Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum von Schweizer Jugendlichen

Eine Analyse kantonaler Unterschiede


Doktorarbeit / Dissertation, 2009

193 Seiten, Note: magna cum laude


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs-, Tabellen- und Anhangverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Anhangverzeichnis

Zusammenfassung

Dankesworte

1 Themenstellung und Ziel des Vorhabens

2 Theoretischer und empirischer Hintergrund
2.1 Gesundheitsverhalten versus gesundheitliches Risikoverhalten
2.1.1 Modelle des Gesundheitsverhaltens
2.1.2 Modelle und Erklärungsansätze des gesundheitlichen Risikoverhaltens
2.1.2.1 Sozialisationstheoretisches Modell und seine Wurzeln
2.1.2.2 Konzepte der Substanzkonsum-Motive
2.1.2.3 Persönlichkeitspsychologische Konstrukte
2.1.3 Integratives Gesundheits- und Risikoverhaltensmodell
2.2 Unterschiede der Schweizer Kantone
2.2.1 Fläche, Bevölkerung, Wirtschaftsfaktoren und Föderalismus
2.2.2 Gesundheitspolitiken der Schweizer Kantone
2.2.3 Gesetze im Bereich Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum
2.3 Forschungsstand zum Substanzkonsum von Jugendlichen
2.3.1 Forschungslücke: Analyse kantonaler Unterschiede
2.3.2 Urbanisation: städtische oder ländliche Wohnregion
2.3.3 Wohlstandsfaktoren Volkseinkommen und Arbeitslosigkeit
2.3.4 Prävention des Substanzkonsums und deren Kosten
2.3.5 Familiäres Umfeld: geschiedene Eltern
2.3.6 Bildungsstand der Eltern
2.3.7 Migrationshintergrund der Familie und Ausländer-Sein
2.4 Resümee des Hintergrunds

3 Methodische Vorgehensweise
3.1 Forschungsfragen
3.1.1 Kantonale Substanzkonsumunterschiede
3.1.2 Erklärung der kantonalen Substanzkonsumunterschiede
3.2 Daten zum Substanzkonsum von Schweizer Jugendlichen
3.2.1 Sekundäranalyse von HBSC-Daten
3.2.2 Gewichtung der Daten
3.3 Variablen der Kantone
3.4 Statistische Auswertungen
3.4.1 Kantonale Substanzkonsumunterschiede
3.4.2 Erklärung der kantonalen Substanzkonsumunterschiede

4 Ergebnisse
4.1 Kantonale Substanzkonsumunterschiede
4.1.1 Wöchentlicher Alkoholkonsum: kantonale Häufigkeiten und Verläufe
4.1.1.1 Kantonale Unterschiede in der Gesamtstichprobe
4.1.1.2 Geschlechtsspezifität kantonaler Unterschiede
4.1.1.3 Altersspezifität kantonaler Unterschiede
4.1.2 Wöchentlicher Tabakkonsum: kantonale Häufigkeiten und Verläufe
4.1.2.1 Kantonale Unterschiede in der Gesamtstichprobe
4.1.2.2 Geschlechtsspezifität der kantonalen Unterschiede
4.1.2.3 Altersspezifität der kantonalen Unterschiede
4.1.3 Cannabis-Lebenszeitprävalenz: kantonale Häufigkeiten und Verläufe
4.1.3.1 Kantonale Unterschiede in der Gesamtstichprobe
4.1.3.2 Geschlechtsspezifität der kantonalen Unterschiede
4.1.3.3 Altersspezifität der kantonalen Unterschiede
4.1.4 Resümee der kantonalen Substanzkonsumunterschiede
4.2 Erklärung der kantonalen Substanzkonsumunterschiede
4.2.1 Erklärung des wöchentlichen Alkoholkonsums
4.2.1.1 Gesamtstichprobe
4.2.1.2 Nach Geschlechtergruppen
4.2.1.3 Nach Altersgruppen
4.2.2 Erklärung des wöchentlichen Tabakkonsums
4.2.2.1 Gesamtstichprobe
4.2.2.2 Nach Geschlechtergruppen
4.2.2.3 Nach Altersgruppen
4.2.3 Erklärung der Cannabis-Lebenszeitprävalenz
4.2.3.1 Gesamtstichprobe
4.2.3.2 Nach Geschlechtergruppen
4.2.3.3 Nach Altersgruppen
4.2.4 Resümee der Erklärung von kantonalen Substanzkonsumunter schieden

5 Diskussion
5.1 Vorbemerkungen
5.2 Formen kantonaler Unterschiedlichkeit je nach Substanz
5.3 Ausländeranteil und Bevölkerungsanteil mit geringer Bildung
5.4 Ländlich-städtisches Spannungsfeld
5.5 Arbeitslosenquote und Scheidungsziffer
5.6 Ausblick

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang

8 Eidesstattliche Erklärung

Abbildungs-, Tabellen- und Anhangverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Modelle des Gesundheitsverhaltens versus Modelle des Risiko-verhaltens (eigene Darstellung)

Abbildung 2: Integratives Modell des Risikoverhaltens von Jugendlichen (eigene Dar-stellung)

Abbildung 3: Schweizer Karte mit relevanten Kantonen

Abbildung 4: Anteile der Bundes-, Kantons- und Gemeindeausgaben an den Ge-samtausgaben im Bereich Gesundheit

Abbildung 5: Wöchentlicher Alkoholkonsum von 11- bis 15-Jährigen: kantonale Ver-läufe von 1998 bis 2006 (gewichtete Daten, in Prozentwerten)

Abbildung 6: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Alkoholkonsums von männ-lichen und weiblichen Jugendlichen (gewichtete Daten, in Prozentwerten)

Abbildung 7: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Alkoholkonsums von 11-, 13- und 15-Jährigen (gewichtete Daten, in Prozentwerten)

Abbildung 8: Wöchentlicher Tabakkonsum von 11- bis 15-Jährigen: kantonale Verl-äufe von 1998 bis 2006 (gewichtete Daten in Prozentwerten)

Abbildung 9: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Tabakkonsums von männ-lichen und weiblichen Jugendlichen (gewichtete Daten, in Prozentwerten)

Abbildung 10: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Tabakkonsums von 11-, 13- und 15-Jährigen (gewichtete Daten, in Prozentwerten)

Abbildung 11: Cannabis-Lebenszeitprävalenz von 14- und 15-Jährigen: kantonale Verläufe von 1998 bis 2006 (gewichtete Daten, in Prozentwerten)

Abbildung 12: Kantonale Häufigkeiten der Cannabis-Lebenszeitprävalenz von männ-lichen und weiblichen Jugendlichen (gewichtete Daten, in Prozentwerten)

Abbildung 13: Kantonale Häufigkeiten der Cannabis-Lebenszeitprävalenz von 14- und 15-Jährigen (gewichtete Daten, in Prozentwerten)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gesundheitsrelevantes Verhaltensspektrum (Auszug aus Raithel, 2004)

Tabelle 2: Heterogenität der sieben relevanten Schweizer Kantone

Tabelle 3: Finanzierung des Gesundheitswesens durch Bund, Kantone und Gemein-den

Tabelle 4: Kompetenzteilung zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit

Tabelle 5: Bundesgesetze im Bereich Alkohol und Tabak (eigene Übersicht)

Tabelle 6: Gesetzgebungen der Kantone im Bereich Alkohol bis im Jahr 2006

Tabelle 7: Gesetzgebungen der Kantone im Bereich Tabak bis im Jahr 2006

Tabelle 8: Struktur der HBSC-Daten der relevanten Kantone

Tabelle 9: Nach Kantonen, Erhebungen, Geschlecht und Alter gewichtete Fälle

Tabelle 10: Variablen der relevanten sieben Kantone

Tabelle 11: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Alkoholkonsums von 11- bis 15-Jährigen zu den drei Erhebungszeitpunkten (gewichtete Daten)

Tabelle 12: Wöchentlicher Alkoholkonsum: kantonale Unterschiede in Abhängigkeit der Erhebungszeitpunkte (gewichtete Daten)

Tabelle 13: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Alkoholkonsums von männ-lichen und weiblichen Jugendlichen zu den drei Erhebungszeitpunkten (gewich-tete Daten)

Tabelle 14: Wöchentlicher Alkoholkonsum: kantonale Unterschiede von männlichen und weiblichen Jugendlichen in Abhängigkeit der Erhebungszeitpunkte (gewich-tete Daten)

Tabelle 15: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Alkoholkonsums von 11-, 13- und 15-Jährigen zu den drei Erhebungszeitpunkten (gewichtete Daten)

Tabelle 16: Wöchentlicher Alkoholkonsum: kantonale Unterschiede von 13- und 15-Jährigen in Abhängigkeit der Erhebungszeitpunkte (gewichtete Daten)

Tabelle 17: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Tabakkonsums von 11- bis 15-Jährigen zu den drei Erhebungszeitpunkten (gewichtete Daten)

Tabelle 18: Wöchentlicher Tabakkonsum: kantonale Unterschiede in Abhängigkeit der Erhebungszeitpunkte (gewichtete Daten)

Tabelle 19: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Tabakkonsums von männ-lichen und weiblichen Jugendlichen zu den drei Erhebungszeitpunkten (gewich-tete Daten)

Tabelle 20: Wöchentlicher Tabakkonsum: kantonale Unterschiede von männlichen und weiblichen Jugendlichen in Abhängigkeit der Erhebungszeitpunkte (gewich-tete Daten)

Tabelle 21: Kantonale Häufigkeiten des wöchentlichen Tabakkonsums von 11-, 13- und 15-Jährigen zu den drei Erhebungszeitpunkten (gewichtete Daten)

Tabelle 22: Wöchentlicher Tabakkonsum: kantonale Unterschiede von 13- und 15-Jährigen in Abhängigkeit der Erhebungszeitpunkte (gewichtete Daten)

Tabelle 23: Kantonale Häufigkeiten der Cannabis-Lebenszeitprävalenz von 14- und 15-Jährigen zu den drei Erhebungszeitpunkten (gewichtete Daten)

Tabelle 24: Cannabis-Lebenszeitprävalenz: kantonale Unterschiede in Abhängigkeit der Erhebungszeitpunkte (gewichtete Daten)

Tabelle 25: Kantonale Häufigkeiten der Cannabis-Lebenszeitprävalenz von männ-lichen und weiblichen Jugendlichen zu den drei Erhebungszeitpunkten (gewich-tete Daten)

Tabelle 26: Cannabis-Lebenszeitprävalenz: kantonale Unterschiede von männlichen und weiblichen Jugendlichen in Abhängigkeit der Erhebungszeitpunkte (gewich-tete Daten)

Tabelle 27: Kantonale Häufigkeiten der Cannabis-Lebenszeitprävalenz von 14- und 15-Jährigen zu den drei Erhebungszeitpunkten (gewichtete Daten)

Tabelle 28: Cannabis-Lebenszeitprävalenz: kantonale Unterschiede von 14- und 15-Jährigen in Abhängigkeit der Erhebungszeitpunkte (gewichtete Daten)

Tabelle 29: Prädiktoren für Alkohol-Prävalenzen

Tabelle 30: Prädiktoren für Alkohol-Prävalenzen der männlichen Jugendlichen

Tabelle 31: Prädiktoren für Alkohol-Prävalenzen der weiblichen Jugendlichen

Tabelle 32: Prädiktoren für Alkohol-Prävalenzen der 11-Jährigen

Tabelle 33: Prädiktoren für Alkohol-Prävalenzen der 13-Jährigen

Tabelle 34: Prädiktoren für Alkohol-Prävalenzen der 15-Jährigen

Tabelle 35: Prädiktoren für Tabak-Prävalenzen der männlichen Jugendlichen

Tabelle 36: Prädiktoren für Tabak-Prävalenzen der 13-Jährigen

Tabelle 37: Prädiktoren für Tabak-Prävalenzen der 15-Jährigen

Tabelle 38: Prädiktoren für Cannabis-Lebenszeitprävalenzen

Tabelle 39: Prädiktoren für Cannabis-Lebenszeitprävalenzen der männlichen Ju-gendlichen

