Von der systemischen Familientherapie zur systemischen Organisationsberatung

Konzeptübernahme oder Weg zur eigenständigen Theorie?


Masterarbeit, 2009

101 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund - Herkunft des systemischen Weltbildes
2.1 Grundlagen systemischen Denkens
2.2 Theorie sozialer Systeme
2.3 Der Systembegriff
2.3.1 Autopoiesis
2.3.2 System-Umwelt-Differenz
2.3.3 Operational Geschlossenheit
2.3.4 Reflexivitat, Beobachtung erster und zweiter Ordnung
2.3.5 Kommunikation

3. Systemische (Familien)Therapie
3.1 Definition und grundlegende Merkmale
3.2 Familie als System
3.3 Probleme aus systemischer Sicht

4.. Systemische Organisationsberatung
4.1 System Organisation
4.2 Klientensystem
4.3 Beratersystem
4.4 Beratungssystem
4.5 Prozess und Beratung

5. Systemische Intervention
5.1 Instrumente der Verstorung und Anregung (Hilfe zur Selbsthilfe)
5.2 Intervention und Systemtheorie

6. Kritischer Vergleich: Systemische (Familien)Therapie und Organisationsberatung

7 Fazit

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der Wissenschaft sowie in den verschiedenen praktischen, therapeutischen und nicht- therapeutischen Beratungskontexten hat der systemische Ansatz in den vergangenen gut 25 Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Der systemische Ansatz fuhrt zu weit- reichenden Innovationen in der Theorie und Praxis therapeutischer und nicht- therapeutsicher Disziplinen.

Immer wenn es um Beziehungen und Wechselwirkungen d. h. um soziale Systeme wie z. B. Familien und Organisationen oder Gesellschaft geht, zeigt es sich, dass die zugrunde- liegenden Strukturen oder resultierende Probleme, nicht mit Strategien linear-kausalen Denkens aufgelost und erkannt werden konnen. Das Denken und Handeln des Einzelnen ist in komplexe, vielschichtige Strukturen und Sinnesdeutungen eingebunden. Aus diesen resultiert ein „Eigenleben", welches nicht ursachlich auf einen Akteur zuruckgefuhrt werden kann. Derartige Phanomene werden von der systemischen Beratung[1] auf- gegriffen.

Dieses systemische Denken steht im Fokus dieser Masterarbeit mit dem Thema und der Fragestellung „Von der systemischen Familientherapie zur systemischen Organisations- beratung - Konzeptubernahme oder Weg zur eigenstandigen Theorie?"

Sowohl die systemische Familientherapie, als auch die systemische Organisationsbe- ratung gewinnen, als ein Ansatz aus der Psychotherapie und als ein Organisationsbe- ratungsansatz, in den letzen Jahren zunehmend Aufmerksamkeit und Popularitat.

Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welches theoretische Selbstverstandnis der systemischen Familientherapie und der systemischen Organisationsberatung zugrunde liegt. Im Blick auf die Entwicklung systemischer Beratungsansatze wird schnell deutlich, dass die systemische Familientherapie eine Voreiterrolle ubernimmt, die systemische Organisationsberatung sich auf die gleichen systemischen Grundannahmen beruft und sich zum Teil dem Methodenrepertoire der systemischen Familientherapie bedient. Infolgedessen sind in der Entwicklung der systemischen Organisationsberatung viele Parallelen zur systemischen Familientherapie beobachtbar. Diese Ahnlichkeiten sollen betrachtet und beschrieben werden. Es wird gefragt inwieweit die Konzepte und Ansatze, sowie die Methodik der Familientherapie ubertragbar oder uberhaupt auf organisatorische Kontexte anwendbar und praktikabel sind. Kann in diesem Zusammen- hang von einer Therapie der Organisation gesprochen werden oder entsteht und kristallisiert sich zunehmend eine eigene Theorie und Profession der systemischen Organisationsberatung heraus?

Anders als lineare Beratungsansatze fuRen beide Ansatze auf der Grundlage der (sozio- logischen) Systemtheorie. Der Systemtheoretiker Niklas Luhmann und dessen Aus- fuhrungen der neueren Systemtheorie liefert fur systemische Beratungsansatze ein not- wendiges Theoriegerust und bietet dieser Arbeit einen spezifischen Theorie-Praxis- Zusammenhang. In Bezug auf praxisorientierte Ansatze der systemischen (Familien)Therapie und der systemischen Organisationsberatung und zudem in Ver- bindung mit der Systemtheorie, soll die zugrundeliegende Themenstellung angemessen bearbeitet und analysiert werden.

Der systemische Beratungsansatz als solcher existiert jedoch nicht. Er resultiert aus einer Vielfalt theoretischer und praktisch unterschiedlicher Konzepte und ist daher nicht wenig kritisiert. Es wird bemangelt die verschiedenen Konzepte lassen ein „unscharfes" Bild des Systembegriff entstehen oder das ineinandergreifen von Theorie und Praxis sei nur vage. Diese Arbeit soll sich jedoch primar mit der Theorie und nur in Ansatzen mit der Praxis der systemischen Konzeptionen auseinandersetzen.

Um eine Argumentationsbasis zu schaffen, wird zunachst in Kapitel 2 der theoretische Hintergrund beschrieben und die Grundlagen systemischen Denkens dargestellt. Dieses Kapitel ubernimmt den Theorieteil der Arbeit, in dessen Verlauf immer wieder auf die dort beschriebenen Begriffe, Ideen und Annahmen verwiesen wird. Die Erklarungen der einzelnen Termini sind wichtig, um zu verstehen welche Konsequenzen system- theoretische Grundlagen fur die systemische Familientherapie und Organisationsberatung haben. Die charakteristische Zirkularitat der soziologischen Systemtheorie aber zugleich auch der Anspruch komplexe bzw. zirkulare soziale Themen und Problemlagen zu er- klaren finden sich schon in der Gliederung dieser Arbeit wieder. Fur die zugrundeliegende Fragestellung werden einige bedeutende Begrifflichkeiten in Kapitel 2.3 dargestellt. Die Reihenfolge dieser Darstellung ist nicht die einzig Richtige. Aufgrund der Zirkularitat innerhalb der Begrifflichkeiten bzw. in der neueren Systemtheorie im Allgemeinen, wird immer wieder auf andere Begriffe verwiesen. Diese bedingen sich gegenseitig, sind mit- einander vernetzt und stehen zueinander in Beziehung. Damit ergibt sich ein erstes theoretisches Verstandnis dafur, wie systemtheoretisch die systemische Beratung ist oder sein kann.

An die Erlauterungen der einzelnen Begriffe schlieRen sich dann die Gedanken, wie systemtheoretische Uberlegungen und Grundlagen in die Praxis der systemischen Be- ratung implementiert werden konnen an. Im darauffolgenden Kapitel wird die systemische (Familien)Therapie dargelegt. Hier wird der Fokus weniger inhaltlich gesetzt, als dass diese Darstellung sich eher mit der Definition, sowie den systemtheoretischen Uberlegungen zum System Familie befasst.

