Die Rolle der Frau im amerikanischen Exil


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung:

1.) Schicksal Exil

2.) Rolle der Frau im amerikanischen Exil
2.1) Der Weg ins Exil
2.2) Ankunft in den USA und Spracherwerb
2.3) Aufbau einer neuen Existenz in Amerika
2.4) Die Frau als Heimat im Exil
2.5) Kehrseiten der Erwerbstätigkeit
2.5.1) Dreifachbelastung
2.5.2) Traditionsbewusstsein
2.5.3) Partnerschaft
2.6) Kurze Seitenblicke
2.6.1) Frauenseite des Aufbau
2.6.2) Rückkehr nach Europa

3. Schluss

4. Anhang
4.1) Bibliographie

1.) Schicksal Exil

Der Nationalsozialismus, der sich in Deutschland nach 1933 verbreitete, zwang viele Juden dazu, ins Ausland zu flüchten. Ein Grossteil der Flüchtlinge fand nach vielen Jahren des Umherreisens in wechselnden Zufluchtsländern, das endgültige Exil in Amerika.

„Emigrant sein heißt ein Leben am Rande der Gesellschaft. Ein Leben auf Widerruf. Soziale Deklassierung. Heimatlosigkeit. Ungewissheit. Angst. Chronischer Geldmangel. Flucht von Land zu Land.“1

Rund die Hälfte der Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland der Jahre nach 1933 waren Frauen. Doch die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern und Forschern, die sich mit dem Thema des Exils auseinandersetzten, galt fast ausschließlich den Männern. Die Publikationen über das deutsche Exil 1933 – 1945 ließ eine Leerstelle zurück: das Schicksal der Frauen, die aus politischen oder rassischen Gründen nach 1933 ihr Heimatland verlassen und fliehen mussten, und derjenigen, die ihren gefährdeten Lebenspartner nicht im Stich lassen wollten. Aus diesem Grund will ich mich in dieser Arbeit speziell mit der Problematik der Frauen im amerikanischen Exil auseinandersetzen. Die wichtigsten Punkte dabei sind die soziale Rolle der Frau im Exil, ihr Beitrag für den Überlebenskampf in der Fremde und ob der Weg ins Exil auch ein Weg in die Emanzipation der Frau war. Viele Spuren sind verweht, verlieren sich in der Anonymität der amerikanischen Großstadt New York. Deshalb bezieht sich meine Arbeit fast ausschließlich auf intellektuelle Frauen, denn über diese gibt es am meisten nachweisliche Schriften. Dies können zum einen Autobiographien sein, Tagebücher, oder auch andere schriftstellerische Werke von Akademikerinnen, die auf diese Weise versucht haben ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Eine dieser Frauen war zum Beispiel die nach Amerika emigrierte Ärztin Hertha Nathorff, die drei Typen von Einwanderern unterschied: die, die bei ihrer Ankunft Vermögen hatten, weil sie rechtzeitig und mit allem Hab und Gut weggegangen waren. Zweitens diejenigen, die reich gewesen sind, und jetzt arm waren, wie auch Hertha Nathorff und ihr Mann. Es waren die zu spät Geflohenen, die nichts hatten retten können als die eigene Haut.

Drittens, diejenigen, die schon immer arm gewesen waren, wie etwa die osteuropäischen Juden, die es aber in Amerika einigermaßen zu etwas brachten.2 Allein diese Aufteilung der Emigranten in die unterschiedlichen Gruppen zeigt schon, wie verschieden die Schicksale und Hintergründe („background“) der selbigen waren. Die meisten Personen, um die es in meiner Arbeit geht, kann man in die zweite Gruppe der Einwanderer einsortieren: die reich gewesen sind, und jetzt im Exil arm waren.

2.) Rolle der Frau im amerikanischen Exil

2.1) Der Weg ins Exil

Die Wege ins Exil konnten ganz unterschiedlicher Art sein. Eine Möglichkeit für Frauen war es zum Beispiel Scheinehen einzugehen, um neue Papiere zu erhalten. Die Männer verlangten oft große Summen für ihren Namen und ihre Dienste zur Hilfe ins Ausland. Es heißt in den Niederlanden wurden ganze Männeraltersheime „leergeheiratet“. Diese Möglichkeit bot sich aber nur wohlhabenden Frauen.

