Die Soziale Wirkung von Markensymbolen in Deutschland und Südkorea

Am Beispiel von Nike und Lacoste


Diplomarbeit, 2010

138 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Entwicklung der Fragestellung
1.2 Zum Aufbau der Arbeit

2.Die soziale Bedeutung von Konsumgütern
2.1 Entwicklungsgeschichte der Marke
2.2 Entwicklungsgeschichte des Konsums

3. Soziologische Theorie der Markenkleidung
3.1 Veblens Konzept des demonstrativen Konsums
3.2 Die Soziologie Pierre Bourdieus

4. Forschungsstand
4.1 Verbindung von Selbstbild und Marke
4.2 Marke und Kultur
4.3 Soziale Wirkung von (Marken-)Kleidung

5. Die Felder der Marken
5.1 Das Feld von Lacoste
5.2 Das Feld von Nike

6. Entwicklung der Studie
6.1 Entwicklung der Hypothesen
6.2 Methodologie
6.3 Durchführung der Studie

7. Ergebnisse der Datenanalyse
7.1 Zusammensetzung der Stichprobe
7.2 Test der Hypothese
7.3 Test der Hypothese
7.4 Test der Hypothese
7.5 Test der Hypothese

8. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Entwicklung der Fragestellung

„Marken umgeben uns. Wir umgeben uns mit Marken in allen Lebensbereichen und nehmen sie in Anspruch oder konsumieren sie tagt ä glich. Marken sind also gegenwärtig als Lebensmittel, als Dienstleistungen, als Gebrauchs- und Investitionsgüter“ (Boysen 1993: 19).

Marken spielen für Konsumenten eine große Rolle im Alltag. Viele berühmte Marken wie Kellog, Kodak, Wrigley, Coca-Cola, Gillette, Goodyear oder Lipton gehörten bereits zu Anfang des letzten Jahrhunderts zu den Marktführern in ihren Produktsegmenten (Schütz 2001: 68). Kaum verwunderlich ist es daher, dass Marken eine zentrale Bedeutung in der Wirtschaft besitzen. Die international bekannte Marke Coca-Cola gilt als besonders wertvolle Marke und hat einen Wert von fast 70 Milliarden US Dollar (Hellmann 2003: 17). Die große Beliebtheit von Markenprodukten ist nicht allein mit der hohen Qualität zu erklären. In einem Experiment verabreichte man den Probanden zunächst zwei Cola-Sorten, wobei die Marke nicht bekannt gegeben wurde. Der Geschmack von Pepsi-Cola wurde von etwas mehr als der Hälfte der Befragten bevorzugt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(De Chernatony/McDonald 1998).

In einem zweiten Durchgang, bei dem die Probanden von den Marken erfuhren, änderte sich das Resultat. Weniger als ein Viertel bevorzugte nun Pepsi-Cola, während sich etwa zwei Drittel der Befragten für Coca-Cola aussprachen. Die „symbolische Wirkung“ (Burmann/Meffert 2005: 55) und die positiven Assoziationen zur Marke ´Coca-Cola´ führen folglich dazu, dass diese Marke präferiert wird. Man kann also festhalten, dass Marken einen großen Einfluss auf die Einschätzungen von Produkten besitzen können. Kommunikationsdesigner,

Marketingabteilungen und Werbeagenturen sind zentrale Akteure, welche den Markenartikeln eine gewisse Bedeutung verleihen (Allen/Fournier/Miller 2008).

In der vorliegenden Arbeit wollen wir jedoch einen Schritt weiter gehen und untersuchen, ob Marken auch einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Personen ausüben können. Dies soll anhand von zwei Kleidungsmarken, Nike und Lacoste, untersucht werden, da Kleidung eine hohe kommunikative Bedeutung zugeschrieben wird (Bohn 2000). Die mögliche Wirkung der Markensymbole soll in zwei unterschiedlich geprägten Ländern (Deutschland und Südkorea) untersucht werden um herauszufinden, ob sich die Wirkung der Markensymbole in den beiden Ländern unterscheidet. Aus den persönlichen Eindrücken der koreanischen Autorin ergibt sich die These, dass Koreaner zwar ähnliche Marken bevorzugen, diese jedoch eine größere Bedeutung einnehmen. Auch das Verhältnis zu gefälschten Markenartikeln ist ein anderes, so gibt es Kaufhäuser in denen ausschließlich nachgemachte Markenware in verschiedenen Qualitätsgraden verkauft wird.

Es geht in der Diplomarbeit also nicht vordergründig um die ökonomische Dimension von Marken und ihre Auswirkungen auf die Zahlungsbereitschaft, Preise oder Marktanteile. Der Fokus liegt auf den sozialen Wirkungen von Marken: Werden die Träger von Markenkleidung in Bezug auf ihre Charaktermerkmale im Durchschnitt anders eingeschätzt, als Personen ohne erkennbare Markensymbole? Ändert das Vorhandensein von bestimmten Marken die Einschätzung von Personen?

Sucht man nach Antworten auf diese Frage so fällt zunächst auf, dass sich die Soziologie trotzt der hohen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung von Markensymbolen bisher kaum systematisch mit dem Thema „Marke“ auseinandergesetzt hat. Kai-Uwe Hellmann hat 2003 mit „Soziologie der Marke“ einen ersten Versuch unternommen, das Thema Mithilfe der soziologischen Systemtheorie zu bearbeiten. Autoren wie Hüllemann (2007) oder Schindler (2008) folgen diesem Beispiel. Empirische Forschung aus einer soziologischen Perspektive bildet bisher eine äußerst seltene Ausnahme. In der soziologischen Literatur zur Marke findet sich keine Antwort auf die Frage, inwiefern Marken die Beurteilung einer Person beeinflussen können.

Betrachtet man hingegen beispielsweise die identitätsorientierte Theorie der Markenführung (Burmann/Meffert 2005) oder die Diskussion über die Konsumgesellschaft (Corrigan 1997), so findet sich dort die These, dass Marken als „Mittel zur Selbstverwirklichung“ (Burmann/Meffert 2005: 55) und als Statement über den Markenträger betrachtet werden können. Marken wird folglich eine hohe kommunikative Relevanz für die Selbstdarstellung zugesprochen. Wenngleich diese Ausführungen theoretisch plausibel erscheinen, so fehlt es jedoch an einer empirischen Fundierung.

In der vorliegenden Diplomarbeit soll gezeigt werden, dass sich das Theoriegebäude von Pierre Bourdieu und die Methoden der empirischen Sozialforschung für eine systematische Bearbeitung der Forschungsfrage fruchtbar nutzen lassen. Mithilfe dieser soziologischen Perspektive und dem „Werkzeug“ der empirischen Sozialforschung soll die empirische Frage geklärt werden, ob Marken tatsächlich eine soziale Wirkung auf die Markenträger in Deutschland und Südkorea ausüben.

1.2 Zum Aufbau der Arbeit

Da Marken in der Soziologie nur selten thematisiert werden, soll im zweiten Kapitel zunächst geklärt werden, was man unter einer Marke versteht und wie sich Marken historisch entwickelt haben. Die Genese1 des Markenartikels kann uns dabei einige Anknüpfungspunkte für die sozialen Funktionen der Marke liefern. Ferner diskutieren wir unter dem Stichwort der „ Konsumgesellschaft “ die Frage, warum Konsumgütern eine hohe Relevanz für die Selbstdarstellung zugeschrieben wird.

Im dritten Kapitel soll das Konzept des „demonstrativen Konsums“ von Thorstein Veblen (1958[1899] ) kritisch diskutiert werden. Mit dem Theoriegebäude von Pierre Bourdieu knüpfen wir an Veblens Theorie an und präsentieren eine zeitgemäße Erweiterung. Bourdieu (2003) zeigte in einer Untersuchung über die französische Gesellschaft der 1960er Jahre, dass Geschmacksurteile sehr stark sozial geprägt sind. Marken können aus dieser soziologischen Perspektive als eine Form von symbolischem Kapital verstanden werden.

Das vierte Kapitel dient der Aufarbeitung des Forschungsstandes. Hervorzuheben sind hier verschiedene Ansätze aus der Wirtschaftspsychologie und dem symbolischen Interaktionismus, die eine Verbindung von den Persönlichkeiten der Konsumenten zu den so genannten Markenpersönlichkeiten2 untersuchen (Strebinger et. al. 1998).

Im fünften Kapitel sollen die von uns untersuchten Marken Nike und Lacoste vorgestellt werden. Anhand der Unternehmensgeschichte soll hier gezeigt werden, welche Strategien die Marken zur Generierung von symbolischen Bedeutungen verfolgen und wie sich die Unternehmen positionieren.

Im sechsten Kapitel geht es um die methodische Umsetzung des Forschungsvorhabens. Hierzu sollen zunächst konkrete, falsifizierbare Hypothesen formuliert werden. Darauf hin soll geklärt werden, mit welchen methodischen Mitteln und Untersuchungsformen diese Hypothesen angemessen überprüft werden können. Dabei sind die Gründe für die Wahl und die Gestaltung des experimentellen Onlinefragebogens zu erläutern.