Im Anschluss daran wird ebenso die systemische Organisationsentwicklung charakterisiert und im Detail vorgestellt. Des Weiteren werden in Kapitel 5 die Grundlagen systemischer Intervention verdeutlicht. Der kritische Vergleich der systemischen Familientherapie und der systemischen Organisationsberatung, untersucht die strukturellen Unterschiede beider beschriebenen Ansatze (Kapitel 6). Es wird analysiert, ob und auf welche Weise die systemische Organisationsberatung eigene Theoriestrange und Handlungskonzepte be- sitzt, oder diese von der systemischen Familientherapie ubernommen werden. Im Fazit werden abschlieRend die Themenschwerpunkte dieser Arbeit reflektiert.

2. Theoretischer Hintergrund - Herkunft des systemischen Weltbildes

Schon seit den 80er Jahren scheint sich eine Konjunktur des „systemischen" erkennen zu lassen und die Form der systemischen Beratung hat sich zunehmend etabliert. Komplexe Situationen lassen sich selten durch Ursache-Wirkungs-Denken bestimmen, meist wirken unterschiedliche Faktoren aufeinander. Komplexitat und Verbundenheit samtlicher ge- sellschaftlicher Teilbereiche stellen ganzheitliches und vernetztes Denken in den Vorder- grund, verdeutlichen die Aktualitat des „systemischen" und lassen lineare Erklarungsan- satze an Bedeutung verlieren. Die ersten Wurzeln systemtheoretischen Denkens liegen jedoch weitaus langer als fast drei Jahrzehnte zuruck. Um dem theoretischen Hintergrund dieses Beratungsansatzes gerecht zu werden, ist es sinnvoll zunachst die Entwicklungs- geschichte der systemischen Beratung zu betrachten, um dessen theoretische Bedeutung zu erkennen.

Die ersten systemtheoretischen Uberlegungen entwickelten sich ursprunglich aus dem Bereich der Naturwissenschaft am Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Der Biologe Ludwig von Bertalanffy befasste sich mit vielgliedrigen Zusammenhangen, welche sich durch hohe Komplexitat, Vernetzung verschiedener Teilbereiche und Veranderungsdynamiken auszeichneten. Er gilt als einer der Begrunder der allgemeinen Systemtheorie (vgl. Gairing, 2002, 124). Diese Komplexitat, Verbundenheit einzelner Teile, aber auch die Berucksichtigung und Einbettung von ebenso dynamischen und komplexen Umwelten, werden auch in der heutigen systemischen Beratung beruck- sichtigt. Die Entstehung der allgemeinen Systemtheorie in den 40er und 50er Jahren des 20 Jahrhunderts, entstand aus dem Anspruch ein allgemeines Modell fur unterschiedliche Systeme (Biologie, Physik, Medizin etc.) zu entwickeln. Die ursprungliche Ambition an eine Universaltheorie, die fur alle Disziplinen unerwartete Erklarungen zur Wirklichkeit bot, konnte jedoch nicht gewahrleistet werden. Infolgedessen uberfuhrten die ver- schiedenen Fachrichtungen den Systembegriff in den 60er und 70er Jahren und modi- fizierten ihn fur ihre spezifischen Anwendungszusammenhange (vgl. Konig/Volmer, 2008, 27).

Hieraus resultiert das unscharfe Bild des Begriffs „systemisch". Eine einheitliche System­theorie kann es mit Fokus auf die Vielfaltigkeit der speziellen systemtheoretischen Uber­legungen, der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen nicht als solche geben, da z. B. technische, biologische, soziale Systeme oder Personensysteme groRe Unterschiede auf- weisen (vgl. Hafele, 1996, 72). Weitere wichtige Theorien und Einflusse stammen unter anderem von Humberto Maturana und Francisco Varela (Autopoiesis), Heinz von Foester (radikaler Konstruktivismus) Talclott Parsons (Struktur- und Systemfunktionalismus) und von Niklas Luhmann (soziologische Systemtheorie). Somit lasst sich schon in der Ent- stehungsgeschichte des systemischen Ansatzes kein klar definiertes Theoriemodell er- kennen, eher zeichnet sich eine Grundrichtung ab, die sich aus unterschiedlichen Konzepten aus Kybernetik, Biologie, Erkenntnistheorie etc. entwickelte (vgl. Konig/Volmer, 2008, 27).

Abbildung 1 verdeutlicht die Vernetzung derTheorien:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung der Systemtheorie (Konigsweiser/Hillebrand 2008, 25)

Luhmann transferierte diese ersten allgemeinen systemtheoretischen Uberlegungen in die soziologische „Theorie sozialer Systeme". Ebenso greift auch Helmut Willke system- theoretische Ansatze im soziologisch-sozialwissenschaftlichen Kontext auf und entwickelt sie in Bezug auf die Interventions- und Steuerungstheorie weiter (vgl. Ott 2002, 8 & Konig/Volmer 2008, 26ff).

„Im weitesten Sinne systemischer Theorien ist es immer wieder die Luhmann'sche Systemtheorie, auf die man sich beruft" (von Ameln 2004, 224).

Luhmann sieht in seiner Tradition der soziologischen Systemtheorie, oder auch neuere Systemtheorie genannt, die Kommunikation als das kleinste Element eines Systems. Die Person als solche wird dort ausgeblendet.

Im Gegensatz zu diesem Theoriestrang entwickelte G. Bateson in den fruhen 50er, bis hin in die spaten 70er Jahre, die personale Systemtheorie. Diese sieht durchaus auch die handelnde Person und vertritt damit eine teils kontrare Position zur soziologischen

Systemtheorie (vgl. Konig/Volmer 2008, 44 & Konig/Volmer 2005, 21).[2] Beide Ansatze sehen dennoch die zentrale Bedeutung der Kommunikation fur soziale Prozesse (siehe Kapitel 2.3.4).

Vor diesem theoretischen-entwicklungsgeschichtlichen Hintergrund der system- theoretischen Uberlegungen, sollen folgend die Grundlagen des systemischen Denkens dargelegt und betrachtet werden. Zudem wird gezeigt wie dieses durchaus anspruchs- volle und abstrakte Theoriegerust auch in die Praxis implementiert werden kann, bzw. wie die soziologische Systemtheorie auf die systemische Beratung als theoretische Grund- lage ubertragbar ist.

2.1 Grundlagen systemischen Denkens

Das was als Systemtheorie bezeichnet wird geht, wie bereits angedeutet, auf ver- schiedene Denkweisen und Wissenschaftsdisziplinen zuruck und wird divergent akzentuiert. Die unterschiedlichen Bereiche der Forschung und Praxis haben mit Ihren Erkenntnissen und Entwicklungen das systemische Denken beeinflusst.

Dieses Kapitel formuliert schlagwortartig die Grundlagen systemischen Denkens aus der Perspektive der soziologischen Systemtheorie. Hierbei soll es nicht darum gehen diese in ihrem Inhalt umfassend darzustellen, da an spaterer Stelle detaillierter beschrieben wird, was unter den einzelnen Begrifflichkeiten zu verstehen ist und welche Bedeutung diese fur die systemische Beratung und die Ausgangsfrage dieser Arbeit haben.

Was genau mit „systemisch" gemeint ist, findet in der Literatur keine eindeutige Definition. Allgemeiner bezieht sich „systemisch" auf die Komplexitat von ineinander- greifenden und ruckbezuglichen Prozessen (vgl. Wimmer 2009, 10). Damit kann gesagt werden, dass sich systemische Konzepte vom monokausalen Denken distanzieren, komplexe Vernetzungen und Abhangigkeiten erkennen, sowie Probleme aus system- theoretischer Sicht erfasst werden (Ott 2002,14).

