Die Position des Hieronymus in den trinitätstheologischen Debatten des 4. Jahrhunderts


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2. 1 Der biographische Hintergrund..
2. 2 Der theologiegeschichtliche Hintergrund
2. 2. 1 Die Entwicklung des Streits
2. 2. 2 Die Parteien in Antiochien
2. 3 Hieronymus’ Meinung nach Brief

3. Schluß

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Schroffe Gegensätze in der Beurteilung durch die Mitwelt sind das unvermeidliche Los aller, die als Führer ihrer Zeit neue Bahnen gewiesen haben. Erst der Abstand der Geschichte weitet das Blickfeld [...] und rückt die handelnden Personen in die rechte Beleuchtung. [...] Dem ‚heißblütigen Dalmatiner’ Hieronymus war das nicht beschieden.“[1] - Diese, hier auf den Charakter des Hieronymus zielende Aussage, läßt sich mit Recht auch auf die ihm zuteil gewordene Bewertung als Theologe[2] beziehen, und zwar bis in die Gegenwart hinein: Stefan Rebenich weist darauf hin, daß über Hieronymus „fast durchweg aus der Retrospektive geurteilt wurde [Allerdings dürfte das im Bereich historischer Forschung auch kaum anders möglich sein; M. K.], daß, mit anderen Worten, aktuelle theologisch-konfessionelle und weltanschauliche Positionen die Beurteilung des Hieronymus bestimmten.“[3]
Denn obwohl gerade zu seiner Beurteilung „die Quellen so reichlich wie bei wenigen anderen seiner Zeit“[4] fließen, ergeben sich v. a. zwei Schwierigkeiten: Zum einen ist Hieronymus bei der Formulierung seiner Schriften stets genau auf die Wirkung beim jeweiligen Rezipienten bedacht[5]. Zu den von ihm eingesetzten literarischen Mitteln gehört auch die Satire[6], was die Unterscheidung zwischen ernst gemeinten und ironisierenden Aussagen z. T. nicht leicht macht. Zum anderen „finden sich bei ihm viele Widersprüche und eine inkonsequente Haltung in grundsätzlichen Fragen.“[7]
Diese Schwierigkeiten liegen auch der Analyse von Hieronymus’ Haltung zur trinitätstheologischen Debatte des 4. Jahrhunderts zugrunde, zu der er sich in seiner Epistel 15 an Damasus von Rom geäußert hat.
Um sich seiner Position zu nähern, soll die Epistel zunächst in den biographischen Rahmen des Hieronymus sowie in den größeren Kontext der theologischen Diskussion eingeordnet werden unter besonderer Berücksichtigung der konkreten, für Hieronymus auch persönlich wichtigen Situation in Antiochien. Sodann soll versucht werden, die Aussagen des Hieronymus in Epistel 15 zu deuten - wobei es gilt, mit dem Vorhandensein der oben genannten „Stolpersteine“ zu rechnen.

Zum Schluß wird ein Antwortversuch gemacht werden müssen auf die Frage, inwieweit Hieronymus - soweit aus der Analyse der Epistel 15 erkennbar - die Bedeutung der Trinitätsdebatte tatsächlich verstanden und sich ernsthaft damit auseinander gesetzt hat.

2. Hauptteil

2. 1 Der biographische Hintergrund

Die Abfassungszeit der Epistel 15 läßt sich in die Jahre zwischen 376 und 379 datieren[8], also in die Zeit, in der sich Hieronymus als Eremit in der Wüste von Chalkis[9] aufhielt. Wenn man mit der modernen Forschung sein Geburtsjahr um 347 ansetzt[10], war er also etwa 30 Jahre alt. Seiner Zeit in der Wüste ging ein - zeitlich allerdings sehr unsicherer - Aufenthalt in Antiochien voraus[11]. In diese östliche Metropole kam Hieronymus während einer Pilgerfahrt mit dem Ziel Jerusalem und war wohl aufgrund einer Krankheit gezwungen, längere Zeit dortzubleiben. Das mönchische Leben - allerdings in den „eher ‚westlichen’, gemäßigteren Formen“[12], denen er selber sein weiteres Leben hindurch folgen sollte, auch wenn er literarisch eher die östliche Form radikalen Asketentums darstellte und pries - hatte er bereits als junger Mann nach seinem Studium in Trier kennengelernt und in einem aszetisch lebenden Freundeskreis in Aquileia vertieft.[13] Auf den Kreis in Aquileia geht auch seine Freundschaft mit dem in Epistel 15 erwähnten Presbyter Evagrius zurück.[14] Nach seinem Wüstenaufenthalt setzte er die Reise nach Jerusalem jedoch nicht fort, sondern ging nach Konstantinopel.