Im siebten Kapitel sollen die Zusammensetzungen der Stichproben und die Ergebnisse der statistischen Hypothesenprüfung vorgestellt und diskutiert werden. Hierbei soll geprüft werden, inwiefern sich die Bewertungen der abgebildeten Personen in Abhängigkeit vom Markenlogo unterscheiden.

Im achten Kapitel sollen die zentralen Ergebnisse und Erkenntnisse der Arbeit in einem abschließenden Fazit zusammengefasst werden. Dabei wollen wir die gemachten Erfahrungen reflektieren und einen Ausblick auf weitere Forschungsfragen geben.

2. Die soziale Bedeutung von Konsumgütern

In diesem Kapitel werden zunächst der Begriff und die Geschichte der Marke erläutert. Dabei sollen Anknüpfungspunkte für unsere Fragestellung nach den sozialen Wirkungen von Markenartikeln herausgearbeitet werden. Daran anschließend diskutieren wir unter dem Stichwort der Konsumgesellschaft die Frage, welche Rolle Konsumgüter in der modernen Gesellschaft einnehmen.

2.1 Entwicklungsgeschichte der Marken

Marke kommt sprachgeschichtlich vom Wort „mark“, welches im Sinne von Kennzeichen oder Grenz-Zeichen zur Markierung von Grundstücken benutzt wurde (Hüllemann 2007: 81). Seit dem 18. Jahrhundert tritt „Marke“ in der französischen Schreibweise („marque“), zumeist als Warenzeichen in kaufmännischen Zusammenhängen auf (Mackensen 2004: 252; Schütz 2001: 22). Marken und Zeichen sind semantisch eng verknüpfte Begriffe, die in der Literatur zur Genealogie des Markenbegriffs teilweise sogar synonym verwendet werden (Hellmann 2003: 41). Man spricht dann von Zeichen, wenn eine Markierung lediglich zur Unterscheidung der Ware oder als Herkunftsnachweis dient. Von Marke wird dagegen gesprochen, wenn eine Markierung wirtschaftliche Funktionen für den Handel erfüllen soll (ebd.: 42).

2.1.1 Marken im Mittelalter

Markierte Waren, im Sinne von Zeichen, gab es bereits in der „Frühgeschichte der Menschheit“ (Schütz 2001: 84)3. Bei den mittelalterlichen Erzeuger- und Urhebermarken stehen erstmals absatzwirtschaftliche Interessen und die Betonung der Qualität im Mittelpunkt (Leitherer 1956). Daher bezeichnet Leitherer Urhebermarken auch als „erste große Ausbildung des Markenwesens“ (ebd.: 689). Urhebermarken lassen sich in Zunftmarken, Meistermarken und Städtemarken unterteilen (Schütz 2001: 86).

Mit der Städtebildung im 13. Jahrhundert verbreiteten sich in zunehmendem Maße Zünfte und Gilden. Diese wirtschaftlichen Zusammenschlüsse von Handwerkern und Kaufleuten waren darauf bedacht sowohl wirtschaftlich als auch politisch und sozial großen Einfluss auszuüben. Sie erließen „streng kontrollierte Richtlinien“ (Hellmann 2003: 43) für die Produktion und den Verkauf von Waren innerhalb der Städte. Es sollten ausschließlich Waren von Handwerkern angeboten werden, die ausgebildete Mitglieder einer bestimmten Zunft waren (Hüllemann 2007: 87). Die Zünfte bestimmten nicht nur die Produktionsmethoden4, sondern auch die Preise. Die hergestellten Produkte mussten auf einer sogenannten „Warenschau“ präsentiert werden, auf der „Schaubeamte“ (ausgewählte Mitglieder der Zünfte und später auch der Städte) die Qualität der Waren beurteilten (Schütz 2001: 90; Leitherer 1956: 696 ff). Fiel der Test positiv aus, so erhielten die Waren eine Markierung als Zunftware, beziehungsweise als Städtemarke (z.B. Leinen aus Bielefeld) und wurden zum Verkauf freigegeben. Einige Waren wurden dabei zusätzlich mit der Meistermarke des verantwortlichen Handwerksmeisters markiert. Die Zünfte grenzten sich somit gegenüber den nicht kontrollierten, anonymen Waren von „freien Handwerkern“ (Böhmen) ab, deren Qualität ungewiss war (Hellmann 2003: 44). „Durch die Markierung war es möglich, nicht nur eine scharfe Kontrolle gegenüber minderwertiger Produktion auszuüben, sondern durch das Bekanntwerden außerhalb des städtischen Absatzgebietes konnte die mit einer bekannten Marke ausgezeichnete Ware sich einen Ruf erwerben und so eine Absatzsicherung für das einheimische Gewerbe darstellen. So können wir feststellen, daß auch damals gewisse Markenwaren ein festes Markenbewußtsein hervorriefen“ (Leitherer 1956: 691). Aufgrund des Erfolges der markierten Ware kam es zu Nachahmungen und Fälschungen, worauf die Zünfte mit „drakonischen Strafen“ (Schütz 2001: 91) reagierten.

Die Meistermarken nahmen eine Sonderstellung bei den mittelalterlichen Marken ein, da sie auf die individuelle Leistung des Meisters verwiesen. Meistermarken konnten, wie heutige Marken, neu eingetragen, abgeändert, vererbt oder verkauft werden (ebd.: 90). „Solche Zeichen weisen daher auch eine oft jahrhundertelange Geschichte auf, wurden von Generation zu Generation weitervererbt und beim Verkauf mit erheblichen Summen bezahlt“ (Leitherer 1956: 703). Daher können die Meistermarken auch als Vorläufer der modernen Herstellermarken gesehen werden.

2.1.2 Marken zwischen 1850 und 1950

Mit dem Einschnitt des 30 jährigen Krieges nahm der Einfluss der Zünfte immer weiter ab. Schau- und Meisterzeichen bestanden zwar im 18. Jahrhundert noch weiter, wurden jedoch unter staatliche Aufsicht gestellt (ebd.: 707). Im Laufe des 19. Jahrhunderts führte die aufkommende Gewerbefreiheit, die zunehmende Industrialisierung und die damit einhergehende kapitalistische Wirtschaftsordnung zu einem endgültigen Ende der Zunftwirtschaft (Hellmann 2003: 46 f). Mit dem Ende der Zunftwirtschaft war gleichzeitig der Startpunkt für die Entstehung des modernen Markenwesens gelegt. Im Zunftwesen, in dem ein Großteil der Waren nur auf Bestellung produziert wurde, fand noch ein reger Interaktions- bzw. Aushandlungsprozess zwischen Produzent und Verkäufer statt, so dass der Produzent die Waren nach den Vorstellungen des Kunden erstellen konnte (Hellmann 2003: 47f). Auf diese Weise „konnte dem Kunden ein Gefühl von Vertrautheit, Warenkenntnis, Erwartungssicherheit, Mitbestimmung und Handlungskontrolle vermittelt werden (…)“ (Hüllemann 2007: 88).

Im Zuge der Industrialisierung wurden nun hauptsächlich standardisierte Fertigwaren in großer Stückzahl auf den Markt gebracht, ohne dass ein persönlicher Kontakt zwischen Produzent und Verkäufer bestand. Industrialisierung, Urbanisierung und der große Bevölkerungsanstieg (Leitherer 1955: 539) führten zu einem enormen Anstieg der Kaufkraft und zur Massenproduktion für den anonymen Markt. So traf ein immer größeres und unübersichtlicheres Angebot von Waren auf eine abnehmende Warenkenntnis der Verbraucher5 (Hellmann 2003: 48; Leitherer 1955: 540). Zudem konnte die Qualität der Waren nicht mehr durch die Zünfte gewährleistet werden, was natürlich das Betrugsrisiko erhöhte.

Als Konsequenz entstand dadurch die Notwendigkeit, eine neue Vertrauensbeziehung aufzubauen, sowie die Komplexität und die Unsicherheit des Marktes zu senken. Dies geschah durch die Einführung von Marken: „Der Hersteller (...) hob durch eine Marke seine Ware aus dem übrigen Angebot heraus und ermöglichte so gewissermaßen einen blinden Kauf nach seiner bekannten und bewährten Marke“ (Leitherer 1955: 548). Hersteller und Händler traten also aus der Anonymität des Marktes hervor und bürgten mit ihren Marken für die Qualität der Waren. Da die Kunden beispielsweise nicht mehr einfach Waschmittel, sondern Markenwaschmittel wie Persil verlangten, sank auch die Bedeutung des „warenkundigen Verkäufers“ (Lamberty 2000: 111).

Soziologisch betrachtet verschob sich das Vertrauensverhältnis also von der (vormals bekannten) Person des Produzenten oder Händlers, zur Institution 6 „Marke“ (Hellmann 2003: 222).