„Wirklichkeit oder Realitat systemisch zu beschreiben, bedeutet, Kreislaufe von Wirkungen aufzu- zeigen. Dabei wird die gegenseitige Bedingtheit aller einzeln beschreibbaren Elemente deutlich ge-

macht und von der Konstruktion einfacher Ursache-Wirkungszusammenhange Abstand genommen" (Barthelmess 2005,13).

Konigswieser und Hillebrand beschreiben die systemische Sichtweise, als einen Erklarungs- versuch bezuglich dessen, wie Handlungen und ihre Wirkungen zusammenhangen (vgl. 2008, 20). In diesem Zusammenhang spricht auch Wimmer davon, dass der Begriff systemisches Denken eine ganz bestimmte Art und Weise beschreibt, auf die Welt zu schauen (vgl. 1992, 63).

Lange Zeit haben Kausalbeschreibungen bei der Problembewaltigung geholfen. Ange- sichts zunehmender Verschachtelungen und Verkettungen von Beziehungen mussten derartige Erklarungskonzepte jedoch an Effektivitat einbuRen. Einfache Ursache- Wirkungs-Erklarungen funktionieren nicht mehr. Systemisch ist in erster Line eine Denk- richtung, die sich von der linearen Weltansicht abgrenzt und mit Komplexitat angemessen umgehen will.

„Daher wird auch hier unter systemisch Denken das In-Vernetzung-Denken und nicht In-Substanz- Denken verstanden, das entwicklungsgeschichtlich die Theoriewurzeln im radikalen Konstruktivismus und der luhmannschen Systemtheorie hat" (Thomascheck 2007, 5).

Heinz von Foerster, Mitbegrunder der Kybernetik und Vertreter des radikalen Konstruktivismus, beschreibt kausale Wirkungszusammenhange metaphorisch anhand eines Trivialmaschinenmodells.

Das traditionelle rationale Denken, operiert mit der Vorstellung, dass die Welt wie eine triviale Maschine funktioniert und eine Veranderung der Variable A zu einem bestimmten Ergebnis B fuhrt. Trivialmaschinen sind dadurch gekennzeichnet, dass aufgrund ge- gebener Input-Zustande unausweichlich bestimmte Output-Zustande produziert werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Trivialmaschinenmodell nach v. Foerster (vgl. Barthelmess 2005,15)

In Zusammenhang mit systemtheoretischen Uberlegungen wird sich von einem der- artigen Trivialmaschinenmodell entfernt bzw. dieses ausgebaut, indem Wirkungskreis- laufe, Dynamiken und Komplexitaten in die Beschreibungsweisen einbezogen werden (vgl. Barthelmess 2005,15).

„Das systemische Paradigma bzw. Denkmodell verlasst das mechanische Maschinenmodell, den Objektivitatsglauben und nutzt das Mehrbrillenprinzip" (Konigswieser/Hillebrand 2008,28).

Einzelne Probleme und deren verursachende Aspekte sind independent, sie konnen nicht linear dargestellt werden. Systemtheoretische Uberlegungen versuchen diese Teilaspekte adaquat zu fassen und in ihrer Komplexitat sowie deren Wechselwirkungen darzustellen.

„[Sie] gehen davon aus, daR Systeme allenfalls steuerbar aber nicht planbar sind" (Ott 2002,18).

Foerster setzt dem kausalen Denkschema das Modell der Nicht-triviale-Maschine ent- gegen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Modell der Nicht-triviale-Maschine (vgl. Groth 1999, 35)

Die schematische Darstellung der Nicht-triviale-Maschine zeigt, dass jeder Input X Folgen haben kann und der Output nicht absehbar ist, da sich durch jede Operation die Maschine andert und das Ergebnis nicht berechenbar ist (vgl. ebd.).

Die grundsatzliche Skepsis gegenuber der linearen Steuerbarkeit von sozialen und psychischen Systemen ist von wesentlicher Bedeutung und lieR die Position der „An- regung zur Selbststeuerung" entstehen (vgl. Zinn, 1997, 288). Hierfur entwickelten die spezifischen Praxisfelder systemischer Beratung, wie die Familientherapie oder die Organisationsberatung spezielle Strategien, die Selbstorganisationsprozesse sozialer oder psychischer Systeme zu beeinflussen (s. Kapitel 5).

Die nachfolgende Gegenuberstellung verdeutlicht die wesentlichen Unterschiede zwischen den Paradigmen des linearen/mechanischen und des systemischen Weltbildes.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: lineares/mechanisches Weltbild und systemisches Weltbild (vgl., Ott 2002, 19 & Konigswiser/Hillebrand 2008,28)

Dieser Vergleich zeigt, dass der systemische Ansatz eher eine Denkrichtung, als eine konkrete Arbeitsgrundlage bzw. Handlungsanweisung ist - eben eine Art und Weise auf die Welt zu schauen. Das systemische Denken betrachtet die Welt mit einer viel- perspektivischen Sichtweise und lost somit das Weltbild eines Maschinenmodells ab (vgl. Ott 2002,19).

„lm Zentrum systemtheoretischer Absatze steht folglich nicht die Natur der beobachteten Phanomene, sondern die Beziehung zwischen diesen Phanomen" (Bose/ Schiepek 2000, 219).

Der Blick auf die Realitat wird umgelenkt und erweitert. Triviale Erklarungsmodelle reichen nicht aus, um komplexe Problemstrukturen zu erkennen und bleiben angesichts der Problemkomplexitat bei deren Losung erfolglos.

Anhand der Differenz dieser beiden Weltbilder wird der Paradigmenwechsel deutlich, der sich inhaltlich vollzieht.

„Das war eine vollig eigene Denkart, die nicht mehr den einzelnen Menschen in den Blickwinkel nahm, sondern uber Interaktion zwischen den Menschen reflektierte" (ebd.)

Damit ist die systemische Denkweise weniger individuumzentriert sondern system- orientiert. Auch in der systemischen Beratung finden sich die Aussagen wieder, indem weniger der Einzelne als das gesamte System in den Fokus ruckt. Themenkomplexe wie Kommunikation, Kontextualitat oder Eigenkomplexitat bzw. Eigendynamik verdeutlichen die Notwendigkeit einer Theorie, die sich von trivialen Beschreibungen und dem mechanischen Weltbild distanzieren. Gesellschaftliche Entwicklungsdynamiken verandern das mechanische Weltbild. Demnach ist das Ziel der systemischen Betrachtung, kontext- bezogen zu denken, um sich neue zirkulare - nicht kausale - Beschreibungsweisen zu er- schlieRen, welche fur das systemorientierte Denken notwendig und unverzichtbar sind.

„Systemisches Denken zeichnet sich dadurch aus, daR die Eigenarten eines jeden Untersuchungs- gegenstandes in Ihrer Komplexitat ernst genommen werden" (Groth 1999, 28).

