"... und sehe wohl ein, daß ich geboren bin zum Dulden, nicht aber zum eigenen freien Bewegen"

Das Alltagsleben der Bettina von Arnim


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Quellen- und Literaturlage

2 Familienleben
2.1 „... ich will es lernen die Wahrheit nicht verleugnen, wenn sie mich bessern will.“
2.2 „... in diesem Moment stehen sie um mich her und schreien, daß mir Hören und Sehen vergeht ...“ Alltag mit sieben Kindern
2.3 „... ich kann nicht zwingen, ich kann mit Gewalt keinen Gehorsam verlangen ...“
2.4 „... kurz dieser Tage will ich gedenken und wie viel ich ertragen kann, wenn es sein muß ...“ Kinderkrankheiten
2.5 „... mir tut es länger schmerzlich weh, die Verkehrtheiten an meinen Kindern erproben zu sehen, während bessere Einsicht mich belehrt ...“ Von Schulen und Hofmeistern

3 Wohnung und Wirtschaft
3.1 „... nun schickt sichs an, als ob das Quartier noch bewohnbar werden könnte für den Winter ...“ Wohnsituation
3.2 „... endlich sind wir den Haustyrann los, nämlich die Köchin ...“Gesindeelend
3.3 „... 5tens hat Maretschke so schrecklich gekocht, als ob die Teufel aus der Hölle wären zu Gaste geladen gewesen ...“ Hauswirtschaft zwischen Stadt und Land
3.4 „... ich werde gewiß alles vermeiden, was Dir Kosten machen kann, um Dich [...] zufrieden zu stellen ...“ Geldsorgen

4 Krankheit, Einsamkeit, Gesellschaftsleben
4.1 „... allein mein Leib erlaubt mir nicht, mich über mich selbst zu erheben.“ Krankheiten
4.2 „Die Schiller ist gestern abgereist und läßt Dich noch tausendmal grüßen.“

5 Zusammenfassung

6 Bibliographie

1 Einleitung

Alltag – das bedeutet für die verheiratete Bettina von Arnim Kinder und Haushalt, Personalärger und ständige Umzüge sowie nicht abreißende Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann. In den Briefen ihrer zwanzig Ehejahre bilden Alltagsthemen wie die schulischen Leistungen ihrer Kinder, die Organisation ihres Haushaltes, Einstellung und Entlassung von Personal, eigene und Kinderkrankheiten einen deutlichen Schwerpunkt neben dem Austausch über Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaftsleben, den sie mit ihrem Ehemann pflegt.

Ursprünglich hatte ich geplant, den Wandel des Alltags in Bettinas verschiedenen Lebensphasen darzustellen. Bei Lektüre und Auswertung des Briefwechsel der Eheleute Arnim zeigte sich jedoch schnell, dass diese Briefe aus zwei Jahrzehnten einen ganz besonderen Reiz bieten: Sie erlauben es, das Alltagsleben Bettinas und ihrer Familie über Jahre hinweg sehr detailliert zu verfolgen. Daher habe ich mich entschlossen, mich in meiner Darstellung zeitlich auf diese zwanzig Jahre Eheleben zu beschränken. Meine Arbeit ist gegliedert in drei Bereiche: 1. Familienleben, 2. Wohnung und Wirtschaft und 3. Krankheit, Einsamkeit, Gesellschaftsleben.

1.1 Quellen- und Literaturlage

Zu Bettina ebenso wie zu Achim von Arnim existieren zahlreiche Veröffentlichungen zu Biographie und literarischem Werk. Auch der größte Teil ihrer Briefe liegt in gedruckter Form vor. Meine Arbeit stützt sich vor allem auf den fast vollständig erhaltenen Briefwechsel zwischen Bettina und Achim von Arnim aus den Jahren ihrer Ehe 1811 bis 1830, herausgegeben von Werner Vordtriede, der aus fast fünfhundertfünfzig Briefen besteht (Die Briefe sind durchnummeriert und die Nummern in den Fußnoten beziehen sich auf diese Kennzeichnung durch Vordtriede.). Für unser Thema „Alltagsgeschichte“ ergibt sich hierbei das Problem, dass, wenn gekürzt wurde, davon meist die für uns interessanten Stellen betroffen sind. Doch auch die gekürzten Briefe sind eine sehr ergiebige Quelle zu Bettinas Alltagsleben. Ergänzend wurden noch der Briefwechsel zwischen Bettina Brentano und Achim von Arnim aus den Jahren 1806 bis 1811 (zitiert mit Nummer – A für Achim, B für Bettina – und Datum), der Briefwechsel zwischen den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm, eine Bettina von Arnim-Werkausgabe (herausgegeben von Joachim Müller) sowie Dagmar von Gersdorffs Paarbiographie zu Bettina und Achim von Arnim herangezogen.

