Strategien der Entlehnung, Wortbildung und Wortschöpfung im norwegischen Computerwortschatz


Magisterarbeit, 2000

122 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitendes

ErsterTeil:TheoretischerRahmenundHintergründe

Kapitel 1 Entlehnung – Klassifikation und Terminologie
1.1 Voraussetzungen und Merkmale
1.2 Vorgänge und Ergebnisse

Kapitel 2 Die Kontaktsituation und der englischsprachliche Einfluß auf das Norwegische
2.1 Die Entwicklung der Kontaktsituation
2.2 Ursachen für eine veränderte Kontaktsituation
2.3 Motivationsfaktoren für Entlehnungsvorgänge
2.4 Bedeutung und Probleme der Entlehnung aus dem Englischen

Kapitel 3 Die Spracharbeit in Norwegen
3.1 Das sprachliche Klima
3.2 Überblick über die Forschung im Bereich Anglizismen
3.3 Grundlagen und Formen der Spracharbeit
3.4 Institutionelle Spracharbeit
3.5 Arbeitsschwerpunkt Lehnmaterial aus dem Englischen.

Kapitel 4 Fachsprachen, Computerfachsprache und Terminologiearbeit
4.1 Fachsprachen.
4.2 Computerfachsprache
4.3 Terminologiearbeit in Norwegen

ZweiterTeil:AnalysedesLehnmaterials

Kapitel 5 Direkte Entlehnungen
5.1 Lehnwörter
5.1.1 Substantive
5.1.1.1 Simplizia
5.1.1.2 Komposita
5.1.2 Verben
5.1.3 Adjektive und Adverbien
5.2 Mehrwortlexeme
5.3 Akronyme, Kurzwörter und Wortkreuzungen
5.3.1 Akronyme
5.3.2 Kurzwörter
5.3.3 Wortkreuzungen
5.3.4 Wortbildung mit Kurzformen

Kapitel 6 Hybridentlehnungen

Kapitel 7 Indirekte Entlehnungen
7.1 Lehnbildungen
7.1.1 Lehnübersetzungen
7.1.1.1 Substantive
7.1.1.2 Verben
7.1.1.3 Adjektive
7.1.2 Lehnübertragungen
7.1.3 Lehnschöpfungen
7.2 Lehnbedeutungen
7.2.1 Substantive
7.2.2 Verben

Abschließendes

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitendes

Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Annahme, daß die gesamte Terminologie der Computertechnologie zunächst im US-amerikanischen Englisch vorliegt und Sprecher der norwegischen Sprachgemeinschaft zuerst über dieses Medium mit den Begriffen dieses Fachbereichs in Berührung kommen. Daraus ergibt sich die Fragestellung, wie mit den fremdsprachlichen Elementen und den über das Englische transportierten Begriffen umgegangen wird, damit sie den Gegebenheiten der norwegischen Sprache und den Ansprüchen der Sprecher gerecht werden. Welche Strategien der Entlehnung, aber auch der Wortbildung und Wortschöpfung auf der Basis der norwegischen Sprache kommen zur Anwendung, um eine norwegisch Computerfachsprache überhaupt zu schaffen?

Grundlage der Untersuchung sind ausschließlich schriftliche Quellen, die für eine breitere Öffentlichkeit, also für Laien und nicht für Fachleute konzipiert worden sind. Sie setzen wenige bis keine Kenntnisse des Fachgebiets voraus und haben damit den Anspruch, allgemeinverständlich zu sein. Zu den untersuchten Materialien gehören allgemeingehaltene und themenbezogene Lehrbücher aus den Jahren 1995, 1996 und 1998, Zeitschriften aus den Jahren 1994, 1998 und 1999 sowie nur in elektronischer Form im Internet vorliegende Dokumente.

Die zeitliche Beschränkung durch die Auswahl der seit etwa Mitte der 1990er Jahre erschienenen Publikationen ist der Annahme geschuldet, daß die Computerfachsprache spätestens seit dieser Zeit, durch die Verbreitung des Internets beschleunigt, eine Bedeutung für die gesamte Sprachgemeinschaft angenommen, die die einer reinen Fachsprache bei weitem übertrifft.

Aus den untersuchten Quellen wurden lexikalische Elemente gewählt und zu einem Korpus zusammengestellt. Sie bezeichnen Begriffe aus den verschiedensten Bereichen der Computertechnologie, z. B. der

«Hardware», also der Geräte u. ä., und der «Software», das heißt der Computerprogramme, aber auch des Internets.