Wie auch immer die genaueren Umstände seines Wüstendomizils beschaffen gewesen sein mögen, als gesichert kann man wohl annehmen, daß Hieronymus einerseits nicht alleine, sondern in mehr oder weniger enger Gemeinschaft mit anderen Eremiten gelebt hat - über diese Gemeinschaft ist Hieronymus wahrscheinlich auch mit dem Streit konfrontiert worden, der Anlaß für seine Epistel 15 wurde[15] - und daß er andererseits auch seinen Kontakt mit der Außenwelt nicht abbrach, sondern in regem geistigem Austausch mit ihr stand, aus dem verschiedene literarische Werke hervorgingen[16]. Überdies nutzte er diese Zeit, um seine Sprachkenntnisse des Syrischen, Griechischen und Hebräischen - v. a. letztere begründeten ja seinen späteren Ruhm als Fachmann für den Bibeltext - aufzubauen bzw. zu erweitern.[17]

2. 2 Der theologiegeschichtliche Hintergrund

Im folgenden soll zunächst die allgemeine Entwicklung des trinitarischen Streits seit dem Konzil von Nizäa bis zur Abfassungszeit von Hieronymus’ Epistel 15 , soweit sie für das Verständnis derselben relevant ist, nachgezeichnet werden, um dann auf die spezielle Streitsituation in Antiochien einzugehen, die einerseits durch die allgemeine theologisch-begriffliche Auseinandersetzung begründet ist und deren Auswirkungen andererseits Hieronymus veranlaßten, sich zum trinitarischen Streit zu äußern.

2. 2. 1 Die Entwicklung des Streits seit dem Konzil von Nizäa

Eine erste allgemein verbindliche lehramtliche Stellungnahme zur Frage nach Einheit und Dreiheit in Gott, die „das zentrale dogmatische Problem des 4. Jahrhunderts“[18] darstellte, wurde auf dem Konzil von Nizäa im Jahre 325 getroffen.[19] Anlaß war die um 318 formulierte, explizit subordinatianistische Lehre des Arius. Dagegen formulierte das Konzil als „Kernsatz: Als Sohn ist Christus wahrer Gott aus dem Sein des Vaters, Wesenseins mit diesem (Ò:@@bF4@H /homousios).“[20] Dieser Satz - obwohl auf dem Konzil von einer großen Mehrheit gebilligt - erwies sich in der Folgezeit als problematisch, da man damit „ontologische Aussagen gemacht [hatte], deren Bedeutung ungeklärt war.“[21]

In unserem Zusammenhang ist wichtig, daß in einem als Anathema formulierten Anhang an das nizänische Glaubensbekenntnis die Begriffe „@ÛF\"“ und „ßB`FJ"F4H“ in gleicher Bedeutung verwendet werden[22] - dies konnte „für die origenistisch geprägte Majorität [...] nur bedeuten, daß der Sohn dieselbe Existenz wie der Vater habe, was die Annahme einer hypostatischen Identität nahelegte und damit auf Modalismus (Sabellianismus) hinauslief“[23] - und das ist genau der Vorwurf, dem sich Hieronymus nach eigener Aussage ausgesetzt sieht[24].

[...]


[1] Kirch, Konrad (Hrsg.), Helden des Christentums. Bd. I/3: Lehrer des Abendlandes, Paderborn 5o. J. (Imprim. 1932), 39 [Künftig zitiert: Kirch, Helden].