2 Familienleben

2.1 „... ich will es lernen die Wahrheit nicht verleugnen, wenn sie mich bessern will.“

Eine schwierige Ehe

Als die junge Bettina von Brentano, Tochter des wohlhabenden Frankfurter Kaufmannes Anton Brentano und seiner Frau Maximiliane, geborene von La Roche, am 11.3.1811 die Ehe mit Achim von Arnim eingeht, ist sie bereits fünfundzwanzig Jahre alt. Schon ein Jahr vor Arnims vorsichtigem brieflichen Heiratsantrag im August 1809,[2] den die selbstbewusste junge Frau erst anderthalb Jahre später positiv beantwortet, hatte Arnims Großmutter Frau von Labes ihm die finanzielle Unterstützung aufgekündigt.[3] Sein Erbe war ihm als Fideikommiß zugedacht, das heißt, er war nur der Verwalter für seine Kinder und konnte „seine“ Güter erst dann beziehen, wenn ihm das erste (eheliche) Kind geboren war. Das ist, auch nach seiner eigenen Aussage, ein entscheidender Grund für seine Heirat mit Bettina gewesen.[4] Obwohl aus den Briefen der Arnims häufig eine große gegenseitige Zuneigung spricht, ist ihre Ehe von zahlreichen Spannungen und Konflikten geprägt. Das fängt damit an, dass Achim das Leben in der Stadt unerträglich findet, während Bettina sich auf dem Land zu Tode langweilt. Nach jahrelangem Hin und Her bleibt sie schließlich mit den Kindern in Berlin und er lebt und wirtschaftet alleine auf den Gütern Wiepersdorf und Bärwalde. Gegenseitige Besuche werden mit den Jahren immer seltener, auch wenn Bettina ihren Mann oft förmlich anfleht, zu ihr und den Kindern nach Berlin zu kommen.[5] Am 12.8.1818 schreibt sie nach mehrmaligen Vertröstungen durch Achim zornig und fordernd:[1]

„Es tut mir sehr leid, daß Du nach vierwöchentlicher Abwesenheit nicht einmal daran denkst mir nur aufs ungefähr die Zeit zu bestimmen, wenn Du glaubst wiederzukommen [...]; Du kommst mir immer in Deinen Briefen so hintenherum von den Freuden und Notwendigkeiten des Landlebens, beides ist unnütz und macht mich traurig, ich kenne Dich zu gut, als daß ich nicht überzeugt wäre, daß Du meine Behaglichkeit der Deinigen vorziehst, [...] ich irre mich nicht, daß ich glaube, Dein größter Kummer ist, mir nicht jeden Schmerz entschädigen zu können und keine Aufopferung fordern zu dürfen [...]“.

Achim reagiert hilflos:

„Herzinnig beklage ich Deine Schmerzen, aber beklage auch mich, der bei allem, was er unternimmt, zerrissen, zerstreut, in seinem Bestreben irre gemacht wird. Ich denke hier [in Wiepersdorf und Bärwalde, d. V.] für die Meinen zu sorgen, opfere dem jede andere Beschäftigung, da rufst Du mich in jedem Briefe so ängstlich zurück, daß mir bangt.“[6]

