in insgesamt fünf Hauptteile. Im dritten Kapitel werden Möglichkeiten, Abgrenzungen und Bedeutungszuweisungen von klassenmusikalischer Aktivität an allgemein bildenden Schulen erörtert. Dies geschieht zunächst in allgemeiner Hinsicht und konzentriert sich anschließend auf die Sonderform Klassenmusizieren mit Blasinstrumenten. In diesem Kapitel stelle ich schließlich die Vorbereitung und Einrichtung der Bläserklasse an der Regionalen Schule Salmtal vor.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit den theoretischen Grundzügen qualitativer Forschung. Wesentliche Unterschiede zwischen quantitativer und qualitativer Forschung werden hervorgehoben und ein kurzer historischer Abriss wird angefügt. Von zentraler Bedeutung sind in diesem Kapitel die Prinzipien qualitativer Forschung und ihre Zielsetzung, die als theoretische Grundpfeiler meiner Studie angesehen werden können. Daran fügt sich die inhaltliche Begründung, weshalb ich mich für diese Forschungsrichtung und die dazugehörigen Methoden entschieden habe.

Die Kapitel 5 – 7 bilden eine eng zusammenhängende Einheit und beschreiben den typischen Fortgang einer qualitativen Studie. In der Planungsphase (Kap. 5) beschäftige ich mich mit den notwendigen Vorüberlegungen und Entscheidungsschritten, die zu Beginn einer qualitativen Studie berücksichtigt werden müssen. Forschungsdesign, Fragestellung, Erhebungsmethode, Wahl der Stichprobe und Konstruktion von Interviewleitfäden werden theoriegeleitet erläutert. Dieses Vorverständnis wird in jedem Unterkapitel mit meinen Erfahrungen und den jeweiligen konkreten Planungsschritten verknüpft. Daraus ergibt sich eine Synthese aus theoretischem Basiswissen und an den konkreten Fall orientierter Praxis.

Es folgt nun die Phase der Durchführung in Kapitel 6. Die Rahmenbedingungen werden kurz skizziert und die einzelnen Interviews kritisch betrachtet. Daraus resultierende Schlussfolgerungen bezüglich der Interviewtechnik und –leitfäden werden erörtert und begründet. Das Kapitel endet mit Möglichkeiten der Aufbereitung des entstandenen Textmaterials und der Vorstellung der Transkriptionstechnik.

Im 7. Kapitel werden die gewonnenen Informationen analysiert und ausgewertet. Es werden verschiedene populäre Analyseverfahren in der qualitativen Sozialforschung vorgestellt. Anschließend wird die für diese Arbeit gewählte Auswertungsmethode genauer betrachtet. Auf den folgenden Seiten werden dann die für die Fragestellung relevanten Textpassagen schrittweise und systematisch bearbeitet und in einem Kategoriensystem tabellarisch dargestellt. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden schließlich das Ausgangsmaterial für die Interpretation und Bewertung der Ergebnisse. Das Kapitel endet mit einer Überprüfung der Ergebnisse hinsichtlich verschiedener Gütekriterien, die zur Absicherung der Qualität dieser Studie dienen.

3. Klassenmusizieren an allgemein bildenden Schulen

Die Bandbreite, in der Kinder und Jugendliche mit praktischen Übungen und aktivem Musizieren im Musikunterricht gefordert und gefördert werden können, ist sehr vielfältig und variabel einsetzbar. Musizieren mit verschiedenen Instrumenten, Singen, Bodypercussion, Verwendung von Boomwhackers, Tanz und Szenisches Spiel sind die gängigen Methoden, durch die Schülerinnen und Schüler musikalische Ausdrucksformen nachhaltig und lebendig erfahren können.

Seit einigen Jahren wird die Diskussion über die Notwendigkeit des Klassenmusizierens und der verschiedenen Einsatzmöglichkeiten intensiv geführt.

3.1 Formen und Definitionen von Klassenmusizieren

Klassenmusizieren ist ein umfassender Begriff und wird nach Johannes Bähr differenziert unterteilt: In die Bereiche „Klassenmusizieren“, „Erweiterter Musikunterricht“ und „Musikklasse“.[1]

Unter Klassenmusizieren versteht man ganz allgemein jede Ausübung von musikalischer Aktivität, sei es durch Gesang, Instrumentalspiel, Bewegung oder szenischer Darstellung. Diese musikalische Tätigkeit aller Mitglieder einer Lerngruppe muss seitens des Lehrers didaktisch-methodisch geplant sein und sollte nach der Praxisphase in Bezug auf die Tätigkeit und deren Bedeutungszuweisungen reflektiert werden. Klassenmusizieren ist nach dieser Definition die am häufigsten anzutreffende Gebrauchspraxis von aktivem Musizieren an allgemein bildenden Schulen. Es bleibt dem Lehrer vorbehalten, nach welchen Kriterien und in welchem Ausmaß er die Lerngruppe mit musikalischer Aktivität konfrontiert.

Beim Erweiterten Musikunterricht wird in der Regel die Zeit des erteilten Musikunterrichts gegenüber dem normalen Stundenkontingent erhöht, um zusätzliche Angebote und Freiräume zu schaffen. In welcher Form und mit welchen Inhalten diese Freiräume gefüllt werden, ist nicht festgelegt, allerdings ist die Zielsetzung meist eine Intensivierung musikpraktischen Lernens, egal ob durch Gesang oder Instrumentalunterricht. So ist beispielsweise eine Aufstockung des Musikunterrichts für die gesamte Klasse genauso denkbar wie die Aufteilung der Lerngruppe zu fächerübergreifenden Projektgruppen.

Klarer definiert ist die Musikklasse, die in gewisser Hinsicht ein Sonderfall des erweiterten Musikunterrichts darstellt. Die Schülerinnen und Schüler lernen in einer Musikklasse gemeinsam ein Instrument oder werden in Gesangsklassen unterrichtet. Mit zwei, drei oder mehr wöchentlichen Musikstunden wird hier ganz klar die musikalische Aktivität in den Mittelpunkt gestellt. Instrumentale Fertigkeiten werden vermittelt und nach und nach erweitert. In den letzten Jahren ist der Trend deutlich erkennbar, dass immer mehr Schulen ein ‚Klassenorchester’ einrichten und mit den verschiedensten Instrumenten besetzen. Am weitesten verbreitet sind Musikklassen mit Bläsern, Streichern, Keyboards, Percussionsinstrumenten, Gitarren oder Blockflöten.

Musikklassen sind meistens aus organisatorischen Gründen zeitlich begrenzt. Am häufigsten werden sie in den Jahrgangsstufen 5 und 6 eingerichtet, in jüngster Zeit finden sich aber auch immer wieder vereinzelt bereits in den Grundschulen Lerngruppen mit instrumentaler oder gesanglicher Profilbildung.