Es kann jedoch nicht ohne theoretischen Hintergrund bestehen oder verstanden werden. Daher bedient sich das systemische Paradigma der neueren Systemtheorie. Folglich stehen Systemtheorie und systemische Beratungskonzepte in Verbindung zueinander und die Frage, inwieweit systemische Beratung auch zugleich systemtheoretisch ist, greift auf die Ideen von Luhmann zuruck. Sie bietet ein Set an abstrakten Denkinstrumenten, welche fur das beraterische Feld einen theoretischen Hintergrund darlegt und als Orientierungs- hilfe gesehen werden kann. Des Weiteren ermoglicht sie ein verandertes Verstandnis der Eigenlogik sozialer Systeme (vgl., ebd.). Aus der Theorie heraus konnen praxisrelevante Ableitungen fur professionelles Handeln bzw. eine professionelle Tatigkeit gezogen werden, ebenso konnen umgekehrt Praktiker theoretische Bezuge und Kenntnisse her- stellen.

„Wesentliche Impulse gehen von der luhmannschen Systemtheorie aus, die einerseits aufgrund ihres hohen Abstraktionsniveau fur Ubersetzungsprobleme sorgt, andererseits jedoch einen theoretischen Zugang bietet, der anderen Konzepten fehlt (Hilse 2001, 331).

Hierzu schreibt Barthelmess „Systemtheorie ist also, wie ihr 'Gegenstand', den sie be- schreiben will komplex" (Bathelmess 2005,18).

„Auf hochstem Abstraktionsniveau hat Luhmann eine Theorie entwickelt die universelle Geltung be- ansprucht. [...] Der Universalitat ist aber auch geschuldet, daR die Theorie in sich selbst vorkommen muR. Das heiRt, die Theorie muss in der Lage sein ihr eigenes Auftreten zu berucksichtigen"(ebd. 58).

Die Soziologie hat nach Luhmann die Aufgabe zu vermitteln, wie komplex die moderne Gesellschaft ist. Luhmanns Theoriegebaude hat zudem das Ziel detailliert zu beschreiben, wie sich Systeme bilden, ausdifferenzieren und funktionieren. Er beschreibt die moderne Gesellschaft, mit ihrem hoch entwickelten Zustand, als Primat der funktionalen Differenzierung. Moderne Gesellschaften sind komplex, hoch industrialisiert und ver- wissenschaftlicht. Ihre Funktionsweisen und Strukturen sind auf mehreren Ebenen mit- einander verbunden. Die Herausbildung von Systemen, die ihrerseits einen funktionalen Sinn haben, ist in der neueren Systemtheorie die Konsequenz der gesellschaftlichen Differenzierungsprozesse (vgl., Treibl 2004, 28 & Wimmer 1991, 115). Funktionale Differenzierung meint damit, dass sich die verschiedenen Subsysteme der Gesellschaft immer weiter ausdifferenzieren und somit eine steigende Komplexitat vorhanden ist. Die luhmannsche Systemtheorie beansprucht die soziale Welt, mithilfe der system- theoretischen Begrifflichkeiten beobachten zu konnen. Diese Ambition, die beschriebene Komplexitat in einer Theorie zu fassen, stoRt auf einen hohen Abstraktheitsgrad, das ein Nachvollziehen der Deskription erschwert. Haufig finden sich Tautologien in seinen Dar- stellungen, in denen sich die Begriffe zirkular voraussetzen (vgl. von Ameln 2004, 99).

„Das Verstandnis von A setzt das Verstandnis von B, das Verstandnis von B das Verstandnis von C wieder das Verstandnis von A voraus. Letztlich ist seine Theorie nur im Ganzen zu verstehen"(ebd.).

Das Erkennen von systeminternen Prozessen steht im Vordergrund seiner innovativen Theorieentwicklung. Diese wird stets in ihrer jeweiligen Independenz im jeweiligen Kontext befragt.

Systemisches Denken kann als ein Analyseinstrument unter vielen moglichen gesehen werden, dass Komplexitat fokussiert, strukturiert und selegiert (vgl. Zinn 1997, 290). Trotzdem liefert die Systemtheorie nur eine basale Problemsicht keine eindeutige Methodik.

Da Luhmanns Impulse groRe Bedeutung fur die Ansatze systemischer Beratung und Therapie haben, soil nachfolgend ein Basisverstandnis der Theorie sozialer Systeme bzw. der Grundannahmen und Grundbegriffe gegeben werden, um die daraus entstehenden Implikationen fur systemische Beratungskontexte besser greifbar zu machen.

2.2 Theorie sozialer Systeme

1984 erschien Luhmanns Buch „soziale Systeme", welches das Fundament der Theorie sozialer Systeme bildet und als Basis fur systemische Beratung dargestellt werden kann. Die Idee die Gesellschaft mittels Systemtheorie zu beschreiben war jedoch kein vollig neuer Gedanke. Als Schuler des Strukturfunktionalisten Talcott Parsons ist Luhmann zu Beginn seiner Theorieentwicklung von der parsonsschen Theorie gepragt. Mit der Theorie sozialer Systeme beginnt die zweite oder auch neue Phase der Systemtheorie. Diese be- deutet einen entscheidenden Einschnitt in die soziologische Systemtheorie. Hier wider- legt Luhmann einige Teile seiner bisherigen Werke, indem er seine eigenen theoretischen Ansatze zur Theorie sozialer Systeme in den 80er Jahren weiterentwickelt und sie in scharfer Abgrenzung zur strukturfunktionalistischen Theorie von Parsons stellt (vgl. Kneer/Nassehi 1993, 33ff).

Ursprunglich war das Buch „Soziale Systeme" nur als „Einleitungskapitel" konzipiert. Heute gilt Luhmanns Theorie sozialer Systeme als durchaus umfangreiches Hauptwerk und wird als Meilenstein der „autopoietischen Wende" gesehen (nahere Ausfuhrungen in Kapitel 2.3.1) (vgl., von Ameln 2004, 98). Auch wenn es auf den ersten Blick labyrinthisch wirkt, haben viele Begriffe dieser Theorie eine immense Bedeutung fur die Theorie und Praxis systemischer Beratung. Bei naherer Betrachtung der Theorie sozialer Systeme kann dann erkannt werden, dass das zunachst unscharfe und vernetze Theoriegerust genau diese Verzahnung, Differenziertheit und Komplexitat beabsichtigt. Luhmanns Argumentationsduktus ist nicht linear, sondern dem „systemischen" entsprechend zirkular und dadurch bewusst ineinander verschachtelt. Die Theorie sozialer Systeme ist keine kausalistische Theorie, eine radikale Unterscheidung wurde die im Theorieansatz steckende Komplexitat vernachlassigen (vgl. Wevelsiep, 2000, 12). Mithilfe der Theorie der sozialen Systeme versucht Luhmann die Komplexitat zu erklaren, gleichzeitig zu verringern und nachvollziehbarer zu gestalten. Jeder soziale Kontakt wird als System bis hin zur Gesamtheit der Gesellschaft unter Berucksichtigung aller moglichen Kontakte gefasst (vgl., ebd.). Fur ihn reprasentieren soziale Systeme einen Teil der „Weltkomplexitat", reduzieren diese aber auf der anderen Seite. Damit ist gemeint, dass Reduktion zunachst immer etwas ausschlieRt - man kann nicht alles sehen, d. h., ein System zeigt stets nur einen Bereich der gesamten Komplexitat. Kneer und Nassehi beschreiben die Reduktion der Komplexitat mit dem Abbau der moglichen Zustande.