Immer wieder sorgt sich Bettina um Arnims Gesundheit,[7] seine zunehmende Vereinsamung,[8] ständig versichert sie ihm ihre Liebe und wie sehr sie ihn vermisst. Allerdings drängt sie ihn auch auf geradezu penetrante Art zu dichterischer Betätigung[9] und macht sich über das von ihm so geliebte Landleben lustig. Arnim indessen nutzt seine Briefe häufig, um Bettina zu maßregeln,[10] ihren Erziehungsstil zu kritisieren, er untersagt ihr förmlich, an Disputationen im Bekanntenkreis teilzunehmen,[11] bemängelt ihren Umgang mit Geld, wirft ihr vor, sie würde ihn mit schlechten Nachrichten aus Berlin vollkommen niederschlagen. Häufig beschwert er sich darüber, dass Bettina seine Briefe offen herumliegen lässt, so dass ihr Dienstpersonal sie lesen kann.[12] Wiederholt fordert er, sie solle bestimmte Briefe sofort verbrennen.[13] Oder er mahnt sogar in scharfem Ton:

„Erzähle nur nichts davon wieder in Deiner bekannten Eheverräterei.“[14]

Bettinas Antworten sind in der Regel freundlich, fast demütig, sie geht auf seine Kritik ein, versucht, sich zu rechtfertigen, gelobt Besserung, entschuldigt sich sogar, wenn sie schlechte Nachrichten mitzuteilen hat (z.B. Erkrankungen der Kinder)[15]. Vor allem verteidigt sie die Kinder gegen Arnims scharfe Kritik.[16] Meist ist sie auch bereit, seinen Ermahnungen nachzukommen, erniedrigt sich regelrecht vor ihm. So schreibt sie am 18.6.1824:

„Freilich sollte es der erste Grad von Zutrauen sein, daß man seine Fehler zugestehet dem, der einem wohl will; und ich wollte, mir gelänge dies, denn es giebt Momente, wo ich sehr hell sehe, daß ich keine Verdienste habe.“

Manchmal aber reagiert Bettina auch bitter auf Arnims Vorhaltungen. Am 21.5.1821 schreibt sie, des ständigen Tadels und der ewigen Kritik müde:

„Redensarten und Hohn will ich Dir für Deinen Ernst gewiß nicht bieten, sollte ich je so was getan haben, oder solltest Du es auch nur so verstanden haben, so bitte ich es ernstlich ab, wir sind ja beide noch auf Erden, und es kann Verzeihung zwischen uns noch Statt haben; ich habe nur darüber zu klagen, daß ich Dir das Gute nicht geben kann, was ich Dir wünsche, und mich selber muß ich anklagen, daß ich auch noch Wünsche hege, die mich allein angehen [...]. Für dieses Leben, was wir auf Erden haben [...], ist freilich gesorgt durch gegebene Religion, Tugend und Schicklichkeit; wir wissen, wie wir sein sollen. Dir zulieb möchte ich gern alle diese Wege befolgen; ein ganz anderes, viel tieferes Leben, was sich nicht willkürlich einem andern Menschenherzen mitteilen läßt, fordert noch zu ganz andern Dingen auf, und daß ich auch diesem nicht willfahren kann, das rechne ich mir zur Sünde der Schwächlichkeit und zugleich zur Strafe an.“

Am 5.4.1822 schreibt sie an Arnim:

„[...] ich bin willenlos und meine Wünsche sind untergegangen.“

Und um Neujahr 1823 an ihre Schwester Gunda und deren Mann Carl von Savigny:

„Ach wie sind meine Ansprüche an das Leben gesunken, und je weniger ich fordere, je mehr dingt es mir ab [...]. – Ich habe die 12 Jahre meines Ehestandes leiblich und geistigerweise auf der Marterbank zugebracht und meine Ansprüche auf Rücksicht werden nicht befriedigt. [...] Mein Perspektiv ist das End aller Dinge.“[17]

Ende 1828, nachdem Arnim eine ausgiebige Kur- und Erholungsreise unternommen hat, zeichnet sich eine Entspannung im Verhältnis der beiden ab, wobei aber wiederum Bettina diejenige ist, die versucht, sich den Bedürfnissen ihres Mannes anzupassen. Sie schreibt am 12.12.:

„In Deinen Briefen liegt gewöhnlich der Vorwurf, daß ich Dir viel Sorge mache und Dein Aufenthalt hier in Berlin viel Verdrüßliches für Dich hat, wahrscheinlich wegen meiner Not, meiner Klagen und Unbehülflichkeit, ich mache mir selbst den Vorwurf, und mein Bestreben ist, dies womöglich zu ändern, ich hoffe auch damit zu Stande zu kommen; denn 1stens habe ich mir selbst schon oft gesagt, daß ich nichts damit gewinne, wenn ich Dir jede Klage mitteile, 2tens etwas was man besteht, ohne sich zu wehren, ist schon überwunden, und ich wünsche mir nichts mehr, als zum wenigsten für die Zukunft Deine Sorgen zu mildern, wenn ich sie nicht ganz vertreiben kann.“