Tabelle 40: Prädiktoren für Cannabis-Lebenszeitprävalenzen der weiblichen Jugend-lichen

Tabelle 41: Prädiktoren für Cannabis-Lebenszeitprävalenzen der 14-Jährigen

Tabelle 42: Prädiktoren für Cannabis-Lebenszeitprävalenzen der 15-Jährigen

Tabelle 43: Kantonale Prädiktoren für Prävalenzen im Substanzkonsum

Anhangverzeichnis

Anhang 1: Fragen zum Substanzkonsum von Jugendlichen

Anhang 2: Geschlechtsunterschiede im wöchentlichen Alkoholkonsum von 11- bis 15-Jährigen über alle drei Erhebungszeitpunkte, pro Erhebungszeitpunkt und pro Kanton

Anhang 3: Altersunterschiede im wöchentlichen Alkoholkonsum von 11- bis 15-Jährigen über alle drei Erhebungszeitpunkte, pro Erhebungszeitpunkt und pro Kanton

Anhang 4: Geschlechtsunterschiede im wöchentlichen Tabakkonsum von 11- bis 15-Jährigen über alle drei Erhebungszeitpunkte, pro Erhebungszeitpunkt und pro Kanton

Anhang 5: Altersunterschiede im wöchentlichen Tabakkonsum von 11- bis 15-Jäh-rigen über alle drei Erhebungszeitpunkte, pro Erhebungszeitpunkt und pro Kanton

Anhang 6: Geschlechtsunterschiede in der Cannabis-Lebenszeitprävalenz von 14- und 15-Jährigen über alle drei Erhebungszeitpunkte, pro Erhebungszeitpunkt und pro Kanton

Anhang 7: Altersunterschiede in der Cannabis-Lebenszeitprävalenz von 14- und 15-Jährigen über alle drei Erhebungszeitpunkte, pro Erhebungszeitpunkt und pro Kanton

Anhang 8: Interkorrelationen der Kantonsvariablen

Anhang 9: Varianzanalysen der Kantonsvariablen (Prädiktoren): Unterschiede zwi-schen Kantonen

Anhang 10: Varianzanalysen der Kantonsvariablen (Prädiktoren): Unterschiede zwi-schen Erhebungen

Anhang 11: Grafische Darstellungen der Kantonsvariablen

Zusammenfassung

In der Schweiz sind der regelmässige Alkohol- und Tabakkonsum sowie der mindestens einmalige Gebrauch von Cannabis unter Jugendlichen weit verbreitet. Rund 18% der Schülerinnen und 25% der Schüler trinken mit 15 Jahren wöchentlich alkoholische Getränke. Im selben Alter rauchen rund 15% der Schülerinnen und Schüler wöchentlich. Zudem probierten ein Viertel der Schülerinnen und über ein Drittel der Schüler als 15-Jährige bereits mindestens einmal Cannabis aus (Schmid, Delgrande Jordan, Kuntsche, Kuendig & Annaheim, 2007). Die internationalen Unterschiede im Substanzkonsum sind beachtlich und werden sowohl durch individuelle, aber auch durch gesellschaftliche, kulturelle, ökonomische, ökologische und politische Umfeldfaktoren (theoretisch) erklärt. Empirische Nachweise für die Erklärung der internationalen Unterschiede findet man kaum. Die Schweiz weist als föderalistisches Land eine sehr vielfältige gesellschaftliche, kulturelle, ökonomische, ökologische und politische Struktur auf. Sie ist in 26 heterogene und autonome Kantone aufgeteilt. Vor diesem Hintergrund zielte die vorliegende Dissertation auf einen Vergleich kantonaler Ausprägungen im jugendlichen Substanzkonsum mit der Vermutung, dass sich die kantonalen Unterschiede im Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum von Jugendlichen niederschlagen. Des Weiteren suchte die vorliegende Arbeit nach möglichen Erklärungen für die kantonalen Substanzkonsumunterschiede Jugendlicher.

In die Analysen mündeten repräsentative Daten der sieben Kantone Aargau, Bern, Freiburg, Jura, Tessin, Wallis und Zürich aus den Erhebungsjahren 1998, 2002 und 2006. Die Daten über den Substanzkonsum von 11- bis 15-jährigen Jugendlichen wurden im Rahmen der Gesamtschweizer Erhebung der internationalen „Health Behaviour in School-Aged Children“-Studie (HBSC-Studie) erhoben und hier sekundär analysiert. Insgesamt flossen 25'017 Fälle in die Auswertungen, die allerdings vorab nach Kantonen, Erhebungsjahr, Alter und Geschlecht gewichtet wurden (23'518 gewichtete Fälle). Die Logit-Analysen ergaben insbesondere beim wöchentlichen Alkoholkonsum und der Cannabis-Lebenszeitprävalenz signifikante generelle kantonale Unterschiede – beim Cannabiskonsum zudem kantonale Unterschiede in Abhängigkeit zu den Erhebungszeitpunkten. Beim regelmässigen Tabakkonsum hingen die kantonalen Unterschiede jeweils von den Erhebungszeitpunkten ab. Diese Ergebnisse erhärteten sich in den nach Geschlecht und Alter aufgeteilten Untergruppen.

Der Substanzkonsum unter Jugendlichen scheint in Schweizer Kantonen unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Im Kanton Tessin konsumieren mehr Jugendliche regelmässig alkoholische Getränke als in anderen Kantonen. Hingegen führt der Kanton Wallis vergleichsweise die Spitze im wöchentlichen Tabakkonsum an, während der Kanton Zürich am meisten Jugendliche aufweist, die Cannabis ausprobieren oder regelmässig konsumieren. Im internationalen Kontext verhält es sich ähnlich: Es gibt nicht das Land, in dem unter Jugendlichen am meisten getrunken, geraucht und gekifft wird (Currie, Gabhainn, Godeau, Roberts, Smith, Currie, Picket, Richter, Morgan & Barnekow, 2008).

Ein Verständnis für die kantonalen Unterschiede wurde nicht auf der Ebene der individuellen Substanzkonsumdaten der Jugendlichen, sondern auf dem Aggregationsniveau der Kantone erreicht. Die für die Kantone und Erhebungszeitpunkte aggregierten Werte des jugendlichen Substanzkonsums wurden mit möglichen Prädiktoren (Merkmalen) der Kantone in linearen Regressionsanalysen zusammengeführt. Die Varianzaufklärungen, die aus den linearen Regressionsanalysen resultierten, bezogen sich insofern immer auf die Varianz, die zwischen den Kantonen und zwischen den Erhebungszeitpunkten bestand. Die Prädiktoren unterschieden sich entweder signifikant von Kanton zu Kanton oder signifikant zwischen den Erhebungszeitpunkten. Die Auswertungen ergaben, dass die Varianz im wöchentlichen Alkoholkonsum massgeblich durch die kantonalen Unterschiede hinsichtlich des Bevölkerungsanteils mit geringer Bildung und hinsichtlich des Ausländeranteils erklärt wurde. In Kantonen mit hohem Bevölkerungsanteil mit geringer Bildung und hohem Ausländeranteil konsumierten mehr Jugendliche regelmässig Alkohol. Des Weiteren scheint die ländliche Umgebung insbesondere den Konsum bei jüngeren Jugendlichen (13-jährige) zu begünstigen (Prädiktor geringe Bevölkerungsdichte). Die kantonale und erhebungsbezogene Varianz im wöchentlichen Tabakkonsum wurde am stärksten von der hohen Bevölkerungsdichte und dem hohen Bevölkerungsanteil mit geringer Bildung erklärt. Die Varianz bei der Cannabis-Lebenszeitprävalenz erklärten erneut die Prädiktoren hoher Bevölkerungsanteil mit geringer Bildung, hoher Ausländeranteil sowie die hohe Bevölkerungsdichte (städtische Gebiete).

Die kantonalen Unterschiede hinsichtlich des Bevölkerungsanteils mit geringer Bildung sowie hinsichtlich des Ausländeranteils erklärten in der vorliegenden Arbeit die kantonale Varianz des Substanzkonsumverhaltens von Jugendlichen. Dass der elterliche Bildungsstand mit dem Substanzkonsum der Jugendlichen zusammenhängt, zeigten diverse andere Arbeiten (Langille, Curtis, Hughes & Murphy, 2003; Salonna, van Dijk, Madarasova Geckova, Sleskova, Groothoff & Reijneveld, 2008; Tuinstra, Groothoff, van den Heuvel & Post, 1998). Hingegen weist der Befund, dass ein hoher Ausländeranteil mit dem jugendlichen Konsum zusammenhängt, kaum Parallelen in der Forschungsliteratur auf. Im Gegenteil: In den USA sollen immigrierte Jugendliche weniger konsumieren als heimische (SAMHSA, 2005). Dennoch scheinen nicht alle Jugendlichen mit Migrationshintergrund weniger als die einheimischen zu konsumieren (Holmberg & Hellberg, 2008). In Schweden eingewanderte Türken nehmen weniger Alkohol und Tabak zu sich als Einheimische und vor allem als finnische Einwanderer. Es kann also darauf ankommen, aus welchem Land die Jugendlichen bzw. deren Eltern oder Grosseltern herkamen, welche Konsumgewohnheiten dort herrschten und welchen Integrationsstress die Migration abforderte, der im Substanzmissbrauch kompensiert werden könnte. Interessanterweise zeigt das Gesundheitsmonitoring der schweizerischen Migrationsbevölkerung (Rommel, Weilandt & Eckert, 2006) nicht nur, dass die Konsumunterschiede zwischen Migrantengruppen erheblich variieren. Es enthüllt auch, dass die Quote derjenigen Migranten, die täglich Alkohol konsumieren, bei Migranten aus Italien und Portugal deutlich höher als bei Schweizern liegt. Ebenso bilden Personen aus Deutschland, Österreich und Frankreich eine Migrantengruppe, die im Vergleich zu Schweizern und anderen Migrantengruppen die höchsten Werte in der Lebenszeitprävalenz von Cannabis aufweisen. In der vorliegenden Arbeit sind die entsprechenden Migrantengruppen jeweils in Kantonen mit höheren Ausländeranteilen stark vertreten. Insofern scheint der hier erhaltene positive Zusammenhang des Ausländeranteils mit dem regelmässigen Alkoholkonsum bzw. der Cannabis-Lebenszeitprävalenz plausibel.

Die Bevölkerungsdichte ist in der vorliegenden Arbeit ein Risikofaktor für den Substanzkonsum. Dies zeigt sich auch in anderen Forschungsarbeiten: Sowohl die ländliche Umgebung (Gau, Chong, Chen & Cheng, 2005) wie auch das städtische Umfeld (z. B. Kokkevi & Stefanis, 1991) können für mehr Substanzkonsum sorgen. Die Befundlage ist demzufolge uneinheitlich. Dass wie in der Arbeit hier der Alkoholkonsum in ländlicher Umgebung – insbesondere bei den jüngeren Jugendlichen – ausgeprägter ist, beobachteten bereits Jiang, Li, Boyce und Pickett (2008) in Kanada. Darüber hinaus könnte der erhöhte Alkoholkonsum auf dem Lande mit einer weniger strikten Durchsetzung der Jugendschutzbestimmungen zusammenhängen. Eine Übersicht über Alkoholtestkäufe in der Schweiz (Scheuber, Stucki, Lang, Guzman, Ayer & Rihs-Middel, 2008) zeigt, dass diese in der West- und Südschweiz (ländlichere Gegenden in der vorliegenden Arbeit) weniger vertreten sind. Testkäufe zeigen nicht nur, ob der Jugendschutz strikte umgesetzt wird, sondern auch, dass für dessen Umsetzung sensibilisiert wird. Hingegen ist beim Cannabiskonsum der illegale Cannabismarkt relevant, der in städtischen Gebieten vermutlich ausgeprägter ist als in ländlichen.