Die Begrenzung auf Beispiele aus dem norwegischen bokmål ist vor allem auf praktische Gründe zurückzuführen, wie ein erschwerter Zugang zu auf nynorsk abgefaßten Materialien und der generell viel geringeren

Verbreitung des nynorsk im Vergleich zum bokmål. Die Bezeichnungen norwegisch und das Norwegische beziehen sich daher im Rahmen dieser Arbeit auf die Schriftsprachenform bokmål.

Die Untersuchung erhebt keinen Anspruch auf eine vollständige quantitative, sondern vielmehr auf eine qualitative Erfassung und Beschreibung der norwegischen Computerfachsprache. Es sollen Muster und Mechanismen anhand der belegten Lexeme aufgezeigt werden, die im Idealfall auf alle weiteren, hier jedoch nicht belegten Bezeichnungen der Fachsprache übertragen werden können.

Die Arbeit ist zweigeteilt. Der eigentlichen Untersuchung geht ein theoretischer Teil voran, der Entwicklungslinien der norwegischen Sprachgeschichte, des Sprachkontaktes und des Umgangs mit der Sprache illustrieren soll.

Zunächst wird im ersten Kapitel ein Überblick über die Klassifikation von Entlehnungen und die entsprechende Terminologie gegeben, die das Gerüst der Analyse im zweiten Teil bilden.

Das zweite Kapitel stellt die Kontaktsituation zwischen dem Norwegischen und dem Englischen sowie die Bedingungen dar, die zu Entlehnung führen können. Ergänzend dazu werden Vor- und Nachteile des englischsprachlichen Einflusses thematisiert.

Im dritten Kapitel wird anschließend die Beschäftigung mit der Sprache in Norwegen im allgemeinen und der konkrete Umgang mit dem Englischen behandelt sowie Forschungsarbeiten und Institutionen vorgestellt.

Das vierte Kapitel schließlich betrachtet den Begriff der Fachsprache generell, der Computerfachsprache als eine Realisierung von Fachsprache sowie die Terminologiearbeit, die in Norwegen geleistet wird.

Der zweite Teil folgt wie erwähnt in seinem Aufbau der in Kapitel 1 dargelegten Klassifikation von Entlehnungen. Eine weitere Gliederung erfolgt entlang des Wortaufbaus und der Wortklassen.

Ein Anhang verzeichnet alle der Untersuchung zugrunde gelegten Lexeme in ihren einzelnen Belegformen, so daß Rückschlüsse auf den Ort, den Zeitpunkt und die Häufigkeit des Vorkommens gezogen werden können. Die Lexeme sind um Artikel ergänzt, sofern diese explizit angegeben sind, und um Numerusangaben, wenn diese nur aus dem

Zusammenhang ersichtlich sind. Darüber hinaus sind die englischen Entsprechungen aufgeführt, wie sie in entweder in Norsk dataordbok oder im nur im Internet verfügbaren Free On-line Dictionary of Computing verzeichnet sind.

Alle im Laufe der Untersuchung herangezogenen Lexeme werden in der Belegform verwendet, die der Grundform des Lexems, das heißt bei Substantiven die unbestimmte Form im Singular, bei Verben der Infinitiv, bei Adjektiven die ungebeugte Form, am nächsten kommt.

Erster Teil: Theoretischer Rahmen und Hintergründe

Kapitel 1: Entlehnung – Klassifikation und Terminologie

1.1 Voraussetzungen und Merkmale

Die Terminologie für die Beschreibung von Entlehnung ist umfassend und zugleich sehr unübersichtlich. Daher bedarf es zunächst einer Klärung der im allgemeinen und im Rahmen dieser Untersuchung verwendeten Begriffe und Termini.