In der Folgezeit klagt Bettina immer öfter über Einsamkeit, bittet Arnim, zu ihr nach Berlin zu kommen. Sie allerdings besucht ihn seit Jahren nicht mehr in Wiepersdorf. Im April 1829 vergisst Arnim sogar ihren Geburtstag, was sie verständlicherweise besonders deprimiert:

„[...] manchmal bilde ich mir ein, daß ich Dir nur eine Last bin und kein Trost [...]. Nochmals sei gegrüßt und geküßt, wenn Dir was daran gelegen, woran ich manchmal zweifle; besonders diesmal kränkt mich, daß ich so allein bin, und ich wollte doch, daß sich eine Möglichkeit fände, daß Du nicht gar zu viel von Deinen Kindern und Deiner Frau entfernt wärst; ich krieg manchmal einen Schreck wie vor einem Gespenst, wenn ich denke, wie sehr allein ich bin [...].“[18]

Arnim antwortet am 19.4.:

„Deine Einsamkeit, mußt Du eingestehen, ist doch wohl Deine Schuld allein, es sind Dir viele freundlich entgegengekommen, die Du mit ungeselligem Übermut zurückgestoßen hast, bis wir nun endlich völlig vereinsamt sind.“

Am 23.8.1830 schreibt Bettina aus Frankfurt, nachdem Arnim sie brieflich mit allerlei Ratschlägen und Kritik für ihren bevorstehenden Badeaufenthalt eingedeckt hat:

„[...] ich begreife nicht, daß Du alle möglichen Verkehrtheiten an mir entdeckst, und nie die geringste Eigenschaft, die das Zutrauen, was Du mir geschenkt hast, Deine Frau und Mutter Deiner Kinder zu werden, rechtfertigt.“

Der letzte Besuch Arnims in Berlin erfolgt im Dezember 1830.[19] Am 22.12. sendet er aus Wiepersdorf für die Weihnachtsfeierlichkeiten „französische Pfefferkuchen, Traubenrosinen, Knackmandeln, gute Äpfel, etwas Marzipan [...] sowie einige Spielsachen für Giesel“. Er selbst kommt jedoch nicht nach Berlin. Sein letzter Brief datiert vom 16.1., zuvor hatte er über Schmerzen in Knie und Fuß geklagt, die jedoch bereits im Abklingen begriffen seien. Am 18.1. schreibt Bettina dennoch beunruhigt:

„Wenn ich nun bis zum Sonnabend nicht bessere Nachricht habe, so komme ich den Sonntag.“

Sie schließt mit den Worten:

„Die Kinder grüßen und ich küsse Dich von Herzen und mit der Sehnsucht bei Dir zu sein.“

Diesen Brief beantwortet Arnim nicht mehr. Er stirbt am 21.1.1831 überraschend an einem Nervenschlag.[20] Bettina schreibt am 1.2. an die Brüder Grimm:

„Sein Tod ist auch kein schreckliches Ereignis, sondern ein schönes und wohltätiges für mich und seine Kinder, und als ein ganz besonderes Zeichen, daß Gott Wohlgefallen an ihm habe, gilt mir sein Tod.“[21]

2.2 „... in diesem Moment stehen sie um mich her und schreien, daß mir Hören und Sehen vergeht ...“ Alltag mit sieben Kindern

Sieben Kindern schenkt Bettina im Laufe ihrer Ehe das Leben. Sie hat außergewöhnliches Glück und verliert keines von ihnen vor dem Erwachsenenalter, hat auch weder Früh- noch Fehlgeburten. Der erste Sohn Freimund wird am 5. Mai 1812 geboren. Sechs Stunden verbringt Achim an der Seite seiner Frau, das Kind muss schließlich mit Zangen geholt werden.[23] Am 2. Oktober 1813 folgt Siegmund, am 9. Februar 1815 Friedmund. Der vierte und letzte Sohn Kühnemund wird am 24. März 1817 geboren. Nach dem Willen beider Eheleute sollen keine weiteren Kinder folgen, doch es kommt anders: Am 23. Oktober 1818 wird die erste Tochter Maximiliane geboren, es folgen am 4. März 1821 Armgard und, als Nachzüglerin, am 30. August 1827 Gisela.[22]