„Soziale Systeme mussen in einem weiteren Sinne eine gewisse Eigenkomplexitat aufweisen. Die Fahigkeit des Systems, die Komplexitat der Welt zu erfassen und zu verarbeiten, wird in erster Linie von der Anzahl der moglichen eigenen Zustande bestimmt. Zwischen Eigenkomplexitat und Welt- komplexitat besteht also ein interner Zusammenhang. Jedes Sozialsystem kann nur einen Ausschnitt der Welt erfahren. [...] Die Eigenkomplexitat des Systems ermoglicht - und begrenzt - somit dessen Fahigkeit, die Komplexitat der Welt zu erfassen und zu reduzieren" (Kneer/Nassehi 1993, 41f).

In der Theorie der sozialen Systeme wollte Luhmann im Detail erklaren wie sich Systeme, im Zusammenhang mit der Veranderung der Moderne und dem daraus resultierenden standigen Veranderungsdruck und Dynamiken entstehen, verandern und aus- differenzieren (vgl. von Ameln 2004,98).

„Mit der Entwicklung seiner Systemtheorie verbindet Luhmann den Anspruch eine Universaltheorie zu entwickeln, mit der es gelingt, den gesamten Gegenstandsbereich der Soziologie sozialer Systeme greifbar zu machen" (Ott 2002, 22).

In Anlehnung an die allgemeine Systemtheorie erschafft er damit eine generalistische und enorm leistungsfahige Theorie, die in vielen Bereichen anschlussfahig ist und neue Perspektiven fur die Beschreibung der Eigenkomplexitat von Systemen und Gesell- schaften liefert.

„Luhmann erhebt [...] fur seine theoretische Konzeption einen Universalitatsanspruch, keineswegs aber einen Absolutheitsanspruch (Kneer/Nassehi 1993, 33).

Ferner versucht die Theorie sozialer Systeme die soziale Wirklichkeit der heutigen Gesell- schaft als eine Differenz und Interdependenz von Typen unterschiedlicher sozialer Systeme zu beobachten (vgl. Hohm 2006,10).

Luhmanns Theorie mit ihrem komplexen Denk- und Begriffssystem zum Verstandnis sozialer Systeme, hat eine schwer zugangliche Breitenwirkung. Sie operiert mit einer komplizierten Terminologie, die zunachst relativ fremd ist. Neuberger verweist darauf, dass „die (luhmannsche) Theorie sozialer Systeme eine Theorie der Diagnose und des Verstandnisses des Sozialen, keine Technologie zu seiner Anderung ist" (Thomaschek 2007, 31). Die Systemtheorie kann daher weniger als Handlungsanweisung verstanden werden. Es geht eher um ein „Instrumentarium" - die „Systemsprache" mit der gearbeitet wird. Mithilfe dieser „Sprache" kann die Theorie sozialer Systeme verhelfen die Eigenlogik von Systemen zu verstehen.

Luhmanns Theorie, aber auch die Weiterentwicklungen seiner Schuler und Anhanger, dienen zum einen als Modelle der Beschreibung sozialer, aktueller und gesellschaftlicher Wirklichkeiten und zum anderen ermoglichen sie es Werte fur die beraterische Hand- lungsform abzuleiten.

Im Zusammenhang dieser Arbeit ist es nicht wichtig - auch gar nicht moglich - Luhmanns Gesamtwerk sozialer Systeme wiederzugeben. Fur die Implikation der Theorie der sozialen Systeme in die systemische Familientherapie oder systemische Organisationsbe- ratung ist es bedeutsam einzelne Begriffe aus dieser Theorie darzustellen. Diese sind im Einzelnen:

- Autopoiesis
- System-Umwelt-Differenz
- Operative Geschlossenheit
- Reflexivitat, Beobachtung erster und zweiter Ordnung
- Kommunikation

Nach der Beschreibung des Systembegriffs werden diese im Einzelnen thematisch dar- gestellt.

2.3 Der Systembegriff

Die altgriechische Bedeutung des Begriffs „systema" beschreibt das System, als etwas zusammengesetztes und auf bestimmte Weise gegliedertes Ganzes.

Der Systembegriff wird in den verschiedenen systemtheoretischen Ansatzen unterschied- lich genutzt. Dennoch sind allen die grundlegenden Eigenschaften gleich, dass Systeme zum einen aus Elementen bestehen, die als abgeschlossene Einheiten gesehen werden konnen und zum anderen in Wechselwirkung stehen. Es handelt sich bei einem System also um eine Menge von untereinander abhangigen Elementen und Beziehungen zwischen Objekten und deren Merkmalen. Auf diese Weise entsteht ein inneres Ordnungsgefuge im jeweiligen System.

In den Sozialwissenschaften ist der Begriff „Systemtheorie" auf die Theorieentwicklung von Luhmann zuruckzufuhren. Daher ist in diesem Kontext davon auszugehen, dass mit der Verwendung des Begriffs die Theorieangebote von Luhmann in Betracht gezogen werden.

Luhmann definiert Systeme wie folgt:

„Von System im Allgemeinen kann man sprechen, wenn man Merkmale vor Augen hat, deren Entfallen den Charakter eines Gegenstandes als System in Frage stellen wurde. Zuweilen wird auch die Einheit der Gesamtheit solcher Merkmale als System bezeichnet" (1984, 15).

Eine bekannte und weitaus anschaulichere Definition von Hall und Fagen (1986) be­zeichnet ein System als:

- Ein Ganzes (z. B. eine Familie)
- das aus einer Menge von Elementen (den Familienmitgliedern)
- und den Relationen zwischen diesen Elementen (den Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern) besteht, die die spezifische Systemstruktur ausmacht (vgl. von Ameln 2004, 21 & Schlippe/Schweitzer 1997, 54).

Anhand dieser Definition konnen die verschiedenen Phanomene systemtheoretisch be- trachtet werden (vgl. ebd.). Systeme sind in ubergeordnete Systeme eingegliedert, wie beispielsweise eine Organisation in einen Konzern oder eine Stadt in einen Kreis. Ebenso gibt es innerhalb eines Systems, Subsysteme die sich ausbilden, wie z. B. das Subsystem der Geschwister oder das Subsystem Eltern im System Familie.

Im Zentrum der neueren Systemtheorie stehen soziale Systeme, psychische Systeme werden eher in Randbereiche der theoretischen Bearbeitung gedrangt (vgl. Luhmann 1984, 15ff). Hierfur gelten alle Erlauterungen und Begriffe dieser Systemtheorie, die in den folgenden Kapiteln detaillierter beschrieben werden.

Ausgangslage des soziologischen Systembegriffs ist die Tatsache, dass Systeme real sind. Diese Uberlegungen stehen im Gegensatz zu mentalen Systemvorstellungen in denen Systeme lediglich gedankliche Konstrukte sind, die nicht in der Wirklichkeit vorkommen.

„Die folgenden Uberlegungen gehen davon aus, daft es Systeme gibt, [...] der Systembegriff wird be­zeichnet als etwas, was wirklich ein System ist, und lasst sich damit auf eine Verantwortung fur Be- wahrung seiner Aussage an der Wirklichkeit ein" (Luhmann 1984, 30).

Fur Luhmann entstehen Systeme nicht einfach dadurch, dass es Relationen zwischen ver­schiedenen Elementen gibt. Vielmehr entstehen sie durch die Stabilisierung einer Differenz von Innen und Auften" (2005, 34). Er betrachtet soziale Systeme im dazu- gehorigen Kontext, fur ihn zerfallt die moderne Gesellschaft in unzahlige soziale Systeme. Dies ist eine Gesellschaftstheorie die den Anspruch erhebt die soziale Wirklichkeit zu er- fassen. Die Spezifitat sozialer Systeme ist deren Komplexitat - soziale Systeme sind komplexe Systeme.