Ausgangspunkt der Betrachtung ist die sogenannte Interferenz, das heißt die «Beeinflussung eines Sprachsystems durch ein anderes»1, sowohl in der Individualperspektive als auch innerhalb einer Sprachgemeinschaft. Wird das Resultat eines Interferenzvorganges schließlich in den Sprachgebrauch einer größeren Gruppe von Sprechern übernommen, spricht man von Entlehnung. Mit Entlehnung werden dabei sowohl Vorgang (englisch borrowing) als auch Ergebnis (englisch loan) des Übernahmeprozesses bezeichnet. Die Benennung der beteiligten Sprachen ist sehr vielfältig, je nach Perspektive wird die bestimmende Sprache z. B. als Geber- oder Fremdsprache bezeichnet, die aufnehmende Sprache analog als Nehmer- bzw. Muttersprache. Sinnvoll ist jedoch auch die Verwendung von Bezeichnungen wie Modellsprache und Replikasprache, da hierbei von den Sprechern abstrahiert wird

Grundlegende Voraussetzung für Interferenzen und Entlehnung ist Sprachkontakt. «[…], two or more languages will be said to be IN CONTACT if they are used alternately by the same persons. The language-using individuals are thus the locus of the contact.»2 Diese klassische Definition Weinreichs ist jedoch in vieler Hinsicht nicht ausreichend präzise. Einerseits sollte auch eine Sonderform der Zweisprachigkeit, die Diglossie, mit eingeschlossen sein. Dabei handelt es sich um die Verwendung nahestehender Sprachformen, z. B. Umgangssprache und Fachsprache, in

verschiedenen Sprachdomänen und mit unterschiedlicher Funktion in der Sprachgemeinschaft. Andererseits ist eine vollständige Zweisprachigkeit nicht unbedingt notwendig. Vielmehr reichen oft minimale Kenntnisse einer zweiten Sprache für Sprachkontakt und Entlehnung aus.

Sowohl der Sprachkontakt als auch daraus resultierende Entlehnungen haben Ursachen und Motivationen verschiedenster Art, wie

z. B. politische, kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen. Am Beispiel des Sprachkontaktes zwischen dem Englischen und Norwegischen werden diese Faktoren im folgenden Kapitel näher betrachtet.

Generell läßt sich sagen, daß der Sprachkontakt mindestens zwei Parteien betrifft, und das Geber- und Nehmerverhältnis zwischen diesen selten symmetrisch ist. Eine der Sprachen fungiert fast ausschließlich als dominante Gebersprache, während die andere meist als Nehmersprache auftritt. Diese Konstellation spiegelt letztlich auch das politische, ökonomische und kulturelle Kräfteverhältnis der Sprachgemeinschaften wider.

Interferenzen und Entlehnung gibt es auf verschiedenen Ebenen der Sprache. Neben phonischer und grammatischer Entlehnung ist die lexikalische Entlehnung die häufigste und auffälligste Erscheinung. «The vocabulary of a language, considerably more loosely structured than its phonemics and its grammar, is beyond question the domain of borrowing par excellence3 Da in allen Sprachen stets die Notwendigkeit lexikalischer Innovation besteht, ist die Entlehnung neben der Derivation und Komposition die wichtigste Vorgehensweise zur Deckung des entstandenen Bedarfs.4

Im Hinblick darauf, welchen Wortklassen die entlehnten Elemente angehören, ist es daher naheliegend, daß vornehmlich Inhaltswörter, also die offenen Wortklassen wie z. B. Substantive, Verben und Adjektive, und weniger Funktionswörter, wie beispielsweise Präpositionen und Konjunktionen, entlehnt werden. Insgesamt werden Substantive am

Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1992: S. 331f.

leichtesten und häufigsten übernommen. Ihre Zahl scheint sogar die Menge der übernommenen Verben und Adjektive zusammen zu übertreffen.5 Prinzipiell können alle sprachlichen Elemente aus einer anderen Sprache entlehnt werden, «but they are distributed along a SCALE OF ADOPTABILITY which somehow is correlated to the structural organization.»6 Insgesamt spiegelt der große Anteil der Substantive natürlich auch die Tatsache, daß diese überhaupt den größten Bestandteil des Wortschatzes darstellen.

In bezug auf die semantische Seite der Inhaltswörter läßt sich eine grobe Dreiteilung erkennen. Zunächst gibt es Ausdrücke, die zusammen mit ihren Denotaten, wie Gegenstände, Prozesse u.ä., in die Sprachgemeinschaft importiert werden. Dem gegenüber stehen Ausdrücke, die übernommen werden, ohne auf ein ebenso importiertes Denotat und auch nicht auf ein bereits vorhandenes Signifikat zu verweisen, sondern ausschließlich einen Begriff in einer anderen Sprachgemeinschaft bezeichnen, die sogenannten Exotika. Eine Zwischenstufe sind die sogenannten Internationalismen.