In einem Brief vom Herbst 1815 beschreibt Bettina ihren Tagesablauf mit dem Säugling Friedmund in Wiepersdorf:

„Morgens treckt sie [Annlise, Hausangestellte, d. V.] mit dem Kinde ab, daß ich ausschlafen kann, gegen 11 Uhr bringt sie ihn wieder, in einer halben Stunde hat sie gekocht, nachmittags behält sie ihn wieder, bis er einschläft, wo ich denn in der Stube bleibe, um bei ihm zu sein.“[24]

Offenbar schläft Bettina gern lange, auch in einem Brief vom Juli 1816 berichtet sie, dass sie „morgens vor 10 Uhr die Augen nicht auf[macht]“.[25] Die vielen Kinder und die so kurz aufeinander folgenden Geburten belasten Bettina gesundheitlich wie seelisch. Am 24.7.1817 schreibt sie:

„[...] ich gestehe, daß es eine große Schwäche von mir ist, aber wenn ich manchmal so 24 Stunden hab Geduld haben müssen, wenn das Kleine [Kühnemund, d. V.] denn noch an der Brust liegt, wenn das Essen noch verbrennt oder verdorben ist, wo ich denn keine Milch für das Kind habe, dann denk ich auch als an die Zeit, wo man schläft und nicht wieder aufwacht.“

Ihr Ehemann hat dafür wenig Verständnis:

„Das Stillen scheint Dich allzusehr anzugreifen, gieb dem Kind mehr Suppe, es muß sich daran gewöhnen, den anderen aber gieb Schläge, wenn sie Dich gar zu sehr belästigen.“[26]

Im September 1820, als sie mit Armgard schwanger ist, stellt Bettina bitter fest:

„Ihr Männer hört wohl, die Frau hat heut Nacht nicht gut geschlafen, sie hat das Kind gewartet p. p., aber weil ihr so passabel geschlafen habt und keine Ermüdung fühlt, so ist das nicht weiter für euch bedeutend [...].“[27]

Aber natürlich sind die Kinder nicht nur eine Last für Bettina, sondern auch eine Freude. Immer wieder schreibt sie sehr liebevoll über sie. So über den fünf Monate alten Kühnemund:

„[...] und der Kleinste, der süßeste runde Apfel, der Kerl gefällt mir so gut, daß ich ihn nachts wecken muß, daß er mich nur einmal anlächelt, das tut er auch allemal, er weiß nichts von Schreien.“[28]

Und über die vier Monate alte Armgard am 3.7.1821:

„[...] das Kleinste wird so allerliebst, es ist die Freundlichkeit und Frömmigkeit selbst, es hat vor lauter vielem guten Herzchen kein Lüngelchen und kein Leberchen.“

Im Februar 1818 kündigt sich die erste Tochter Maximiliane an:

„Schon 14 Tage hab ich in beständigem Wechsel von Ohnmachten und Erbrechen zugebracht und es ist kein Zweifel mehr, daß ich im Oktober dieses Jahres die Welt um ein Kind vermehren werde [...].“

Und weiter:

„[...] sonst muß ich wahrlich gleich weinen wenn ich an das neue Quartier denke und an den Platz, wo das Bett steht, worauf ich mich werde quälen müssen, dann schaudert mich [...].“[29]

Am 5.8.1818 bittet Bettina Arnim darum, für das erwartete Kind die Wiege nach Berlin schaffen zu lassen, und

„könnte ich einen Kinderwagen hierher bekommen, so wär es mir von gutem Nutzen“.