„Als komplex wollen wir eine zusammenhangende Menge von Elementen bezeichnen, wenn auf Grund immanenter Beschrankungen der Verknupfungskapazitat der Elemente nicht mehr jedes Element jederzeit mit jedem anderen verknupft sein kann" (Luhmann 1984, 46).

Somit liegt Komplexitat vor, wenn zwischen den Einzelteilen bzw. Elementen keine linearen Beziehungen, sondern Wechselwirkungen zwischen ihnen deutlich sind. Wie bereits im vorherigen Kapitel gezeigt, werden in der soziologischen Systemtheorie ein- fache „Wenn-dann-Denkweisen" aufgegeben. Auch der luhmannsche Systembegriff nimmt die komplexe Wechselwirkung zwischen den Variablen und Elementen sozialer Systeme auf. Er verdeutlicht die unuberschaubare Anzahl von Komponenten, die mit- einander in Wechselbeziehung stehen und versucht diese zu integrieren. Hier sind nicht zwingend alle Elemente miteinander verbunden, sondern es bilden und stabilisieren sich weitere Verknupfungen (vgl. Scherf 2002, 22).

„Dies bedeutet zunachst, dass der Systembegriff der neueren Systemtheorie nicht mehr nur ein Netz von Beziehungen bezeichnet, welches Teile zu einem Ganzen zusammenordnet; vielmehr wird unter System ein Netz zusammengehoriger Operationen verstanden, die sich von nicht-dazugehorigen Operationen abgrenzen lassen" (Willke 1996, 52).

Damit liegt eine derartige Komplexitat dann vor, wenn es mehr Moglichkeiten gibt, die Elemente untereinander zu relationieren, als Gelegenheiten diese zu verwirklichen. Aktuelle Relationen bzw. Verbindungen der Elemente sind Ergebnisse von Selektion. Folglich wird Komplexitat dadurch ausgemacht, dass sie zum einen eine Organisations- leistung im Sinne einer Strukturbildung hat (geordnete Komplexitat), zum anderen gilt Komplexitat auch als MaR fur „Unbestimmtheit" (ungeordnete Komplexitat). Luhmanns Bestimmungen zur geordneten Komplexitat finden sich in den Beschreibungen zum System-Umwelt-Verhaltnis. Im Vergleich zur Umwelt sind Systeme weniger komplex, dennoch kann durch Erhohung der Systemkomplexitat, Umweltkomplexitat reduziert werden, wenn z. B. einzelne Teile der Umwelt fur das System relevant werden (s. Kapitel 2.3.2) (vgl. Bose/Schiepek 2000, 80 & Treibl 2004, 35).

„Systeme mussen einen Weg finden sich gegenuber der stets groReren Umweltkomplexitat zu be- haupten" (ebd.).

Sie mussen Informationen mithilfe ihrer Grenzen filtern, die dann auch tatsachlich als Informationen im System erlebt und genutzt werden. Somit heiRt Komplexitat Selektions- zwang und das Differenzieren zwischen den einzelnen Systemen. Ein Ehepaar gehort bei- spielsweise zum System Familie, grenzt sich aber klar z. B. von dem Schulsystem ab um sich zu konstituieren und zu erhalten.

Beispielsweise entsteht das System Familie dadurch, dass es auch eine Nicht-Familie gibt. Eine Familie mit Eltern, Kindern, GroReltern und anderen Familienmitgliedern, lasst sich damit von anderen Systemen, wie z. B. der Freundeskreis der Kinder oder Bekannte der Eltern abgrenzen. Das „AuRen" von Systemen ist dann immer Umwelt, die Luhmann als Nichtsystem versteht (vgl. ebd.). Damit erfordert die Bildung, in diesem Beispiel des Systems Familie, immer auch Grenzziehungen, zur nicht-familiaren Umwelt und anderen Systemen. In sozialen Systemen entstehen die Grenzen durch die Elemente, welche ent- scheiden was zum System gehort, was nicht dazugehort und was das System ausmacht. Die ungeordnete Komplexitat beschriebt Luhmann „dann [als] ein MaR fur Unbestimm- barkeit oder Mangel an Information, die dem System fehlt seine Umwelt (Umwelt- komplexitat) bzw. sich selbst (Systemkomplexitat) vollstandig erfassen und beschreiben zu konnen" (Luhmann 1984, 50f). Demzufolge wird auch die unfassbare (ungeordnete) Komplexitat aufgegriffen, die durch Verknupfung eines jeden Elements entsteht.

„Systeme mussen also sowohl die Umweltkomplexitat als auch die eigene Komplexitat auf ein hand- habbares MaR reduzieren, um bestehen zu konnen. [...] Jedoch darf (und kann) Komplexitat nicht be- liebig reduziert werden: Das System muss, um auf Ereignisse und insbesondere Veranderungen in der Umweltreagieren zu konnen, uber eine angemessene Eigenkomplexitat verfugen. Insofern sind nicht nur Prozesse der Komplexitatsreduktion, sondern auch solche der Anreicherung mit Komplexitat er- forderlich" (von Ameln 2004, 24).

Neben dem Typus „Soziales System", werden Biologische Systeme z. B. auf Organismen, Zellen und Immunsysteme und Psychische Systeme bezogen auf das menschliche Bewusstsein und Gefuhle unterschieden (siehe Abbildung 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Systemtypen (vgl. Berghaus 2003, 32)

In der Auflistung der verschieden Systemtypen ist der Mensch nicht enthalten. Berghaus merkt an „Menschen sind keine Systeme. Auch mehrere Menschen bilden kein System" (ebd.). Der Mensch hat Anteile an den beschriebenen Systemtypen, sein Korper ist ein biologisches, sein Bewusstsein ein psychisches System (vgl. ebd.).[3]

Dennoch gibt es keinen Typus, der alles in einem vereint. Das Ausklammern der Menschen in der soziologischen Systemtheorie trifft in vielerlei Hinsicht auf Skepsis. Die Existenz des Menschen wird von Luhmann nicht ignoriert ist aber auch kein Analyse- instrument in seiner Theorie. Jedoch soil die theoretische Herausverlagerung des Menschen aus den Systemen dessen Bedeutung nicht schmalern (vgl. Barthelmess, 2005, 20).

„Dieses analytische Vorgehen darf keineswegs verwechselt werden mit inhaltlichen Uberzeugungen. Luhmann ist weder menschenfeindlich und inhuman, noch halt er den Menschen fur wissenschaftlich unwichtig" (Berghaus 2003, 32).

Damit hebt sich Luhmanns Systembegriff von der tradierten Auffassung ab, dass ein soziales System aus Personen besteht. Individuen zahlen im luhmannschen Verstandnis zur Umwelt sozialer Systeme. Systemtheoretisch formuliert ist der Mensch eine Voraus- setzung fur die Existenz sozialer Systeme, die ohne die organischen, neuronalen und psychischen Umweltvoraussetzungen nicht existieren konnten, aber fur die System- theorie kein wesentlicher Gegenstandsbereich (vgl. Zinn 1997, 219). Akteure rucken in den Hintergrund, das wesentliche Element sozialer Systeme ist die Kommunikation und diese lediglich auf den Menschen angewiesen - entscheidend ist, dass uberall kommuniziert wird (siehe Kapitel 2.3.5).