1.2 Vorgänge und Ergebnisse

Im lexikalischen Entlehnungsprozeß sind verschiedene Mechanismen wirksam. Sowohl Haugen7 als auch Weinreich8 nehmen für die Klassifizierung des Prozesses und dessen Resultate eine grundlegende Dreiteilung vor, die sich an der Art der Reproduktion mit einem variierenden Grad von Transfer (englisch importation) und Ersetzung (englisch substitution) orientiert: direkte Wortentlehnungen ohne morphemische Substitution (englisch loanword), Hybridbildungen mit partieller morphemischer Substitution (englisch loanblend) und indirekte Entlehnungen, sogenannte Lehnprägungen, mit vollständiger morphemischer Substitution (englisch loanshift).

Wortentlehnungen sind sowohl onomasiologisch als auch semasiologisch entlehnt worden, das heißt, die Ausdrucksseite ist zusammen mit der Inhaltsseite, dem Begriff, übernommen worden. Entsprechend dem Grad

ihrer Integration bzw. Assimilation werden solche Entlehnungen zuweilen mit Hilfe der Bezeichnungen Lehnwort bzw. Fremdwort klassifiziert. Lehnwörter im engeren Sinne sind in diesem Fall «solche Entlehnungen einer Sprache A aus einer Sprache B, die sich in Lautung, Schriftbild und Flexion vollständig an die Sprache A angeglichen haben.»9 Fremdwörter sind im Unterschied dazu solche, die «sich nach Lautung, Orthographie und Flexion (noch) nicht in das graphemische bzw. morphophonemische System der Sprache eingepaßt»10 haben. Im Rahmen dieser Untersuchung wird jedoch die Bezeichnung Lehnwort im weiteren Sinne als Oberbegriff für sowohl Fremdwort als auch Lehnwort im engeren Sinne verwendet, da eine strikte Abgrenzung beider oftmals sehr schwierig ist.

Lehnwörter können also in assimilierter oder nicht assimilierter Form in die Nehmersprache übertragen werden. Sie umfassen Komposita in analysierter Form, Simplizia, zu denen auch nichtanalysierte Komposita gehören können, und Mehrwortlexeme wie längere Phrasen und Ausdrücke.

Als Hybridbildungen werden solche Entlehnungen charakterisiert, bei denen nur ein Teil direkt transferiert und der Rest mit Elementen der Nehmersprache reproduziert wurde. Dazu gehören vor allem Komposita, aber auch Wörter, in denen entweder der Wortstamm oder ein Ableitungsaffix übernommen bzw. ersetzt worden ist.

Indirekte Entlehnungen, Lehnprägungen, sind rein semantische Übertragungen, die eine Anpassung der Replikasprache an neue Inhalte darstellt. Diese Adaptation mit den Mitteln der Nehmersprache kann auf verschiedene Art und Weise vor sich gehen, so daß eine weitere Gliederung angezeigt ist. Werden Wörter unter dem Einfluß einer fremden Bedeutung neu gebildet, spricht man von Lehnbildung. Sind jedoch vorhandene Wörter der Nehmersprache dem Einfluß einer neuen Bedeutung ausgesetzt, wird das Resultat als Lehnbedeutung bezeichnet.

Die Lehnbildung benennt also den Vorgang und das Ergebnis der Neubildung von Wörtern, der durch fremden Einfluß motiviert worden ist.

Anhand des Maßes an formaler Übereinstimmung der Nachbildung mit der Bildungsart des Vorbildes wird des weiteren unterschieden in Lehnübersetzung, Lehnübertragung und Lehnschöpfung.

Unter Lehnübersetzung (englisch loan translation) versteht man die detailgetreueste Nachbildung eines fremdsprachlichen Modells. «Der Prozeß der Lehnübersetzung geht dann so vor sich, daß jedes einzelne Morph durch das semantisch am nächsten stehende Morph in der Empfängersprache ersetzt wird und aus den verschiedenen Morphersetzungen nach den eigenen einheimischen Wortbildungsregeln eine entsprechende Kombination hergestellt wird.»11

Die Lehnübertragung (englisch loan rendition) gründet sich im Unterschied zur Lehnübersetzung auf einen freieren Umgang mit dem fremdsprachlichen Ursprungslexem. Das Modell liefert nur einen generellen Hinweis für die Reproduktion in der Empfängersprache.