Bei vielen Rettungsaktionen waren es die Frauen, die die Fäden in der Hand hielten. In allen Phasen des Exils, von der Flucht und Auswanderung aus Deutschland, den verschiedenen Stationen des Exils und der Eingliederung in den USA, haben Frauen in beispielhaften Rettungsaktionen gehandelt. Für die Organisation und Abwicklung der Flucht haben sie einen entscheidenden Beitrag geleistet. Sicher im Flüchtlingsland angekommen, bewiesen sie dann ein außerordentlich hohes soziales Engagement. Zuerst galt es aber die Organisation der Flucht zu meistern. Oft blieb die Ehefrau nach der Flucht des Mannes in Deutschland zurück, löste den Haushalt auf, liquidierte das Vermögen, brachte Papiere, Manuskripte und Briefe in Sicherheit. Ein solches Organisationstalent war z.B. Elisabeth Hauptmann, selbst eine Schriftstellerin und Brecht Mitarbeiterin. Während Brecht schon ins dänische Exil geflohen war, blieb sie noch in Berlin zurück, verpackte Brechts frühe Werke, überstand Hausdurchsuchungen, und schaffte viele der Sachen nach Dänemark. Zur erfolgreichen Abwicklung der Flucht gehörten aber auch Behördengänge. Oftmals übernahmen die Frauen die nötigen, lebensrettenden Behördengänge, sowohl im Heimatland, als auch in den Exilländern, und managten den „Fluchtalltag“. Ein Beispiel hierfür ist Heinrich Manns Frau Nelly. Sie war es, die 1940 in Nizza kurz vor der Flucht die Wohnungseinrichtung auflöste3, und außerdem kümmerte sie sich in Lissabon um die Schiffspassagen für die USA. Dazu schrieb Heinrich Mann: „Meine Frau war eifrig in dem Kampf um Schiffskarten. Es erforderte einige, immer dringlicherere Angriffe auf Agenturen und Ämter, natürlich gewappnet mit Papieren. Ich nahm teil ohne rechte Überzeugung.“4 Außerdem war es bei den Manns sogar so, dass Heinrich die Flucht über die Pyrenäen von Frankreich nach Spanien im Jahre 1940 ohne seine Frau wahrscheinlich nicht geschafft hätte. Er war schon über 70 Jahre alt und gehbehindert, und musste von seiner Frau auf die Schultern genommen werden.5

Nachdem dann die ganzen Strapazen der Flucht überstanden waren, bewiesen die Frauen oft auch noch außerordentlich hohes soziales Engagement. Nachdem sie schon längst in den USA waren, halfen sie mit bei der Rettung von noch in Europa ausharrenden Familienangehörigen und Freunden. Sie kümmerten sich um Affidavits, bemühten sich um Visen und besorgten das Reisegeld. Außerdem halfen sie mit in zahlreichen Initiativen und Organisationen zur Flüchtlingsbetreuung, wie Selfhelp oder das Austrian Institut. Betreut wurden etwa Altersheime für ältere Emigranten oder Kindertagesstätten für Emigranten- Kinder. Eine wichtige Vertreterin, die es hier zu erwähnen gilt, war die Österreicherin Irene Harand. Sie war Vorsitzende der Women`s Division of the Anti- Nazi League in New York und half jüdischen Familien bei der Beschaffung von Affidavits.

Auch das Selbsthilfe- Unternehmen Window Shop wurde von Exil-Frauen gegründet. Er wurde 1939 von den Ehefrauen der Mitglieder der Harvard Fakultät organisiert. Sie waren alle Mitglieder im Christian Committee for Refugees, unter der Leitung von Elsa Brändström. Der Shop begann als ein einfacher „dressmaking and giftshop“ und verkaufte von Emigrantinnen selbstgefertigte Textilien, Hüte Modeschmuck und Backwaren. 1940 wurden ein Restaurant und eine Konditorei angegliedert. Emigrantinnen fertigten die Produkte, arbeiteten als Kellnerinnen, Köchinnen, Verkäuferinnen und verdienten damit zu Beginn den Lebensunterhalt für ihre Familien, insgesamt 150 Flüchtlingsfamilien. Elsa Brändström, zeitweise Präsidentin und aktive Helferin, war die prägende Kraft der Institution. Kommentar eines amerikanischen Journalisten: „Ich kenne gut Elsa Brändströms Zeit als >Engel von Sibirien<, weil ich lange Korrespondent in Deutschland war. Ich weiß, dass sie das Leben von mehr als hunderttausend Menschen gerettet hat. Aber ich wage zu behaupten: ihr Triumph ist die Arbeit der Flüchtlinge gewesen. Sie hatte nichts vom Glanz des Abenteuerlichen. Sie war grau und schwer, manchmal sogar nicht einmal erwünscht. Und doch hatte diese Frau alles auf sich genommen mit der glaubenssicheren Tapferkeit eines Soldaten der Heilsarmee und mit der siegesgewohnten Gewissheit einer Dame der Gesellschaft, ohne Übermut, ganz schlicht, ganz selbstverständlich.“6 Elsa Bränström sagt selbst über diese Zeit: „Hier sehe ich mehr vom bodenlosen Hunger der Seelen als in den Gefangenenlagern Sibiriens. Die Soldaten hatten ja noch die Hoffnung auf Heimkehr; den Flüchtlingen aber ist sogar das Brot der Sehnsucht nach Hause genommen worden.“7