Glaubwürdigkeit und Vertrauen mussten nun für Markenartikel generiert werden. Prägend war hier das Aufkommen der modernen Reklame, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts Mithilfe von Plakaten, Litfaßsäulen und Schaufenstern Qualitätsversprechen kommunizierte und neue Bedürfnisse weckte7 (Lamberty 2000: 37-59; Leitherer 1955: 551). Die Gestaltung von

Markensymbol und Verpackung erwies sich ebenfalls als relevanter Faktor für den Erfolg von Marken. Zur llustration sei hier auf Odol-Mundwasser8 verwiesen: Die charakteristische Flaschenform aus weißem Glas prägt bereits seit 1893 das Erscheinungsbild. Markenlogos werden zumeist über lange Zeiträume hinweg konstant gehalten9, erfahren jedoch in gewissen zeitlichen Abständen eine Aktualisierung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit der Nachfrage nach bestimmten Markenartikeln ging ein großer Anstieg von Markenfälschung einher. Hersteller von Plagiaten waren daran bedacht Kosten für Forschung, Entwicklung und Reklame zu sparen und den „guten Ruf“ der Markenartikel auszunutzen. Daher war der rechtliche Schutz der Marken konstitutiv für die Durchsetzung der modernen Marken. Im Jahr 1874 wurde das erste reichsweite Gesetz zum Markenschutz verabschiedet, welches jedoch aufgrund von Mängeln überarbeitet werden musste. Das verbesserte Warenzeichengesetz trat schließlich zwanzig Jahre später in Kraft (Schütz 2001: 99). In den 1890er Jahren wird auch der Startpunkt für das moderne Markenwesen gesehen (Leitherer 1955: 550; Lamberty 2001: 109). Allein im Zeitraum zwischen 1894 und 1913 wurden über 185.000 Marken beim Patentamt eingetragen (Lamberty 2001: 109f). Der Ursprung zahlreicher international bekannter Marken, wie beispielsweise Coca Cola (1886), Dr. Oetker Backpulver10 (1893), Odol (1893), Jacobs (1895), Aspirin (1899), Persil (1907) oder Melitta (1908) liegt in diesem Zeitraum (Lamberty 2000: 110; Hellmann 2003: 52).

2.1.3 Marken in der BRD nach 1950

Während der beiden Weltkriege gab es aufgrund der Güterknappheit keine förderlichen Bedingungen für Marken. Nach dem zweiten Weltkrieg kehrten zunächst die bewährten Marken wieder, welche während des Krieges nicht verfügbar waren11. Danach breiteten sich Marken immer weiter aus: „In allen industriell aufstrebenden Ländern (vor allem in den USA) setzten sich Markenartikel mehr und mehr durch (...)” (Prox/Nickel 2008). Im Zuge des Wirtschaftswunders12 kam es in den folgenden Jahrzehnten zu einem enormen Anstieg des Wohlstandes der westlichen Gesellschaften. Die Markenentwicklung und -führung erfuhr dabei eine zunehmende Professionalisierung. Betrachtet man beispielsweise die Werbeindustrie, so stellt man fest, dass die Ausgaben in der Zeit von 1960 bis 1990 von 3,7 auf 60 Milliarden DM anstiegen. Einen besonderen Anteil hat hier die Einführung des Privatfernsehens (Schütz 2001: 131-136). Nach dem Soziologen Gerhard Schulze, kam es zu einem entscheidenden Wandel im Stil der Werbung. Wurden früher vor allem die Gebrauchswerte betont, so steht heute der „Erlebniswert“ im Mittelpunkt: „Design und Produktimage werden zur Hauptsache, Nützlichkeit und Funktionalität zum Accessoire“ (Schulze 2005: 13). Als Beispiel für erlebnisorientierte Werbung wird häufig auf die Zigarettenmarke Marlboro verwiesen, bei deren Werbeanzeigen rauchende Cowboys in einem fiktiven Land (Marlboro Country) abgebildet sind (Schnierer 1999: 200ff). Wie wir später sehen werden, verfolgt die von uns untersuchte Marke Nike ebenfalls diese Art der Produktkommunikation.

Seit den 1990er Jahren wird die Idee der Marke auf immer mehr (auch nichtwirtschaftliche) Bereiche übertragen. Personen, Sportvereine, politische Parteien, Universitäten, kulturelle Veranstaltungen und sogar ganze Nationen werden als Marken betrachtet (Schütz 2001: 131-136). Während dessen ist jedoch die „Markentreue“ der Verbraucher gemessen durch das Wiederkaufsund Wechselverhalten der Verbraucher (Tscheulin, Helmig 2007: 544 - 550) in vielen Segmenten seit Jahren rückläufig.

Es kann festgehalten werden, dass die modernen Markenformen bereits im Mittelalter entstanden und für ihre Qualität bürgten. Das Vertrauen, welches früher durch die Person des Händlers oder Produzenten generiert wurde, wird heute durch die Institution Marke hergestellt. Marken senken das Risiko vor minderwertiger Produktion und referieren mit ihren Qualitätsversprechen auf die Vergangenheit und die Zukunft. Werbung und Markenführung erfuhren spätestens nach dem zweiten Weltkrieg eine immer größere Professionalisierung, so dass der „Erlebniswert“ der Marke gegenüber den konkreten Produktmerkmalen immer mehr an Bedeutung gewinnt.

2.2 Entwicklungsgeschichte des Konsums

Aus den bisherigen Ausführungen wurde ersichtlich, dass mit der Industrialisierung und der Einführung des Warenzeichengesetzes die modernen Markenformen entstanden. Wir wollen im folgenden argumentieren, dass sich mit der Industrialisierung auch die gesellschaftliche Bedeutung des Konsums massiv verändert hat.

Die historische Forschung zur Industrialisierung hatte sich lange Zeit nur auf die veränderten Produktionsbedingungen und ihre Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft konzentriert. Aus den bisherigen Ausführungen wurde bereits deutlich, wie folgenreich sich das Verhältnis zwischen Produzent und Konsument in diesem Zeitraum geändert hat. Mit der außerordentlich einflussreichen Arbeit der englischen Historiker McKendrick, Brewer und Plumb: „The Birth of Consumer Society“ (1982), wurde der Fokus erstmals auf die veränderten Konsummuster und deren gesellschaftliche Folgen gelegt. McKendrick, Brewer und Plumb stellen fest, dass im England des 18. Jahrhunderts eine „consumer revolution“ (ebd.: 1) stattfand, bei der das Volumen des Konsums stark anstieg und sich die soziale Bedeutung des Konsums veränderte. Industrielle Revolution und „consumer revolution13 “ agierten dabei Hand in Hand und verhielten sich wie Angebot zu Nachfrage (ebd.: 9; Corrigan 1997: 8). Die Autoren betonen vor allem die wirtschaftliche Entwicklung, die immer mehr Personen einen größeren Spielraum für den privaten Konsum ermöglichte. Güter, die Frauen früher in Hausarbeit hergestellt haben, wurden nun industriell hergestellt, da Frauen zunehmend am Arbeitsmarkt partizipierten (McKendrick et. al. 1982: 23). So stieg die Möglichkeit aus einer größer werdenden Anzahl an Gütern zu wählen sowie den Wohn- und Lebensraum individuell zu gestalten (Corrigan 1997: 8). Darüber hinaus halten die Autoren die Nachahmung des Konsumstils der oberen Schichten für besonders zentral und verweisen auf die Entstehung des Modesystems und die erfolgreiche Marketingpraxis des Unternehmers J. Wedgwood, der seine Waren zunächst bei der Oberschicht etablierte, damit diese später von anderen Schichten angestrebt wurden (McKendrick et. al. 1982: 100ff). McKendrick et. al. zeigen, dass viele Personen von dieser Praxis

Gebrauch machten und statusträchtige Güter der höheren Klassen anstrebten. Dies wiederum führte dazu, dass diese sich fortlaufend durch immer neue Statusobjekte von den unteren Schichten abgrenzen mussten. Thorstein Veblens „Theorie der feinen Leute“ (1958 1899 ) wird dabei herangezogen um die Beobachtungen theoretisch zu untermauern. Veblen argumentiert in seinem Werk, dass der verschwenderische Konsum von wertvollen Gütern Prestige einbringt (Veblen 1958: 85) und die unteren Schichten sich „(...) die jeweilige Lebensweise der nächst höheren zu ihrem Schicklichkeitsideal machen und ihre Energie darauf verwenden, diesem Ideal gemäß zu leben“ (ebd.: 92f).

Weitere Grundlagen für die Entwicklung von Industrie- und Konsumgesellschaft14 waren Konsum- und Gewerbefreiheit (keine Kleidungsvorschriften und Zwänge durch die Zünfte), Massenproduktion, Transportrevolution, Reklame, Säkularisierung und Urbanisierung (Prinz 2002).

Das Zusammenspiel von der Konsumrevolution und der Industriellen Revolution prägte das Gesicht der modernen Gesellschaft in hohem Maße (Prinz 2002) und führte zu einem fundamentalen Wandel des Geschmacks, des Verbraucherverhaltens und der sozialen Bedeutsamkeit des Konsums für die Bürger (McKendrick et.al. 1982: 9). Dies soll durch den Begriff der Konsumgesellschaft („Consumer Society“) ausgedrückt werden15. Um diese Entwicklung zu illustrieren wollen wir im Folgenden den Konsumstil vor und nach der Konsumrevolution darstellen. Hierzu greifen wir auf die „Theory of Patina“ des Anthropologen und Konsumtheoretikers Grant McCracken (1988) zurück, der sich intensiv mit McKendricks Ideen auseinander setzt.

2.2.1 Konsumstil vor der Konsumrevolution (System der Patina)

Grant McCracken geht vom England des 16. Jahrhunderts aus und stellt fest, dass Konsumgüter zur Demonstration des sozialen Status genutzt wurden. Hiermit verbunden ist die schwierige Frage, wie man überprüfen konnte, ob der proklamierte Status tatsächlich berechtigt ist, vor allem wenn man keine Informationen über den Interaktionspartner besaß16. Ob der behauptete Status wirklich angemessen war, wurde vor allem durch zwei Strategien geprüft und überwacht: Rechtliche Kleiderverordnungen 17 und Patina (McCracken 1988: 33f). Kleidungsverordnungen erwiesen sich als schwierig zu kontrollieren und beinhalteten zudem gewisse Spielräume. Patina war hingegen eine subtilere Methode um die Legitimität der Statusansprüche zu prüfen. Patina ist eine dünne Schicht auf der Oberfläche von bestimmten Gegenständen, die durch den natürlichen Alterungsprozess (oxidation) entsteht (Corrigan 1997: 6f). „Wer Schmuck, Silberbesteck oder eine Kommode besaß, die patiniert waren, wies sich nicht nur als wohlhabend aus, sondern signalisierte zugleich, aus einer etablierten Familie zu stammen, in der bereits seit mehreren Generationen ein hoher Lebensstandard gewahrt werden konnte“ (Ullrich 2008: 27f). Dabei muss beachtet werden, dass der Status des Einzelnen durch die Familienzugehörigkeit bestimmt war und Güter in der Regel dem Familienbesitz zugeordnet wurden (ebd.). McCracken zufolge mussten Familien in die „richtigen“ Konsumgüter investieren und diese über fünf Generationen bewahren, bevor sie als „gentle“ (McCracken 1988: 38) galten. Aus dem Grad der Patinierung konnte darauf geschlossen werden, wie weit die Familie in diesem Prozess war18. Die Symbolik der Patina ermöglichte in diesem Sinne eine Abgrenzung gegenüber Neureichen, welche sich zwar teure Güter kaufen konnten, jedoch nicht den entsprechenden familiären Hintergrund besaßen. Die proklamierten Statusansprüche wurden dementsprechend als illegitim zurückgewiesen und soziale Mobilität wurde gehemmt (ebd.).

2.2.2 Konsumstil nach der Konsumrevolution (System der Mode)

Im 18. und 19. Jahrhundert kam es mit der Entstehung der „Consumer Society“ zu einem fundamentalem Wandel in der „Dingkultur“ (Ullrich 2008: 28). Nicht die Ehre und der Wohlstand der Familie, sondern der aktuelle Wohlstand und der individuelle Geschmack wurden nun zur Quelle für das Selbstverständnis der Person (Corrigan 1997: 3f). Das Zeitalter der Moden 19 leitete das Ende für die Bedeutung von Patina ein (ebd.: 7) und verschob den Fokus auf das Neue (McCracken 1988: 10). Daraus zieht McCracken folgende Konsequenz: „This meant that first-generation wealth was now indistinguishable from five- generation gentry. (...) The low standing could now counterfeit high standing without the fear of detection“ (ebd.: 40).

Zwar gab es schon zu früheren Zeitpunkten Mode, jedoch steigerte sich Geschwindigkeit und Intensität, mit der die Modezyklen nun wechselten: „What had once taken a decade to move through the fashion cycle now did so in a year. (...) Still more remarkable, categories of objects previously untouched by fashion were now drawn into the process of ceaseless change“ (ebd.: 39). Statusträchtige Güter bekamen ihre Bedeutung und Legitimation nun dadurch, dass sie neu waren und der aktuellen Mode entsprachen. Während eine teure Handtasche früher durch Patina Autorität erhielt, so erhielt sie diese nun durch die Aktualität der Kollektion und durch das Vorhandensein des „richtigen“ Markenlogos (Ullrich 2008: 28).

Michael Prinz spricht davon, dass in der modernen Konsumforschung ein allgemeiner Konsens besteht, Konsumgütern eine hohe Relevanz bei der „Konstruktion und Repräsentation von Identität“ (Prinz 2002) zuzusprechen.

Konsumgüter und deren symbolische Bedeutungen verweisen auf den Lebensstil und Status des Trägers. Darüber hinaus sind modische Güter als ein wichtiges Mittel zu verstehen, mit dem Personen ihre Zugehörigkeit oder ihre Distanz zu bestimmten Gruppen ausdrücken. Mit Blick auf die 1990´er Jahre fasst Mike Featherstone zusammen:

„(...) Within consumer culture there still persist prestige economies, with scarce goods demanding considerable investment in time, money and knowledge to attain and handle appropriately. Such goods can be read and used to classify the status of their bearer. At the same time consumer culture uses images, signs and symbolic goods which summon up dreams, desires and fantasies which suggest romantic authenticity and emotional fulfilment in narcissistically pleasing oneself, instead of others“ (Featherstone 1991: 27).

Wir können festhalten, dass Konsumgüter auch schon vor der Konsumrevolution eine hohe Bedeutung für den Status und die Identität von Personen besaßen, welche sich mit den Gütern umgaben. Es gab auf der einen Seite rechtliche Kleiderverordnungen; auf der anderen Seite war die Legitimität von Statusansprüchen weitaus enger an die familiäre Herkunft geknüpft. Mit der Orientierung an aktuellen Moden wurde der Erwerb der neusten Konsumgüter ein wichtiges Mittel um den individuellen Lebensstil und den Status des Besitzers zu vermitteln. In Bezug auf unsere Fragestellung kann man ableiten, dass Konsumenten die Wahl ihrer Konsumgüter (hier Markenkleidung) heute häufig als Statement über ihre Person verstehen. Ob andere Personen diese subtilen Botschaften jedoch wirklich wahrnehmen, kann hier nicht geklärt werden. Diese Frage soll im empirischen Teil dieser Arbeit quantitativ untersucht werden.

3. Soziologische Theorie der Markenkleidung

Wir wollen uns in diesem Kapitel zunächst mit Veblens „Theorie der feinen Leute“ auseinandersetzen, auf welche sich McKendrick, Brewer und Plumb (1982) beziehen. Veblens Theorie gilt als eines der ersten Hauptwerke, das sich mit Konsum beschäftigt und wird in der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Literatur häufig als Bezugspunkt herangezogen. Ökonomen sprechen heute beispielsweise vom Veblen-Effekt, wenn die Erhöhung eines Preises, eine steigende Nachfrage zur Folge hat (Trigg 2001: 153). Der Sozialwissenschaftler Andrew B. Trigg (2001) zeigt, dass in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung einige berechtigte Kritikpunkte gegen Veblens Theorie eingewendet werden. Mit dem Theoriegebäude von Pierre Bourdieu ist es jedoch möglich, auf diese Kritikpunkte zu reagieren und eine zeitgemäße und erweiternde Sichtweise auf die soziale Relevanz des Konsums zu erlangen.

3.1 Veblens Konzept des demonstrativen Konsums

Veblen stellt in seiner „Theorie der feinen Leute“ (Theory of the Leisure Class), die arbeitende Klasse der müßigen Klasse gegenüber. Die müßige Klasse besitzt einen gewissen Reichtum und lässt andere für sich arbeiten. Dabei pflegt sie einen verschwenderischen Konsumstil, der „einzig und allein dem Prestigegewinn“ (Veblen 1958: 9) dient20. Die Präsentation des Reichtums führt nach Veblen dazu, dass Personen Respekt entgegengebracht wird und sie in ihrer Selbstsicherheit gestärkt werden: „Um diese flüchtigen Beschauer gebührend zu beeindrucken und um unsere Selbstsicherheit unter ihren kritischen Blicken nicht zu verlieren, muss uns unsere finanzielle Stärke auf der Stirn geschrieben stehen, und zwar in Lettern, die auch der flüchtigste Passant entziffern kann“ (ebd.: 95). Die Befriedigung die Personen durch den Besitz von Gütern erlangen, hält jedoch nicht lange an, da der eigene Besitz fortwährend mit dem der Nachbarn verglichen wird (ebd.: 47). Fällt der Vergleich mit den Nachbarn negativ aus, stellt sich eine dauerhafte Unzufriedenheit ein. Fällt der Vergleich hingegen positiv aus, „(...) weicht zwar die chronische Unzufriedenheit, aber nur, um einem ruhelosen Streben Platz zu machen, das den Abstand zwischen dem eigenen und dem durchschnittlichen Vermögen vergrößern möchte“ (ebd.: 48). Neid und soziale Vergleichsprozesse bestimmen nach Veblen den Konsumstil. Die sozialen Vergleichsprozesse beschränken sich nicht nur auf die müßige Klasse, sondern umfassen prinzipiell alle gesellschaftlichen Schichten. „In der modernen zivilisierten Gesellschaft verlaufen die Trennungslinien zwischen den einzelnen Klassen sehr undeutlich, so daß die von der Oberklasse errichteten Prestigenormen ihren zwingenden Einfluß ungehindert bis auf die unterste Schicht der sozialen Struktur ausdehnen können. Daraus ergibt sich dann, daß die Mitglieder jeder Schicht die jeweilige Lebensweise der nächst höheren zu ihrem Schicklichkeitsideal machen und ihre Energie darauf verwenden, diesem Ideal gemäß zu leben“ (Veblen 1958: 92f). Die Nachahmungsprozesse verlaufen Veblen zufolge also vertikal von den oberen zu den unteren gesellschaftlichen Schichten. In der wissenschaftlichen Diskussion wird dieses Phänomen auch als „Trickle-Down-Theorie“ bezeichnet, wobei hier häufig Georg Simmels englischsprachiger Artikel „Fashion“ aus dem Jahre 1904, den Bezugspunkt liefert (Schnierer 1999: 150).

Der demonstrative, verschwenderische Konsum ist nicht nur auf Luxusgüter beschränkt, die öffentlich konsumiert werden, sondern umfasst auch Güter die ausschließlich für den privaten Konsum bestimmt sind (Veblen 1958: 154). Veblen erklärt dies damit, dass Personen gelernt haben vom Preis auf die Qualität zu schließen und instinktiv alles Billige für schlecht halten (ebd.). „Mit anderen Worten beeinflussen die Forderungen der finanziellen Wohlanständigkeit in erheblichem Maß den Sinn für Schönheit und Nützlichkeit (...)“(ebd.: 128f). Daraus können wir schließen, dass demonstrativer Konsum nicht zwangsläufig bewusst abläuft und Konsumenten bestimmte prestigeträchtige Waren auch deshalb kaufen, da sie diese für qualitativ hochwertiger und ästhetischer halten (Schnierer 1999: 153). Die Demonstration des Wohlstandes ist mit zunehmender Entwicklung der Gesellschaft feiner und subtiler geworden, so dass ein gewisses Unterscheidungsvermögen notwendig erscheint, um die Symbolik des Reichtums richtig zu deuten (ebd.: 182f).

3.1.1 Kritikpunkte:

Das Konzept von Veblen gilt insgesamt als sehr einflussreich, dennoch sind natürlich auch hier bestimmte Kritikpunkte einzuwenden.

Verschiedene Autoren widersprachen der Annahme, dass Mode von den oberen zu den unteren Schichten durchsickert (Trickle-down). Ein theoriebezogenes Argument kommt von Campbell (1987) der einwendet, dass es nicht plausibel erscheint, wenn mit der Industrialisierung die Aristokratie überwunden wurde und ebenjene andererseits nachgeahmt wird.

Ben Fine und Ellen Leopold (1993) weisen darauf hin, dass Jeans zunächst Arbeiterhosen waren, bevor sie bei den mittleren und den höheren Schichten populär wurden. Ein anderes Beispiel ist der „used-look“ aus den 90´er Jahren, bei dem Hosen ausgeblichen und voller Löcher waren. Diese Mode entstand zunächst in bei der Punk- und Grungeszene und wurde später von Designern übernommen (Savage 1994). Insgesamt gehen die Kritiker davon aus, dass sich Mode mindestens so häufig von unten nach oben ausbreitet (Trickle-up) wie umgekehrt (Trigg 2001: 103).

Roger Mason (1998) argumentiert, dass der demonstrative Konsum deutlich an Relevanz verloren hat. Aufgrund der Wohlstandszunahme seien die Prestigeobjekte für immer mehr Leute finanziell erreichbar und hätten dadurch ihre klassifizierende Wirkung eingebüßt. Hiermit verbunden ist die Sichtweise, dass sich die Gesellschaft seit den 1970er Jahren zunehmend horizontal ausdifferenziert und vertikale Schichten folglich weniger Einfluss auf das Leben und das Konsumverhalten ausüben (Schuster 1994: 10). Als Folge orientiert man sich zunehmend am Konzept der „Lebensstile“ (ebd.: 111), bei dem neben den horizontalen, vor allem vertikale Unterschiede beachtet werden. Das Konzept der „Lebensstile“ ist verhältnismäßig modern und existierte zu Veblens Lebzeiten noch nicht.

3.2 Die Soziologie von Pierre Bourdieu

Im folgenden Kapital wollen wir mit dem Theoriegebäude von Pierre Bourdieu an die oben genannten Kritikpunkte anknüpfen und so eine zeitgemäße Antwort auf die kritisierten Aspekte präsentieren. Mit Bourdieu können wir auch ein spezielles soziologisches Modell der Lebensstile präsentieren. Wie wir bereits im Kapitel über die Entstehung der „Konsumgesellschaft“ erfahren haben, ist die Verfügbarkeit von Geld noch kein hinreichendes Kriterium für einen Konsumstil, der soziale Anerkennung hervorbringt. Zentrale Barrieren sind hier, dass man den richtigen Geschmack und das Wissen besitzen muss, welche Konsumgüter auszuwählen sind. Die Art und Weise, wie etwas konsumiert wird, ist ebenfalls von großer Bedeutung. Dieser grundlegende Zusammenhang wird bereits von Veblen erkannt, wobei er den großen Stellenwert von Manieren und Erziehung betont (Veblen 1958: 84). Bestimmte Verhaltensregeln, die durch die Erziehung vermittelt werden, schlagen sich demnach im Verhalten und im Konsumstil nieder. Andrew B. Trigg bemerkt: „Culture provides a barrier to entering the top echelons of the leisure class. For Bourdieu a key factor to be considered is the cultural capital that is acquired at different points in the social ladder“ (Trigg 2001: 104). Wir wollen im folgenden Bourdieus Begriff des „kulturellen Kapitals“ näher erläutern. Dieser Begriff steht in einem engen Verhältnis zu Bourdieus weiteren Kapitalbegriffen und muss im Kontext dieser betrachtet werden. Da eine isolierte Betrachtungsweise hier unzureichend erscheint, wollen wir ebenfalls auf das „ökonomische“ und das „soziale“ Kapital eingehen.

Das kulturelle Kapital bezieht sich vor allem auf Bildung. Kulturelles Kapital kann in drei Formen vorliegen.

„In seiner objektivierten Form besteht kulturelles Kapital aus Büchern, Kunstwerken, Bildern, technischen Instrumenten“ (Fuchs-Heinritz/König 2005: 162). Derartige Güter können leicht an Nachkommen vererbt werden.

Der Besitz von objektiviertem kulturellen Kapital ist noch nicht hinreichend. Um von Büchern oder Kunstwerken zu profitieren, ist kulturelles Kapital in „inkorporierter Form“ notwendig. Hiermit sind kulturelle Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeint, die sich ein Individuum in Form von

Bildung aneignen muss. Um ein Kunstwerk oder eine Oper zu verstehen und zu genießen beziehungsweise das „Bouquet“ eines Weines zu beschreiben, ist die Aneignung von kulturellem Wissen und Codes notwendig. „Wem der entsprechende Code fehlt, der fühlt sich angesichts dieses scheinbaren Chaos an Tönen und Rhythmen, Farben und Zeilen ohne Vers und Verstand nur mehr überwältigt und ´verschlungen´“ (Bourdieu 2003: 19). Das kulturelle Wissen kann nicht direkt vererbt werden. Neben Institutionen wie der Schule oder der Universität, spielt hier die „Erziehung in der Familie und das Aufwachsen in einem bestimmten Milieu“ (Fuchs-Heinritz/König 2005: 163) eine konstitutive Rolle.

Kulturelles Kapital kann auch in „institutionalisierter Form“ vorliegen. Gemeint sind hier die erzielten Abschlüsse und Titel, also beispielsweise das Abitur, eine abgeschlossene Lehre oder ein Doktortitel. Die institutionalisierte Form unterstreicht die Legitimität der Kenntnisse und bildet die Voraussetzung um bestimmte Berufe ausüben zu können (ebd.: 165f).

Unter dem ökonomischen Kapital versteht man vor allem materiellen Reichtum. Hierunter fallen neben dem Vermögen und Einkommen, auch der Besitz von Gütern die „leicht in Geld konvertierbar“ sind (Müller 1986: 166). Aktien oder Immobilien fallen also ebenfalls unter das ökonomische Kapital.

„Soziales Kapital“ bezeichnet das soziale Netzwerk oder die „Beziehungen“ von denen ein Individuum profitiert. Soziales Kapital kann sich in Freundschaften, Bekanntschaften oder Geschäftsverbindungen äußern. Mitgliedschaften bei bestimmten Organisationen, Vereinen oder Klubs bieten gute Möglichkeiten, Beziehungen zu anderen Personen aufzubauen und so persönliche Vorteile zu erlangen. „Zufällige Bekanntschaften müssen, falls lohnend, in auserlesene Freundschaften verwandelt werden, was anhaltende Beziehungsarbeit, Taktgefühl, Zeit und Geld verlangt“ (ebd.).

Diese drei Sorten von Kapital können jeweils in die anderen Kapitalformen transformiert werden. Eltern mit hohem ökonomischen Kapital können beispielsweise für ihre Kinder Privatlehrer engagieren oder sie auf eine teure

Privatschule schicken, so dass die Chancen erhöht werden, ein hohes kulturelles Kapital auszubilden. Ebenso kann man ökonomisches Kapital investieren um beispielsweise in einen exklusiven Golf- oder Tennisclub einzutreten. Dort kann man sein Beziehungsnetzwerk erweitern, indem man „wichtige Persönlichkeiten“ oder potentielle Geschäftspartner treffen kann.