Erst 1827 wird die letzte Tochter Gisela geboren. Zu diesem Zeitpunkt ist Bettina bereits zweiundvierzig Jahre alt und kann zunächst nicht an eine Schwangerschaft glauben:

„[...] ich aber leide seit einigen Tagen an angegriffenen Nerven, so daß mir immer grün und blau vor Augen ist; manchmal befällt mich der Wahn, ich sei schwanger, und dann erfüllt mich eine unsägliche Angst, die ich gern mit einer anderen Krankheit umtauschen möchte.“[30]

Die Schwangerschaft lässt sich unangenehm an:

„Vorgestern Nachmittag habe ich mich über zwanzigmal erbrochen, ich wurde am Ende so matt, daß ich über dem Gefäß, worin [ich] erbrochen hatte, einschlief.“[31]

Im Juni erleidet sie beinahe eine Frühgeburt, der Arzt verschreibt drei Wochen absolute Ruhe, doch Kinder und Haushalt zwingen Bettina, die Krankheit in sechs Tagen „stehenden Fußes“ abzumachen.[32] Die Schwierigkeiten halten an, am 19.7. schreibt sie:

„Ich habe jetzt 8 bis 10 Tage an einem Krampf gelitten, der mir den Hals so zuzog, daß ich durchaus nichts wie Flüssiges hinunterbrachte, das ich immer wieder von Minute zu Minute herausbrechen mußte.“

In dieser Zeit holt Arnim die älteren Kinder zu sich aufs Land, um seine Frau zu entlasten.[33] Am 19.10. schreibt Bettina dann über die sieben Wochen alte Gisela, genannt Heiderlizchen:

„Unser Kindchen wird von allen bewundert, es ist sehr friedfertig und wird Dir gewiß tausend Spaß machen [...].“

In diesem Fall wird auch eine Kinderfrau genommen, die ungewohnt fähig ist und Bettina sehr entlastet.[34]

[...]


[1] Nr. 254, 18.6.1824.

[2] A86, Ende August 1809.

[3] Gersdorff, S. 47.

[4] A104, 10.7.1810.

[5] z. B. Nr. 252, Juni 1824.

[6] Nr. 79, 15.8.1818.

[7] z B. Nr. 479, 9.8.1829.

[8] z. B. Nr. 116, September 1820.

[9] z. B. Nr. 235, 16.11.1823.

[10] z. B. Nr. 253, 14.6.1824.

[11] z. B. Nr. 259, 1.8.1824.

[12] z. B. Nr. 57, 24.4.1818.

[13] z. B. Nr. 115, 9.9.1820.

[14] Nr. 54, 16.4.1818.

[15] z. B. Nr. 300, 24.5.1825.

[16] z. B. Nr. 298, 2.5.1825.

[17] Werke, Bd. 5, S. 296/97.

[18] Nr. 464, 16.4.1829.

[19] Nr. 535, 15.12.1830.

[20] Vordtriede, S. 929.

[21] zitiert nach Vordtriede, S. 929.

[22] Nr. 39, 24.7.1817.

[23] Gersdorff, S. 99.

[24] Nr. 18, ohne Datum.

[25] Nr. 20, ohne Datum.

[26] Nr. 40, 31.7.1817.

[27] Nr. 122, ohne Datum.

[28] Nr. 36, 18.8.1817.

[29] Nr. 47, 17.2.1818.

[30] Nr.375, 02.01.1827.

[31] Nr.378, 12.03.1827.

[32] Nr.393, 09.06.1827.

[33] Nr.396, 21.07.1827.

[34] Nr.403, 19.10.1827.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
"... und sehe wohl ein, daß ich geboren bin zum Dulden, nicht aber zum eigenen freien Bewegen"
Untertitel
Das Alltagsleben der Bettina von Arnim
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Frauen, Familie, Alltag, Beruf um 1800
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
33
Katalognummer
V144287
ISBN (eBook)
9783640548033
ISBN (Buch)
9783640551446
Dateigröße
587 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar der Dozentin: "Sehr schöne Arbeit - Sie haben viel und systematisch aus den Briefen herausgeholt."
Schlagworte
Frauen, Alltag, Familie, 1800, Gender Studies, Briefe, Bettina von Arnim, Frauengeschichte, Achim von Arnim
Arbeit zitieren
Magistra Artium Corinna Heins (Autor:in), 2006, "... und sehe wohl ein, daß ich geboren bin zum Dulden, nicht aber zum eigenen freien Bewegen" , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144287

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: "... und sehe wohl ein, daß ich geboren bin zum Dulden, nicht aber zum eigenen freien Bewegen"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden