Amerikabilder in deutschsprachiger Exillyrik


Seminararbeit, 2007

20 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung:

1. Schriftstellerinnen schreiben im Exil

2. Amerikabilder in deutschsprachiger Exillyrik
2.1) Ankunft in Amerika und erste Eindrücke
2.2) Amerika-Begegnung: Exilerlebnisse und Kritik
2.1.1 Bei Margarete Kollisch
2.1.2 Bei Ilse Blumenthal- Weiß
2.1.3 Bei Vera Lachmann
2.3) Heimat – Neue oder alte Welt?

3. Schlussbemerkung

4.) Bibl iographie

1.) Schriftstellerinnen schreiben im Exil

Der Nationalsozialismus, der sich in Deutschland nach 1933 verbreitete, zwang viele Juden dazu, unter ihnen auch viele Schriftstellerinnen, ins Ausland zu fliichten. Ein Grossteil der Fliichtlinge fand nach vielen Jahren des Umherreisens in wechselnde Zufluchtslander, das endgiiltige Exil in Amerika.

Rund die Hlfte der Fliichtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland der Jahre nach 1933 waren Frauen. Aus diesem Grund will ich mich in dieser Arbeit speziell mit den Werken von deutschen oder deutschsprachigen Schriftstellerinnen, die im amerikanischen Exil lebten, auseinandersetzen. Die in meiner Arbeit untersuchten Werke sind Gedichte, unter anderem von den Schriftstellerinnen Vera Lachmann, Margarete Kollisch und Ilse Blumenthal-Weill, die auf diese Weise versucht haben ihre Erlebnisse im unbekannten neuen Land zu verarbeiten. Ich werde dabei genauer untersuchen, wie diese Schriftstellerinnen das Exilland Amerika in ihren Werken darstellen, sowohl ihre ersten Eindriicke bei der Ankunft in New York, als auch ihre Lebenserfahrungen dort. Des Weiteren wird untersucht, mit welchen poetischen Mitteln diese Erfahrungen gestaltet wurden. AuBerdem werde ich auch auf die Grenzziehung zwischen Eigenem und Fremden eingehen, und die damit verbundene Frage der Identitat der Schriftstellerinnen.

Die Schriftstellerinnen hatten sehr verschiedene Schicksale und Hintergriinde, was sich auch in ihren Werken widerspiegelt. Margarete Kollisch zum Beispiel, trat rechtzeitig die Flucht an und konnte sich in New York in Sicherheit bringen, womit ihr das Schlimmste erspart blieb. Im Gegensatz zu ihr durchlebte zum Beispiel Ilse Blumenthal-WeiB ein ganz anderes Schicksal, die mit ihrer Familie ins KZ zwangseingewiesen wurde. Ihr Mann und ihr Sohn kamen im KZ um, wahrend sie zusammen mit ihrer Mutter und Tochter im Jahr 1945 befreit werden konnte und schlieBlich 1947 zusammen mit ihnen nach New York auswanderte. Diese unterschiedlichen Lebensschicksale machen sich in den Werken der Schriftstellerinnen insofern bemerkbar, als dass ihr Amerika-Bild sehr unterschiedlich zu sein scheint, als auch die Anzahl der Amerika- Gedichte, was fiir meine Arbeit zur Folge hat, dass es vor allem von Margarete Kollisch am meisten Grundlage gibt. Eine groBe Schwierigkeit fiir alle Schriftstellerinnen um die es in meiner Arbeit geht, und die man nicht unterschatzen sollte, war natiirlich die Fortsetzung ihrer schriftstellerischen Karriere in Amerika. Zumindest in den Anfangsjahren war in vielen Fallen das Schreiben nur noch eine Nebenbeschaftigung, da sie in Fabriken oder als Haushalterin arbeiten mussten um ihre Familien zu ernahren. Meistens mussten sie viele Jahre warten, bis ihre Werke veroffentlicht wurden.

2.) Amerikabilder in deutschsprachiger Exillyrik 2.1) Ankunft in Amerika und erste Eindrücke

Nach der ersten Euphorie und Begeisterung endlich in den USA zu sein, vor allem in einer so groBen Stadt wie New York, machte sich bald der Kulturschock, Fremdartigkeit und Verzweiflung breit. Viele Emigranten hatten eine bestimmte Vorstellung von New York durch Filme und Bucher, und waren bei ihrer Ankunft sehr iiberrascht, manchmal sogar entsetzt fiber das was ihnen die Wirklichkeit bot. Einerseits erschien ihnen der Anblick der Wolkenkratzer von Manhattan furchterweckend und fremd von allem, was sie je in ihrer Heimat erlebt hatten, andererseits aber flosste ihnen die GroBe und Wuchtigkeit der New Yorker Horizontlinie auch ein Vertrauen in die Starke (und den Schutz) des Landes ein.

Auch die in Wien geborene (1893) Dichterin Margarete Kollisch emigrierte 1939 nach New York um dem Nationalsozialismus in Osterreich zu entkommen. Diese Auswanderung nach Amerika erfolgte also alles andere als freiwillig, die USA war fur sie also nicht das lang ersehnte Land der unbegrenzten wirtschaftlichen Moglichkeiten das immer schon als Auswanderungsland angestrebt wurde. Dies spiegelt sich auch in ihren Gedichten wieder, denn die Darstellung Amerikas ist wertfrei und sachlich und wird nicht selten auch von kritischen Anmerkungen durchsetzt. Das heiBt aber auch, dass ihr Amerika- Bild nie nur fur sich alleine gesehen werden konnte, sondern immer nur mit Blick auf die unfreiwillig aufgegebene alte Heimat. Folgendes Gedicht von Margarete Kollisch, das sie kurz nach ihrem Eintreffen in den USA verfasste, halt diesen Zwiespalt zwischen Vorurteilen und wirklich Erlebtem fest:

New York 1940 Du bist die Stadt der Höhen und Tiefen, lebendige auf totem Fliel3 erbaut. Wie hat vor deiner GröBe uns gegraut, Als wir der Heimat angstgequält entliefen.

Wir kannten dich aus Bildern, Büchern, Briefen. Dein Riesenantlitz, hundertmal geschaut, Das unvergleichliche, ward uns vertraut Wie deine Stimmen, die uns lockend riefen.

Nun sind wir hier und alles Fremde, Neue Erfasst und treibt uns hin mit Sturmeswehen, Getürmte Dächer in des Himmels Bläue, Unrast und Lärm im Werden und Vergehen. Nur wo in Gärten kleine Häuser stehen, weckt uns ein Vogelruf in alter Treue.1

Erste Versuche der Eingewöhnung und die neue Umgebung und Aneignung der Stadt New York bilden das Thema dieses Gedichts. Die Amerika-Begegnung findet hier eindeutig als Exilerlebnis statt, wenn es zum Beispiel heiBt: „Wie hat vor deiner GröBe uns gegraut, als wir der Heimat angstgequält entliefen." Die neue Stadt wird dem Erzähler erst vertraut, wenn sich Momente ergeben, die an die alte Heimat erinnern: „Nur wo in Gärten kleine Häuser stehen, weckt uns ein Vogelruf in alter Treue." Hier werden die zwei Lebensbereiche, die alte Heimat und die neue Welt, wertungsfrei miteinander verglichen um sich an die neuen Lebensumstände zu gewöhnen. Das nachfolgende Gedicht betrifft ganz alltägliche Verhaltensweisen und Probleme mit denen die Autorin zu kämpfen hatte.

Nachbarlich

Ich trat aus dem Haus. Die erste Nachbarin hielt mich an, fragte: „Wie geht's?", sprach vom Wetter, ihren Gliederschmerzen, dem Einbruch im Nebenhaus, dem letzten Skandal.

Die nächste sagte dasselbe. Ich nickte wieder, machte das richtige Gesicht, murmelte: „Schrecklich", war froh, wenn sie mich losliel3. Der übernächsten wich ich schon aus.

Ich war eine schlechte Nachbarin, merkte mir keine Vornamen, verwechselte die Hausnummer, sogar meine eigene, probierte meinen Schlüssel an der falschen Haustür.

Was riefen die Nachbarinnen Hinter mir er? „ Lauf nicht, la13 dir doch Zeit!" Sprach die eine zur andern: „ Schade! Fremd, aber anständig — Hochanständig, aber keine von uns."

Schade?2

Das lyrische Ich kann sich in diesem Gedicht nicht an den redselig-zwanglosen Kontakt mit ihren amerikanischen Nachbarn gewöhnen. Hier verarbeitet Kollisch wieder den Kulturschock, den sie durchlebte, als sie nach Amerika kam. Sie gewöhnt sich nur schwer an die Sitte des Exillandes, mit allen Nachbarn small-talk führen zu müssen, verweigert diese Sitte sogar, obwohl sie damit in Kauf nimmt, Befremden in ihrer Umgebung auszulösen. Zum einen möchte sie nicht small-talk führen, und sich über unwichtige Dinge wie das Wetter oder Probleme anderer Nachbarn unterhalten, zum anderen hat sie gar keine Zeit dafür, da sie den Lebensunterhalt für ihre Familie verdienen muss ( „Lauf nicht, laB dir doch Zeit!").

2.2) Amerika-Begegnung: Exilerlebnisse und Kritik

Die Amerika-Begegnung ist bei all diesen Schriftstellerinnen ein Exilerlebnis. Es bleibt die Vermutung, dass je schlimmer die Erfahrungen der Dichterinnen in Europa waren, desto geringer war ihre Aufgeschossenheit gegenüber Amerika. Wie schon Anfangs erwähnt, sind bei Margarete Kollisch sehr viel mehr Amerika-Gedichte zu finden, als bei Vera Lachmann zum Beispiel, oder Ilse Blumenthal-WeiB, die beide im Gegensatz zu Kollisch unter dem Holocaust zu leiden hatten. Eine Erklärung hierfür ist unter anderem, dass die emotionalen Erschütterungen, die die Vertriebenen durchlebt hatten, eine unbefangene Auseinandersetzung mit Amerika unmöglich machten. Die in Moskau geborene Schriftstellerin Lili Körber emigrierte 1941 nach Amerika um dem

[...]


1 Kollisch, Margarete. Wege und Einkehr: Ausgewählte Gedichte. Wien: Bergland, 1960, S.36

2 Kollisch, Margarete. Rückblendung. Gedichte und Prosa. Wien: Bergland, 1981, S.26

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Amerikabilder in deutschsprachiger Exillyrik
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Deutsche Philologie)
Veranstaltung
"Unbegrenzte Möglichkeiten“ – Migration, Tourismus und Literatur um 1900
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V144115
ISBN (eBook)
9783640530786
ISBN (Buch)
9783640530892
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Amerikabilder, Exillyrik
Arbeit zitieren
Corinna Friedrich (Autor:in), 2007, Amerikabilder in deutschsprachiger Exillyrik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144115

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