[2] Z. T. wurde sogar bestritten, daß Hieronymus überhaupt als Theologe zu bezeichnen sei, vgl. Fürst, Alfons, Hieronymus. Theologie als Wissenschaft, in: Geerlings, Wilhelm (Hrsg.), Theologen der christlichen Antike. Eine Einführung, Darmstadt 2002, 168-183, hier: 168 [Künftig zitiert: Fürst, Hieronymus].

[3] Rebenich, Stefan, Hieronymus und sein Kreis. Prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchungen, Stuttgart 1992 (=Historia. Einzelschriften; 72), 10. [Künftig zitiert: Rebenich, Hieronymus]. - Dies gilt gerade auch für die in unserem Zusammenhang besonders interessierende Epistel 15, denn deren „Beurteilung [...] reflektiert folglich nur allzuoft den konfessionellen Standpunkt des Betrachters“ (Ebd., 110).

[4] Kirch, Helden, 39. - So sind allein „rund 130 Briefe“ überliefert (Conring, Barbara, Hieronymus als Briefschreiber. Ein Beitrag zur spätantiken Epistolographie, Tübingen 2001 (=Studien und Texte zu Antike und Christentum; 8), 2 [Künftig zitiert: Conring, Hieronymus]).

[5] Vgl. Campenhausen, Hans von, Lateinische Kirchenväter, Stuttgart ³1972, 148f. [Künftig zitiert: Campenhausen, Kirchenväter]. - Daß er bei der Verfolgung seiner Ziele rhetorisch äußerst geschickt vorgeht - und daß diese Rhetorik bei der Lektüre seiner Schriften immer mitbedacht werden muß - wurde in dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Hauptseminar sehr deutlich herausgearbeitet.

[6] Vgl. Fürst, Alfons, Art. Hieronymus, in: Döpp, Siegmar/Geerlings, Wilhelm (Hrsg.), Lexikons der antiken christlichen Literatur, Freiburg 1998, 289.

[7] Altaner, Berthold, Patrologie. Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg 51958 [Künftig zitiert: Altaner, Patrologie], 363f., vgl. auch Campenhausen, Kirchenväter, 149.

[8] Nach Schade, Ludwig, Des heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählte Schriften. Aus dem Lateinischen übersetzt. III. Band, München 1937 (= Bibliothek der Kirchenväter, 2. Reihe, Band 18), 81[Künftig zitiert: Schade, Schriften], ist 376 das Weihedatum des im Brief erwähnten Bischofs Vitalis und 379 das Jahr, in dem die ebenfalls erwähnten ägyptischen Bekennerbischöfe, die von Kaiser Valens 373 nach Syrien verbannt worden waren, in ihre Heimat zurückkehrten. - Genauere Datierungen, wie sie z. B. Conring (376/377, vgl. Conring, Hieronymus, 202) oder Lawler (376, vgl. Lawler, Thomas Comerford, Jerome’s first letter to Damasus, in: Granfield, P./ Jungmann, J. A. (Hrsg.), Kyriakon. Festschrift Johannes Quasten, Münster 1970, Bd. 2, 548-552 [Künftig zitiert: Lawler, Letter], hier: 548) vornehmen, werden jedoch m. E. zu wenig begründet. Vgl. auch Rebenich, Hieronymus, 98, der die Vermutung, Hieronymus sei 377 wieder nach Antiochien zurückgekehrt - auf diese stützt sich z. B. Lawler -, als „völlig willkürlich“ bezeichnet.

[9] Zur genaueren Bestimmung des Ortes vgl. Rebenich, Hieronymus, 86-98, der gegen frühere Lokalisierungsversuche zu dem Schluß kommt, daß Hieronymus zu dieser Zeit in Maronia, 45 km östlich von Antiochien, auf dem „Landsitz“ seines Freundes Evagrius lebte.

[10] Vgl. hierzu mit Verweis auf genauere Untersuchungen z. B. Rebenich, Hieronymus, 21.

[11] Vgl. zur Unsicherheit der Chronologie ebenfalls Rebenich, Hieronymus, 98-100.

[12] Ebd., 97.

[13] Vgl. Campenhausen, Kirchenväter, 111f. und Altaner, Patrologie, 355.

[14] Vgl. Rebenich, Hieronymus, 48.