Die Ausprägungen der drei Kapitalformen prägen das soziale Ansehen und Prestige von Personen. Da die verschiedenen Kapitalvolumen in verschiedenen gesellschaftlichen Klassen oder Milieus ungleich verteilt sind, erscheinen auch die Lebenschancen von Personen aus verschiedenen Milieus de facto als ungleich. Bourdieu und Passeron (1971) zeigen in ihrer Untersuchung „Die Illusion der Chancengleichheit“ mit Datenmaterial aus Frankreich (70´er Jahre), dass die Chancen zum Hochschulstudium für Kinder aus der Oberschicht etwa 37 mal höher liegen als für Arbeiterkinder (ebd.: 21). Auch die Wahl des Studienfaches ist stark von der sozialen Herkunft geprägt: So studieren Kinder aus der Oberschicht proportional häufiger prestigeträchtige Studienfächer wie Medizin oder Jura. Das hohe ökonomische und kulturelle Kapital der Eltern führt dazu, dass den Kindern bestimmte Werte, ein sicheres Auftreten und ein selbstverständlicher und vertrauter Umgang mit bestimmten Bildungsgütern (Museen, Theater, Literatur) vermittelt wird. Die sozialen Unterschiede führen im Bildungssystem dazu, dass sich diese Gruppe besser behaupten kann, wobei die unterschiedliche Leistung einzig dem individuellen Talent und Fleiß zugeschrieben wird: „Die charismatische Ideologie (Virtuosität der Dozenten, wissenschaftliche Arbeit als freies Schöpfertum) und die Annahme von der Gleichheit der Studenten in einem vom Klassensystem unabhängigen Bildungssystem verdecken die ungleichen Bildungschancen und legen die Verantwortung in jeden Einzelnen bzw. in die Natur der Menschen, in ihre Begabung“ (Fuchs-Heinritz/König 2005: 41).

Hier zeigt sich, dass die ungleiche Kapitalverteilung sich im praktischen Verhalten der Akteure widerspiegelt. Die Verbindung zwischen der Strukturebene und der Handlungsebene wird mit dem Konzept des „Habius“ überbrückt, wie die folgende Abbildung zeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zentral für die Erklärung des Geschmackes und der konkreten Verhaltensweise von Akteuren ist das Konzept vom „Habitus“: „Er ist definiert als ein System von Dispositionen, die als Denk-, Wahrnehmungs- und Beurteilungsschemata im Alltagsleben fungieren und deren Prinzipien sozialer Klassifikation als Klassenethos zum Ausdruck kommen. (...) Der Habitus ist Produkt kollektiver Geschichte und individueller Erfahrung, stimmt objektive Aspirationen aufeinander ab, stiftet Realitätssinn und den Sinn für die eigenen Grenzen und integriert klassenspezifische Verhaltensformen mit nutzenorientierten Strategien“ (Müller 1986: 163). Der Habitus prägt folglich den Geschmack und das alltägliche Verhalten und Auftreten (z.B. Die sprachliche Ausdrucksweise). Der Habitus einer Person ist kurzfristig stabil, ändert sich also nicht unmittelbar, wenn eine Person beispielsweise durch einen Lottogewinn zu ökonomischen Kapital gelangt. Mittel- bis langfristig kann sich der Habitus jedoch ändern, wenn bestimmte Erfahrungen (sozialer Auf- oder Abstieg, Studium etc.) gemacht werden.

Der Habitus führt über den Bereich der Lebensstile zu unterschiedlichen Geschmacksvarianten. In seinem Hauptwerk: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft [1979 (2003)] zeigt Bourdieu mit umfangreichem Datenmaterial über die französische Gesellschaft der 60er Jahre, dass Geschmacksurteile stark von der sozialen Herkunft beeinflusst

werden. Um ein Beispiel aus dem Bereich der Musik zu geben: 50,5 Prozent der Arbeiter mögen das Stück „An der schönen blauen Donau“ von Strauss. Der Anteil von Lehrern, Hochschullehrern und Kunstproduzenten liegt dagegen nur bei vier Prozent. Bei dem Musikstück „Das wohltemperierte Klavier“ von Bach zeigt sich eine genau entgegengesetzte Beurteilungsstruktur (Bourdieu 2003: 40).

Bourdieu findet derartige Unterschiede im Geschmacksempfinden in verschiedensten Bereichen wie der Kunst, des Essens, der Wohnungseinrichtung, der Kleidung, der Musik etc. (Bourdieu 2003: 822-851). Die von Bourdieu identifizierten Unterschiede zeigen einen klare Struktur. Verschiedene gesellschaftlichen Klassen besitzen jeweils eigene Geschmacksvarianten: Die „herrschende Klasse“ den Luxusgeschmack, die „Mittelklasse“ den p r ä tenti ö sen Geschmack und die „unteren Klassen“ den Notwendigkeitsgeschmack (Rössel/ Pape 2009: 255).

Der Geschmack der unteren Klassen ist davon geprägt, was notwendig und sinnvoll ist. Kleidung soll „(...) zugleich ´schlicht´ (´zu allem passen´; ´praktisch und ohne kinkerlitzchen´), d.h. so wenig ausgefallen wie möglich und ´günstig´, d.h. ebenso preiswert wie haltbar sein(...)“ (Bourdieu 2003: 592f). Statussymbole wie besonders teure Uhren werden nicht angestrebt, sondern als unverständliche Geldverschwendung betrachtet (ebd.: 588). Beim Essen müssen die Portionen groß sein, denn das Sattwerden steht im Mittelpunkt. Hier werden „schwere sättigende Speisen“ bevorzugt, wobei das Essen selbst in unkomplizierter Geselligkeit stattfindet (ebd.: 288-322).

Der Luxusgeschmack der „herrschenden Klasse“ orientiert sich dagegen stärker an Form und Stil. Bei einem Gemälde geht es ihnen nicht darum, dass ein schönes Motiv abgebildet ist, sondern um „formale und stilistische Aspekte“ (Rössel/Pape 2009: 256). Der Kunstgenuss ist somit weniger oberflächlich, da die Werke in einem größeren Kontext von Stilen und Epochen betrachtet werden. Beim Essen werden kleinere Portionen von leichten und ästhetisch präsentierten Speisen gereicht, wobei großer Wert auf den formalen Ablauf und die Tischmanieren gelegt wird (ebd.). Diese Klasse orientiert sich stärker an luxuriösen Marken, wobei die „haute couture“ eine gewisse Rolle im Bereich der Mode spielt (Bourdieu 2003: 444f; Trigg 2001: 106). Der Luxusgeschmack kann als Versuch der Abgrenzung, also der Distinktion betrachtet werden, welcher dazu führt, dass Klassengrenzen immerzu reproduziert werden. Die herrschende Klasse setzt ihre kulturellen Praktiken und ihren Geschmack als den legitimen und hohen durch (Fuchs-Heinritz/König 2005: 58f).

Die Mittelklasse grenzt sich von den unteren Klassen ab und orientiert sich nach oben. Teilweise werden die Praktiken der herrschenden Klasse imitiert, teilweise erfolgt eine Spezialisierung in weniger legitimierten Bereichen der Kultur, wie beispielsweise dem Film (Trigg 2001: 106). Da diese Klasse jedoch weniger ökonomisches und kulturelles Kapital besitzt, kann die Imitation nur unzureichend gelingen: „Da, wo der Kleinbürger oder der unlängst erst in die Ränge der Bourgeoisie aufgerückte ´Parvenu´ übertreibt, zeichnet sich die ´Distinktion´ des echten Bourgeois durch betonte Diskretion, Schlichtheit und understatement aus, durch Verschmähung alles ´Übertriebenen´, ´Angeberischen´, ´Prätentiösen´, das grade durch seine Distinktionsabsicht sich dequalifiziert als eine der verabscheuungswürdigsten Formen des ´Vulgären ´und damit als Gegenteil von ´natürlicher´Eleganz und Distinktion (...)“ (Bourdieu 2003: 388).

Wenn die Mittelschicht sich Kultur- oder Konsumgüter der Oberschicht aneignet, führt dies wie bei Veblens Konzept des „trickle-down“ dazu, dass diese Güter symbolisch entwertet werden und die Oberschicht neue distinktive Güter sucht (ebd.: 391f). Die Oberschicht nimmt gelegentlich auch Elemente aus der Unterschicht auf und grenzt sich so gegenüber der Mittelschicht ab. Daher können mit Bourdieus Ansatz nicht nur „trickle-down-Effekte“ wie bei Veblen, sondern auch „trickle-up-Effekte“ erklärt werden (Trigg 2001: 106).

