Eine rhetorische Analyse der Ansprache des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker bei dem Staatsakt zur Deutschen Einheit in der Philharmonie zu Berlin am 3.Oktober 1990


Seminararbeit, 1993

17 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Vorbemerkung

II. Der Redekontext

III. Der Redner
III.1 Richard von Weizsäcker
III.2 V. Weizsäcker als Redner
III.3 Das Amt des Bundespräsidenten

IV. Die Rede zum Staatsakt in Berlin
IV.1 Zur Makrostruktur
IV.2 Zur Mikrostruktur

V. Schluss
V.l Schlussüberlegungen und Zusammenfassung
V.II Weiterführende Forschungsfragen

VI. Literaturverzeichnis

I. Vorbemerkung

Im Rahmen des Proseminars "Die Bundesrepublik und ihre Präsidenten; Politische Red? der Nachkriegszeit" soll diese Arbeit anhand der ausgewählten Ansprache des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker vom 3.Oktober 1990 in erster Linie der Frage nach der inhaltlichen und sprachlichen Ausgestaltung dieser politischen Nachkriegsrede nachkommen.

Wie nutzt der sechste Präsident, der von dem Autor und Rhetoriktrainer Klaus Jentzsch als "einer der wohl brillantesten Redner auf der politischen Bühne in Deutschland" [1] bezeichnet wird, die historische "Gunst der Stunde", und welche Mittel verwendet er hierzu?

Entlang der Rede, also chronologisch, sollen inhaltliche wie auch sprachliche Aspekte beleuchtet, rhetorische Figuren und argumentative Strukturen benannt und bestimmt werden.

II. Der Redekontext

Der Anlass zu dieser Rede ist ohne Übertreibung als der bisherige politische Höhepunkt im Sinne des bedeutsamsten und weitreichendsten Ereignisses für die Bundesrepublik seit ihrem Bestehen zu bezeichnen. Gleichzeitig ist damit das Grundgesetz bzw. dessen Präambel sozusagen in Erfüllung gegangen.

Diese historische Begebenheit, die Schaffung der Deutschen Einheit ging unmittelbar einher mit dem Wegfall des Ost/West-Gegensatzes und gravierenden Umbrüchen in der ehemaligen Sowjetunion und deren Satellitenstaaten. Für Deutschland ist der Tag der Deutschen Einigung, an dem diese Rede gehalten wurde, der offizielle Höhepunkt nach den Monaten beindruckender Ereignisse, der friedlichen Revolution im eigenen Land Für den Redner v Weizsäcker, den nicht nur Jugenderinnerungen und die Zeit als Regierender Bürgermeister., sondern auch die ihm vier Monate zuvor verliehene Ehrenbürgerwürde mit Berlin verbinden, bedeutete diese Rede schon aufgrund der persönlichen Betroffenheit weit mehr als die anderen ca. 50 offiziellen Reden, die er 1990 hielt [2] oder irgendeine andere Rede seiner Amtszeit. Die Verbundenheit mit Berlin verdeutlicht auch folgende Meldung: Das Statistische

Bundesamt notierte im Dezember 1989 den 100. Berlinbesuch v. Weizsäckers als Bundespräsident! [3] Gleichzeitig ist der Ort der Rede sowohl die alte als auch die, vom Bundespräsidenten wie von vielen anderen favorisierte, neue Hauptstadt der Bundesrepublik.

Der würdevolle Rahmen des Staatsaktes in der Berliner Philharmonie, die bundesweite Direktübertragung der Veranstaltung und ein Saalpublikum von Rang und Namen, zusammen mit den bereits genannten historischen Dimensionen des Redeanlasses verschaffen der Rede eine wahrhaft einzigartige rhetorische Situation.

III. Der Redner

III.1 Richard von Weizsäcker

Richard von Weizsäcker wurde am 15. April 1920 in Stuttgart geboren. Seine Mutter, Marianne (geb. von Graevenitz) v. Weizsäcker, scheint großen Anteil an dem weltoffenen Geist gehabt zu haben, der in der großbürgerlichen Familie geherrscht haben muss. Sein Vater, Ernst von Weizsäcker (1882 - 1951), war im Ersten Weltkrieg Korvettenkapitän (Korvette: kleines Kriegsschiff; frz.: Korb), danach Marine-Attaché in Den Haag und, zu Richards Lebzeiten, Gesandter im auswärtigen Dienst, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und Botschafter beim Vatikan.

Auch die Tätigkeiten seines Vaters führten bei dem Diplomatensohn schon früh zu Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Sprachen, Menschen und Mentalitäten, denen insbesondere der junge v. Weizsäcker in häufigem Wechsel ausgesetzt war.

1948/49 verteidigte Richard von Weizsäcker seinen Vater als junger Mann vor dem Nürnberger Kriegsgericht. Er selbst nahm als Leutnant, später Oberleutnant, dann Hauptmann, sowohl am Polenfeldzug teil, wo er seinen Bruder Heinrich verlor und an dessen Grab Totenwache hielt, wie auch am Russlandfeldzug. Bis nach Ostpreußen zurückgedrängt, kam er verwundet nach Lindau. Hier überlebte er das Kriegsende. Von Weizsäcker studierte Rechtswissenschaften und Geschichte in Oxford, Grenoble und Göttingen und promovierte dort zum Dr. jur.