„Die Musikklasse scheint die erfolgreichste Form erweiterten Musikunterrichts zu sein. Das hat mehrere Gründe: Sie ist relativ leicht zu organisieren, ihre Besonderheit ist für Eltern, Kollegien und Schulbehörden leicht nachzuvollziehen, und sie ist, wenn man die wenigen vorliegenden Forschungsergebnisse heranzieht (…), auch das in vieler Hinsicht effektivste und erfolgreichste Modell.“[2]

Die genannten Formen von Klassenmusizieren haben gemeinsam, dass sie als ordentliches Fach Musik fest in den Stundenplan und den restlichen Fächerkanon integriert sind und in der Regel am Schulvormittag erteilt werden. Als verpflichtender Unterricht grenzen sie sich deshalb von freiwilligen Arbeitsgemeinschaften wie Schulchor oder Schulorchester ab, die in diesem Zusammenhang nicht weiter thematisiert werden.

3.1.1 Bedeutungszuweisungen von klassenmusikalischer Aktivität

Im folgenden Abschnitt sollen Gründe aufgeführt werden, die den Einsatz von klassenmusikalischen Elementen im Musikunterricht legitimieren sollen. Dabei wird von der Grundannahme ausgegangen, „dass erfolgreiche musikalische Lernprozesse in der Schule einen hohen Anteil von Musizierpraxis enthalten müssen.“[3] Hieran schließt sich unweigerlich die Frage an, was man unter musikalischen Lernprozessen versteht und welche Aufgabe in diesem Zusammenhang der Musikunterricht an Schulen zuteil wird.

Allgemein ist die primäre Zielsetzung musischer Erziehung an Schulen, „die Fähigkeit zur begründeten Auseinandersetzung mit Musik zu entwickeln. Begründete Auseinandersetzung konkretisiert sich bei denjenigen, die diese Fähigkeit entwickelt haben, in erster Linie in der umsichtigen, d. h. musikalische und andere relevante Kontexte berücksichtigenden Bedeutungszuweisung sowie in deren Differenzierung, Erweiterung und ggf. (partieller) Korrektur im Zuge weiterer, vertiefender Auseinandersetzung.“[4]

Musikalische ästhetische Erfahrung wird durch klassenmusikalische Aktivität gefördert und verinnerlicht. Sie vollzieht sich nicht abstrakt und theoretisch, sondern wird erst durch die eigene Tätigkeit konkret nachvollzogen. Das notwendige Wissen wird in der Gebrauchspraxis selbst erworben, vertieft und erweitert. In der sozialen und gruppendynamischen Interaktion finden Reflexion und Austausch statt. Christopher Wallbaum geht noch einen Schritt weiter: Für ihn kann sich das Klassenmusizieren im Sinne erfüllter musikalisch-ästhetischer Praxis „nicht im Handwerklichen, im äußerlich ‚Richtig’-Spielen erschöpfen. Vielmehr müssen die Beteiligten innerlich mitgehen. Dazu sollte ihnen klar sein, um welche Qualität bzw. Attraktion es gerade geht, und sie müssen sie selbst wirklich attraktiv finden, zum Beispiel eine Entwicklung vom Ton zum Kratzen, das Drachenhafte eines Drachen, das wellenartige Fluten eines Klangs, polyphone Echos, polyrhythmisches Grooven, den genauen Gestus einer Melodie, vom Anklopfen des Schicksals über Zweifel bis zum euphorischen Sieg, das Sehnsuchtsvoller einer ins Unendliche ersterbenden Figur, fröhliches Hüpfen und Gleiten etc.“[5]

Klassenmusizieren ermöglicht Anstöße zu musikalischer Bildung und kann als Mittel zur Erzeugung musikalischen Denkens und zum Verständnis musikalischer Strukturen hilfreich sein.

Darunter versteht man die Umsetzung von musikalischen Strukturen durch eigenes Spielen und der anschließenden Generierung und Verallgemeinerung. „Musizieren wird als Ausgangspunkt der Bildung von Auffassungsschemata, Kategorien, Begriffen und Systemen gesehen und könne in einer Schulklasse nur im Rahmen von Klassenmusizier-Prozessen erfolgen.“[6] Wird z.B. ein mehr oder weniger komplexer Rhythmus zunächst spontan geklatscht, so kann im nächsten Schritt die einmalige Erfahrung theoretisch erfasst und erweitert werden. Der von Edwin E. Gordon geprägte Begriff Audiation beschreibt diesen Sachverhalt - vom Hören und eigenen Tun zur Theorie und der Bewusstmachung abstrakter musikalischer Strukturen. Darüber hinaus bietet die Arbeit in einer Instrumental- oder Gesanggruppe noch weitere Vorteile: „Eine Besonderheit beim Klassenmusizieren ist zweifellos, dass beim Proben der Anteil an erläuterndem Sprechen und sitzendem Lauschen geringer und der am Selbst-Spielen und –Artikulieren und dabei Hören größer ist.“[7]

Musizieren in der Klasse ist ebenfalls ein richtungweisender Schritt zu ganzheitlicher Kunsterfahrung. Hier bieten sich Möglichkeiten, durch Reproduktion oder eigene Produktion mit Musikwerken aus verschiedenen Zeiten und Epochen konfrontiert zu werden. Der Bezug auf anerkannte oder beispielhafte Musikstücke der Musikgeschichte erhält eine andere Dimension als durch eine rein auditive Wahrnehmung. Identifizierungsmöglichkeiten mit Komponisten, auch unter Bezug auf die soziokulturellen Hintergründe, können intensiver ausgeprägt sein und stärker verinnerlicht werden. Schließlich kann durch die Verbindung mit Tanz, Malen oder szenischem Spiel Klassenmusik die komplexe sinnliche Wahrnehmung von musikalischer Kunst fördern.

Musik wirkt sich positiv auf die Persönlichkeitsentwicklung junger Heranwachsender aus. In Hessen wurden solche Erfahrungen beispielsweise im Jahr 2000 gemacht, als in einem Modellversuch der Musikunterricht in verschiedenen Klassen intensiviert wurde. Der anschließende Vergleich mit Klassen, die mit zwei Wochenstunden Musik unterrichtet wurden und die „begleitenden Untersuchungen hatten unter anderem ergeben, dass die SchülerInnen in Musikklassen in ihrem Können (Musizieren) und Wissen über Musik den SchülerInnen „normaler“ Klassen klar überlegen sind, dass die soziale und emotionale Integration der Kinder solcher Klassen im Vergleich zu anderen Klassen deutlich besser ist und dass das schulische und regionale Musikleben erheblich bereichert und intensiviert wird.“[8] Inwieweit durch Klassenmusik solch positive Effekte gefördert und gewonnen werden können, ist nicht allgemein vorhersagbar und hängt bestimmt auch von Fall zu Fall ab. In den Bereichen der sozialen Kompetenzen wie Integration, Rücksichtnahme, Zuverlässigkeit sowie der eigenen Konzentrationsfähigkeit sind allerdings Erfolge durch eine hohe Intensität des Musizierens in Schulklassen beobachtet und nachgewiesen worden. Die ‚Berliner Langzeitstudie’, durchgeführt von Prof. Hans Günther Bastian zwischen 1992 und 1998, gilt in diesem Zusammenhang als Maßstab. Die Studie stellt nicht heraus, dass Klassenmusizieren grundsätzlich die Konzentrationsfähigkeit oder sogar die allgemeinen schulischen Leistungen verbessert. Durch den langfristigen Vergleich mit mehreren Musikklassen und einer Kontrollklasse (ohne musikalische Förderung) konnten jedoch Unterschiede in Bereichen des Sympathiebefindens untereinander und der Ausprägung von starken Konzentrationsdefiziten gefunden werden. „Aus der Sicht der zu prüfenden Hypothesen sehen wir es damit als bestätigt an, dass Musizieren und Musikerziehung deutlich schwachen Konzentrationsleistungen von Kindern vorbeugen kann. Musik stellt ein Übungsfeld eigener Art dar, das vor allem konzentrationsschwachen Kindern helfen kann. Diesbezügliche Fähigkeiten werden trainiert und lassen entsprechende Leistungen weniger stark abfallen. Musikerziehung kann also gegen Konzentrationsdefizite vorbeugend bzw. kompensatorisch wirken.“[9]