Insgesamt erklärten die Prädiktoren Arbeitslosenquote und Jugendarbeitslosenquote bei praktisch allen linearen Regressionsanalysen einen Teil der Varianz im Alkohol- bzw. Tabakkonsum bzw. in der Cannabis-Lebenszeitprävalenz. Die Arbeitslosenquote und Jugendarbeitslosenquote klärten jeweils den Anteil der Varianz, der durch die Aggregation der Substanzkonsumdaten über die Erhebungszeitpunkte entstand. Die Arbeitslosenquote und Jugendarbeitslosenquote variierten nämlich zwischen den Erhebungszeitpunkten signifikant. Sie unterschieden sich aber zwischen den Kantonen nicht signifikant.

Um die kantonalen Unterschiede noch besser zu verstehen, könnte es ertragreich sein, weitere, z. B. (sprach-)kulturelle, Prädiktoren wie das regionale Trinkverhalten, die Einstellung zum Konsum oder den Wissenstand über gesundheitsschädigendes Konsumverhalten zur Erklärung heranzuziehen. Ebenfalls interessant wäre eine Analyse der kantonalen Unterschiede auf der Ebene der Individuen, die neben Substanzkonsumangaben auch über den Bildungs- und Berufsstand der Eltern sowie die finanzielle Situation der Familie Auskunft gaben.

Dankesworte

Die vorliegende Dissertation widmet sich Substanzkonsumunterschieden von Jugendlichen aus den Schweizer Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Jura, Tessin, Wallis und Zürich. Sie befasst sich des Weiteren mit möglichen Erklärungen für kantonale Unterschiede im Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum Jugendlicher. Die Bereitschaft der zuständigen kantonalen Stellen, mir bereits erhobene kantonale Daten über den Substanzkonsum von Jugendlichen für eine Sekundäranalyse auszuhändigen, war Grundlage für meine Forschungsarbeit. Allen folgenden kantonalen Schlüsselpersonen danke ich an dieser Stelle ganz ausserordentlich: Jürg Siegrist, Dr. Nicole Bachmann, Annick Rywalski Barras, Chloé Saas Vuilleumier, Laura Inderwildi Bonivento, Luc Fornerod und Roland Stähli. Ebenfalls gebührt Marina Delgrande Jordan für das Ausliefern der Rohdaten mein ausdrücklicher Dank.

Ganz speziell bedanke ich mich bei Universitäts-Professor Dr. Dr. Roland Staudinger und Assistenz-Professor Dr. Claudia Schusterschitz, die mich während des ganzen Doktoratsstudiums fachlich begleitet und in inhaltlichen und methodischen Fragen beraten haben. Sie haben mir immer wieder wesentliche Impulse gegeben. Ferner schliesse ich Dr. Richard Egger in meinen grossen Dank ein, der mir nicht nur sprachlich und inhaltlich sehr viel zugetragen, sondern mich auch moralisch immer wieder stark unterstützt hat. Ebenso danke ich Dominic Memmishofer für seine Unterstützung bei der Gestaltung einer Grafik.

Der grösste Dank gebührt jedoch meinem Mann Iwan Tresch, der mir diese Arbeit überhaupt ermöglichte: Er beschäftigte sich stundenlang mit unserer Tochter Lily, damit ich arbeiten konnte, er hörte mir zu und half mir mit wichtigen Anregungen aus. Vor allem gab er mir den menschlichen Rückhalt, der für das Gelingen dieser Arbeit unentbehrlich war.

1 Themenstellung und Ziel des Vorhabens

Der Konsum von Alkohol[1], Tabak und Cannabis (Substanzkonsum)[2] ist bei Schweizer Jugendlichen sehr beliebt: 17.6% der Schülerinnen und 25.4% der Schüler trinken im Alter von 15 Jahren mindestens einmal pro Woche alkoholische Getränke. Im gleichen Alter rauchen 14.6% und 15.3% der Schülerinnen bzw. Schüler wöchentlich und 26.8% der Mädchen und 34.2% der Jungen haben mit 15 Jahren bereits einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert (Schmid, Delgrande Jordan, Kuntsche, Kuendig & Annaheim, 2007). Im europäischen Vergleich ist unter Schweizer Jugendlichen nicht nur das Rauschtrinken stark verbreitet, sondern auch hinsichtlich des Cannabisgebrauchs zählt die Schweiz zu den Ländern mit dem höchsten Niveau (Rehm, Room, Monteiro, Gmel, Graham, Rehn, Sempos, Frick & Jernigan, 2004). Ebenso sind die Prävalenzraten[3] punkto Tabakkonsum in der Schweiz weltweit verglichen beträchtlich (Gmel, Rehm, Kuntsche, Wicki & Grichting, 2004). Über diese weite Verbreitung des Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsums hinaus kann man in der Schweiz – wie auch in anderen europäischen Ländern – seit 1986 bis 2002 eine auffallende Konsumzunahme beobachten (Schmid, Gaume, Annaheim, Kuntsche, Kuendig & Delgrande Jordan, 2004). Es handelt sich hierbei nicht um einen Anstieg von Mehrfachkonsumierenden, sondern um einen generellen Zuwachs des Gebrauchs verschiedener Substanzen, beobachtbar bei Mädchen wie bei Jungen und in verschiedenen Sprachregionen der Schweiz (Kuntsche, 2004a). Nach 2002 scheint eine Trendwende eingetreten zu sein: Im Jahr 2006 waren die Zahlen des Substanzkonsums von Jugendlichen geringer als vier Jahre vorher (Schmid et al., 2007).

Der internationale Bericht der „Health Behavior in School-Aged Children“-Studie (HBSC-Studie) zeigt, dass zwischenstaatlich erhebliche Unterschiede im Konsumverhalten von Jugendlichen existieren (Currie, Roberts, Morgan, Smith, Settertobulte, Samdal & Barnekow Rasmussen, 2004). Diese Verschiedenheiten zwischen Ländern sind laut der Forschergruppe um Currie sowohl im Kontext der individuellen Lebensumstände als auch im Rahmen gesellschaftlicher, kultureller, ökonomischer, ökologischer und politischer Faktoren zu betrachten.

Das gesellschaftliche, kulturelle, ökonomische, ökologische und politische Gefüge der Schweiz ist sehr vielfältig. Die Schweiz weist als föderalistisch organisiertes Land eine sehr heterogene politische Struktur auf. Sie gliedert sich in 26 Kantone, die sich u. a. hinsichtlich ihrer geographischen Erstreckung, der Bevölkerungszahl, des Siedlungsanteils sowie der wirtschaftlichen Grössen Volkseinkommen und Arbeitslosenquote unterscheiden. Darüber hinaus existieren in der Schweiz vier Landessprachen. Da der Substanzkonsum von Jugendlichen nicht nur von individuellen Gegebenheiten, sondern auch von politischen, ökologischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Umständen abhängt, ist die Vermutung naheliegend, dass er in den Schweizer Kantonen variieren kann.

Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Dissertation erstens darauf, den Substanzkonsum von Jugendlichen in Schweizer Kantonen zu vergleichen, die durch sehr unterschiedliche gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und politische Lebenswelten geprägt sind. Zweitens versucht sie zu ergründen, mit welchen Merkmalen der Kantone die möglichen kantonalen Unterschiede im jugendlichen Substanzkonsum zusammenhängen.

Die vorliegende Forschungsarbeit trägt in zweierlei Hinsicht zum Erkenntnisgewinn bei: Zum einen versucht sie eine inhaltliche Forschungslücke zu schliessen, indem sie kantonale Substanzkonsumunterschiede erkundet und diese zu erklären versucht. Zum anderen geht sie methodologisch ausgesucht vor: Individuelle Substanzkonsumdaten von Jugendlichen werden auf aggregiertem Niveau mit möglichen „externen“ Erklärungsmerkmalen der Kantone verbunden. Extern bedeutet: Die Erklärungsmerkmale resultieren nicht aus der individuellen Einschätzung von Jugendlichen – also nicht aus derselben Datenerhebung, sondern werden von anderer Quelle herangezogen.

2 Theoretischer und empirischer Hintergrund

Der erste Teil des Hintergrunds thematisiert Theorien, Modelle und Erklärungsansätze des Gesundheits- und Risikoverhaltens, nachdem wichtige Grundbegriffe geklärt wurden. Das letzte Modell, ein Zwiebelschalenmodell (in Anlehnung an Bronfenbrenner, 1981), versucht alle vorhergehenden Theorien mit dem Zweck einer Übersichtsdarstellung zu integrieren. Im Anschluss daran präsentieren mehrere Abschnitte geographische, wirtschaftliche und politische Unterschiede von Schweizer Kantonen. Der zweite Teil des Hintergrunds breitet den relevanten Forschungsstand im Bereich Substanzkonsum von Jugendlichen[4] aus.

2.1 Gesundheitsverhalten versus gesundheitliches Risikoverhalten

Mit dem Begriff Gesundheitsverhalten sind sowohl gesundheitserhaltendes bzw. gesundheitsförderliches[5] Verhalten wie auch die Unterlassung von risikoreichem Verhalten gemeint (Schwarzer, 2004). Zu gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen gehören nach Schwarzer (2004) beispielsweise körperliche Aktivität, gesunde Ernährung, Kondombenutzung, Zahnpflege und Anlegen von Sicherheitsgurten beim Autofahren, d. h. allgemein formuliert Lebensweisen, die Schäden fernhalten und die Fitness fördern. Demgegenüber stehen (gesundheits-)riskante Verhaltensweisen wie Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum. Schwarzer (2004) betrachtet den Begriff Gesundheitsverhalten als Oberbegriff für gesundheitsförderliches wie auch für gesundheitsgefährdendes Verhalten.

Beim Terminus gesundheitsrelevantes Verhalten verhält es sich vergleichbar: Das gesundheitsrelevante Verhaltensspektrum schliesst nach Raithel (2004) alle Verhaltensklassen ein, die für den Gesundheitszustand relevant sind. Es umfasst sowohl gesundheitliches Risikoverhalten wie auch gesundheitsförderliches Verhalten in einer bipolaren Perspektive. Der Begriff gesundheitsrelevantes Verhalten scheint allerdings aus einer sprachlichen Warte semantisch eindeutiger zu sein als der Terminus Gesundheitsverhalten (Raithel, 2004). Letzteres begleitet die Bedeutung, dass insbesondere für die Gesundheit vorteilhaftes Verhalten gemeint sein könnte. Die folgende Tabelle 1 skizziert einen Überblick über das gesundheitsrelevante Verhaltensspektrum.

Tabelle 1: Gesundheitsrelevantes Verhaltensspektrum (Auszug aus Raithel, 2004)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Raithel (2004) bezeichnet Risikoverhalten generell als ein Verhalten, das potenziell zu einer Schädigung oder zu einem Verlust führen kann. Kennzeichnend für Risikoverhalten ist die Unsicherheit, mit der die unerwünschten Folgen des riskanten Verhaltens auftreten können. Raithel (2004) differenziert neben dem gesundheitlichen Risikoverhalten drei weitere Risikoverhaltenstypen: delinquentes (z. B. Gewalt), finanzielles (z. B. Glückspiel) und ökologisches (z. B. Umweltverschmutzung beim Schneemobilfahren) Risikoverhalten. Der Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum zählt zum gesundheitlichen Risikoverhalten. Insbesondere für Jugendliche birgt der Substanzkonsum ein beträchtliches Risiko, da die Schädigungsgefahr und das Schädigungsausmass für Heranwachsende grösser als für Erwachsene ist (Richter, Bauer & Hurrelmann, 2004). Ausserdem ist das Jugendalter meist der Einstiegspunkt für den Substanzkonsum. Ebenso findet die Habitualisierung des Substanzkonsums häufig in dieser Lebensphase statt (Raithel, 2004). Je früher mit dem Substanzkonsum begonnen wird, desto häufiger dauert er bis ins späte Jugendalter oder ins Erwachsenenalter an (vgl. Schmid et al., 2007) und umso grösser wird das Risiko, im Erwachsenenalter beispielsweise Alkoholprobleme zu entwickeln (De Wit, Adlaf, Offord & Ogborne, 2000).