In Luhmanns Systembegriff ist ein Element etwas, das fur ein System als nicht weiter auf- losbare Einheit fungiert (vgl. Luhmann 1984, 43). Anstelle von Individuen ist in der neueren Systemtheorie, die Kommunikation die kleinste Einheit eines sozialen Systems. Jedes der aufgezeigten Systemtypen hat, nach dieser Systemtheorie, eine derartige Operationsweise. Wie eben beschrieben ist die Operationsweise des sozialen Systems Kommunikation. Andere sind im biologischen und psychischen System zu finden. Ab- bildung 6 zeigt, wie die jeweiligen Systeme operieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Operationsweisen der spezifischen Systeme (vgl. Berghaus, 2003, 57)

Die Unterscheidung zwischen lebenden, kommunikativen und psychischen Systemen steht im Mittelpunkt der Systembetrachtung. Biologische Systeme „produzieren" Leben.

Die anderen beiden Systemtypen sind „Sinn verarbeitende" Systeme, die sich wiederum durch ihre „lnhalte" unterscheiden. Wahrend soziale Systeme stets und ausschlieRlich durch Kommunikation funktionieren, bestehen psychische Systeme aus Bewusstseins- ereignissen (vgl. Gairing 2002,146).

Unter Berucksichtigung praxisorientierter Ansatze aus Familientherapie und Organisationsberatung, die im Fokus dieser Arbeit stehen, haben im weiteren Verlauf die sozialen Systeme besondere Bedeutung. Sowohl die systemische Familientherapie, als auch die systemische Organisationsberatung arbeiten mit sozialen Systemen.

Neben den beschriebenen Operationsweisen der spezifischen Systemtypen operieren alle Systeme autopoietisch. Was das im Konkreten bedeutet und welche Relevanz die Autopoiesis fur systemische Bratungskontexte hat, wird im Anschluss verdeutlicht.

2.3.1 Autopoiesis

Das Konzept der Autopoiesis wurde Anfang der 70er Jahre von den chilenischen Biologen Manatura und seinem Schuler Varela eingefuhrt. Der Kunstbegriff Autopoiesis (aus dem altgriechischen wortlich „Selbsterzeugung") ist Kernbegriff dieses Konzeptes.

„Der Begriff Auto-Poisie verweist also auf die Selbsterschaffung des Systems selbst. Als autopoietisch wird ein System bezeichnet, das sich selbst erzeugt, indem es sich ausschlieRlich auf eigene Operationen bezieht. Diese Operation produziert das System selbst" (Gairnig 2002, 141).

Ziel dieses Entwurfs war es die Organisation lebender Systeme zu erklaren, indem jene Organisationsform beschrieben wird, die ein System als eigenstandige Einheit grundet.

Diese sind prinzipiell fur alle lebenden Systeme charakteristische Phanomene (vgl. Bose/Schiepek 2000, 23).

Bezeichnend fur Manaturas autopoietische Systeme ist die Fahigkeit von Organismen, ihre eigenen Elemente und Bestandteile durch interne Prozesse zu reproduzieren und aufrechtzuerhalten, um sich als eigenstandige Einheit von der Umwelt abzugrenzen (vgl. Pfeffer 2004, 5). Bei aller unvermeidlichen Veranderung wird auf diese Weise ihre Identi- tat aufrecht erhalten bzw. uber die Zeit weiterentwickelt (vgl. Wimmer 1992, 65). Nach Manatura handelt es sich bei lebenden Systemen um einen Spezialfall von Selbst- organisation (vgl. Wimmer et al. 2009, 52).

Somit beschreibt Autopoiesis die Fahigkeit der Systeme, bei Umweltveranderungen ihre Strukturen zu modifizieren um auf diese Weise zu uberleben. Durch das Wechselspiel der inneren Prozesse und Zustande des Systems wird ihre Ordnung aufrecht erhalten.

In der soziologischen Systemtheorie modifiziert Luhmann diese Thesen von Manatura und Varela und erweitert den Bezugsrahmen auf den Bereich psychischer und sozialer Systeme.

„Die Grundidee derTheorie der Autopoiesis besagt, dass komplexe Systeme sich in ihrer Einheit, ihren Strukturen und Elementen kontinuierlich und in einem operativ geschlossenen ProzeR mit Hilfe der Elemente reproduzieren, aus denen sie bestehen" (Willke 1996, 9).

Die Berechtigung der Ubertragung wird jedoch kritisch diskutiert, da nach Meinung von Manatura und Varela ihre Theorie autopoietischer Systeme nicht auf soziale Phanomene ubertragbar ist. Im Gegensatz zu Luhmann begrenzt Manatura die Autopoiesis auf Lebe- wesen (Zellen und biologische Organismen). Manatura sieht in seinem Autopoiesiskonzept den Menschen als Teil sozialer Systeme und verwehrt sich Luhmanns Ubernahme des Autopoiesisbegriffs auf dessen Definition sozialer Systeme (vgl. Schlippe/Schweizer 1997, 66 & Groth 1999, 60). Dennoch verwendet Luhmann diese An- satze, um die Operationsweisen psychischer und sozialer Systeme zu erklaren.

Mit der Ubernahme der Theorie der Autopoiesis in sein Werk „soziale Systeme" (1984) leitet Luhmann die sogenannte autopoietische Wende ein. Autopoiesis ruckt in den Mittelpunkt seiner Uberlegungen. Damit vollzieht sich in der luhmannschen System­theorie ein Paradigmenwechsel zur Theorie autopoietischer Systeme, der programmatisch vorgetragen wird.

Luhmann schlieRt sich den Grundannahmen von Manatura und Varela an, „daR Systeme sich selbst erhalten und ihre Prozesse aufgrund ihrer inneren Dynamik und ihres inneren Zustandes steuern" (Ott 2002, 24).

„Autopoietische Systeme sind autonom, aber nicht autark. Veranderungen von auRen fuhren deshalb nicht in einer kausalen Beziehung dazu, daR sich Systeme auf eine bestimmte Art anpassen. Das System selbst entscheidet ob und in welcher Weise es auf Veranderungen reagiert. Veranderung kann dann als Irritation von auRen verstanden werden, aber nicht als Ursache einer bestimmten Wirkung" (ebd.).

Autonom bedeutet dann, dass kein System im Sinne einer Ursache-Wirkung-Beziehung von der Umwelt determiniert werden kann. Andererseits sind die Systeme auch nicht autark, da sie trotz Selbstreferenz[4] auf die Umwelt angewiesen sind (s. Kapitel 2.3.2).

Allen autopoietischen Systemen ist jedoch gemeinsam, dass sie durch basale Selbst­referenz auf der Ebene ihrer Operation gekennzeichnet sind und sich dadurch von ihrer Umwelt unterscheiden.

„Autopoietische Systeme sind definiert als selbstbezuglich (selbstreferenziell) operierende Systeme, die sich auf Grund des Netzwerks ihrer internen Prozesse als zusammengesetzte Einheiten konstituieren und gegen ihre Umwelt abgrenzen" (Wimmer et al. 2009, 52f).

Wie das vorherige Kapitel zeigt, haben die verschiedenen Systemtypen unterschiedliche Operationsweisen mit denen sie sich konkretisieren lassen. Sie verknupfen immer nur die eigene mit der eigenen Handlung. Alle Systemelemente mussen aus den vorhandenen Systemelementen entstehen, hierbei werden keine Systemelemente aus der Umwelt in das System ubernommen.

Laut Luhmann kann von einem autopoietischen System gesprochen werden, wenn es moglich ist, eine spezifische Operationsweise festzustellen, welche ausschlieRlich in diesem System sattfindet (vgl. Baraldi et al. 1997, 29 & Luhmann 2000, 61). In diesem Zu- sammenhang spricht man von Zirkularitat. Die Operationen innerhalb autopoietischer Systeme sind zirkular vernetzt und fuhren immer wieder auf sich selbst zuruck. Soziale Systeme erhalten sich durch Kommunikation, psychische Systeme durch Gedanken und Gefuhle aufrecht. Sie konnen sich somit nur aus den eignen Operationen reproduzieren und beruhen auf grundlegend verschiedenen Operationen - Gedanken verweisen auf weitere Gedanken und Kommunikation auf Kommunikation und sind damit selbst­referenziell. Die Systeme bestehen solange wie z. B. Kommunikation Anschluss an die ablaufende Kommunikation findet. AuRerhalb der Systeme kommen die Elemente aus denen sie bestehen nicht vor (vgl. Pfeffer 2004,5 & Baraldi et al. 1997, 29).

„Autopoiesis wird verwirklicht, indem das System in einem zirkularen Prozess die Bestandteile aus denen es selbst besteht, selbst produziert" (Barthelmess 2005, 35).

Durch den Vollzug der charakteristischen Operationen des jeweiligen Systems, dass wiederum an die eigenen Operationen anknupft, wird die Einheit des Systems gesichert.

Danach ist von Luhmann die neuere Systemtheorie als „Theorie sich selbstherstellender, autopoietischer Systeme" charakterisiert worden:

„Die Theorie der sich selbst herstellenden, autopoietische Systeme kann in den Bereich der Hand- lungssysteme nur uberfuhrt werden, wenn man davon ausgeht, daR die Elemente, aus denen das System besteht, keine Dauer haben konnen, also unaufhorlich durch das System dieser Elemente selbst produziert werden mussen" (Luhmann 1984, 28).

Ablaufende Prozesse beziehen sich auf sich selbst und keine Elemente konnen von auRen eingefuhrt werden. Autopoietische Systeme verfolgen keine Zwecke, einziges Ziel ist der Fortbestand ihrer Organisation (vgl. Bose/Schiepek 2000, 23).

„Bedeutsam fur autopoietische Systeme ist weiterhin die Tatsache, dass sie nicht reaktiv sind, das heiRt, die Umwelt oder das Medium, in dem sich das autopoietische System bewegt, kann die Zu- standsveranderung in der Struktur des Systems nicht steuern, sondern nur Anregen" (Gairnig 2002, 142).

Demzufolge verweisen autopoietische Systeme nicht auf etwas Vorgefertigtes aus der Umwelt, sondern erzeugen durch interne Unterscheidungen eine spezifische Sensibilitat fur die Umwelt (vgl. ebd.). Ein Umweltinput, der fur das System keine Bedeutung hat, ist fur dieses gewissermaRen nur ein neutrales „Rauschen". Begegnet ein System aber empfindlich auf eine „Umweltstorung", reagiert das System, indem es seine Struktur andert - es lernt (vgl. ebd.). Wann ein System auf derartige Storungen reagiert ist un- vorhersehbar. Daher konnen autopoietische Systeme als typische Beispiele fur Nicht- triviale Maschinen betrachtet werden. Diese „Nicht-trivialen Systeme" befinden sich in einem standigen Wechsel (Prozess) und weisen Eigendynamiken auf, die sich einer Steuerung von auRen entziehen (vgl. Willke 1996, 36). Das System entscheidet dann selbst, wie die Irritationen von auRen auch in das Innere des Systems ubersetzt werden.

In den verschiedenen systemischen Arbeitsfeldern kann die autopoietische Sichtweise dazu bewegen, die Einheiten z. B. der Familie oder der Organisation erst einmal zu deren Struktur passend und fur deren Uberleben nutzlich anzusehen. Veranderungen werden nur dann moglich, wenn sie zu den Strukturen des jeweiligen Systems passen (genauer dazu Kapitel 5) (vgl. Schilppe/Schweizer 1997, 68).

Systeme sind nicht statisch, bestehen nicht aus Dingen, sondern sind dynamisch und existieren weil sie standig operieren um anschlussfahig zu bleiben. Sie sind aber von auRen nicht determinierbar (vgl. Berghaus 2003, 48). Die Unberechenbarkeit zeigt, dass das Autopoiesiskonzept, Ursache-Wirkungs-Zusammenhange nicht annimmt.

Zur Fortsetzung ihrer Selbstreferenz bzw. Anschlussfahigkeit mussen sich Systeme standig neu bestimmen. Gelingt es ihnen nicht sich immer wieder neu zu konstituieren, horen sie auf zu bestehen und verlieren sich in der Umwelt. Erstes Ziel autopoietischer Systeme ist die Existenzerhaltung.

[...]


[1] Der Terminus systemische Beratung wird in dieser Arbeit als ein Uberbegriff fur systemische (Familien)Therapie und systemische Organisationsberatung verstanden.

[2] Hauptaugenmerk soll in dieser Arbeit auf der soziologischen Systemtheorie im Sinne von Luhmann liegen. Daher beziehen sich die weiteren Ausfuhrungen uberwiegend auf die luhmannsche, sozio­logische Systemtheorie. An entsprechenden Stellen, an denen auch der Ansatz von Bateson von Wichtig- keit ist, wird von der personalen Systemtheorie gesprochen. Dennoch ist Luhmanns Theorie nach der autopoietischen Wende 1984 fur den Verlauf dieser Arbeit von besonderer Bedeutung und wird in den folgenden Kapiteln naher dargelegt.

[3] An dieser Stelle wird nochmals die Unterscheidung der personalen (Bateson) und soziologischen System­theorie (Luhmann) deutlich, indem der Mensch ausgeblendet wird und nur anteilig in den Systemtypen zu finden ist. Die neuere Systemtheorie ist, im Gegensatz zu handlungstheoretischen Entwurfen des Systembegriffs, immer als akteurslose Theorie zu verstehen.

[4] Im Folgenden werden die Begriffe Selbstreferenz und Autopoiesis synonym benutzt, da beide in der sozialwissenschaftlichen Diskussion der Systemtheorie gebrauchlich sind. In Bezug auf Sozialsysteme haben sie im Kern die gleiche Bedeutung.

Ende der Leseprobe aus 101 Seiten

Details

Titel
Von der systemischen Familientherapie zur systemischen Organisationsberatung
Untertitel
Konzeptübernahme oder Weg zur eigenständigen Theorie?
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Sozialpsychologie und Sozialanthropologie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
101
Katalognummer
V140608
ISBN (eBook)
9783640498048
ISBN (Buch)
9783640498277
Dateigröße
1510 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Familientherapie, Organisationsberatung, Konzeptübernahme, Theorie
Arbeit zitieren
Stefanie Hagen (Autor:in), 2009, Von der systemischen Familientherapie zur systemischen Organisationsberatung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140608

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