2.2) Ankunft in den USA und Spracherwerb

Nach der ersten Euphorie und Begeisterung endlich in den USA zu sein, vor allem in einer so großen Stadt wie New York, machte sich bald der Kulturschock, Fremdartigkeit und Verzweiflung breit. Hierzu Adrienne Thomas, die ins amerikanische Exil floh, bei der Ankunft in New York: „Elsbeth! Bring mich weg von hier. Ich kann nicht mehr! Bring mich fort aus diesem Babel, diesen Betonklötzen, die den Himmel zerkratzen, diesen rücksichtslosen Menschenherden, diesen lauten Strassen und den blödsinnigen und kreischenden Reklamen. Ich geh hier zugrunde.“8 Viele Emigranten hatten eine bestimmte Vorstellung von New York durch Filme und Bücher, und waren bei ihrer Ankunft sehr überrascht, sogar entsetzt über das was ihnen die Wirklichkeit bot. Auch die Dichterin Margarete Kollisch hielt in einem Gedicht über New York diesen Zwiespalt zwischen Vorurteilen und wirklich Erlebtem fest:

New York 1940 Du bist die Stadt der Höhen und Tiefen, lebendige auf totem Fliel3 erbaut. Wie hat vor deiner Gröl3e uns gegraut, Als wir der Heimat angstgequält entliefen.

Wir kannten dich aus Bildern, Büchern, Briefen. Dein Riesenantlitz, hundertmal geschaut, Das unvergleichliche, ward uns vertraut Wie deine Stimmen, die uns lockend riefen.

Nun sind wir hier und alles Fremde, Neue Erfasst und treibt uns hin mit Sturmeswehen, Getürmte Dächer in des Himmels Bläue, Unrast und Lärm im Werden und Vergehen.9

Durch Arbeit, und durch praktisches Tun rissen sich die Emigrantinnen aus ihrem seelischen Tief. Untersuchungen und Schriftstücke haben ergeben, dass Frauen sich leichter, schneller und problemloser im Ausland angepasst haben als Männer. Zwei Punkte spielten dabei eine zentrale Rolle: der Erwerb der englischen Sprache und die Durchsetzungskraft auf dem Arbeitsmarkt. Die Frauen waren viel schneller im Erlernen der fremden Sprache als ihre Männer. Besonders die intellektuellen Männer isolierten sich und bekamen zunehmend Sprach- und Kontaktschwierigkeiten. Ihre Frauen hingegen traten die Flucht nach vorne an, sie suchten den Kontakt, wagten mutig, nutzen ihre rudimentären Kenntnisse ohne Furcht sich der Lächerlichkeit preis zu geben. Ihre Hemmschwelle war geringer als bei den männlichen Emigranten. Leo Glückselig, ein Emigrant, der schon bereits seit einiger Zeit in New York angekommen war, sprach voller Bewunderung über das Verhalten seine Mutter (jüdische Hausfrau), die ihm ein paar Wochen später ins Exil folgte: „Die ist hier in Amerika ausgestiegen, als wäre es das selbstverständlichste der Welt.

[...]


1 Kreis, Gabriele. Frauen im Exil. Dichtung und Wirklichkeit. Düsseldorf: Claassen, 1984, S.62

2 Körner, Miriam. „Das Exil der Hertha Nathorff“ in : Dachauer Hefte 3: Frauen - Verfolgung und Widerstand. Hrsg. Wolfgang Benz und Barbara Distel. Dachau: Verlag Dachauer Hefte, 1987, S.233

3 Mann, Heinrich. Ein Zeitalter wird besichtigt. Düsseldorf: Claassen, 1973, S.437

4 Mann, S.448

5 Backhaus- Lautenschläger, Christine. Und standen ihre Frau. Frauengeschichte. Berlin: Centaurus, 1991, S.78 / Mann, S.443

6 Padberg, Magdalena . Das Leben der Elsa Brändström. Hamburg: Wittig, 1968, S.158

7 Padberg, S.158

8 Weichmann, Elsbeth. Zuflucht: Jahre des Exils. Hamburg: Knaus, 1983, S.137

9 Kreis, S.104

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Rolle der Frau im amerikanischen Exil
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Amerika Institut)
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V144108
ISBN (eBook)
9783640530809
ISBN (Buch)
9783640531165
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Frau, Exil
Arbeit zitieren
Corinna Friedrich (Autor:in), 2007, Die Rolle der Frau im amerikanischen Exil, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144108

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