Der Geschmack führt jedoch nicht nur zur Distinktion und Ablehnung von Personen aus anderen sozialen Segmenten, sondern schafft Gemeinsamkeiten für Personen aus dem gleichen Milieu: „Der Geschmack paart die Dinge und Menschen, die zueinander passen, die aufeinander abgestimmt sind, und macht sie einander verwandt. (...) Daß ein Habitus sich im anderen wiedererkennt, steht am Ursprung der spontanen Wahlverwandtschaften, an denen soziale Übereinstimmung sich orientiert, die Entstehung gesellschaftlich disharmonischer Beziehungen behindernd, passende Beziehungen fördernd, ohne daß dieses Verhalten sich je anders als in der gesellschaftlich unverfänglichen Sprache von Sympathie und Antipathie auszudrücken hätte“ (Bourdieu 2003: 375). Mithilfe der ähnlichen Geschmacksvorstellungen, welche Ähnlichkeiten hervorbringen und den Verteilungsmustern des ökonomischen und kulturellen Kapitals, ergibt sich ein theoretischer Rahmen, welcher Lebensstile und soziale Gruppen vereint. Die Lebensstile erklären sich aus den zur Verfügung stehenden Ressourcen und den ästhetischen Urteilen, Praxisformen (z.B. Hobbys) und Wahrnehmungen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vereinfacht ist das Modell in dem Sinne, dass die dritte Dimension (Zeit) hier nicht mit aufgeführt wird. Mit Blick auf die Dimension der Zeit lässt sich soziale Mobilität erklären, also der Wechsel von einer Gruppe in eine andere. Ein Wechsel zwischen den Blöcken A und D gestaltet sich jedoch schwierig, da die finanziellen Ressourcen und die kulturellen Voraussetzungen stark unterschiedlich sind (Trigg 2001: 111f). Ein Wechsel zwischen den Blöcken C und A erscheint dagegen einfacher, wenn ein Studierender der Rechtswissenschaft (hohes kulturelles und niedrige ökonomisches Kapital) nach dem Studium zum Richter ernannt wird und sich die Möglichkeiten für einen exklusiveren Lebensstil ergeben.

Die symbolischen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen und Lebensstilen finden in bestimmten „Feldern“ statt. Hier zeigt sich eine gewisse Parallele zu NikIas Luhmanns Begriff der Funktionssysteme, jedoch erscheinen Felder „nur begrenzt autonom“ (Rössel 2007: 174). Grundlegend kann man hier differenzieren zwischen dem Feld der Produzenten und dem Feld der Konsumenten. Produzenten können sich an den feldinternen Kriterien orientieren oder eher an externen Kriterien, wie dem kommerziellen Gewinn und Erfolg. Das Feld der Kulturproduzenten im Bereich der Kunst umfasst neben den Künstlern auch weitere Akteure wie Kritiker, Verleger, Galeristen, Händler, die dem Kunstwerk ihren Wert verleihen (ebd.: 175). Dem Feld der Produzenten steht das Feld der Konsumenten gegenüber, welche auf Grundlage ihres Lebensstil diejenigen Kunstformen auswählen die zu ihnen passen. Auf beiden Feldern findet ein Konflikt um die Durchsetzung der jeweiligen Definition vom „richtigen“ Geschmack statt.

Wie passen Marken in diese symbolische Auseinandersetzung? In der Untersuchung „Der einzige und sein Eigenheim“ zeigt Bourdieu, dass der symbolische Aspekt beim Häuserbau für die Konsumenten sehr wichtig ist und in den Werbestrategien der Anbieter auftaucht. Die Werbung ist dann sehr erfolgreich, wenn sie den bestehenden Dispositionen der Konsumenten schmeichelt. Die verschiedenen Anbieter unterscheiden sich bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit und ihres „symbolischen Kapitals“: „Das symbolische Kapital besteht in der Beherrschung von symbolischen Ressourcen, die auf Bekanntheit und Anerkennung beruhen, wie beim Markenimage (good-will investment), der Treue zur Marke (brand loyality) usw. Dieses Vermögen funktioniert wie eine Kreditform; es setzt das Vertrauen oder den Glauben derjenigen voraus, die ihm ausgesetzt sind (...)“(Bourdieu 2002: 193). Die Strategien der Firmen und ihre Erfolgschancen hängen maßgeblich davon ab, wie es ihnen gelingt die vorhandenen Dispositionen und die ökonomische Wirklichkeit in Einklang zu bringen.

4. Forschungsstand

In diesem Kapitel wollen wir den Forschungsstand zu unserem Thema erschließen. Im Blickfeld unserer Forschungsfrage sind verschiedene Forschungszweige von Bedeutung. Zunächst wollen wir verschiedene Studien diskutieren, welche sich mit dem Verhältnis der Marke zum Selbstbild des Konsumenten beschäftigen. Daran anschließend stellen wir internationale Vergleichsstudien zum Konsumverhalten und zur „Markenpersönlichkeit“ in Deutschland und Südkorea vor. Zuletzt widmen wir uns verschiedenen Studien zum Verhältnis von Kleidung und Person.

4.1 Verbindung von Selbstbild und Marke

4.1.1. Markenimage und Selbst-Image

Sidney Levy stellte bereits 1959 im Aufsatz Symbols for Sale fest, dass das Image des Produktes und das Selbst-Image des Konsumenten in Verbindung miteinander stehen sollten: „The product will be used and enjoyed (..) when it joins, meshes with, adds to, or reinforces the way the consumer thinks about himself“ (Levy 1959: 119). Die These lautet dabei, dass Konsumenten Produkte kaufen, deren Image sich mit ihrem Selbst-Image überschneidet. Man redet demnach von einer „Kongruenz (...) zwischen Produkt- und Selbst-Image“ (Schnierer 1999: 108). Das Markenimage wird dabei definiert als „Menge aller Assoziationen, die ein Konsument mit der Marke in Verbindung bringt“ (Mäder 2005: 7).

Levy bringt dabei die Unterscheidung zwischen dem aktuellen und dem idealen Selbstkonzept in die Konsumentenforschung ein (Schnierer 1999: 94). Während das aktuelle Selbstkonzept beschreibt, wie sich der Konsument selbst sieht, beschreibt das ideale Selbstkonzept, wie der Konsument sich gerne sehen würde21 Autoren die dieser Forschungsrichtung folgen, beziehen sich vor allem auf die soziologische Theorie des symbolischen Interaktionismus (ebd.: 98f) , welche davon ausgeht, dass das Selbstbild durch die Interaktion des

„I“ (personales Selbst) und dem „Me“ (soziales Selbst) hervorgeht. Unser

Selbstbild ist demnach nicht unwesentlich durch gesellschaftliche Erwartungen geprägt. Die Frage lautet nun, ob Konsumenten sich eher am aktuellen oder am idealen Selbstkonzept bei ihrer Produktwahl orientieren. Diese Frage lässt sich laut Solomon (1996) folgendermaßen beantworten: „While results are somewhat mixed, the ideal self appears to be more relevant as a comparison standard for highly expressive social products, such as perfume. In contrast the actual self is more relevant for everyday, functional products“ (Solomon 1996: 236).

David Ogilvy knüpft an Bourdieus Beobachtung an, dass Geschmack stets durch das Ablehnen von anderem Geschmack gekennzeichnet ist (Trigg 2001). Ogilvy geht folglich davon aus, dass Konsumenten sich vor allem darüber definieren, was sie nicht konsumieren. Tatsächlich zeigte sich, dass Konsumenten weniger Schwierigkeiten haben ihre Abneigungen gegen bestimmte Marken zu artikulieren, als ihre Vorlieben zu erläutern (Allen/Fournier/Miller 2008: 799). Da Abneigungen ebenso wie Vorlieben Teil des Selbstbildes sind, erscheint diese Sichtweise nicht als Widerspruch, sondern verschiebt lediglich den Fokus der Betrachtung.

Im weiteren Forschungsprozess zeigte sich, dass die pers ö nliche Relevanz und die Situation weitere wichtige Faktoren im Rahmen des Selbstkonzeptes darstellen. Beispielsweise könne man zur Weihnachtszeit eine verstärkte Familienorientierung feststellen, so dass in dieser Situation andere Werte und Konsumgüter von Bedeutung seien (Schnierer 1999: 105). Wie man sieht handelt es sich beim konsumbezogenen Selbstkonzept um ein dynamisches Konzept, welches sowohl soziokulturelle Einflüsse, als auch demografische Aspekte wie das Geschlecht mit einbezieht (Solomon/Bamossy/Askegaard 2001: 222- 232).

4.1.2 Markenpers ö nlichkeit und Konsumentenpers ö nlichkeit

Unter der Markenpersönlichkeit versteht man „die Menge menschlicher Charaktereigenschaften, die mit einer Marke in Verbindung gebracht werden“ (Aaker J 1997: 341)22. Während das Markenimage beispielsweise auch Produkteigenschaften oder soziodemografische Aspekte mit einbezieht, bildete die Markenpersönlichkeit zunächst die „psychologische Kern- eigenschaft“ (Strebinger et. al. 1998: 6) der Marke. Das Konstrukt bietet den Vorteil, dass Gef ü hle und Beziehungsaspekte zwischen Konsument und Marke besser sichtbar gemacht werden können (Waller/Süss/Bircher 2007: 6). Obwohl es sprachlich wenig plausibel erscheint23, wurde der Begriff der Markenpersönlichkeit um nicht-psychologische Faktoren erweitert: „Thus it includes such characteristics as gender, age, and socioeconomic class, as well as such as human personality traits as warmth, concern, and sentimentality“ (Aaker D 1996: 141). Diese begriffliche Ungenauigkeit könnte darauf zurückzuführen sein, dass „personality“ verschieden zu deuten ist, einmal im Sinne von „ to be a personality“ und einmal im Sinne von „ to have personality“. Strebinger et. al. geben dabei den wichtigen Hinweis, dass die Analogie der Markenpersönlichkeit, „mehr Idee der Praxis als der Wissenschaft (...)“ sei (Strebinger et. al. 1998: 7). „Markenmanager, Werbeagenturen, Markenforschungsinstitute“ (Waller/Süss/Bircher 2007: 6) ermitteln die

Markenpersönlichkeit hier meistens dadurch, dass Konsumenten sich eine Marke als reale Person vorstellen sollen und die Persönlichkeitsmerkmale beurteilen müssen. Aufgrund der leicht verständlichen Analogie erscheint das Konzept der Markenpersönlichkeit prädestiniert für die praktische Umsetzung (Strebinger et. al. 1998: 7).