Allgemein kann wohl behauptet werden, dass Musizierpraxis sich besonders positiv auf die Lerngruppe und ihre Individuen auswirkt, wenn mit geeigneten Mitteln und einem gut durchdachten methodischen Konzept langfristig und zeitintensiver als im herkömmlichen Musikunterricht gearbeitet wird.

Es ist unumstritten, dass das Erlernen eines Instruments einen hohen Grad an Selbstdisziplin erfordert. Hans-Walter Berg, ehemals Direktor an der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung in Trossingen, konkretisiert diesen Sachverhalt: „Das Erlernen eines Instrumentes erfordert Konzentration, geistige und seelische Aktivität. Musizieren weckt Fähigkeiten der Empfindung. Geduld und Ausdauer werden trainiert. Gegenüber dem intellektuellen Lernen in der Schule beansprucht das Blasen von Instrumenten und das Schlagen von Trommeln oder von anderen Percussionsinstrumenten nicht nur geistige, sondern auch körperliche Kräfte. Mit den Händen greifen, mit den Lippen und Gesichtsmuskeln formen, mit dem Atem steuern, mit dem Verstand koordinieren – das alles muss langfristig geschult und geübt werden. Zusätzlich lernt der Jugendliche im Orchester, sich an Regeln zu orientieren. Die Musik gibt sie vor. Im Zusammenspiel miteinander werden sie einsichtig, denn je genauer der Musikant sich daran hält, desto besser gelingt die Musik.“[10] Wenn Berg hier von dem ‚intellektuellen Lernen in der Schule’ spricht, dann kann dies als kleiner Seitenhieb verstanden werden. Allerdings hat sich die Schulmusik in den letzten zwanzig Jahren deutlich verändert und die Rolle des Klassenmusizierens hat in ihren vielfältigen Formen eindrucksvoll an Bedeutung gewonnen. Es ist inzwischen nicht mehr von der Hand zu weisen und in zunehmenden Maße wird deutlich: „Unterrichtsprojekte (…), die das Instrumentalspiel und den Instrumentalunterricht in den allgemein bildenden Klassenunterricht integrieren und zu seinem Mittelpunkt machen, entstehen in rascher Folge und immer größerer Zahl. In der Regel gehen sie auch dort, wo die Ministerien ihre Entstehung unterstützen, aus Initiativen ‚von unten’ hervor. Sie sind deshalb getragen durch hohe Motivation der beteiligten Lehrkräfte.“[11]

3.1.2 Die Bläserklasse – Erweiterter Musikunterricht in besonderer Form

Klassenmusizieren mit Blasinstrumenten trat etwa seit Mitte der 1990-er Jahre in Deutschland in den ersten allgemein bildenden Schulen in Erscheinung. Das Grundkonzept ist nicht neu, sondern schon um einige Jahre älter und stammt aus dem nordamerikanischen Raum. Bereits in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg begannen amerikanische Highschools und Colleges mit dem systematischen Aufbau ihrer schulinternen Brass- und Marchingbands. So wie die eigene Footballmannschaft in vielen Regionen der USA die sportliche Seite der jeweiligen Schule repräsentierte, waren die Schoolbands häufig das musikalische Aushängeschild und traten bei Paraden, Volksfesten oder sogar im direkten Wettstreit mit benachbarten Schulen auf. Tatsächlich konkurrierten benachbarte Schulen häufig miteinander und warben durch besondere Formen der Profilbildung um die Gunst der Schülerschaft. Ins Leben gerufen wurden die unzähligen Highschool- und Collegebands in den meisten Fällen von ehemaligen Militärmusikern aus den sogenannten Fieldbands. „Um wieder in der Nachkriegsgesellschaft Fuß zu fassen, bewarben sich viele von ihnen an den Highschools des bevölkerungsreichen und kulturhungrigen Mittleren Westens, wo die musikalische Tradition aus Europa wach geblieben war, um dort Schulbands aufzubauen.“[12]

Klassenmusizieren mit Blasinstrumenten (bei den so genannten Brassbands auch nur mit Blechblasinstrumenten) ist auch heute noch fester Bestandteil in der nordamerikanischen Schulmusik. Ob die Anfängerorchester im Klassenverband unterrichtet werden oder ob erweiterter Musikunterricht durch freiwillige Arbeitsgemeinschaften erteilt wird, wird auch hier von Schule zu Schule unterschiedlich gehandhabt.

Mitte der Siebziger Jahre wurde in Deutschland der Ruf nach mehr handlungsorientiertem Musikunterricht, etwa nach Rauhe, Reinecke und Ribke laut. Schülerinnen und Schüler sollten durch gemeinschaftliches und eigenverantwortliches Handeln aktiv und selbstständiger mit Musik konfrontiert werden und sie bewusster erfahren. Dieses Grundprinzip macht sich auch der Musikunterricht in Bläserklassen zu Eigen. Es wird jedoch noch erweitert durch die Zielvorgabe, die in der Unterrichtsmethode selbst liegt, nämlich der Erwerb von Spielkenntnissen am Instrument. „Klassenmusizieren mit Blasinstrumenten bedeutet die Eingliederung des Instrumentalunterrichts in den regulären allgemein bildenden Musikunterricht.“[13]

Bläserklassen werden in den meisten Fällen zu einem festgelegten Zeitraum eingerichtet. Dies beginnt teilweise bereits in den Grundschulen, etwa in der 3. und 4. Klassenstufe. Am häufigsten werden Bläserklassen aber in den weiterführenden Schulen angeboten. Die 5. und 6. Klassenstufe hat sich dabei als besonders vorteilhaft erwiesen. Zum einen profitieren die Schulen, ganz gleich ob Haupt-, Realschule oder Gymnasium, von ihrem eigenen musikalischen Nachwuchs, denn viele der ehemaligen Bläserklassenschüler engagieren sich in den Folgejahren weiter in den schuleigenen Orchestern. Andererseits sind im Alter von zehn oder elf Jahren die Voraussetzungen zum Erlernen eines Blasinstrumentes sehr günstig. Natürlich befinden sich die Kinder noch im Wachstum. Die anatomischen Gegebenheiten wie Körpergröße, Lungenvolumen und auch Zahnstellung stehen jedoch einem erfolgreichen Unterrichtsbeginn auf einem der vielen Blasinstrumente in der Regel nicht im Wege. Ein wichtiges Kriterium ist außerdem, dass „Fünftklässler aufgeschlossen und begeisterungsfähig sind für neue praktische Musikerfahrungen. Die Bläserklasse trägt entscheidend zur Identifikation mit der neuen Schule bei.“[14]

In vielen Fällen findet auch eine Kooperation zwischen der allgemein bildenden Schule und einer Musikschule statt. Der Leiter einer Bläserklasse wird von Instrumentallehrern unterstützt, die beispielsweise im Klassenorchester notwendige Hilfestellung in den verschiedenen Instrumentalsätzen geben. Diese Form von ‚Teamteaching’ eignet sich besonders in den ersten Unterrichtsstunden, wenn die Kinder ihre ersten Erfahrungen mit dem neuen Instrument sammeln. Eine weitere sinnvolle Maßnahme kann die Aufteilung der Klasse in zusammengehörige Instrumentalgruppen sein. In einer wöchentlichen Gruppenstunde wird dann durch mehrere Instrumentallehrer instrumentenspezifisch und dadurch intensiver musiziert.

Von einer solchen musikpädagogischen Kooperation profitieren beide Parteien. Die Schule, denn durch die Einbindung von musikalisch ausgebildeten Fachkräften steigen zweifellos das Niveau und der Lernzuwachs innerhalb der Bläserklasse. Die Musikschulen hingegen unterrichten erstens selten umsonst und zweitens liefern sie nach Ablauf der Unterrichtszeit in der Bläserklasse eine direkte Anlaufadresse für eine zukünftige musikalische Ausbildung.

Der Unterricht in einer Bläserklasse ist generell mit Kosten verbunden. Die Instrumente müssen von der Schule bzw. dem Schulträger ausgewählt und finanziert werden. Ein vollständiger Instrumentensatz für dreißig Schülerinnen und Schüler kostet je nach Qualität und Ausstattung zwischen 25 und 30 Tausend Euro. Wird außerdem eine Musikschule eingebunden, fallen monatliche Ausbildungskosten für die Instrumentallehrer an. Laufende Kosten für Noten, Pflegematerial und Reparaturen müssen schließlich auch mitbedacht werden. Aus diesem Grund zahlen in der Regel die Eltern einen monatlichen Beitrag für die Miete der Instrumente und die Unterrichtsgebühr der Musikschule. Diese Beiträge variieren von Schule zu Schule und schwanken zwischen 10 und 50 Euro. Es ist zum Beispiel ein Unterschied, ob die Instrumente bereits refinanziert sind oder ob sie gerade neu angeschafft wurden und abbezahlt werden müssen. Ein Monatsbeitrag ist sicherlich sinnvoll – auf diese Weise wird auch den Eltern bewusst, dass sie und ihre Kinder für die Instrumente Verantwortung tragen – aus sozialen und pädagogischen Gründen sollten die Beiträge jedoch nie größer sein als unbedingt notwendig. „Der Klassenmusizierunterrricht wendet sich tendenziell an alle Kinder, auch und gerade an solche, die auf Grund ihrer familiären und sozialen Herkunft ansonsten eher nicht den Weg zum Instrument gefunden hätten. Das bedeutet: Alle Schüler können in einer Bläserklasse beteiligt werden und können Verantwortlichkeit für ihre eigene Stimme entwickeln – nicht nur diejenigen, die bereits Vorkenntnisse verfügen.“[15]

Wie beim Klassenmusizieren allgemein stellt sich oftmals auch in Bläserklassen die Frage nach der Lehrplaneinbettung. Hier lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, dass durch instrumentales Spiel grundsätzlich alle Vorgaben und Themen des Lehrplans erfüllt werden. Musizieren im Klassenverband ist zwar gewünscht und wird aus methodisch-didaktischer Sicht zu Recht gefordert, kann aber über den durchgängigen Zeitraum von zwei Jahren auch nicht intensiv alle Bereiche der musischen Erziehung abdecken. Das Singen von Liedern, Tanzen oder ausführliche Komponistenportraits seien als Beispiele genannt. Andererseits zeigen die Erfahrungswerte der vielen Bläserklassen aus den letzten Jahren eindrucksvoll, wie praxisnah und spielerisch die Kinder theoretische Grundkenntnisse wie Notenlehre, Formenlehre und musikalische Fachbegriffe erlernen können. Natürlich kann auch die Instrumentenkunde, zumindest was die Blech- und Holzblasinstrumente betrifft, quasi nebenbei abgedeckt werden. Es bedarf noch weitere Anstrengungen und Diskussionen, wie es gelingen kann, durch geeignete Literatur und Arbeitsmittel dem Musiklehrplan weiter gerecht zu werden oder anzupassen und wie die Lehrerausbildung für die Leitung einer Bläserklasse intensiviert werden kann.

Musikklassen, egal ob Bläser-, Streicher- oder Percussionsklassen, sind auf dem Vormarsch. „Schulen, die eine Bläserklasse neu eröffnen, leisten musikpädagogische Pionierarbeit.“[16] Bundesweit schätzt man bis zu 1300 Bläserklassen insgesamt, deren Arbeit und Unterrichtskonzept der breiten Öffentlichkeit dagegen eher weniger bekannt ist.

3.2 Die Bläserklasse an der Regionalen Schule Salmtal

Die Überlegung und der Entschluss, eine Bläserklasse an einer Schule einzurichten, sollten sicherlich gut durchdacht und vorbereitet sein. An jeder Schule sind die Voraussetzungen und Möglichkeiten unterschiedlich. Dies beginnt mit der Frage eines geeigneten Proberaums, der vorhandenen oder noch anzuschaffenden Instrumente, Lehrkräfte, die sich der Herausforderung annehmen bis hin zu der Akzeptanz der Eltern, deren Kinder eine Bläserklasse besuchen sollen.

In den folgenden Abschnitten möchte ich die Rahmenbedingungen und das methodische Konzept vorstellen, die zur Realisierung der ersten Bläserklasse an der Regionalen Schule Salmtal beigetragen haben.

3.2.1 Vorüberlegungen und Möglichkeiten der Fortbildung

Zu Beginn stand die Absicht, sich über die notwendigen Voraussetzungen zur Einrichtung einer Bläserklasse ein Bild zu machen. Es gibt verschiedene Institute und Organisationen, die durch Workshops, Wochenendseminare oder ähnliche Fortbildungsveranstaltungen die Teilnehmer informieren und ausbilden. Firmen wie Yamaha oder Jupiter verbinden diese Veranstaltungen auch mit Finanzierungsangeboten für die benötigten Instrumente.

Ich entschied mich für einen Lehrgang in fünf Phasen mit dem bezeichnenden Titel „BLÄSER? KLASSE!“, angeboten von der Musikakademie für Musikpädagogik Wiesbaden und durchgeführt in Neuwied. Absoluter Schwerpunkt für künftige Bläserklassenleiter ist die Grundbeherrschung der verschiedenen Instrumente. Da ist es sicher von Vorteil, wenn man bereits im Vorfeld Erfahrungen mit Blasinstrumenten besitzt. In meinem Kurs spielten fast alle Teilnehmer ein Holz- oder Blechblasinstrument und die Herausforderung war in erster Linie das Sammeln von Erfahrungen auf den nicht bekannten Instrumenten. Für mich als Blechbläser waren, mit Ausnahme der Querflöte, die Holzblasinstrumente Neuland, und so galt es zunächst einmal, die notwendigen ansatz- und grifftechnischen Eigenschaften der Klarinette und des Saxophons kennen zu lernen. Fester Bestandteil aller Fortbildungsphasen war das gemeinsame Spiel auf dem eigenen und den fremden Instrumenten, das Erproben der instrumentaltechnischen Möglichkeiten und das Kennen lernen geeigneter Literatur, die auch in echten Bläserklassen eingesetzt wird. Diese Vorgehensweise ist leicht nachvollziehbar, denn im Realfall muss der Bläserklassenleiter die verschiedenen Instrumente, ihre Besonderheiten und Tücken, technische Aspekte und die sachgerechte Pflege sehr gut kennen. Nur so ist es überhaupt erst möglich, musizierende Kinder im Anfängerunterricht zu unterrichten.

Weitere Themen im Aufbaukurs waren notwendige Rahmenbedingungen, Finanzierungsmodelle, versicherungstechnische Aspekte und die systematische Methodik für eine Erfolg versprechende Arbeit in einer Bläserklasse. Was ich an diesem Kurs auch sehr geschätzt habe, war der persönliche Austausch mit den Teilnehmern und dem Kursleiter. Hier konnten immer wieder Probleme angesprochen und diskutiert werden und erste Erfahrungen aus dem realen Unterricht eingebracht werden.

3.2.2 Finanzierung und Öffentlichkeitsarbeit

Während der ersten beiden Lehrgangsphasen wurden auch Gespräche mit dem Schulträger geführt. Vordergründige Thematik war die Anschaffung eines Instrumentensatzes und die Frage, ob die Anmeldezahlen überhaupt für die Einrichtung einer Bläserklasse reichen würden. Es gibt verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten, um die Kosten für alle Instrumente zur decken: Vorfinanzierung, Kreditaufnahme, Sponsoring, Mietkauf mit oder ohne Anzahlung sind die gängigsten Methoden. An der Regionalen Schule Salmtal konnte mit dem Schulträger eine recht einfache Regelung getroffen werden: Wenn die Anmeldezahlen es erwarten lassen, dass das Interesse für eine neu zu gründende Bläserklasse groß genug wäre, dann wird der erste Instrumentensatz in Höhe von ca. 30.000 Euro vom Schulträger vorfinanziert.

In zwei Elternabenden wurden das Konzept und die Methode einer Bläserklasse erläutert und gleichzeitig für die Einrichtung geworben. Die Resonanz war außerordentlich groß und so konnten die erforderlichen 27 Anmeldungen für das Schuljahr 2007/08 nach wenigen Tagen verbucht und übertroffen werden. Damit war klar: Ab diesem Schuljahr wird in einer Klasse Musik auf Blasinstrumenten unterrichtet und die erforderlichen Instrumente konnten über den Verband deutscher Instrumentenbauer bestellt werden.

3.2.3 Organisatorische, musikalische und pädagogische Entscheidungen

Nachdem Klarheit über die Einrichtung der Bläserklasse bestand, konzentrierte sich die weitere Arbeit auf schulorganisatorische und pädagogische Aufgaben.

- Die Schülerinnen und Schüler, die für die Bläserklasse verbindlich angemeldet wurden, wurden bzw. werden für die Dauer des 5. und 6. Schuljahres auf einem Blasinstrument im Fach Musik unterrichtet.
- Die Messzahl der Klassenteilnehmer wurde auf 27 festgesetzt. Zu Beginn war noch nicht klar, wie viele Kinder angemeldet würden, deshalb war es schwierig von einer Gesamtzahl von 30 Schülerinnen und Schülern auszugehen. Mit dieser Klassenmesszahl werden etablierte Bläserklassen meistens unterrichtet.
- Tatsächlich meldeten sich mehr als 27 Kinder an. Wir richteten daraufhin eine Warteliste ein, für den Fall, dass noch jemand absprang. Ansonsten garantierten wir den ersten 27 Anmeldungen die Aufnahme.
- Die Wochenstundenzahl in Musik wurde von zwei auf vier Stunden erhöht, darunter sollten drei Stunden als Klassenunterricht und eine Stunde in der Woche als instrumentaler Gruppenunterricht erteilt werden.
- In Kooperation mit der ortsansässigen Musikschule konnten drei Instrumentallehrer für den Instrumentalunterricht gewonnen werden.

Satzproben organisierte ich mit meinen drei Kollegen von der Musikschule mit folgenden Instrumentalgruppen: tiefes Blech (Tuben, Posaunen, Tenorhorn, Bariton); Trompeten und Hörner; Klarinetten und Saxophone; Querflöten

- Die Eltern zahlen einen monatlichen Beitrag von 30 Euro. Dabei handelt es sich um die Instrumentalmiete (dieses Geld fließt zurück zum Schulträger) und eine Gebühr für die Musikschule. Außerdem werden die Instrumente mit diesem Beitrag versichert.
- Ein bis dahin eher wenig genutzter Raum, der in den vergangenen Jahren überwiegend als Abstellraum für Fernsehgeräte, biologische Modelle, Bücher usw. genutzt wurde, konnte mit großem Aufwand zum Probenraum umgestaltet werden. Die wesentlichsten Veränderungen waren die Verlegung eines Teppichbodens, der Einbau von zwei schallisolierenden Zwischenwänden und neue Möbel (ergonomische Stühle für Instrumentalisten sowie Schrank- und Regalsysteme für die Instrumente).

Die Bilder vermitteln einen Eindruck von den räumlichen Gegebenheiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Vorderer Blick auf die komplette Bestuhlung; im Hintergrund Schränke für die Instrumente und Notenständer.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Blick von hinten nach vorne; diese Perspektive hat das tiefe Blech.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Schranksystem zur Aufbewahrung eines kompletten Instrumentensatzes

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 Sitzplätze für die Querflöten, dahinter mögliche Begleitinstrumente (elektr. Klavier, Schlagzeug)

- Ich habe mich für folgende Besetzung entschieden, die nach meiner Überlegung musikalisch ausgewogen und gut zu unterrichten ist.

4 Querflöten, 5 Klarinetten in B, 2 Altsaxophone in Es, 2 Tenorsaxophone in B, 3 Hörner in F, 4 Trompeten in B, 3 Posaunen in C, 1 Tenorhorn in B, 1 Bariton in B, 2 Tuben in C.