1954 trat er in die CDU ein, deren Bundesvorstand er angehörte bis er 1984 zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Am 1.Juli 1989 trat er seine zweite Amtsperiode an. Von 1964 - 1970 war v. Weizsäcker Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, von 1979 - 1981 Vizepräsident des Deutschen Bundestages und von 1981 bis 1984 Regierender Bürgermeister von Berlin. [4]

III.2 V. Weizsäcker als Redner

Die Biographie Richard von Weizsäckers macht deutlich, dass seine rednerische Begabung schon früh und häufig gefordert war. Die Macht des gesprochenen Wortes ist ihm spätestens bei dem Kriegsverbrecherprozess gegen seinen Vater wirklich bewusst geworden.

Es ist bekannt, dass von Weizsäcker sich beim Verfassen wichtiger Reden, im Stadium der inventio, also der Gedankenfindung, nicht nur auf sich selbst verlässt, sondern Freunde und Nahestehende mit einbezieht. Weizsäcker gibt an, auf solche Leute, die zuhören, mit- und querdenken und Kritik üben angewiesen zu sein .[5] Zur Zusammenschau des gesammelten Gedankenmaterials, der materia, zieht er sich alleine zurück und nimmt die dispositio, die Ordnung der Gedanken vor. Auch die Mitsprache seiner Mitarbeiter tut der Tatsache keinen Abbruch, dass Bundespräsident v. Weizsäcker seine Reden selbst verfasst, jedenfalls die wirklich wichtigen. Dies zeigt, dass er die Rolle der Sprache in der Politik sehr ernst nimmt. [6] Weizsäcker gilt weithin und über die Parteigrenzen hinweg als ausgezeichneter und enorm feinfühliger Rhetor, dem kein unbedachtes Wort über die Lippen kommt (vergl. auch d. Anfangszitat[1]. Seinen hohen Beliebtheitsgrad hat er in erster Linie dem rhetorisch bedachten Auftreten zu verdanken

Es ist dies seine Möglichkeit, die relative Machtlosigkeit des Bundespräsidentenamtes zu kompensieren und die Autorität des Amtes sinnvoll zu nutzen. Auch so gesehen passt das, ihm von vielerlei Seite verliehene Attribut "Glücksfall für dieses Amt" auf Richard von Weizsäcker.

III.3 Das Amt des Bundespräsidenten

Tatsächlich ist das Amt des Bundespräsidenten eher repräsentativer Art. Er hat Staatsbesuch zu empfangen und selbst die Bundesrepublik im Ausland zu vertreten, beglaubigt eigene und empfängt fremde Gesandte. Er verleiht hochoffizielle Titel, Orden und Ehrenzeichen, immer verbunden mit Ansprachen. Seine Verkörperung des Staates gegenüber dem eigenen Volk und dem Ausland erfolgt außerdem in der Unterzeichnung außenpolitischer Verträge. Seine eindeutig politischen Aufgaben können zwar durchaus relevant werden, im politischen Alltag jedoch spielen sie keine merkliche Rolle. Als Berater, im Ausnahmefall als Makler und Schiedsrichter tritt er politisch in Erscheinung.

Beratend, indem er dem Bundestag den Bundeskanzler zur Wahl vorschlägt, vermittelnd in der Entscheidung, ob ein mit relativer Mehrheit gewählter Kanzler ernannt oder der Bundestag aufgelöst wird und schlichtend, durch die Auflösung des Parlaments auf Wunsch des Kanzlers nach verweigertem Vertrauensvotum für selbigen.

Als repräsentativ für den Staat ist auch die Ernennung von Bundesministern, -beamten, -richtern und Offizieren wie die Unterzeichnung von Gesetzestexten zu verstehen. Die Amtsdauer beträgt fünf Jahre, nur eine Wiederwahl ist möglich. Die Wahl erfolgt durch die Bundesversammlung, welche sich in gleicher Zahl aus Bundestags- und Bundesratsabgeordneten zusammensetzt.[7]

[...]


[1] Jentzsch, Klaus: Rhetorik. Frankfurt/M 1992. S.38

[2] Richard von Weizsäcker - Reden und Interviews. Hrsg vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Bd. 7 Bonn 1992.

[3] Steffahn, Harald: Richard von Weizsäcker. Hrsg. von Wolfgang Müller. Hamburg 1991. S.142.

[4] Steffahn, Harald: Richard von Weizsäcker. Hrsg. von Wolfgang Müller. Hamburg 1991.

[5] Steffahn, Harald: Richard von Weizsäcker. Hrsg. von Wolfgang Müller. Hamburg 1991. S.106f.

[6] vergl.: Grieswelle, Detlef: Rhetorik und Politik. Kulturwissenschaftliche Studien. Bd.2. München 1978

[7] vgl. Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1948.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Eine rhetorische Analyse der Ansprache des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker bei dem Staatsakt zur Deutschen Einheit in der Philharmonie zu Berlin am 3.Oktober 1990
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Neuphilologie)
Veranstaltung
Seminar: Die Bundesrepublik und ihre Präsidenten: Politische Rede der Nachkriegszeit
Note
2,3
Autor
Jahr
1993
Seiten
17
Katalognummer
V144155
ISBN (eBook)
9783640533794
ISBN (Buch)
9783640533978
Dateigröße
398 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Deutsche Einheit, Weizsäckerrede, Bundespräsidentenrede, 3- Okober 1990, Staatsackt zur Deutschen Einheit, rhetorische Redeanalyse, Ansprache des Bundespräsidenten, Rhetorik, rhetorisch-stilistisch, Tübingen, Seminar für Allgemeine Rhetorik, Allgemeine Rhetorik, Thema Redeanalyse
Arbeit zitieren
MA Sebastian Hoos (Autor:in), 1993, Eine rhetorische Analyse der Ansprache des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker bei dem Staatsakt zur Deutschen Einheit in der Philharmonie zu Berlin am 3.Oktober 1990, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144155

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