Qualitative Analyse des Filmeinsatzes im Geschichtsunterricht


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Abriss der Filmgeschichte in Deutschland

3. Typologie von Filmen
3.1 Das Filmdokument
3.2 Der Dokumentarfilm
3.3 Der historische Spielfilm
3.4 Der Unterrichtsfilm
3.5 Vergleich der vier Filmarten

4. Pro und Contra des Filmeinsatzes im Geschichtsunterricht
4.1 Die didaktische Bezugsebene
4.1.1 Didaktische Gründe für den Filmeinsatz
4.1.2 Didaktische Nachteile des Filmeinsatzes
4.2 Die mediale Bezugsebene
4.2.1 Vorteile des Films als Medium
4.2.2 Nachteile des Films als Medium
4.3 Die lernpsychologische Bezugsebene
4.3.1 Lernpsychologische Vorteile des Filmeinsatzes
4.3.2 Lernpsychologische Nachteile des Filmeinsatzes

5. Resümee

1. Einleitung

Seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert findet verstärkt ein Umbruch von der so genannten Dienstleistungsgesellschaft hin zu einer Wissens- und Informationsgesellschaft statt. Es ist aber auch parallel die Herausbildung einer häufig zitierten Spaß- und Erlebnisgesellschaft zu beobachten. Die mit diesem gesellschaftlichen Wandel verbundenen Änderungen persönlicher Einstellungen, Erwartungen und Wertvorstellungen der kommenden Generation beeinflussen auch den Lernort Schule und die Anforderungen an einen zeitgemäßen und effektiven Unterricht. Vor diesem Hintergrund stellt Rohlfes fest, dass der Unterricht im Allgemeinen zunehmend weniger im Fokus des Interesses und immer weniger im Einklang jugendlicher Lebenswelten steht.1 Durch die häufige Empfindung der Schüler des Geschichtsunterrichts als zu trocken, zu sehr auf Vermittlung von Daten basierend und sich „antiquitierter“ Veranschaulichungsmaterialien bedienend, weitet sich verstärkt die Kluft zwischen schulischer Realität des (Geschichts)Unterrichts und jugendlicher Lebenswelten. In dem jetzigen multimedialen Zeitalter sind elektronische Medien – wie das Fernsehen und die DVD, das Internet und der Computer – ein kaum noch weg zu denkender Bestandteil der kommenden Generation und ihren alltäglichen Gepflogenheiten. Ein vermehrter Einsatz von Filmen im (Geschichts)Unterricht bietet durchaus die Möglichkeit, eben jene jugendliche Lebenswelt wieder verstärkt in Einklang mit dem Lernort Schule zu bringen. Durch diese punktuelle Anpassung an die privaten, außerschulischen Gewohnheiten der Schüler kann ein Plus an Lernfreude und somit aus lernpsychologischer Sicht eine Steigerung der individuellen Leistung resultieren.2

In der vorliegenden Arbeit wird einleitend ein kurzer historischer Abriss der Filmgeschichte in Deutschland mit Hauptaugenmerk auf die Entwicklung im Schulunterricht gegeben. Anschließend wird ein Überblick der vier verschiedenen Filmgattungen mittels einer Typologie vermittelt und die jeweiligen Vor- und Nachteile des Filmeinsatzes im Geschichtsunterricht typenspezifisch herausgearbeitet. In dem Hauptteil dieser Arbeit werden zunächst auf verschiedenen Bezugsebenen Aspekte und Vorteile des Filmeinsatzes im Geschichtsunterricht herausgearbeitet; anschließend werden Aspekte und Nachteile herausgearbeitet, die dem Filmeinsatz im Allgemeinen inhärent sind. Abschließend folgt in dem Schlusssteil (Resümee) eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile des Filmeinsatzes im Geschichtsunterricht, verbunden mit einer persönlichen qualitativen Bewertung.