Auf Doppelrohrblattinstrumente wie Oboe oder Fagott habe ich aufgrund ihrer Komplexität und schwierigen Tonansprache verzichtet. Ebenso halte ich es für nicht sinnvoll, das Schlagzeug in den Kreis der neu zu unterrichtenden Instrumente einzubeziehen, da richtiges Timing (Tempo einhalten) und Lautstärkedifferenzierung von einem Anfänger nicht gleich zu erwarten ist. Der Einsatz des Schlagzeugs in einer Bläserklasse empfiehlt sich trotzdem, wenn z.B. der Bläserklassenleiter selbst oder ein erfahrener Schüler die Kinder bei diversen Stücken begleitet.

Von Vorteil ist es ebenfalls, wenn jedes Instrument mindestens doppelt besetzt ist. So können die Schüler voneinander lernen, sich gegenseitig motivieren und niemand ist ‚Einzelkämpfer’.

Im Wesentlichen orientiert sich diese Besetzung an der Vorstellung eines symphonischen Blasorchesters. Die genaue Größe und die Relationen der Instrumentalsätze sind natürlich nicht exakt vorgegeben und können unterschiedlich ausfallen.

Mit den oben dargestellten Vorbereitungen endete das Schuljahr 2006/2007. Die nötigen Rahmenbedingungen zur Einrichtung einer Bläserklasse waren damit geschaffen und mit Spannung warteten alle Beteiligten auf den Beginn der Arbeit mit den Kindern im darauf folgenden Schuljahr.

3.2.4 Die Arbeit in der Bläserklasse und methodische Grundzüge

Die Vorstellung, dass ein einziger Lehrer in zwei Schuljahren eine Klasse von bis zu dreißig Schülerinnen und Schülern auf acht bis neun vollkommen unterschiedlichen Instrumenten unterrichtet, löst bei vielen Lehrern und Eltern Verwunderung und häufig auch Skepsis aus. Wie soll es funktionieren, dass die Instrumentalgruppen zur gleichen Zeit im gemeinsamen Spiel unterrichtet werden? Der Lehrer, vielleicht selbst noch nicht mit allen Instrumenten gleichermaßen gut vertraut, steht Mädchen und Jungen gegenüber, die wenige oder gar keine Vorkenntnisse besitzen. Sie halten technisch anspruchsvolle und wertvolle Instrumente in ihren Händen, die sich in ihrer Grundstimmung und Notation (Violin- oder Bassschlüssel) unterscheiden. Schließlich kann und darf die korrekte Tonerzeugung und der effiziente Einsatz der Atmung auch nicht vorausgesetzt werden.

Um eines gleich klarzustellen: Der Instrumentalunterricht in einer Bläserklasse bedarf grundlegend anderer konzeptioneller Strategien und methodischer Vorüberlegungen als beispielsweise der Unterricht mit einem Einzelschüler oder in einer kleinen Gruppe mit gleichen Instrumenten. Von besonderer Bedeutung sind die ersten Wochen und Monate im Gesamt- und Gruppenunterricht. Die ersten gemeinsamen Stunden mit der Klasse, die Verteilung der Instrumente und die ersten Schritte zum gemeinsamen Spiel werden nun thematisiert.

3.2.4.1 Kennen lernen, Gemeinsamkeiten entdecken und die Frage nach dem Instrument

Mit Beginn des Schuljahres 2007/08 lernte ich 27 Schülerinnen und Schüler – darunter 18 Mädchen und 9 Jungen kennen, die alle den Entschluss gefasst hatten, ein Blasinstrument zu lernen. Ich übernahm die Klasse nicht nur als Musiklehrer, sondern auch als Klassenlehrer mit den weiteren Fächern Mathematik und Physik/Chemie. Die ersten Stunden verwendete ich ausschließlich dazu, mir ein Bild von der Klasse zu machen und die einzelnen Schüler besser kennen zu lernen. Mit ersten rhythmischen Spielen, Sprechstücken und Liedern versuchte ich musikalische Akzente zu setzen, doch sehr bald wurde deutlich, dass die Kinder mit großer Spannung und Vorfreude der Vorstellung der einzelnen Instrumente entgegen fieberten.

Auf meinen Fortbildungen in Neuwied gefiel mir die Methode, nach der alle Kinder jedes Instrument testen, von Beginn an sehr gut. Auf diese Weise kann gewährleistet werden, dass Instrumente herausgefiltert werden, auf denen die Kinder mal gut oder auch weniger gut zurechtkommen. Dies kann unterschiedliche Gründe haben: Ungünstige Lippen- oder Zahnstellungen, Körpergröße oder bewegungsmotorische Defizite beeinflussen eine effiziente Atmungs- und Ansatztechnik. Ein Kind, das von Anfang an beispielsweise auf einer Trompete keinen Ton erzeugen kann, sollte nicht unbedingt auf diesem Instrument unterrichtet werden und Alternativen (z.B. ein Holzblasinstrument) sollten in Betracht gezogen werden.

Mit der Vorstellung und dem Ausprobieren des ersten Instrumentes erhielten die Kinder ein Formblatt, auf dem nach einem bestimmten Verfahren die Instrumente getestet und individuell bewertet wurden. Nach dem Durchlauf aller Instrumente konnten Erst-, Zweit- und Drittwünsche notiert werden, die den besten Testergebnissen in den meisten Fällen entsprachen.

Abbildung 5 zeigt ein solches Formblatt. Die Bewertung erfolgte von -2 (sehr ungünstig) bis +2 (sehr gut geeignet). Dadurch sollte bewusst einem Vergleich der gängigen Notenskala von eins bis sechs entgegensteuert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5 Bewertungsbogen mit drei Wunschmöglichkeiten

Nach Abgabe aller Zettel habe ich in Ruhe die Verteilung der Instrumente vorgenommen. Am Ende konnten meiner Einschätzung nach die Instrumente nach bestmöglichen musikalischen Kriterien und unter Berücksichtigung der Kinderwünsche verteilt werden, darunter 14 Erst-, 10 Zweit- und 3 Drittwünsche.

3.2.4.2 Instrumentenpflege, Sitzordnung und die ersten Töne

An einem Elternabend wurde jedem Kind das ihm zugeteilte Instrument feierlich überreicht. Die Eltern bestätigten den Empfang des Instrumentes und diverses Zubehör (Koffer, Instrumentenständer, Pflegematerial) und unterschrieben den Mietvertrag für die kommenden zwei Jahre. An diesem Abend wurden auch der richtige Umgang und die sachgerechte Pflege der verschiedenen Instrumente erläutert. Eine wichtige Maßnahme, denn die bis dahin nagelneuen Instrumente sollten ja noch möglichst lange halten. Deshalb wurde der richtige Umgang, das Ein- und Auspacken, das Aufbauen der Instrumente und die richtige Haltung in den ersten Stunden immer wieder sorgfältig eingeübt und verbessert.

Jede Schülerin und jeder Schüler besitzt im Probenraum einen fest zugewiesenen Platz und die Instrumentalsätze sind nach einer bestimmten Form angeordnet, wie in Abbildung 6 unten schematisiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6 Sitzordnung mit 27 Holz- und Blechblasinstrumenten

Die Sitzordnung im symphonischen Blasorchester und in einer Bläserklasse hängt von der Gesamtzahl der Instrumente ab und kann variieren. Ich habe mich für diese Anordnung entschieden, da das tiefe Blech bei einfachen Stücken häufig unisono spielt und kompakt zusammen sitzt. Die Tenorsaxophone sitzen weiter hinten, da sie in den ersten Stunden von Anfängern aufgrund des hohen Blattwiderstandes sehr laut erklingen können. Das hohe Holz sitzt üblicherweise vorne und dahinter die Trompeten und Hörner. In der schematischen Darstellung nicht so gut zu erkennen - eher auf den Fotos, siehe Abbildung 1 und 2 – es befinden sich freie Durchgänge zwischen den Plätzen der Klarinetten und Querflöten sowie Trompeten und Hörner. Diese Mittelgänge erlauben es mir jederzeit schnell von einem Register zum nächsten zu kommen um nötige musikalische oder technische Hilfestellung zu geben.

In den ersten Stunden wandte ich die Technik der relativen Solmisation an. Diese von John Curwen entwickelte Methode, auch Tonika-Do-Methode genannt, erlaubte es die ersten fünf Töne ohne Notenkenntnisse und nur mit Handzeichen einzuführen. Dabei entsprachen die Silben Do-Re-Mi-Fa-So den klingenden Tönen B-C-D-Es-F. Besonders vorteilhaft war der Umstand, dass nach einiger Übung für die Kinder klar ersichtlich war, wie sie auf ihrem Instrument einen bestimmten Ton in Abhängigkeit von der Handbewegung greifen oder ziehen sollten. Durch abwechselndes Spiel und Gesang wurde der Fünftonraum gefestigt und mit etwas Übung konnten auch leichte Lieder und Melodien (z.B. „Ist ein Mann in’ Brunn gefallen“; „Hänschen klein“; „We will rock you“) „per Handzeichen“ intoniert werden.

Was mir an diesem Verfahren am meisten gefiel, war die Tatsache, dass durch den anfänglichen Verzicht auf Notenkenntnisse keine Verwirrung durch die transponierenden Instrumente entstand. So war der erste gemeinsame Ton für alle ein „So“, und ich musste am Anfang den Kindern noch nicht vermitteln, dass dieser Ton für die jeweiligen Instrumente ein B, C, F oder G war. Abbildung 7 zeigt den Zusammenhang zwischen relativer Solmisation und den dazugehörigen Tönen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7 Töne der Solmisation und tatsächlich zu spielende Noten

Nach der Beherrschung des Fünftonraums führte ich das Methodenheft „Best in Class“ (Kjos West – Siebenhüner-Verlag) ein, mit dem ich allmählich von der Somisation zur Notenschrift hinüberleitete. Dieses Unterrichtswerk zeichnete sich durch übersichtlich gestaltete Kapitel aus, in denen Schritt für Schritt die Beherrschung der Notation und die Erweiterung des Tonraums durch Übungen und kleinere Spielstücke vorangetrieben wurde.

Es gibt eine Vielzahl solcher Methodenhefte, u.a. Essential Elements (Hal Leonard), 21st Century Band Method (Belwin), Beginning Band Book (Queenwood), die im Klassenverband mit allen Blasinstrumenten einsetzbar sind. Leider sind die Werke fast ausschließlich angloamerikanischen Ursprungs, was an der Liedauswahl unschwer zu erkennen ist. Ich benutze in der beschriebenen Bläserklasse immer noch das Methodenheft und denke, man kann die Arbeit damit auf die zwei Unterrichtsjahre strecken. Ab einem bestimmten Zeitpunkt ist jedoch die Erarbeitung eines Repertoires mit gekauften Notenausgaben oder selbst arrangierten Stücken interessanter und für die Kinder immer wieder eine willkommene Herausforderung.

3.2.4.3 Einsatz geeigneter Literatur und die ersten Auftritte

Die Bandbreite der Literatur und der Verlage, die Notenmaterial für Blasorchester herausgeben, ist gewaltig. Von sehr leichten Stücken bis hin zu Werken der Ober- und Höchststufe können Orchester ihre Noten, ganz gleich für welchen Anlass, beziehen. Egal ob Transkriptionen aus der klassischen Musik, moderne Unterhaltungsmusik, volkstümliche Musik, Originalkompositionen für symphonische Blasmusik – der Dirigent eines Blasorchesters hat nahezu unbegrenzte Möglichkeiten und kann sich über die Kataloge der Verlage sowie im Internet sehr leicht informieren. Da ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Notenhändler auch für Anfängerorchester und speziell Bläserklassen einiges zu bieten haben.

In der untersuchten Bläserklasse habe ich neben einigen selbst arrangierten Liedern auch sehr frühzeitig damit begonnen, Stücke aus verschiedenen Verlagen in den Gesamt- und Gruppenunterricht mit einzubeziehen. Dazu legten die Kinder eine Notenmappe an, in der sie alle ausgegebenen Notenblätter einhefteten. Hierbei handelte es sich anfangs um sehr leichte mehrstimmige Arrangements, die mit der Zeit auf bereits erworbenem Wissen anknüpften und in neue musikalische Bereiche führten. Die ersten Stücke mit den Titeln „Power Rock“, „Tomahawk Dance“, „Popcorn Prelude“ wurden durch die Übungen des Methodenheftes relativ schnell erlernt und konnten als erste Stücke überhaupt öffentlich aufgeführt werden.

Wie bereits erwähnt, ist geeignete Literatur, sei es als Methodenheft oder als Einzelausgabe, in den überwiegenden Fällen bei amerikanischen Verlagen zu finden, die in Deutschland von beheimateten Verlagen vertreten werden. Daher können die Noten in Deutschland sehr leicht bezogen werden. Dies ist ein kleiner Wehmutstropfen, da Lieder und Spielstücke, die aus dem deutschsprachigen Kulturraum stammen, nicht leicht oder überhaupt nicht zu beziehen sind. In solchen Fällen bleibt einem der Weg zum selbst arrangierten Stück nicht erspart.

Bei meinen Fortbildungen in Neuwied lernte ich ein Repertoireheft für Bläserklassen (Hrsg. Akademie für Musikpädagogik, Wiesbaden) kennen, das diesem Trend ein wenig entgegen steuert und für die Arbeit im Klassenorchester eine interessante Alternative darstellt. In diesem Heft werden beispielhafte Arrangements angeboten, in der die Musikgeschichte aus verschiedenen Zeiten und Stilen präsentiert wird – möglicherweise ein Schritt zum ganzheitlichen und kulturerschließenden Musikunterricht.

Ein knappes halbes Jahr, nachdem die ersten Töne auf den Instrumenten hervorgebracht worden waren, bestritten die Kinder meiner Bläserklasse ihren ersten öffentlichen Auftritt. Dabei handelte es sich um einen Elternabend, auf dem einerseits die Eltern die Fortschritte ihrer Kinder zum ersten Mal sehen und natürlich hören konnten. Außerdem waren interessierte Eltern der kommenden Fünftklässler eingeladen, die sich ein Bild von der Arbeit in einer Bläserklasse machen wollten.

Ab diesem Zeitpunkt veranstalteten wir in regelmäßigen Abständen kleinere oder größere Auftritte, teils zu schulischen Veranstaltungen, aber auch in der Gemeinde Salmtal oder in den benachbarten Ortschaften. Gewissermaßen als ‚Highlights’ anzusehen war der „Musikalische Sommer 2008“ in der Turnhalle der Schule, ein Konzert anlässlich der 1000 Jahr-Feier in Salmtal, ein Konzert auf dem Weihnachtsmarkt in Bernkastel-Kues, ein Konzert vor der Aufführung „Peter und der Wolf“ in Speicher und ein „Bläserklassentag“ für die benachbarten Grundschulen.

Die erste Bläserklasse der Regionalen Schule befindet sich bereits auf der Zielgeraden ihrer musikalischen Tätigkeit, denn im Sommer endet die zweijährige Projektdauer, und die Kinder werden die Instrumente für die nächste fünfte Klasse wieder abgeben müssen.

Seit dem letzten Sommer (Schuljahr 2008/09) wird eine weitere Klasse mit einem neuen Instrumentensatz von mir unterrichtet. Die beschriebenen organisatorischen und methodischen Grundsätze habe ich weitestgehend auf diese Klasse übertragen. Kleinere Änderungen hinsichtlich der Besetzung musste ich vornehmen und auch die Stückauswahl kann und will ich nicht exakt auf die neue Klasse übertragen. Im Großen und Ganzen bin ich mit den Rahmenbedingungen und dem Lernerfolg beider Klasse sehr zufrieden und auch im nächsten Schuljahr wird wieder eine neue Bläserklasse an den Start gehen können.

4. Grundzüge qualitativer Sozialforschung

Spanien wird Fußballeuropameister 2008

Am 29. Juni 2008 fand das Endspiel der 13. Fußballeuropameisterschaft im Ernst-Happel Stadion in Wien statt. Es standen sich der dreimalige Europameister Deutschland und Spanien gegenüber, das selbst den Titel vor 44 Jahren im eigenen Land gewinnen konnte.

Deutschland hatte etwas mehr Ballbesitz (51% gegenüber 49%) und schoss 3-mal auf das Tor. Im Verlauf des Spiels wurde 5-mal Abseits gegen Deutschland gepfiffen, 4-mal standen spanische Angreifer im Abseits. Spanien hatte auch mehr Eckstöße: 7 Ecken gegenüber 4 Ecken auf deutscher Seite. Die wiederum schossen 13-m al auf das Tor der Deutschen und in der 33. Minute verwandelte Fernando Torres den entscheidenden Treffer für Spanien. Deutsche Spieler wurden 19-mal von den Spaniern gefoult, umgedreht wurde 22-mal Freistoß gepfiffen. Der spanische Mittelfeldspieler Xavi Hernández spielte 62 Pässe, von denen 87% ankamen. In der Abwehr kam der Spanier Carlos Marchena auf eine Passquote von 93%, Per Mertesacker auf deutscher Seite dagegen auf 92%. Beide Mannschaften versuchten durch insgesamt 22 Angriffe zum Torerfolg zu kommen …

Zugegeben, ganz so zahlenorientiert sind Spielberichte nun auch wieder nicht. Der Trend der letzten Jahre hält jedoch nach wie vor an, Spiele und auch Spieler selbst mit Zahlenmaterial auszustatten. Gewonnene Zweikämpfe, verlorene Zweikämpfe, Ballbesitz in Prozent, Anzahl der Ballkontakte, Fehlpässe, Torschüsse – fast alles ist fehlerfrei und exakt in großen Datenbanken abgespeichert. Wenn ein Stürmer bereits seit 563 Minuten nicht mehr getroffen hat, dann ist das nicht weniger erwähnenswert wie der Torwart, der seinen Kasten Spiel für Spiel sauber hält.

[...]


[1] Bähr Johannes: Klassenmusizieren; erschienen in:

Jank Werner (Hrsg.): Musikdidaktik. Praxisbuch für die Sekundarstufe I und II. 2. Auflage. Berlin. Cornelsen. 2007, S. 160

[2] Ebd., S.162

[3] Ebd. , S. 162

[4] Orgass, Stefan (Essen): Mindestanforderungen an das unterrichtliche Klassenmusizieren aus bedeutungs-, interaktions- und bildungstheoretischer Sicht; erschienen in: Schäfer-Lembeck, Hans-Ulrich (Hrsg.): Klassenmusizieren als Musikunterricht? (Bd. 1) Theoreti- sche Dimensionen unterrichtlicher Praxen. Beiträge des Münchner Symposions 2005. München. Allitera Verlag. 2005 , S. 51

[5] Wallbaum, Christopher (Leipzig): Klassenmusizieren als einzige musikalische Praxis im Zentrum von Musikunterricht? erschienen in: Schäfer-Lembeck, Hans- Ulrich (Hrsg.), München. 2005, S. 83

[6] Bähr, Johannes, Berlin. 2007, S. 163

[7] Wallbaum, Christopher, München. 2005, S.85

[8] Boch, Birgit und Peter u.a.: „Groß im Kommen – Instrumentalspiel im Klassenverband“, In: Musik und Bildung 3/2001, S. 28

[9] Bastian, Hans Günther: Kinder optimal fördern – mit Musik. 3. Auflage. Mainz. Schott Musik International. 2003, S. 99

[10] Berg, Hans-Walter: Blasorchester und Spielleute-Korps in der Bundesvereinigung Deutscher Blas- und Volksmusikverbände. 1. Auflage. Trossingen. Birk Druck GmbH. 1989, S. 16

[11] Boch, Birgit und Peter u.a.: Musik und Bildung 3/2001, S. 28

[12] Schwarz, Franz-Josef: Klassenmusizieren Handbuch. Akademie für Musikpädagogik. Wiesbaden. 1999, S. 13

[13] Ebd., S. 11

[14] Ebd., S. 15

[15] Ebd., S. 11

[16] Ebd., S. 23

Ende der Leseprobe aus 130 Seiten

Details

Titel
Musikunterricht in einer Bläserklasse der Orientierungsstufe (5./6. Klasse)
Untertitel
Analyse der Lernmotivation mit Hilfe von qualitativen Interviews
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2009
Seiten
130
Katalognummer
V138573
ISBN (eBook)
9783640467198
ISBN (Buch)
9783640467006
Dateigröße
2455 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden die vollständigen Transkriptionsprotokolle nicht veröffentlicht.
Schlagworte
Musikunterricht, Bläserklasse, Orientierungsstufe, Klasse), Analyse, Lernmotivation, Hilfe, Interviews
Arbeit zitieren
Johannes Faber (Autor:in), 2009, Musikunterricht in einer Bläserklasse der Orientierungsstufe (5./6. Klasse), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138573

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