2.1.1 Modelle des Gesundheitsverhaltens

Die Gesundheitspsychologie hat diverse Gesundheitsverhaltensmodelle entwickelt, die zu erklären versuchen, wie gesundheitsförderliches oder -erhaltendes respektive die Unterlassung von gesundheitsgefährdendem Verhalten zu Stande kommen. Sie lassen sich grob in zwei Klassen unterteilen: in kontinuierliche Prädiktionsmodelle und dynamische Stadienmodelle (Schwarzer, 2004). Die kontinuierlichen Modelle betrachten definierte Variablen (z. B. Risikowahrnehmung, Selbstwirksamkeitserwartung etc.) als prädiktiv für Gesundheitsverhaltensweisen. Jedes der Konstrukte eines Modells erhält ein anderes Gewicht zur Vorhersage eines Verhaltens. Die folgenden Abschnitte beschreiben vier kontinuierliche Modelle in Kürze:

1) Die Theorie der Schutzmotivation (Protection Motivation Theorie, PMT; Rogers, 1983) fasst die zentralen Konstrukte „umweltbezogene Informationsquellen“ (verbale Überzeugungen, Beobachtungslernen), „intrapersonale Informationsquellen“ (Persönlichkeitsvariablen, frühere Erfahrungen), „Bedrohungseinschätzung“ (intrinsische resp. extrinsische Belohnung, Schweregrad einer Erkrankung, Verletzbarkeit), „Bewältigungseinschätzung“ (Handlungs- und Selbstwirksamkeit, Handlungskosten) und „Bewältigungsmodalitäten“ (adaptive und maladaptive) zusammen. Kernannahmen der PMT sind: Der Umgang mit einer Gesundheitsbedrohung ist das Ergebnis zweier Bewertungsprozesse. Erstens wird die Bedrohung und zweitens werden die Bewältigungsmöglichkeiten eingeschätzt. Die Bewertungsprozesse werden durch die Wahrnehmung gesundheitsbezogener Informationen ausgelöst und beeinflussen die Bildung einer Schutzmotivation, d.h. einer Intention, ein Risikoverhalten aufzugeben oder ein Gesundheitsverhalten auszuführen.
2) Zur Theorie des geplanten Handelns (Theorie of Planned Behavior, TPB, Ajzen, 1985, 1991) gehören die relevanten Dimensionen „affektive Bewertung des Verhaltens“ (Einstellung), „Ansprüche der Umgebung“ (subjektive Norm), „wahrgenommene Ressourcen und Fertigkeiten für ein Verhalten“ (Verhaltenskontrolle), „Verhaltensabsicht“ (Intention), „Überzeugungen über und Bewertung von Verhaltenskonsequenzen“, „Überzeugungen über die Erwartungen von anderen“ und „Überzeugungen über die Verhaltenskontrolle“. Die TPB stellt folgende Annahmen in den Mittelpunkt: Menschen handeln grundsätzlich im Einvernehmen mit ihren Absichten (Intentionen). Eine Handlung ist durch die Intention bestimmt. Die Intention für ein Verhalten wird durch die Einstellung (affektive Bewertung eines Verhaltens), die subjektive Norm (die Ansprüche der sozialen Umgebung) und die Kontrollierbarkeit beeinflusst. Sowohl Einstellung wie auch subjektive Norm und Kontrollierbarkeit eines Verhaltens sind durch persönliche Überzeugungen gefärbt.
3) Das Health Belief-Modell (HBM, Becker, 1974) umgreift die zentralen Konstrukte „wahrgenommene eigene Verletzlichkeit“, „Schweregrad von Symptomen“, „Bedrohung durch Krankheit“, „demographische und soziopsychologische Variablen“ (Alter, Geschlecht, Persönlichkeitseigenschaften, sozioökonomische Faktoren), „Nutzen des präventiven Verhaltens“ und „Kosten des präventiven Verhaltens“. Das HBM postuliert, dass zum einen menschliches Handeln rational bestimmt ist und dass zum anderen sozialkognitive Variablen (vgl. oben in diesem Absatz genannte Konstrukte) Einflussgrössen für das Vorsorgeverhalten, für das Aufsuchen medizinischer Beratung und Behandlung sowie für die Compliance sind.
4) Kernfaktoren der sozial-kognitiven Theorie von Bandura (1997) sind „Selbstwirksamkeitserwartung“, „Handlungs-Ergebnis-Erwartungen“ (eigene wie auch Erwartungen anderer), „äussere behindernde und unterstützende Faktoren“ und die „Verhaltensabsicht“ (Intention). Die Selbstwirksamkeitserwartung als die subjektive Gewissheit, neue oder schwierige Anforderungen aufgrund eigener Kompetenzen bewältigen zu können, hat einen direkten und über die (Verhaltens-)Intention sowie die Handlungs-Ergebnis-Erwartungen einen indirekten Einfluss auf das Verhalten – so das Postulat Banduras.

Die dynamischen Stadienmodelle fokussieren im Gegensatz zu den kontinuierlichen auf die Phasen, die Menschen während des Prozesses einer Gesundheitsverhaltensänderung durchlaufen. Es wird angenommen, dass man sich auf dem Weg zur Verhaltensänderung auf Vorstufen befindet, von denen aus man sich sukzessive weiterbewegt. Die folgenden Passagen skizzieren zwei beispielhafte dynamische Stadienmodelle.

1) Prochaska und DiClemente (1983) unterscheiden im Prozess der Verhaltensänderung (Transtheoretisches Modell der Verhaltensänderung; TTM) sechs qualitativ unterschiedliche Stadien:

- Stadium 1: Präkontemplation (keine Verhaltensänderung in den nächsten sechs Monaten beabsichtigt)
- Stadium 2: Kontemplation (Verhaltensänderung in den nächsten sechs Monaten beabsichtigt)
- Stadium 3: Vorbereitung (Verhaltensänderung im nächsten Monat beabsichtigt)
- Stadium 4: Handlung (Verhaltensänderung mindestens seit einem Tag bis längstens seit sechs Monaten vollzogen)
- Stadium 5: Aufrechterhaltung (Verhaltensänderung seit mehr als sechs Monaten vollzogen)
- Stadium 6: Termination (erfolgreiche Verhaltensänderung seit mindestens fünf Jahren)

Die Zuordnung einer Person zu einzelnen Stadien erfolgt anhand ihrer Absicht für ihr zukünftiges respektive für ihr vergangenes Verhalten.

2) Relevante Konstrukte im sozial-kognitiven Prozessmodell gesundheitlichen Handelns (Health Action Process Approach, HAPA; Schwarzer, 1992, 2001) sind „Selbstwirksamkeitserwartung“ (subjektive Überzeugungen, spezifische Verhaltensweisen aufgrund eigener Kompetenz ausführen zu können), „Handlungsergebniserwartung“ (Überzeugungen über Handlungsergebnisse), „Risikowahrnehmung“ (subjektive Einschätzung des Schweregrads von Erkrankungen sowie der eigenen Verwundbarkeit), „Planung der Handlung und Initiative der Handlungsausführung“, „Handlungsausführung und Aufrechterhaltung“ sowie „Wiederherstellung oder Disengagement nach Misserfolg“. Das sozialkognitive Prozessmodell unterscheidet zwischen Motivations- und Volitionsprozessen. In der Motivationsphase beeinflussen die Risikowahrnehmung, die Handlungsergebniserwartungen und die Selbstwirksamkeitserwartung die Absichtsbildung (Intentionsbildung). In der Volitionsphase geht es um Teilphasen der Planung, Initiierung und Aufrechterhaltung des Gesundheitsverhaltens sowie um die Erholung von Rückschlägen. Für jeden Schritt der Verhaltensänderung ist ein gewisser Grad an Selbstwirksamkeitserwartung vorausgesetzt.

In das sozialkognitive Prozessmodell baute Schwarzer (1992) als eine wichtige Determinante für gesundheitsförderliches bzw. die Unterlassung von gesundheitsgefährdendem Verhalten die Risikowahrnehmung ein. Wie man sich gegenüber Gesundheitsrisiken verhält, hängt u. a. davon ab, wie man diese Risiken einschätzt und in welchem Mass man glaubt, sie beeinflussen zu können (Schwarzer, 2004). Die Risikowahrnehmung resultiert aus einer Bilanz der wahrgenommenen Bedeutsamkeit eines Ereignisses und dessen wahrgenommener Eintrittswahrscheinlichkeit. Weinstein (1984) ist der Ansicht, dass Menschen generell dazu neigen, die Gefährdung durch Gesundheitsrisiken zu unterschätzen. In der Schweiz nehmen Jugendliche zwar sehr wohl wahr, dass mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen auch Risiken verbunden sind (Kuntsche, 2004b). Zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler in den achten und neunten Klassen (Befragung im Rahmen des „Health Behaviour in School-Aged Children“-Projektes 2002) vertraten die Meinung, dass der Cannabiskonsum gefährlich bis sehr gefährlich sei. Mehr als die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler bezeichneten Alkohol und Tabak als gefährliche Substanzen (Kuntsche, 2004b). Dennoch konsumieren viele Jugendliche in der Schweiz Alkohol, Tabak und Cannabis – und erkennen zwar deren Gefährdungspotenzial, nehmen aber wahrscheinlich an, eine mögliche Gefährdung treffe auf sie nicht zu (Weinstein, 1982, 1984). Sie können ferner der Meinung sein, dass sie beispielsweise durch sportliche Aktivitäten der Gefährdung entgegenwirken können. Zudem nehmen Jugendliche negative Konsequenzen wie irreversible körperliche und psychische Schäden durch den Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis bei sich oder Gleichaltrigen nur marginal wahr (Kuntsche, 2004b).

2.1.2 Modelle und Erklärungsansätze des gesundheitlichen Risikoverhaltens

2.1.2.1 Sozialisationstheoretisches Modell und seine Wurzeln

Wie im vorangehenden Abschnitt zu lesen war, existiert eine Reihe von psychologischen Modellen, die zu erklären versuchen, weshalb Individuen Gesundheitsverhalten zeigen und gesundheitsgefährdendes Verhalten unterlassen. Im Gegensatz dazu widmen sich Modelle des (gesundheitlichen) Risikoverhaltens der Frage, warum sich Individuen (gesundheitlich) riskant verhalten und ihre Gesundheit gefährden resp. Krankheitsrisiken eingehen. Die folgende Abbildung 1 veranschaulicht die Gegenüberstellung der beiden Modellklassen.

Abbildung 1: Modelle des Gesundheitsverhaltens versus Modelle des Risikoverhaltens (eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dem Problem, dass sich Jugendliche gesundheitlich riskant verhalten, geht das sozialisationstheoretische Belastungs- und Bewältigungsmodell nach. Es sieht das jugendliche Risikoverhalten als Resultat des Zusammenwirkens von psychosozialen Belastungen in unterschiedlichen Sozialisationseinheiten und unzureichenden Kompensationsressourcen, als Folge von Orientierungskrisen, Verhaltensunsicherheiten und dem Testen und Überschreiten von elterlichen und gesellschaftlich vorgeschriebenen Grenzen (Raithel, 2004). Insofern nimmt dieses Belastungs- und Bewältigungsmodell in seiner gesamten Reichweite die „komplexe lebensweltliche und biographische Verflechtung von Gefährdungs- und Belastungspotenzialen während des jugendlichen Entwicklungsprozesses auf“ (Raithel, 2004, S. 52).