2. Historischer Abriss der Filmgeschichte in Deutschland

Einleitend sollen einige prägnante Daten der geschichtlichen Entwicklung von Filmen in Deutschland sowie deren Einsatz im Geschichtsunterricht gegeben werden:

- Bereits im Jahre 1911 wurde die erste deutsche Fachzeitschrift für den Lehrfilm gegründet. Pädagogen und Didaktiker engagierten sich bereits vereinzelt für einen Einsatz im Unterricht. 3
- Im Jahre 1917 wurde der deutsche Filmkonzern „Universum Film AG“ (kurz Ufa) begründet. 2 Jahre später bot die Ufa schon an die 100 Lehrfilme an, die eigens für den Schulunterricht produziert worden waren.
- 1931 fand bereits die 3. internationale Lehrfilmkonferenz in Wien statt. Sie verdeutlichte, dass Filme ein durchaus für Didaktiker und Pädagogen interessante Themenrubrik und Analysegegenstand sind.
- Die Nationalsozialisten gründeten 1934 die „Reichsanstalt für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht“. Sie instrumentalisierten Lehr- und Bildungsfilme für Propagandazwecke und erkannten die Möglichkeit der Manipulation und Indoktrination mittels des Mediums Film.
- Im Jahre 1952 wurde der tägliche Sendebetrieb vonseiten der öffentlichen Rundfunkanstalten in der BRD aufgenommen. Nahezu von Anfang an widmeten sie sich auch der Vermittlung historischer Inhalte.
- Bis weit in die Nachkriegszeit hinein hielt ausschließlich der Unterrichtsfilm vereinzelt Einzug in den Geschichtsunterricht. Meyers weist jedoch darauf hin, dass sie nicht mit den Formen heutiger Unterrichtsfilme vergleichbar sind, sondern gleichzusetzen sind mit „Lehrervorträgen mit bildlichem Anschauungsmaterial“.4
- 1991 wurde die Deutsche Gesellschaft für Medien und Geschichte gegründet. Im internationalen Vergleich eine verspätete gebührende Auseinandersetzung mit dieser so wichtigen Thematik Film und Geschichte.5
- In dem letzten Jahrzehnt ist man dazu übergegangen, auch in Unterrichtsfilmen spielfilmartige Rekonstruktionen einzuführen und den historischen Spielfilm für einen Einsatz im Geschichtsunterricht nicht mehr vollständig zu ignorieren. Dennoch findet das Medium Film heutzutage nach wie vor relativ wenig Berücksichtigung bei der Unterrichtsplanung.

3. Typologie von Filmen

„Wenn sich bis heute zur Unterscheidung der verschiedenen Filmgattungen, –typen oder –arten noch keine einheitliche, allgemein akzeptierte Aufteilung und Terminologie durchgesetzt hat, liegt dies nicht zuletzt daran, dass jeder Wissenschaftlicher mit seinen Einteilungen und Definitionen andere Ziele verfolgt und sich anderer Bezugswissenschaften bedient“.6 Dieses Zitat von Meyers stellt sehr klar die Problematik einer fehlenden universalgültigen, übereinstimmenden Klassifikation von Filmen dar. Entsprechend unterschiedlichem Erkenntnisinteresse divergieren die Unterscheidungsmerkmale und die Gliederung von Filmen von Seiten der Expertise. In diesem Abschnitt der Arbeit wird in Anlehnung an die übereinstimmenden Typologien von Meyer, Schneider und auch jener von Sauer7 der Film in Filmdokument, Dokumentarfilm, historischer Spielfilm und Unterrichtsfilm klassifiziert.8 Diese einzelnen Gattungen sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden, somit einen breiter gefassten Überblick – der dem Verständnis dienlich ist – bieten und anschließend miteinander verglichen werden.