Doch auch in der wirtschaftspsychologischen Forschung setzte sich die Idee der Markenpers ö nlichkeit spätestens seit den 1990er Jahren durch. Dies liegt an der Anschlussfähigkeit zur Persönlichkeitspsychologie, welche eine zentrale Stellung innerhalb der Psychologie einnimmt und ein konsensfähiges Persönlichkeitsmodell mit fünf Hauptdimensionen24 (Big-Five) entwickeln konnte (Asendorpf 2005). Analog zum Modell der menschlichen Persönlichkeit wollte Jennifer Aaker 1997 eine allgemeingültige Skala zur Bestimmung der Markenpersönlichkeit entwickeln. J. Aaker sammelte zunächst über 300 Persönlichkeitsmerkmale und reduzierte durch eine Befragung nicht-relevante Merkmale, so dass schließlich 114 Merkmale übrig blieben (Aaker J 1997: 349).

[...]


1 Unter Genese versteht man einen Prozess oder einen „(...) Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, durch den ein Ereignis aus anderen hervorgeht (...)“ (Hillmann 1994: 271).

2 „Die Markenpersönlichkeit ist (..) als die Gesamtheit menschlicher Eigenschaften beschreibbar, die der Rezipient mit der Marke assoziiert“ (Fanderl 2005: 46).

3 Die Warenzeichen der mittelalterlichen Kaufleute erreichten eine große wirtschaftliche Bedeutung für den überregionalen Handel und für die Entwicklung der Zeichenrechtslehre (Schütz 2001: 87). Waren wurden vor dem Versand mit der Hausmarke des Empfängers markiert und gingen somit in dessen Besitz über. „Daß die Marke das Eigentum anzeigte, war für den damaligen Handelsverkehr von größter Bedeutung. Bei Beschlagnahme, Schiffbruch und ähnlichen Vorkommnissen konnte sich nämlich der Eigentümer auf seine Marke berufen und gegebenenfalls seinen Eigentumsanspruch geltend machen“ (Leitherer 1956: 689).

4 Zur Überprüfung der Herstellungsmethoden besuchten Meister der Zunft unangemeldet die Werkstätten (Leitherer 1956: 697).

5 Die abnehmende Warenkenntnis ist damit zu erklären, dass der Käufer nicht mehr in den komplizierter gewordenen Produktionsprozess einbezogen wurde und diesen auch nicht mehr überblicken konnte (Hellmann 2003: 48).

6 Luhmann spricht beim Aufkommen funktionaler Differenzierung von einer zunehmenden Differenzierung in Personen und Systemvertrauen (Luhmann 2000).

7 Die Durchsetzung der Reklame hängt eng mit der Auflösung von Werbeverboten zusammen. Mit der einsetzenden Gewerbefreiheit (1871) im deutschen Kaiserreich verschwanden jegliche Beschränkungen (Borscheid 1995).

8 Einige Hersteller wie Karl August Lingner (Odol) achteten bereits frühzeitig darauf, dass ihr Markenname international „lesbar“ ist (Schütz 2001: 101). Abbildung von (http://www.odol.de/odol/ img/hist/vergr/zu_1893_3.html).

9 Wie oben angeführt erhält Markenware einen hohen Wiederkennungswert, da ihr Erscheinungsbild über lange Zeiträume konstant gehalten wird, was zudem vertrauensfördernd wirkt (Hellmann 2003: 306ff).

10 Zu Dr. Oetker finden sich unterschiedliche Zeitangaben in der Literatur. 1893 wird bei österreichischen Dr. Oetker Homepage als Zeitpunkt genannt (http://www.oetker.at/wga/oetker_at/ html/default/debi-6k9erf.de.html).

11 Persil warb 1950 beispielsweise mit dem Slogan: „Ein großer Augenblick! Endlich wieder Persil mit echtem Seifenschaum” (Prox/Nickel 2008).

12 http://www1.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=V2INU2

13 Consumer Society kann nach dem Dictionary of Sociology verstanden werden als: „A term sometimes applied to modern Western societies, which suggests that they are increasingly organized around consumption (of goods and leisure), rather than the production of materials and services“ (Marshall 1998).

14 Über den genauen Zeitpunkt und die zugrunde liegenden Umstände, die zur Entstehung der „Consumer Society“ führten, existieren verschiedene Auffassungen in der Literatur (Corrigan 1997). Die Frage nach der „gesamtgesellschaftlichen Durchsetzung“ (Prinz 2002) der Prinzipien der Konsumgesellschaft, ist hingegen weniger umstritten und wird auf die zweite Hälte des 19. Jahrhunderts datiert (ebd.).

15 Der Soziologe Peter Corrigan geht davon aus, dass Konsum als zentrales Organisationsprinzip der modernen westlichen Gesellschaften gesehen werden muss: „(...) Competition among status groups, which, according to Weber (1948), are organized around modes of consumption, now seems more import than struggle among classes ,which, according to Marx, are organized around modes of production“ (Corrigan 1997: 1).

16 „This difficulty has increased as people have moved from face-to-face societies in which the status of each individual is a matter of common knowledge to relatively anonymous societies (...)“ (McCracken 1988: 33).

17 Bei den Kleiderordnungen wurde festgelegt, welche Farben und Materialien für die verschiedenen Stände angemessen erschienen. Gesellschaftliche Rangunterschiede sollten auf dese Weise optisch zur Geltung gebracht werden.

18 Dabei konnte die Symbolik von Patina nicht von jedem richtig gedeutet werden: „Patina works as a hidden code immediately intelligible to those of genuine standing and well concealed from all but the most sophisticated pretenders“ (McCracken 1988: 35).

19 Mode kann nicht nur Bekleidung, sondern verschiedenste Bereiche wie Frisuren, Farben, Angewohnheiten, Ansichten oder Architektur umfassen. Nach dem Soziologen Thomas Schnierer (1999: 20) zeichnet sich Mode durch drei Dimensionen aus (Zeitliche -, Sozial- und Sachdimension). Die Zeitliche Dimension besagt, dass die Mode durch Kurzfristigkeit geprägt ist, in dem Sinne, dass Moden auftauchen und wieder verschwinden. In der Sozialdimension wird betont, dass sich Mode stets auf eine Gruppe von Individuen bezieht. Wenn alle oder nur ein Individuum beteiligt sind, kann nicht von Mode gesprochen werden. Die Sachdimension bezeichnet schließlich diejenigen Gegenstände auf die sich die Mode bezieht.

20 Eine geizige Person, die ihr Vermögen lieber spart, anstatt „demonstrativen Konsum“ zu betreiben, kann Veblen zufolge keine soziale Anerkennung durch andere erlangen (Corrigan 1997: 21).

21 Im Jahr 1982 wurde eine weitere Unterscheidung eingeführt: Neben dem Selbstkonzept (aktuelles und ideales Selbstkonzept) sei noch das soziale Selbstkonzept (aktuelle und gewünschte Wahrnehmung der Anderen) zu beachten. Da das ideale Selbstbild durch die Erwartungen von Dritten geprägt wird, scheint diese Unterscheidung aus theoretischer Sicht wenig sinnvoll. Ungeachtet dessen wurde diese Unterscheidung von einigen Konsumforschern aufgenommen (z.B. Strebinger et. al. 1998).

22 Da es hier zwei relevante Autoren mit dem Nachnamen Aaker gibt, sprechen wir im folgenden zur besseren Unterscheidbarkeit von J. Aaker und D. Aaker.

23 Azoulay und Kapferer kritisieren, dass manche Markenpersönlichkeitsskalen Items umfassen, die über das eigentliche Konstrukt der Markenpersönlichkeit hinausgehen (Azoulay/Kapferer 1993: 153).

24 Die Hauptdimensionen der menschlichen Persönlichkeit sind Neurotizismus, Offenheit, Erfahrung, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit (Schindler 2008: 32).

Ende der Leseprobe aus 138 Seiten

Details

Titel
Die Soziale Wirkung von Markensymbolen in Deutschland und Südkorea
Untertitel
Am Beispiel von Nike und Lacoste
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,3
Autoren
Jahr
2010
Seiten
138
Katalognummer
V144832
ISBN (eBook)
9783640589067
ISBN (Buch)
9783640588954
Dateigröße
3853 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Empirische Studie zur Frage, ob Personen mit Markenkleidung anders eingeschätzt werden, als Personen ohne Markenkleidung.
Schlagworte
Soziologie, Konsumsoziologie, Markenkleidung, Konsumgesellschaft, Bourdieu, Veblen, Marken, Markentransfer, Mode, Lacoste, Nike, Markensoziologie
Arbeit zitieren
Dieter Scholven (Autor:in)Me-Sun Shin (Autor:in), 2010, Die Soziale Wirkung von Markensymbolen in Deutschland und Südkorea, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144832

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