Das sozialisationstheoretische Modell von jugendlichem Risikoverhalten integriert Elemente und Kernaussagen unterschiedlicher belastungs- und stresstheoretischer Modelle. Die vorliegende Arbeit verzichtet an dieser Stelle auf die gesamte Darstellung des Modells und hebt lediglich die hier relevanten Bestandteile hervor. So ist neben anderen die Problem Behavior-Theorie von Jessor, Donovan und Costa (1991) eine wichtige theoretische Provenienz. Das Kernanliegen dieser Theorie ist die Relation, die zwischen den psychosozialen Variablen der drei Hauptsysteme a) Persönlichkeit und wahrgenommene Umgebung, b) sozialer Kontext und c) Verhalten besteht. Zum Persönlichkeitssystem gehören elf Variablen aus der Motivationsstruktur (z. B. Leistungserwartung), aus der Glaubens- und Wertestruktur (z. B. Selbstwertgefühl, Kontrollüberzeugung) sowie aus der Kontrollstruktur (z. B. Moraleinstellung). Darüber hinaus wird ein Konglomerat an Faktoren aus der wahrgenommenen Umgebung wie Kontrolle und Einfluss durch Eltern und Freunde zum Persönlichkeitssystem gezählt. Den sozialen Kontext bilden soziodemographische Aspekte wie Bildung, Einkommen, Religionszugehörigkeit usw. Das Verhaltenssystem besteht aus Problemverhalten (Substanzkonsum) und konventionellen Verhaltensweisen (Kirchenbesuche, Gesundheitsverhalten). In jedem dieser drei Systeme entsteht je nach Ausprägungen der psychosozialen Variablen eine theoretische Neigung: eine Persönlichkeits-, eine Umgebungs- und eine Verhaltensneigung. Die Kombination der drei Neigungen stellt eine übergeordnete Neigung zur Vorhersage und Erklärung der Variation im Problemverhalten[6] dar.

Aus der Sicht des Entwicklungsaufgabenkonzepts nach Havighurst (1974) wird Problemverhalten als Ergebnis der Begegnung mit spezifischen Anforderungen der Lebensphase betrachtet. Damit kommt dem Risikoverhalten eine instrumentelle Funktion zu. Zentrale Entwicklungsaufgaben von Jugendlichen sind a) die Ablösung von den Eltern und die Entfaltung eines autonomen sozialen und emotionalen (Bindungs-)Verhaltens, b) die Erweiterung eines eigenen Werte- und Normensystems und eines politischen und ethischen Bewusstweins, c) die Ausweitung der intellektuellen Kompetenzen und der Aufbau beruflicher Qualifikationen und d) die Bewältigung neuer Körpererfahrungen und die Akzeptanz der körperlichen Erscheinung sowie die Entwicklung einer eigenen Geschlechterrolle. Bei der Verwirklichung einer Vielzahl von Entwicklungszielen kann der Substanzkonsum Jugendliche unterstützen. Nach Silbereisen und Reese (2001) kann er helfen, einen persönlichen Stil auszudrücken, grenzüberschreitende Erfahrungen zu machen, den Zugang zu Peergruppen zu erhalten, intime Beziehungen aufzubauen, die Unabhängigkeit von den Eltern zu demonstrieren, Spass zu haben und zu geniessen.

Risikoverhalten entsteht also einerseits zur Unterstützung der eigenen Fähigkeit, bestimmte Entwicklungsziele zu erlangen. Andererseits tritt es auf, weil gewisse Lebensziele wegen äusserer Gegebenheiten nicht verfolgt werden können. Merton (1968) erklärt in seiner Strain Theory (Strain heisst Spannung), dass insbesondere sozial benachteiligte Jugendliche zum problematischen Substanzkonsum neigen, da sie über geringere Chancen verfügen, gesellschaftlich akzeptierte Lebensziele wie Bildung und Wohlstand zu erreichen. Die Spannung entsteht aus dem Auseinanderklaffen der sozial vorgegebenen Lebensziele einerseits und andererseits der Möglichkeiten, diese Ziele zu verfolgen. Der problematische Substanzkonsum ist daher Reaktion auf dieses durch äussere Gegebenheiten entstandene Unvermögen, bestimmte Normziele zu erreichen.

Der sozialstrukturelle Kontext kann als belastungsgenerierende Grösse für Jugendliche verstanden werden. Sozialisationsinstanzen (Umgebungen) wie die Familie, Gleichaltrige (Peers) und die Schule nehmen eine bedeutende Stellung im Jugendalter ein. Die Familie stellt die erste so genannte primäre Sozialisationsinstanz für Kinder und Jugendliche dar (Schmid, Kuntsche & Delgrande, 2001). Sie bildet ein Erziehungssystem, das Kinder von der Geburt an begleitet. Für die Entwicklung der Jugendlichen sind folgende Ebenen der familiären Gesamtsituation relevant: die finanzielle und soziale Lage der Eltern, die Wohnsituation, die biographische und Persönlichkeitsstruktur der Eltern, die Qualität der Partner-/ehelichen Beziehung und der Eltern-Kind-Beziehung sowie das innerfamiliäre Klima (Raithel, 2004). Eltern wirken mit ihrem eigenen Konsumverhalten als Vorbilder ihrer Kinder. Zudem werden familiäre Belastungen von Jugendlichen besonders stark empfunden (Raithel, 2004). Mit Beginn der Schulzeit verschieben sich die Sozialisationsaufgaben auf die Schule und in der Adoleszenz rücken sowohl die Familie wie auch die Schule als Sozialisationsinstanzen in den Hintergrund und machen dem Einfluss der Gleichaltrigen Platz (Schmid et al., 2001). Besonders während der Ablösung vom Elternhaus und der Aufnahme von partnerschaftlichen Beziehungen kommt der Sozialisationsrelevanz der Gleichaltrigengruppe (Peer-Groups) eine starke Einflusskraft zu. Peers unterstützen die Entwicklung sozialer Kompetenzen, die Bewältigung altersspezifischer Probleme, die Lösung von Identifikationsaufgaben, die Vorbereitung auf die Erwachsenenrolle und bieten attraktive Freizeitpartner (Wnuck, 1987). Indessen kann über Risikoverhalten ebenso Anerkennung und Integration unter Gleichaltrigen erlangt werden (Raithel, 2004).

Insgesamt finden sich in den Sozialisationsfeldern Familie, Schule und Peers zum einen Belastungen, die Jugendliche bewältigen müssen. Riskantes Verhalten kann als typische Form einer misslingenden Bewältigung von Anforderungen bzw. Belas-tungen interpretiert werden (Hurrelmann, 2006). Zum anderen können aus Hirschis (1969) Sicht Menschen aus dem sozialen Umfeld – Eltern und Freunde – schützend gegen riskantes Verhalten wirken. Seine Theorie der sozialen Kontrolle postuliert, dass beispielsweise starke Bindungen zu Eltern und verbindliche Aktivitäten mit Freunden, aber auch schulische Verpflichtungen ein protektives Netzwerk gegenüber Drogenmissbrauch bilden.

2.1.2.2 Konzepte der Substanzkonsum-Motive

Cox und Klinger (1988) unterscheiden Trinkmotive nach zwei orthogonalen Dimensionen: der Wertigkeit (positiv oder negativ) und der Quelle der erhofften Effekte (personintern oder personextern). Daraus resultieren vier Gruppen von Trinkmotiven: 1. Verstärkermotive (intern generiert und positive Gefühle provozierend wie trinken, um Spass zu haben), 2. soziale Motive (extern generiert und positive Gefühle provozierend wie trinken, um mit Freunden zu feiern), 3. Konformitätsmotive (extern generiert und negative Gefühle verhindernd wie trinken, um von anderen nicht abgelehnt zu werden) und 4. Bewältigungsmotive (intern generiert und negative Gefühle verhindernd wie trinken, um Probleme zu vergessen).

Nach dem Modell von Cox und Klinger (1988) lassen sich sowohl verschiedene Alkohol- wie auch unterschiedliche Cannabis- und Tabakkonsummotive auseinanderhalten. Bei 15-jährigen Cannabisgebrauchenden kommen Verstärkungsmotive (gutes Feeling, high sein) besonders häufig als Gründe für den Cannabiskonsum vor (Schmid et al., 2007). An zweiter Stelle stehen soziale Motive beim Konsum von Cannabis (lustiger, wenn mit anderen zusammen). Ebenso rauchen die meisten 15-Jährigen Tabak, um positive Gefühle zu verstärken (Party geniessen, Spass haben) und der zweitwichtigste Grund fürs Rauchen ist, negative Gefühle zu dämpfen (Bewältigungsmotive wie: es hilft, wenn niedergeschlagen). Bei 15-jährigen Alkoholkonsumierenden zeigt sich, dass Verstärkungs- (Party geniessen) und soziale Motive (lustiger, wenn mit anderen zusammen) im Vordergrund stehen (Schmid et al., 2007).

Jugendliche greifen in der Regel aus anderen Gründen zur ersten Zigarette als Erwachsene (Schwarzer, 2004): Sie experimentieren. Flay, d’Avernas, Best, Kersell und Ryan (1983) unterscheiden beim jugendlichen Tabakkonsum die Eingangsphase, die Experimentierphase und die Gewöhnungsphase. In der Eingangsphase machen Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit dem Rauchen. Während des Experimentierstadiums wird ein Heranwachsender durch wiederholtes Ausprobieren zum Raucher. Daraus wird dann die Gewöhnung und es tritt eine psychische und körperliche Abhängigkeit ein.

Substanzkonsum kann nach Engels und van den Eijnden (2007) auch eine positive Funktion für Jugendliche haben. Obwohl viele Forscher, Eltern, Politiker und Gesundheitserzieher vorwiegend auf die negativen Seiten von Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsum schauen, teilen Engels und van den Eijnden die Ansicht, dass es für ein grundlegendes Verständnis ineffektiv ist, wenn man nur die negativen Konsequenzen des Konsums betrachtet. Positiv sind die sozialen Vorteile durch den Konsum. Es gibt starke Hinweise in der Forschung, dass Jugendliche, die trinken, besser in der Peer-Gruppe integriert sind und sich weniger einsam fühlen. Jugendliche, die nach den Gründen fürs Trinken gefragt werden, geben oft soziale Motive an (Kuntsche, Knibbe, Gmel & Engels, 2005): Es sei einfacher, auf andere zuzugehen oder Erlebnisse zu teilen.

2.1.2.3 Persönlichkeitspsychologische Konstrukte

Nicht zuletzt kommt über die beschriebenen Motive des Substanzkonsums hinaus auch persönlichkeitspsychologischen Konstrukten wie beispielsweise dem Selbstwert (Rosenberg, 1968; vgl. Carvajal, Clair, Nash & Evans, 1998 und Wills, 1994) eine besondere Bedeutung für den Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum zu. Risikoverhalten kann als Reaktion auf wiederholte selbstwertbeeinträchtigende Erfahrungen geschehen (Raithel, 2004). Ebenso kann das Persönlichkeitsmerkmal Sensation Seeking (Suche nach „Kick“ und „Thrill“; Zuckerman, 1979) als ausgeprägtes Streben nach neuen, abwechslungsreichen, komplexen und intensiven Sinneseindrücken und Erfahrungen zu gesundheitlichem Risikoverhalten führen.

2.1.3 Integratives Gesundheits- und Risikoverhaltensmodell

Jugendliches Risikoverhalten beruht auf einem Wirkungsgefüge, das sich einerseits aus personbezogenen Faktoren wie z. B. der Persönlichkeit, der Motivation, der Wahrnehmung und Verarbeitung von Stress zusammensetzt. Andererseits wirken Kräfte des unmittelbaren Umfelds wie Familie, Freundeskreis und Schule, aber auch des weiterreichenden Umfelds wie die Gesellschaft und die Gelegenheitsstruktur – nämlich Möglichkeiten und Mittel für die Ausübung des Risikoverhaltens – mit.