3.1. Das Filmdokument

Filmdokumente sind Aufzeichnungen eines historischen Ereignisses, die originalgetreu erhalten sind. Sie besitzen das höchste Maß an Unmittelbarkeit und den höchsten Authentizätsgrad, da sie definitionskonform nachträglich nicht mit Kommentaren, Texteinblendungen noch sonst welchen Bearbeitungstechniken versehen sind. Als Beispiele anzuführen sind hier Zufallsaufnahmen, gefilmte Reden und Interviews oder auch Wochenschauberichte.

3.2. Der Dokumentarfilm

Im Gegensatz zu dem Filmdokument ist die Gattung des Dokumentarfilms nicht originalgetreu, sondern nachträglich bearbeitet worden. Sie reproduziert historische Ereignisse unter bestimmten thematischen Aspekten und verfolgt somit immer eine gewisse Darstellungsabsicht. Die Intention lässt sich an der Kombination von objektiven Filmdokumenten und nachträglich hinzugefügten erläuternden Kommentaren, Montagen, Skizzen etc. ablesen. Aufgrund dieser nachträglichen Bearbeitung beinhaltet der Dokumentarfilm – wenn auch nicht intendiert und in verschiedenem Ausmaße – immer ein Moment an Subjektivität. Als Beispiel für den Dokumentarfilm sind historische Reportagen der Fernsehsender N24 oder History Channel anzuführen.

3.3. Der historische Spielfilm

In Abgrenzung zu den Gattungen des Filmdokuments und des Dokumentarsfilms besitzt der historische Spielfilm einen höheren Erlebniswert und einen niedrigeren Informationsgehalt. Er erreicht ferner nicht den Grad an Faktizität und Authentizität; jedoch ist der historische Spielfilm auch nicht in erster Linie auf diese Merkmale ausgerichtet. Sein didaktischer Wert liegt in einer Emotionalisierung der Zuschauer und in der Tatsache, dass er ein Zeugnis über das historisch-politische Bewusstsein der Gesellschaft seiner Entstehungszeit ablegt. Meyers fasst den Wert des historischen Spielfilms kontrastiv zusammen: „[...] sie sagen in der Tat mehr über das Geschichtsbild und die Mentalitäten ihrer Entstehungszeit als über die im Film dargestellt Zeit aus“.9

Beispiele historischer Spielfilme sind etwa „Schindlers Liste“ oder „Im Westen nichts Neues“.

3.4. Der Unterrichtsfilm

Der Authentizitätsgrad des Unterrichtsfilms ist dem von Filmdokumenten und Dokumentarfilmen gleich. Er ist unter didaktischen Gesichtspunkten aufgebaut und richtet sich speziell an einen schulischen Adressatenkreis. Da er explizit für eine schulgeschichtliche Informationsvermittlung produziert wird, berücksichtigt er in seiner Darstellungsform methodische und psychologische Grundregeln und das Alter der Rezipienten. Joachim Rohlfes verweist zu recht auf die Analogie von Unterrichtsfilm und Frontalunterricht, da der filmische Kommentar dem Lehrervortrag, die bildliche Ablauffolge der Lehrerdemonstration entspricht.10

3.5. Vergleich der vier Filmarten unter geschichtsdidaktischen Gesichtspunkten

Nach der erfolgten Vorstellung und spezifischen Charakterisierung der einzelnen vier Filmarten ist die Annahme nahe liegend, dass der Unterrichtsfilm am geeignesten und wertvollsten für einen produktiven Einsatz im Geschichtsunterricht sei. Doch ist dies wirklich so?

Pauschal lässt sich diese erste Annahme sicherlich nicht bestätigen. Erst unter Berücksichtigung des angestrebten Unterrichts- und Lernziels lässt sich eine differenzierte qualitative Bewertung hinsichtlich der Eignung vollziehen. Da der Unterrichtsfilm eigens für die Wissensvermittlung in der Schule produziert wird, lässt sich sein hoher Stellenwert kaum absprechen. Er berücksichtigt lernpsychologische und didaktische Grundregeln und eignet sich ins besondere für eine historische Wissensvermittlung. Nach Meinung von Rohlfes ist die Anzahl wirklich gelungener Unterrichtsfilme allerdings überschaubar.11

Aber auch die Typen des Filmdokuments oder des Dokumentarfilms eignen sich für einen Einsatz im Geschichtsunterricht, allerdings mit einer entsprechenden didaktischen Vorbereitung. Liegt das angestrebte Lernziel etwa in der Herausarbeitung kontradiktorischer Geschichtsschreibung, so würde es sich beispielsweise anbieten, einen Wochenschaubericht der Gattung des Filmdokuments aus Deutschland mit einem aus der ehemaligen UDSSR zu vergleichen, die den Bau der Berliner Mauer thematisierten. So könnten auf eine äußerst plakative Weise divergierende Darstellungen von Geschichte und subjektive Elemente der Berichterstattung herausgearbeitet werden. Schneider ist der Ansicht, dass zwischen dem Filmdokument und dem Dokumentarfilm kein „didaktischer Qualitätsunterschied“12 besteht. Wenn auch das Filmdokument augenscheinlich einen höheren Objektivitäts- und Faktizitätsgrad aufweist, besitzt es keine „höhere unterrichtliche Ansprüche“13

Obwohl die Handlung eines historischen Spielfilms – in Abgrenzung zu den anderen drei Filmtypen – mehr oder minder fiktiv, zumindest jedoch historisch nicht korrekt ist, kann es durchaus interessant und lehrreich sein, ihn im Geschichtsunterricht einzusetzen. Die geschichtlichen Erkenntnisse, die aus einem Spielfilm herausgefiltert werden können, beziehen sich in erster Linie nicht auf die im Film dargestellte Zeit bzw. Ereignisse, sondern auf die Zeit der Entstehung des Films. Somit können Merkmale des historisch-politischen Bewusstseins der

[...]


1 Vgl. Rohlfes, 1986, S. 379-380.

2 Dies soll jedoch nicht bedeuten, den Spaß am Unterricht mittels Filmeinsatzes zur Maxime des Unterrichtgeschehens emporzuheben. Anmerkung: Das der Einleitung zu Grunde liegende Wissen entstammt teilweise dem Soziologieseminar „Historische Wissensvermittlung in der Erlebnisorientierten Gesellschaft im WS 2004/2005 von Fr. Brendel.

3 Vgl. Kübler, 1992, S. 8.

4 Meyers, 2001, S. 253.

5 Vgl. Paschen, 1994, S. 13.

6 Meyers, 2001, S. 247.

7 Vgl. Meyer, 2001, S. 247 – 253, Schneider, 1999, S. 367 – 370, Sauer, 2011, S. 177.

8 Bodo von Borries nimmt ebenso eine ähnliche Gliederung vor; er differenziert den historischen Spielfilm jedoch von dem dokumentarischen Spielfilm. Hilke Günther-Arndt nimmt beispielsweise eine vollständig inkongruente Klassifikation in filmische Fiktion, filmische Rekonstruktion und Archiv- bzw. Lehrfilm vor.

9 Meyers, 2001, S. 252.

10 Rohlfes, 1986, S. 341.

11 Vgl. Rohlfes, 1986, S. 341.

12 Schneider, 1999, S. 369.

13 Schneider, 1999. S. 369.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Qualitative Analyse des Filmeinsatzes im Geschichtsunterricht
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltung
Didaktik und Methodik des Geschichtsunterrichts in der Sek. I/II
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
22
Katalognummer
V138963
ISBN (eBook)
9783640487318
ISBN (Buch)
9783640487448
Dateigröße
422 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichtsdidaktik, Filmananalyse, Filmarten
Arbeit zitieren
Philipp Wansel (Autor:in), 2006, Qualitative Analyse des Filmeinsatzes im Geschichtsunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138963

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