[15] „Jerome is faced with demands from the other monks that he conform not only to their beliefs but to their terminology, and this specifically on the question of how many hypostases there are in God.” (Lawler, Letter, 549), vgl. auch Rebenich, Hieronymus, 95.

[16] Selbst wenn Hieronymus in dieser Zeit, wie die Mehrheit der bisherigen Forschung sagt, in einer Höhle gewohnt hat (anders Rebenich, Hieronymus, 94-96), so muß diese „einigermaßen geräumig und im Sinne der Wüste ‚komfortabel’ gewesen sein; denn er konnte hier seine ganze Bibliothek aufbauen, Bücher abschreiben und gelegentlich auch Besucher empfangen. [...] Hieronymus erhielt und beförderte regelmäßig seine Post.“ (Campenhausen, Kirchenväter, 117f.).

[17] Vgl. Rebenich, Hieronymus, 93f. und Altaner, Patrologie, 355.

[18] Brox, Norbert, Kirchengeschichte des Altertums, Düsseldorf 61998,174 [Künftig zitiert: Brox, Kirchengeschichte].

[19] Bis dahin gab es also noch keine definierte Lehre, wie das Verhältnis der drei göttlichen „Personen“ zueinander zu denken sei (wobei das Augenmerk zunächst hauptsächlich auf Vater und Sohn gerichtet war), aber viele unterschiedliche Denkansätze. Eine erste - und besonders im Westen wirkungsgeschichtlich sehr bedeutsame - begriffliche Umschreibung hatte bereits um 210 Tertullian vorgenommen (vgl. Hauschild, Wolf-Dieter, Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte. Band I. Alte Kirche und Mittelalter, Gütersloh ²2000, 15 [Künftig zitiert: Hauschild, Lehrbuch]).

[20] Hauschild, Lehrbuch, 30.

[21] Ebd., 30. - Überdies ist diese Formulierung v. a. auf westkirchliche Theologen in der Tradition Tertullians zurückzuführen (vgl. z. B. Brox, Kirchengeschichte, 178f.) - entsprechende Verständnisschwierigkeiten im Osten waren also fast vorprogrammiert.

[22] Inwieweit dies zurecht geschah, oder nicht, wird weiter unten im Kontext der Äußerungen des Hieronymus noch genauer zu untersuchen sein. Die Formulierung des Anathems lautet: „Die aber [...] behaupten, der Sohn Gottes sei von anderer Substanz (ßB`FJ"F4H) oder anderem Wesen (@ÛF\") [...], die erklärt die katholische und apostolische Kirche für ausgeschlossen.“ (Baus, Karl; Ewig, Eugen, Die Reichskirche nach Konstantin dem Großen. Erster Halbband: Die Kirche von Nikaia bis Chalkedon, Freiburg i. Br. 1985 (=Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. II/1), 27) [Künftig zitiert: Baus/Ewig, Reichskirche].

[23] Hauschild, Lehrbuch, 30.

[24] Vgl. Hieronymus, Brief 15 an Damasus, Übersetzung A. Fürst, 3 (Reader S. 2f.) [Künftig zitiert: Hieronymus, Brief 15] und Schade, Schriften, 81.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Position des Hieronymus in den trinitätstheologischen Debatten des 4. Jahrhunderts
Hochschule
Universität Münster  (Katholisch-Theologische Fakultät)
Veranstaltung
Hauptseminar "Theologie als Wissenschaft - Der Kirchenvater Hieronymus"
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V14045
ISBN (eBook)
9783638195485
ISBN (Buch)
9783638781497
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit nimmt die Position des Hieronymus in seiner Epistel 15 an Damasus und deren Probleme in der wissenschaftlichen Beurteilung in den Blick. Zuvor skizziert sie die Umstände der Abfassung des Briefes und den größeren theologiegeschichtlichen Hintergrund.
Schlagworte
Position, Hieronymus, Debatten, Jahrhunderts, Hauptseminar, Theologie, Wissenschaft, Kirchenvater, Hieronymus
Arbeit zitieren
Magnus Kerkloh (Autor:in), 2003, Die Position des Hieronymus in den trinitätstheologischen Debatten des 4. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14045

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