Dem unmittelbaren, wie auch dem weiterreichenden Umfeld schenkt Bronfenbrenner in seinem Buch „Ökologie der menschlichen Entwicklung“ (1981) besondere Bedeutung. Er sieht im Prozess der menschlichen Entwicklung eine fortschreitende gegenseitige Anpassung zwischen dem Menschen und den Eigenschaften seiner unmittelbaren Lebensbereiche. Dieser Prozess wird fortlaufend von den Beziehungen der Lebensbereiche untereinander und von grösseren Kontexten beeinflusst, in die sie eingebettet sind. Aus ökologischer Perspektive müsse man sich die Umwelt als ineinandergeschachtelte Anordnung konzentrischer Strukturen vorstellen. Diese Strukturen werden als Mikro-, Meso-, Exo- und Makrosysteme bezeichnet und umgeben das Individuum wie die Schalen einer Zwiebel. Jede dieser Schalen kann indirekt auf das Individuum im Zentrum einwirken; direkt steht jedoch nur das Mikrosystem mit dem Individuum in Wechselwirkung (Asendorpf, 2004). Dieses entspricht einem Muster von Tätigkeiten und Aktivitäten, Rollen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die ein Mensch in einem gegebenen Lebensbereich erlebt. Das Mesosystem umfasst die Wechselbeziehungen zwischen den Lebensbereichen, an denen ein Mensch aktiv beteiligt ist. Demgegenüber stellt das Exosystem ein oder mehrere Lebensbereiche dar, an denen ein Mensch nicht unmittelbar teilhat, die aber auf die diesem Menschen zugehörigen Lebensbereiche einwirken können. Es entspricht beispielsweise der zugehörigen sozialen Schicht eines Individuums. Letztlich bezieht sich das Makrosystem als Kollektivebene auf die inhaltliche und formale Ähnlichkeit der Systeme niedriger Ordnung und integriert die Individualebenen Mikro-, Meso- und Exosystem (Bronfenbrenner, 1981).

Bronfenbrenners Mehrebenenanschauung der menschlichen Umwelt ermöglicht die Zusammenführung der weiter oben beschriebenen Ansätze und Modelle des Gesundheits- und Risikoverhaltens von Jugendlichen (vgl. Raithel, 2004). Abbildung 2 zeigt die Modelle und Ansätze auf der Ebene des Mikrosystems und diejenigen mit Verbindung der Mikro-, Exo- und Mesoebenen. Die Makroebene entspricht der Gesellschaftsstruktur bzw. den Subkulturen einer Gesellschaft. Diese Mehrebenenanschauung ist nicht nur für die Vereinigung der Gesundheits- und Risikoverhaltensmodelle sowie Risikoverhaltensansätze hilfreich, die Terminologie des Mehrebenenmodells wird im weiteren Verlauf der Arbeit auch immer wieder benutzt, um darzustellen, von welcher Umweltebene (Mikro-, Meso-, Exo- oder Makroebene) die Rede ist.

Abbildung 2: Integratives Modell des Risikoverhaltens von Jugendlichen (eigene Darstellung)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Risikoverhalten, genauer gesagt mit dem Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum von Schweizer Jugendlichen. Sie beabsichtigt, mögliche kantonale Unterschiede im Substanzkonsum von Schweizer Jugendlichen zu analysieren. Im Besonderen geht es hier um Beziehungen zwischen dem riskanten Verhalten von Jugendlichen auf der Mikroebene und dem Makrosystem – insbesondere um die gesellschaftlichen Subkulturen und -strukturen, d. h. um die Schweizer Kantone. Die Aggregation (von lat. aggregare: anhäufen) des Risikoverhaltens vieler Jugendlicher im Mikrosystem ermöglicht den Bezug zur Makroebene und lässt individuelle Handlungen mit kollektiven Erscheinungen der Kantone wie beispielsweise mit der Bevölkerungsdichte oder mit dem durchschnittlichen Einkommen der privaten Haushalte (Volkseinkommen) verbinden. Die bisherigen Abschnitte versuchten das jugendliche Risikoverhalten aus einer theoretischen Sicht näher zu betrachten. Was jetzt folgt, widmet sich einer genaueren Betrachtung der Strukturen der Schweizer Kantone.

2.2 Unterschiede der Schweizer Kantone

2.2.1 Fläche, Bevölkerung, Wirtschaftsfaktoren und Föderalismus

Das räumliche, kulturelle, ökonomische und politische Gefüge der Schweiz ist vielfältig. Die Schweiz erstreckt sich auf rund 41'000 km2 Fläche, ist zu knapp 7% besiedelt und zu 37% landwirtschaftlich genutzt (Bundesamt für Statistik, 2009a). 31% der Fläche sind bewaldet und 25% werden nicht genutzt (z.B. vegetationsloses Gebiet, unproduktive Vegetation und Gewässer). Insgesamt bevölkern rund 7.6 Millionen Menschen die Schweiz; davon sind 21% Ausländer[7] (Bundesamt für Statistik, 2009a). In der Schweiz existieren vier Landessprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch). Sie gliedert sich in 26 hinsichtlich der geographischen Erstreckung, der Bevölkerungszahl, des Siedlungsanteils sowie der wirtschaftlichen Faktoren Volkseinkommen und Arbeitslosenquote sehr heterogene Kantone (Bundesamt für Statistik, 2009a). Die vorliegende Arbeit fokussiert auf einen kantonalen Vergleich des Substanzkonsums von Jugendlichen. Insgesamt werden sieben Kantone verglichen, die Daten über den Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum von 11- bis 15-Jährigen zu drei Erhebungszeitpunkten 1998, 2002 und 2006 liefern. In der folgenden Abbildung 3 sind die im weiteren Verlauf relevanten sieben Schweizer Kantone dunkel eingefärbt. Man kann erkennen, dass die Gesamtfläche der relevanten Kantone rund 48% der Gesamtfläche der Schweiz ausmacht. Die sieben relevanten Kantone verteilen sich über die drei Hauptsprachgebiete der Schweiz: die deutsche, französische und italienische Schweiz. Sie vertreten jedoch die drei Sprachgebiete, was deren Bevölkerungsanteil betrifft, nicht repräsentativ. Die französische und italienische Schweiz sind über-, die deutsche ist untervertreten.

Abbildung 3: Schweizer Karte mit relevanten Kantonen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkungen: AG=Aargau, AI=Appenzell Innerrhoden, AR=Appenzell Ausserrhoden, BE=Bern, BL=Basel Landschaft, BS=Basel Stadt, FR=Freiburg, GE=Genf, GL=Glarus, GR=Graubünden, JU=Jura, LU=Luzern, NE=Neuenburg, NW=Nidwalden, OW=Obwalden, SG=St. Gallen, SH=Schaffhausen, SO=Solothurn, SZ=Schwyz, TG=Thurgau, TI=Tessin, UR=Uri, VD=Waadt, VS=Wallis, ZG=Zug, ZH=Zürich

50% der Schweizer Bevölkerung bewohnen die sieben relevanten Kantone. Insofern fliesst ungefähr die Hälfte der Schweiz sowohl flächen- wie auch bevölkerungsmässig in die vorliegende Arbeit ein. Die nächste Tabelle 2 verschafft einen Überblick über die Heterogenität dieser sieben Kantone. Sie schlüsselt deren Fläche, Siedlungsanteile, Bevölkerungszahlen, Ausländer-, Sprach- und Bildungsanteile sowie die Volkseinkommen und die Arbeitslosenquoten auf.

Tabelle 2: Heterogenität der sieben relevanten Schweizer Kantone

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkungen: Quelle Bundesamt für Statistik (2009a); a: Bevölkerungsbefragung 2000

Der heterogene bzw. föderalistische Staatsaufbau ist eines der wichtigsten Strukturmerkmale der schweizerischen Verfassung. Der schweizerische Föderalismus entspricht nach Linder (2005) weitgehend einer gesamtstaatlichen Einheit mit grösstmöglicher Autonomie seiner Teileinheiten, was Duchacek (1970) als Kern des Föderalismus definiert. Im Rahmen der kantonalen Ordnung wird den rund 3'000 Gemeinden der Schweiz eine weitreichende Selbstorganisation und Autonomie bei der Wahrung der Aufgaben eingeräumt (Reinhard, 2008). Die Dezentralisierung der politischen und rechtlichen Kompetenzen folgt nachstehenden Grundideen: 1.) hohe Autonomie der Kantone zur Garantie politischer Vielfalt, 2.) Subsidiarität (der Bund übernimmt nur solche Aufgaben, zu denen die Gemeinden bzw. Kantone nicht in der Lage sind), 3.) Solidarität (keine Konkurrenz unter den Kantonen) und 4.) vertikale und horizontale Kooperation (d.h. unter Gemeinden bzw. Kantonen wie auch zwischen Gemeinden, Kantonen und dem Bund) (Linder, 2005). Sowohl der Bund wie auch die Kantone und die Gemeinden verfügen über eine Verfassung und erheben eigene Einkommens- und Vermögenssteuern. Ferner tragen die drei Instanzen die Gesamtausgaben der Schweiz gemeinsam; jede zu ihrem Anteil, je nach Bereich.

Abbildung 4: Anteile der Bundes-, Kantons- und Gemeindeausgaben an den Gesamtausgaben im Bereich Gesundheit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung: Im Anhang der Publikation „Öffentliche Finanzen der Schweiz 2006“ (Bundesamt für Statistik, 2008b) wurden Daten mitgeliefert, die als Berechnungsgrundlage der Abbildung dienten.

Die Abbildung 4 zeigt, dass die Ausgaben im Bereich Gesundheit vorwiegend von den Kantonen (65%) und Gemeinden (34%) getragen werden. Der Bund beteiligt sich nur marginal im Bereich Gesundheit (ca. 1%). Vergleicht man die Finanzierungsanteile des Gesundheitswesens[8] auf den Ebenen Bund, Kantone und Gemeinden in den letzten 10 Jahren, ist eine geringe Zunahme der Kostenbeteiligung von Kantonsseite hauptsächlich zu Gunsten der Gemeinden zu erkennen (Tabelle 3).

Tabelle 3: Finanzierung des Gesundheitswesens durch Bund, Kantone und Gemeinden

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkungen: Die Tabelle enthält eigene Berechnungen mit Daten des Bundesamts für Statistik (2009b); Grundlage ist das Dokument: „Finanzierung der Kosten des Gesundheitswesens nach Direktzahlenden und Finanzierungsträgern aus der Sicht der sozialen Sicherheit und der Volkswirtschaft“ (Bezeichnung: je-d-14.05.03.06). a: TOTAL in % meint den Anteil der Gesamtfinanzierung des Gesundheitswesens durch Bund, Kantone und Gemeinden. Die restlichen Anteile werden von Sozial- und Privatversicherungen sowie von privaten Haushalten getragen.

In der Schweiz existiert nicht nur eine ungleichmässige vertikale Verteilung der Finanzierung des Gesundheitswesens, sondern auch horizontal – also zwischen Kantonen – sind beachtliche Unterschiede vorhanden, was die Bezahlung der Gesundheitsausgaben betrifft. Die von den hier relevanten Kantonen getragenen Pro-Kopf-Nettobelastungen[9] für prophylaktische und therapeutische Massnahmen gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch variierten im Jahr 2006 folgendermassen (eigene Berechnungen, Datenquelle: Bundesamt für Statistik, 2009b)[10]:

- 10.86 CHF im Kanton Aargau
- 16.78 CHF im Kanton Bern
- 10.58 CHF im Kanton Freiburg
- 28.87 CHF im Kanton Jura
- 22.03 CHF im Kanton Tessin
- 9.14 CHF im Kanton Wallis
- 5.26 CHF im Kanton Zürich.

Resümierend wird deutlich, dass sowohl zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden (vertikal) wie auch zwischen einzelnen Kantonen (horizontal) grosse Differenzen in der Finanzierung des Gesundheitswesens bzw. der Prävention von Alkohol- und Drogenmissbrauch bestehen. Darüber hinaus ist erkennbar, dass die Kantone bei der Finanzierung der Volksgesundheit bzw. des Gesundheitswesens im Vergleich zu Bund und Gemeinden massgeblich beteiligt sind. Neben der Finanzierungsaufteilung des Gesundheitswesens existiert ein Katalog an weiteren Aufgaben, Kompetenzen und Tätigkeiten, die den drei staatlichen Ebenen – insbesondere Bund und Kantonen –obliegen. Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit diesem Thema.

2.2.2 Gesundheitspolitiken der Schweizer Kantone

Landläufige Vorstellungen von Gesundheitspolitik reduzieren den Gegenstand oft auf Krankenversorgungs- respektive Kostendämpfungspolitik. Diese Verkürzung markiert die gesellschaftlich dominierende Wahrnehmung von Gesundheitspolitik und blendet die Gestaltungsfelder der auf Verbesserung der Bevölkerungsgesundheit bezogenen Politik aus (Rosenbrock & Gerlinger, 2006). Nach Rosenbrock und Gerlinger (2006) umfasst Gesundheitspolitik als Konzept das gesamte Spektrum politisch gestaltbarer Aspekte des gesellschaftlichen Umgangs mit Gesundheit und Krankheit. In einem analytischen Sinn schliesst Gesundheitspolitik die Gesamtheit der organisierten Anstrengungen ein, die die Gesundheit von Individuen oder sozialen Gruppen fördern, erhalten, wiederherstellen oder die negativen Konsequenzen von Krankheiten mildern. In einem normativen Sinn zielt Gesundheitspolitik auf die Verbesserung der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung durch die Minderung krankheitsbedingter Einschränkungen der Lebensqualität und des vorzeitigen Todes.

Gesundheitspolitische Entscheidungen fallen auf verschiedenen Ebenen: auf der nationalstaatlichen (Regierungsebene oder Makroebene), auf der regionalen oder verbandlichen (Mesoebene) und auf der individuellen Ebene (Mikroebene wie Unternehmen, Krankenhäuser, Ärzte usw.). Die gesundheitspolitischen Ebenen sind einerseits vertikal stark miteinander verknüpft, andererseits interagieren auf jeder Ebene zahlreiche Akteure. Die Interventionsfelder der Gesundheitspolitik lassen sich auf einem Kontinuum vom Optimalzustand der Gesundheit über verschiedene Stufen der Gesundheitseinschränkung und Krankheit bis hin zum Tod darstellen. Ziel der Gesundheitspolitik ist es, für jeden Zustand eine entsprechende Intervention bereitzustellen (Rosenbrock & Gerlinger, 2006). Zu diesen Interventionstypen zählen die Gesundheitsförderung und verschiedene Formen der Prävention (Belastungssenkung, Frühbehandlung und medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation).

Die Gesundheitspolitik in der Schweiz ist charakterisiert durch eine hohe Fragmentierung bzw. durch eine dezentrale föderale Steuerung durch Kantone und Gemeinden (siehe weiter oben Föderalismus und Finanzierung des Gesundheitswesens unter 2.2.1). Somit wird die Gesundheitslandschaft in der Schweiz von 26 Gesundheitspolitiken der 26 Kantone und einer Bundespolitik geprägt (Achtermann & Berset, 2006). Auf Grund dieser zahlreichen gesundheitspolitisch souveränen Subsysteme wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit von Gesundheitspolitiken (Mehrzahl!) und nicht von einer einzigen Gesundheitspolitik geprochen.

Referenzrahmen der Gesundheitspolitiken in der Schweiz bildet das schweizerische Gesundheitssystem. Ein wichtiges Charakteristikum dieses Systems ist wie gesagt der Föderalismus, der dem Bund im Gesundheitsbereich eine subsidiäre Rolle zuweist (Achtermann & Berset, 2006). Tabelle 4 fasst folgende Kompetenzenteilung zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit zusammen (aus Rosenbrock & Gerlinger, 2006, und nach Kocher & Oggier, 2007). 24 von 26 Kantonen verfügen über ein Gesundheitsgesetz, in denen die meisten der nachstehenden Aspekte geregelt sind (Achtermann & Berset, 2006).

Tabelle 4: Kompetenzteilung zwischen Bund und Kantonen im Sektor Gesundheit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Gesundheitsförderung, Prävention, medizinische Behandlung, Betreuung und Rehabilitation werden als gleichrangige Felder der Gesundheitspolitik bezeichnet (Rosenbrock & Gerlinger, 2006). Prävention bzw. Krankheitsverhütung bezeichnet individuelle und gesellschaftliche Strategien und Massnahmen, die eine Verschlechterung des Gesundheitszustands verhindern (Rosenbrock & Gerlinger, 2006). Die Gesamtheit der Akteure und Institutionen in der Prävention verteilt sich in der Schweiz auf staatliche bzw. öffentliche Einrichtungen (z. B. Bundesämter, öffentlicher Gesundheitsdienst, Spitäler und Schulen), auf öffentlich-rechtliche Körperschaften (z. B. Verbände, Krankenkassen und Ärzte) und auf freie Träger und ihre Einrichtungen (z. B. Selbsthilfegruppen).

Je nach Zeitpunkt des Eingriffs in den Prozess der Krankheitsentstehung unterscheiden Rosenbrock und Gerlinger (2006) Interventionsmassnahmen in Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention. Durch Primärprävention soll die Anzahl der Neuerkrankungen reduziert werden, d. h. durch die Herabsetzung von Gesundheitsbelastungen (schlechte Ernährung, Tabakkonsum, Bewegungsmangel, soziale Isolierung usw.) und durch Stärkung der gesundheitsdienlichen Ressourcen (Kompetenzen, Bildung, Selbstbewusstsein, soziale Netze usw.) wird die Eintrittswahrscheinlichkeit für Krankheiten gesenkt. Den Bereich der Ressourcenstärkung bezeichnen Rosenstock und Gerlinger (2006) als Gesundheitsförderung und subsumieren ihn damit zur Primärprävention. Sekundärprävention umfasst Massnahmen der Krankheitsfrüherkennung bei Risikogruppen. Eine möglichst früh einsetzende Behandlung soll das Fortschreiten der Krankheit verhindern. Tertiärprävention beinhaltet medizinische Behandlungen, die Folgeschäden einer Erkrankung hinauszögern, eingrenzen oder verhindern (Rosenstock & Gerlinger, 2006). Die Klassifizierung in primäre, sekundäre und tertiäre Massnahmen wurde 1997 von der Einteilung in universelle, selektive und indikative Prävention abgelöst (National Institute of Drug Abuse, NIDA, 1997). Universelle Massnahmen richten sich an die ganze unausgelesene Normalbevölkerung, wie sie beispielsweise in der Schule zu finden ist. Dagegen sprechen selektive Massnahmen Personengruppen an, die besonders gefährdet für Problemverhalten sind, ohne dieses allerdings zu zeigen (Kinder von suchtkranken Eltern). Indikative Massnahmen beschäftigen sich mit Individuen, die bereits durch Problemverhalten belastet sind.

Präventionsmassnahmen finden auf zwei Ebenen statt: auf der Verhaltensebene der Individuen und auf der Ebene der Verhältnisse (Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen). Analog unterscheidet man die Verhaltens- von der Verhältnisprävention. Gebräuchliche Instrumente der Verhaltensprävention sind Gesundheitsaufklärung, Gesundheitserziehung und -beratung. Klassische Beispiele für verhältnispräventive Massnahmen sind Arbeitsschutzstandards, Lebensmittelkontrolle, Verkehrsvorschriften, aber auch Abbau von Stressfaktoren und die Erweiterung von Gestaltungsspielräumen (Rosenbrock & Gerlinger, 2006). Im Bereich des Substanzkonsums bilden gesetzliche Rahmenbedingungen für ein Mindestalter der Käufer von Alkoholprodukten oder Bestimmungen über Verkaufspreise von Tabakwaren eine bedeutende Grundlage in der Prävention des Substanzmissbrauchs. Die folgenden Passagen breiten die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen auf Bundesebene und der hier relevanten Kantone der Schweiz aus.

2.2.3 Gesetze im Bereich Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum

Zwei Publikationen (Babor, Caetano, Casswell, Edwards, Giesbrecht, Graham, Grube, Gruenewald, Hill, Holder, Homel, Österberg, Reem, Room & Rossow, 2003; Edwards, 1997) legen dar, dass Verhältnisprävention – wie gesetzliche Regelungen über das Mindest-Kaufalter für alkoholische Getränke, eine niedrige Mindestgrenze für die erlaubte Blutalkoholkonzentration und der Führerausweisentzug bei Verstössen gegen die Alkoholbestimmungen im Strassenverkehr sowie die hohe Besteuerung der Alkoholprodukte – den Umfang alkoholbedingter Störungen in einer Gesellschaft effizient beeinflussen. Das Schweizer Recht beinhaltet entsprechende Gesetze sowohl im Bereich Alkohol wie auch für Tabakwaren insbesondere auf Bundesebene. Die gesetzlichen Bestimmungen über Alkohol- und Tabakwaren betreffen Abgabebeschränkungen, Werbeverbote, Warnhinweise zur Gesundheitsschädigung durch Rauchen, Gesundheits- und Unfallschutzpflicht durch Arbeitgeber und Arbeit-nehmer, Handels- und Besteuerungsrichtlinien sowie den Strafvollzug bei rechtswidrigen Handlungen. Nicht zuletzt beinhaltet sogar das Zivilgesetzbuch Artikel über Kindesschutzmassnahmen bei der Verletzung der elterlichen Sorgepflicht, z. B. durch „Trunksucht“. Die Tabelle 5 verschafft eine Übersicht über die Gesetzeslage des Bundes.

Tabelle 5: Bundesgesetze im Bereich Alkohol und Tabak (eigene Übersicht)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung: Quelle Bundesamt für Gesundheit, 2009a

Über die aufgelisteten Bundesgesetze hinaus existiert auf Kantonsebene das Gastgewerbegesetz, das im sogenannten „Sirupartikel“ Preisvorschriften für alkoholische Getränke macht bzw. vorschreibt, eine Auswahl alkoholfreier Getränke billiger als alkoholhaltige anzubieten (Gastro Suisse, 2009). 22 von 26 Kantonen fordern die Einhaltung des „Sirupartikels“. Ferner verbieten die kantonalen Gastgewerbegesetze die Abgabe von alkoholischen Getränken an Jugendliche unter 16 Jahren[11]. Die kantonalen Gastgewerbegesetze variieren hinsichtlich der Öffnungszeiten von Gastbetrieben und Vorschriften zu Raucher- bzw. Nichtraucherplätzen bis dato nur unwesentlich von Kanton zu Kanton (Gastro Suisse, 2009). Diese weitgehende Homogenität, was die Gesetzeslage bis zum Jahr 2006[12] im Bereich Alkohol angeht – insbesondere in den hier relevanten Kantonen –, macht Tabelle 6 deutlich. Hinsichtlich der alkoholpolitischen Kriterien Werbeeinschränkungen, „Sirupartikel“, zeitliche und örtliche Verkaufseinschränkungen sowie Weiter- und Abgabeverbote bestehen folgende dennoch erwähnenswerte Unterschiede der hier relevanten sieben Kantone (grau eingefärbte Zellen): Der Kanton Freiburg verbietet die Werbung für alkoholische Produkte in Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Die Kantone Jura und Tessin schränken den Verkauf von Alkoholprodukten in Schulkantinen ein. Darüber hinaus verbietet der Kanton Tessin zusätzlich in öffentlichen Gebäuden den Konsum von Alkohol. Was zudem ins Auge springt, ist der Sachverhalt, dass der Kanton Tessin als einziger die Abgabe von allen alkoholischen Getränken an Minderjährige untersagt, insofern die strengsten Jugendschutzbestimmungen hinsichtlich der Abgabe von alkoholischen Getränken aufweist.

Tabelle 6: Gesetzgebungen der Kantone im Bereich Alkohol bis im Jahr 2006

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Anmerkungen: a: SAR=Sammlung Aargauisches Recht; b: BSG=Bernische Systematische Gesetzessammlung; c: SGF=Systematische Gesetzessammlung des Kantons Freiburg; d: RSJU=Recueil Systematique de la Legislation Republic et Canton du Jura; e: RLT=Raccolta delle leggi vigenti del Cantone Ticino; f: SGS=Systematische Gesetzessammlung des Kantons Wallis; g: ZGS=Zürcher Gesetzessammlung

Seit ein paar Jahren betreiben zahlreiche Kantone der Schweiz in den Bereichen Schutz vor Passivrauchen, Werbeeinschränkungen[14] und Abgabeverbot an Jugendliche eine aktive Tabakpräventionspolitik (Bundesamt für Gesundheit, 2007). Zwei Kantone haben Rauchverbote für Gastronomien eingeführt (Solothurn im Jahr 2007 und Tessin im Jahr 2006). Die grosse Mehrheit der Kantone führt seit 2007 Regelungen zum Schutz vor Passivrauchen sowohl im Gastgewerbe wie auch in öffentlichen Gebäuden ein (Bundesamt für Gesundheit, 2009b). Analog beschlossen bereits 15 Kantone generelle Werbeeinschränkungen – der Grossteil ab dem Jahr 2006 (Bundesamt für Gesundheit, 2009c). Nicht zuletzt begrenzen insgesamt 17 Kantone vorwiegend seit Anfang Jahr 2008 das Abgabealter für Tabakwaren auf 16 bzw. 18 Jahre (Bundesamt für Gesundheit, 2009d).[15] Diese kantonalen Gesetzgebungen werden jeweils im kantonalen Gesundheits- oder Gastgewerbegesetz verankert. Die Preis- und Besteuerungspolitik für Tabakwaren wird bundesweit geregelt. Die folgende Tabelle 7 liefert den Kantonsüberblick über die Gesetzeslage im Bereich Tabak bis ins Jahr 2006. Kurz gefasst existieren bis im Jahr 2006 keine massgebenden Gesetzesunterschiede in den relevanten sieben Kantonen. Alle wesentlichen Bestrebungen in der Tabakprävention sind erst ab 2006 im Gange.

Tabelle 7: Gesetzgebungen der Kantone im Bereich Tabak bis im Jahr 2006

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung: Quelle Bundesamt für Gesundheit, 2009b, 2009c, 2009d

Im „Bundesgesetz über die Betäubungsmittel[16] und die psychotropen Substanzen“ ist Cannabis als Betäubungsmittel deklariert, das nicht angebaut, eingeführt, hergestellt oder in Verkehr gesetzt werden darf. Des Weiteren sind sowohl der Besitz wie auch der Konsum strafbar (Bundesamt für Gesundheit, 2009e). Insofern ist der Umgang mit Cannabispräparaten auf Bundesebene geregelt; es existieren keine zusätzlichen kantonalen Gesetze.

Die Gesetzeslage hinsichtlich Alkohol, Tabak und Cannabis ist sehr weitläufig. Sowohl Bundesinstanzen, wie auch die kantonale Rechtsordnung regeln speziell den Konsum dieser Substanzen. In der Rückschau kristallisiert sich allerdings heraus, dass bis vor Kurzem (bis vor zwei bis drei Jahren) hinsichtlich der Gesetze über die Verfügbarkeit, die Steuern, das Mindestalter für Alkohol- und Tabakwaren usw. keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den Schweizer Kantonen bestanden. Allmählich rücken einzelne Kantone mit Vorstössen voran, um Werbe- und Verkaufseinschränkungen, aber auch den Schutz vor Passivrauchen, festzusetzen.

Die Anstrengungen auf kantonaler Ebene, solche Regelungen zu schaffen, kann die regionale bzw. kantonale Unterschiedlichkeit, was den Umgang mit Alkohol- und Tabakwaren betrifft, fördern. Die vorliegende Arbeit stellt mögliche kantonale Unterschiede im Substanzkonsum Jugendlicher in den Mittelpunkt. Bevor allerdings die entsprechenden Fragestellungen konkretisiert werden können, soll Klarheit darüber bestehen, was in der Forschung zum Thema Substanzkonsum von Jugendlichen bereits untersucht wurde. Die folgenden Passagen widmen sich dieser Aufgabe.

2.3 Forschungsstand zum Substanzkonsum von Jugendlichen

Die folgenden Abschnitte greifen den Forschungsstand zum Substanzkonsum von Jugendlichen auf. Insgesamt geht es um eine Darstellung der möglichen Erklärungsfaktoren für kantonale Unterschiede im jugendlichen Substanzkonsum. Da in der Forschungsliteratur oft der Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis simultan untersucht wird und sich die Resultate jeweils auf alle drei Substanzen beziehen, wird hier darauf verzichtet, immer alle drei Substanzbereiche zu nennen. Wenn daher nicht ausdrücklich erwähnt wird, um welche der drei es sich handelt, sind jeweils alle eingeschlossen.

2.3.1 Forschungslücke: Analyse kantonaler Unterschiede

Eine Reihe von internationalen Studien berichtet über den Substanzkonsum von Adoleszenten (z. B. Currie et al., 2004; Currie, Gabhainn, Godeau, Roberts, Smith, Currie, Picket, Richter, Morgan & Barnekow, 2008; Hibell, Andersson, Bjarnason, Ahlström, Balakireva, Kokkevi & Morgan, 2004; Hibell, Guttormsson, Ahlströhm, Balakireva, Bjarnason, Kokkevi & Kraus, 2009) und zeigt, dass zwischen den untersuchten Ländern (europäische Länder, USA und Kanada) erhebliche Unterschiede im wöchentlichen[17]. Alkohol- und Tabakkonsum wie auch in der Lebenszeitprävalenz[18] von Cannabis existieren. Diese Unterschiede sind gemäss Forschergruppen um Hibell und Currie an eine Fülle von Faktoren wie beispielsweise an Persönlichkeitsmerkmale, an das Umfeld (Familie, Freundeskreis, Schule), aber auch an gesellschaftliche, kulturelle und politische Aspekte gekoppelt. Dass die Heterogenität der Kontextfaktoren einzelner Länder das Konsumverhalten von Jugendlichen zu beeinflussen scheint, unterstreicht die im Rahmen der vorliegenden Arbeit formulierte Annahme eines möglichen Zusammenhangs von gesellschaftlichen, kulturellen, ökonomischen, ökologischen und politischen Gegebenheiten der Schweizer Kantone mit dem kantonalen Substanzkonsum von Jugendlichen. In Kanada analysierten Veldhuizen, Urbanoski und Cairney (2007) regionale innerkanadische Unterschiede im problematischen Substanzkonsum und führten diese Disparitäten ebenfalls auf geographische Gegebenheiten zurück.

[...]


[1] Alkohol ist die umgangssprachliche Bezeichnung der chemischen Substanz Ethanol. In der vorliegenden Arbeit steht Alkohol jeweils als landläufige Bezeichnung für Getränke, die aus Alkoholgemischen bestehen wie z. B. Biere, Weine und Spirituosen. Spirituosen enthalten ungefähr 40, Weine 12 und Biere 5 Volumenprozente reinen Alkohol.

[2] Im Weiteren werden der Substanzkonsum und der Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis als bedeutungsgleiche Begriffe verwendet.

[3] Die Prävalenz entspricht der relativen Häufigkeit einer bestimmten Krankheit oder eines bestimmten Merkmals in Bezug zu einer Population (Pschyrembel, 2007).

[4] Weder in der Alltags- noch in der Fachsprache existiert eine einheitliche Definition des Begriffs Jugend. Die Jugend wird als Altersphase der Jugendlichen angesehen und stellt die Zeitspanne zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter dar (vgl. Raithel, 2004).

[5] In der weiteren Arbeit ist mit gesundheitsförderlichem Verhalten sowohl gesundheitsförderliches wie auch gesundheitserhaltendes Verhalten gemeint.

[6] Der Substanzkonsum wird als eine Form von Problemverhalten angesehen (vgl. Raithel, 2004).

[7] Als Ausländer werden Personen bezeichnet, die einzig die Staatsbürgerschaft eines ausländischen Staates besitzen (Bundesamt für Statistik, 2008a). Doppelbürger werden in der Statistik zu den Schweizern gezählt. Demgegenüber sind Migranten Personen, die ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegt haben. Das können neben im Ausland Geborenen auch Schweizer Bürger sein, die in die Schweiz zurückgekehrt sind. Nicht zu den Migranten gehören jedoch in der Schweiz geborene Menschen, die einzig eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen.

[8] Die Finanzierung des Gesundheitswesens umfasst nicht nur die Ausgaben im Bereich Gesundheit, sondern auch einen Teil der Ausgaben im Bereich Wohlfahrt, z. B. Ausgaben für Sozialversicherungen wie Alters-, Invaliden- und Krankenversicherungen. Daher stimmen die Finanzierungsanteile im Bereich Gesundheit im Jahr 2006 (vgl. Abbildung 4) nicht mit den Finanzierungsanteilen des Gesundheitswesens des Jahres 2006 (vgl. Tabelle 3, letzte Spalte) überein.

[9] Die kantonale Nettobelastung pro Einwohner ist der Indikator für die Finanzierung im Bereich Prävention von Alkohol-, Tabak- und Drogenmissbrauch.

[10] Datengrundlage für die Berechnungen war das Dokument „Finanzierung des Gesundheitswesens - Direktzahlender: Kantone“ (Bezeichnung: su-d-14.05.03-05).

[11] Bis zum Jahr 2002 war das Alkoholabgabeverbot lediglich auf Kantonsebene über das Gastgewerbegesetz geregelt. Nachher trat ein entsprechendes Gesetz auf Bundesebene in Kraft (Lebensmittelverordnung, Artikel 37).

[12] Weiter oben wurde erwähnt, dass in der vorliegenden Arbeit Daten über den Substanzkonsum Jugendlicher von sieben Schweizer Kantonen aus den drei Erhebungsjahren 1998, 2002 und 2006 analysiert werden. Insofern sind insbesondere die Gesetzesgrundlagen bis zum letzten Erhebungsjahr 2006 relevant. Demzufolge werden hier Gesetze aufgeführt, die bis Ende 2006 galten.

[13] Das Abgabeverbot schliesst hier sowohl das Verkaufs- wie auch das Ausschankverbot von alkoholhaltigen Getränken ein.

[14] Die im Schweizer Recht geltenden Gesetze verbieten die Anpreisung von Tabakwaren und alkoholischen Getränken an Verkaufsstellen, wenn sie sich an Jugendliche richtet.

[15] Vor der Einführung dieser Abgabeeinschränkungen existierten keine, auch nicht auf Bundesebene.

[16] Das Schweizer Recht (SR) „Gesundheit – Arbeit – Soziale Sicherheit“ definiert im Kapitel Gesundheit und dem zugehörigen Abschnitt Heilmittel alle Verordnungen im Bereich Cannabis (SR 812.1 ff).

[17] Der wöchentliche Konsum von Alkohol und Tabak birgt wegen der Regelmässigkeit und Häufigkeit des Konsums ein grosses Risiko, abhängig zu werden.

[18] Die Lebenszeitprävalenz von Cannabis ist der Indikator für den mindestens einmaligen Gebrauch von Cannabisprodukten im bisherigen Leben.

Ende der Leseprobe aus 193 Seiten

Details

Titel
Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum von Schweizer Jugendlichen
Untertitel
Eine Analyse kantonaler Unterschiede
Hochschule
UMIT Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik  (Department for Human and Economic Sciences (Institut für Human- und Wirtschaftswissenschaften))
Note
magna cum laude
Autor
Jahr
2009
Seiten
193
Katalognummer
V141664
ISBN (eBook)
9783640513833
ISBN (Buch)
9783640511846
Dateigröße
1928 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Health Behaviour of School-Aged Children, Alkoholkonsum, Tabakkonsum, Cannabiskonsum, Substanzkonsum, Schweizer Jugendliche, kantonale Unterschiede, Bevölkerungsdichte, Ausländeranteil, geringe Bildung, Logit-Analyse
Arbeit zitieren
Isabelle Egger Tresch (Autor:in), 2009, Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum von Schweizer Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141664

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