Die formal am wenigsten vom Vorbild abhängige Form der Lehnbildung ist die Lehnschöpfung (englisch loan creation). Auch hierbei wird nur die Bedeutung eines fremdsprachlichen Ausdruckes übernommen und durch eine Neuprägung der Nehmersprache wiedergegeben.

Bei der Lehnbedeutung (englisch semantic loan, loan extension) hingegen ist weder der Ausdruck noch die Bildungsart des Modells entlehnt worden, sondern ausschließlich dessen Bedeutung. Dies führt zu einer Umdeutung bzw. einer Erweiterung der ursprünglichen Bedeutung eines Lexems der Nehmersprache.12 Bereits existente Wörter werden so in neuen Zusammenhängen gebraucht. Haugen unterscheidet bei den Lehnbedeutungen im Hinblick auf das Verhältnis der ursprünglichen und der neuen Bedeutung eines Wortes weiter in Entlehnungshomonyme (englisch loan homonym) und Entlehnungssynonyme (englisch loan synonym).13 Im Falle des Entlehnungshomonyms zeigt die neu angenommene Bedeutung keinerlei Überschneidung mit der alten. Beim Entlehnungssynonym wurde dem Wort eine neue zusätzliche Bedeutung bzw. Bedeutungsnuance gegeben, die mit der alten semantisch überlappt.

Ein Sonderfall von Entlehnung, der sich wie auch die Hybridentlehnung zwischen der morphemischen und semantischen direkten Entlehnung und der rein semantischen indirekten Entlehnung bewegt, ist die sogenannte

Pseudoentlehnung. Dazu gehören zum einen Simplizia, die in der Replikasprache aus Morphemen der Modellsprache gebildet werden und weder in dieser Form noch in der Bedeutung in der Ausgangssprache existieren. Zum anderen gibt es Simplizia und Komposita, die aus Elementen der Gebersprache bestehen, deren Bedeutung und Zusammensetzung in der Nehmersprache aber anders als in der Modellsprache bzw. dort gar nicht vorhanden ist.

Kapitel 2: Die Kontaktsituation und der englischsprachliche Einfluß auf das Norwegische

Für jegliche Art von sprachlicher Interferenz bedarf es Sprachkontaktsituationen als grundlegende Voraussetzung. In diesem Kapitel soll daher der Hintergrund dargelegt werden, vor dem sich der Sprachkontakt zwischen dem Englischen und dem Norwegischen entwickelt hat. Die Kontaktbeziehungen beider Sprachen, und daraus resultierende Beeinflussungen in Form von Entlehnung in beide Richtungen, sind schon sehr alt. Noch heute sind im Englischen Lehnelemente zu finden, die aus den früheren Sprachstufen, wie z.B. dem Altwestnordischen stammen. Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts hingegen sind Entlehnungsvorgänge zwischen der norwegischen und der englischen Sprache nahezu einseitig vom Englischen ausgehend.

Das Interesse dieser Arbeit gilt ausschließlich den Jahrzehnten seit 1945. Die Entwicklung in diesem Zeitraum ist durch Merkmale gekennzeichnet, die zwar Parallelen zu früheren Kontaktsituationen aufweisen, sich aber auch deutlich von ihnen unterscheiden. Gerade Art und Ausmaß der Beeinflussung sind anders. Die Charakteristika, Ursachen und Motivationen, aber auch die Bedeutung und Probleme der neueren Entwicklung sollen im folgenden aufgezeigt werden.

2.1 Die Entwicklung der Kontaktsituation

Bereits in zeitgenössischer wie später auch in rückblickender Forschung wurden die Jahre des Zweiten Weltkrieges als Wendepunkt in bezug auf den englischen Einfluß auf das Norwegische eingeschätzt und beschrieben. Dabei wurden einerseits quantitative, andererseits aber auch qualitative Veränderungen ausgemacht, die zwar keineswegs abrupt waren, durch neue Faktoren jedoch beschleunigt wurden. «Sjølv om det fanst ein del engelske framandord i norsk før den andre verdskrigen, var det frå 1945 og utetter at storflaumen av orda kom, saman med ein flaum av nye produkt og ny kunnskap, særleg i teknologien.» 14

Die Besonderheit der Entlehnungen war von diesem Zeitpunkt an also nicht, daß überhaupt entlehnt worden ist, sondern in welchem Umfang und mit welcher Kritiklosigkeit und Geschwindigkeit dies geschieht. «Vi må huske på at uansett hva som tidligere har skjedd, har vi aldri før opplevd en så massiv invasjon av fremmedord, og i løpet av så kort tid.»15

Durch die Stellung Norwegens als Handels- und Seefahrtsnation waren viele Norweger als Seeleute schon lange in ständigem Kontakt mit Englischsprechenden in der ganzen Welt. Vor über 150 Jahren wurde Norwegen auch eine Nation der Auswanderer, die vor allem in die USA emigrierten, und durch die auch ihre Landsleute in Norwegen zunehmend mit dem Englischen konfrontiert wurden. Sprachkontakt auf regelmäßiger Basis ist entstanden.

Hinsichtlich des tatsächlichen Umfangs von aus dem Englischen entlehnten Wörtern im Norwegischen sind exakte Angaben nur schwer zu machen. Verschiedene Veröffentlichungen zu diesem Thema geben zwar selten absolute Zahlen an, schätzen jedoch weitgehend übereinstimmend den Anteil der Anglizismen auf 80 bis 90% aller nach dem Zweiten Weltkrieg entlehnten Wörter.16 «Det kom altså langt flere ord fra engelsk i de 30 første åra etter krigen enn det samlede antall av engelske ord i vårt språk omkring 1900.»17

Einen Anhaltspunkt für das Zahlenverhältnis englischer Lehnwörter zum gesamten norwegischen Wortschatz, wie es sich am Ende des

20. Jahrhunderts darstellt, bietet eine Auswertung von Wörterbüchern, etwa von Bokmålsordboka, das einen prozentualen Anteil dieser Wörter von unter vier Prozent aufweist, während Fremdwörterbücher etwa zehn Prozent englischsprachlichen Materials beinhalten. Dies mag eher bescheiden erscheinen. Wird jedoch die Betrachtung auf Entlehnungen nach dem Zweiten Weltkrieg beschränkt und deren Anteil den anderen Prozentzahlen gegenübergestellt, ist die Steigerung beträchtlich.18 Und nicht nur die rein

quantitative Veränderung ist augenfällig, auch die vorherige Begrenzung der Entlehnungen auf bestimmte Bereiche wie Technik, Sport oder Realia englischsprachiger Länder ist aufgehoben worden.19 Dieser qualitative Wandel äußert sich nicht zuletzt in einer stärkeren Entlehnung in die Allgemeinsprache.20

2.2 Ursachen für eine veränderte Kontaktsituation

Sprachliche Beeinflussung in Form von Interferenz und daraus resultierende Entlehnungen werden durch Faktoren begünstigt und beschleunigt, die sowohl außersprachlicher als auch innersprachlicher Natur sein können.21 Zu den extralinguistischen Ursachen gehören Veränderungen in allen Bereichen des menschlichen Lebens, sowohl politischer, technischer, wirtschaftlicher, als auch kultureller und sozialer Art. «Språket følgjer utviklinga i verda og er dermed også sjølv med på ei utvikling. Blant anna gjennom nyorda (og dei orda som døyr) får me eit bilete av verda kring oss.»22

Innersprachliche Bedingungen sind Merkmale wie der Aufbau und die Strukturen der am Sprachkontakt beteiligten Sprachen. Generell kann gesagt werden, daß sich fremdsprachlicher Einfluß um so zögerlicher geltend macht, je stärker die strukturellen Hindernisse und Unterschiede zwischen den beteiligten Sprachen sind.

Die außersprachlichen Bedingungen scheinen den innersprachlichen generell vorgeordnet zu sein, sie schaffen erst die Voraussetzungen und stecken den Rahmen ab für Kontaktsituationen und Interferenzvorgänge jeglicher Art. Die innersprachlichen Bedingungen zeichnen schließlich für die spezifische Ausprägung der Interferenz und Entlehnung verantwortlich. Meist wirken jedoch mehrere Faktoren zusammen, so daß die Wirkung eines einzelnen davon nur schwer isoliert erfaßt werden kann.

Das gesamte 20. Jahrhundert ist durch eine Entwicklung geprägt, die mit Bezeichnungen wie Internationalisierung und Globalisierung charakterisiert wird. Auf der Ebene der Sprache manifestiert sich dieser Prozeß durch die Stärkung des Englischen als Weltsprache, als lingua franca. Norwegen und die norwegische Sprache bleiben nicht unberührt von dieser Entwicklung, die ihre Ursachen zum einen in globalen zum anderen aber auch in spezifisch aus den Bedingungen in Norwegen resultierenden Faktoren hat.

Im politischen und historischen Kontext ist die Rolle der USA in globalen Zusammenhängen maßgeblich. Frühestens seit dem Ersten Weltkrieg, spätestens aber mit dem Zweiten Weltkrieg waren die USA zur Weltmacht aufgestiegen. Durch seine Allianz mit den USA behauptete auch Großbritannien seine einflußreiche Stellung in Europa.

«Engelsk/amerikansk var språket til dei som vann den andre verdskrigen.»23 In bezug auf Norwegen schuf diese Entwicklung besondere Bedingungen. Die oben erwähnten, aufgrund von Handel und Emigration seit jeher starken Verbindungen nach Westen, das heißt in die USA und nach Großbritannien, wurden während des Zweiten Weltkrieges weiter gestärkt. Dies geschah nicht zuletzt infolge der Besetzung Norwegens durch deutsche Truppen im April 1940, die das norwegische Königshaus und die Regierung ins Exil nach Großbritannien zwang und zugleich über einen Zeitraum von fünf Jahren zu negativen Erfahrungen mit Deutschland führte. Die deutsche Sprache verlor ihre Stellung als wichtigste Fremdsprache sowie ihre Bedeutung als Wissenschaftssprache im Norden und in Norwegen an das Englische. Die weitere transatlantische Ausrichtung der norwegischen Politik, z.B. durch den Beitritt Norwegens zur NATO im Jahre 1949, verstärkte diese Tendenz in der Nachkriegszeit nur weiter. «Noreg er, til liks med resten av Vest-Europa og store delar av verda elles, vorte ein del av eit internasjonalt økonomisk og militært system med USA som den leiande makta.»24

Durch ihr großes wirtschaftliches Potential und ihre führende Stellung im technologischen Sektor sind auch in diesem Bereich über Jahrzehnte entscheidende Impulse aus den USA gekommen. «Mengder av nye produkter og varetyper skapes i USA og spres verden over med engelske

nevninger.»25 Verstärkend kommt im Falle Norwegens dazu, daß die norwegische Sprachgemeinschaft international lange einen eher bescheidenen Beitrag in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht geliefert hat. Bedingt durch einen Mangel eigener, weltweit verbreiteter Produkte, werden benötigte Waren meist importiert. Mit der technischen und wirtschaftlichen Einflußnahme der USA gingen und gehen in Norwegen auch kulturelle und soziologische Veränderungen einher. Neue Zielgruppen von Konsumenten entstehen, die neben neuen technischen Produkten auch mit immer differenzierteren kulturellen Inhalten bedient werden.

Nicht zuletzt die technische Ausreifung von Medien wie dem Film, dem Radio und Tonträgern sowie das Aufkommen neuer Medien wie dem Fernsehen sorgten für eine zunehmende Verbreitung angloamerikanischer Kulturinhalte. Die größer werdende Bedeutung und Nutzung von Medien weist auch den Medieninhalten, durch das Englische transportiert, eine wichtigere Stellung zu. Im Freizeitbereich sorgt neben der medialen Unterhaltung besonders der Sport für eine Verbreitung englisch motivierter Entlehnungen. Sportarten wie Baseball, Football oder Basketball kommen zusammen mit ihren Terminologien vor allem aus den USA.

Ein zentraler Bereich im Hinblick auf starken englischsprachlichen Einfluß in Norwegen ist die Ölindustrie. «Då olje-eventyret tok til frå 1960- talet og utetter, stod Noreg naturleg nok på berr bakke når det galdt kunnskap og innsikt i kva denne saka eigentleg gjekk ut på.»26 In diesem Fall sind es amerikanische Firmen gewesen, die das Fachwissen und die entsprechende Arbeitssprache nach Norwegen brachten.27

Die nach dem Zweiten Weltkrieg durch die politischen Ereignisse geschwächte Stellung des Deutschen als Fremdsprache in Norwegen wird vor allem in Schule und Ausbildung deutlich. «German was in the lead for a long time, being the first foreign language taught in school, but the setback it suffered after World War II made the way free for English to overtake it.»28 Bis heute ist das Englische die erste obligatorische nicht-nordische Fremdsprache in den Grundschulen und bleibt auch in den Oberschulen noch Pflichtfach.29 Dies hat dazu geführt, daß die Mehrheit der heutigen Bevölkerung Norwegens eine formale Ausbildung in der englischen Sprache erhalten hat. Diese Tatsache wiederum kann nicht zuletzt als Voraussetzung dafür angesehen werden, daß englische Wörter so schnell in die norwegische Sprachgemeinschaft, z. B. durch mediale Verbreitung, aufgenommen werden.

Auch in der Wissenschaft ist die deutsche Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg als Publikationssprache zunehmend zugunsten des Englischen zurückgedrängt worden. Dazu kommt die starke Position der USA in Wissenschaft und Forschung.

«Amerika har vært det førende land innenfor de fleste greiner av vitenskapen de seinere tiår, og nye vitenskaplige metoder, teorier og oppdagelser legges fram for verden i engelsk språkdrakt. Dermed blir nyhetene kjent under engelske navn, og vitenskapsfolk i andre land overtar ordene sammen med tingene eller begrepene.»30

Wissenschaftler und Experten werden zudem oft in Großbritannien und den USA ausgebildet. Sie bringen die Terminologie von dort mit.

Neben die äußere Amerikanisierung, also die weltweit zu beobachtende Tendenz zu einer lingua franca in Gestalt des Englischen, ist die innere Amerikanisierung bzw. Anglisierung einzelner Sprachgemeinschaften wie der norwegischen getreten.

2.3 Motivationsfaktoren für Entlehnungsvorgänge

Damit es in Sprachkontaktsituationen zu Entlehnungen kommt, sind bestimmte Faktoren ausschlaggebend. Diese Motivationsfaktoren können ihren Funktionen entsprechend in vier Bereiche eingeordnet werden.31

Eine Motivation für die Übernahme eines fremdsprachlichen Wortes ist zunächst das Bedürfnis, eine in der Sprache aufgetretene inhaltliche Leerstelle durch lexikalische Innovation zu füllen. «I samfunnets liv oppstår nye klasser av objekter, fenomener, prosesser, forhold osv. De gjenspeiles i klasser av nye begreper som trenger benevnelser.»32 Vor dem Hintergrund der oben genannten Kontaktverhältnisse zwischen dem Englischen und dem Norwegischen muß dies noch ergänzt werden: «Det meste av det nye kjem frå det anglo-amerikanske området, som kulturstraumane i vår tid mest gjer.»33 Die Erfüllung der referentiellen Funktion von Sprache steht also hierbei im Vordergrund. Die lexikalisch-semantische Entlehnung geht mit einer kulturellen Entlehnung einher.

Zweitens kann neben dieser rein designativen Motivation die Entlehnung eines fremdsprachlichen Ausdruckes durch das Bedürfnis bedingt sein, eine stilistische Leerstelle in der Sprache zu füllen, das heißt semantische Wortfelder durch Synonyme zu erweitern. Ausgangspunkt dafür kann zum einen sein «[…] the well-known tendency of affective words to lose their expressive force»34, so daß in gewissen semantischen Feldern stets noch ausdrucksstärkere synonyme Bezeichnungen, z. B. Euphemismen, benötigt werden. Dieser Bedarf kann durch «unbelastete» fremdsprachliche Ausdrücke besonders gut gedeckt werden.

Im Gegensatz zur Synonymenbildung können lexikalische Entlehnungen jedoch auch eingesetzt werden, um Spannungen vorhandener Homonymien aufzulösen.35

In diesen Fällen handelt es sich um lexikalisch-semantische Entlehnungen ohne damit einhergehende kulturelle Entlehnungen.

Eng mit der vorangegangenen Motivation ist folgender Faktor verknüpft, der weniger auf der rein sprachlichen Ebene verankert ist, sondern eher in den sozio- und psycholinguistischen Bereich hineinreicht. Dies ist der Gebrauch des Englischen aus appellativen Gründen, das heißt wegen der durch seine Wörter transportierten bzw. dort hineinprojizierten positiven Eigenschaften, wie dem Prestige und dem hohen sozialen Status, die dem Englischen zugeschrieben werden. Es wird damit erhofft, diese Eigenschaften durch die Verwendung des Englischen auf den Anwender und seine Botschaft übertragen zu können.36 «Engelsk har status og snobbeverdi.»37 Das hohe

Prestige des amerikanischen Englisch resultiert aus der Rolle der USA und auch Großbritanniens als Leitkulturen mit modernem, jungem und dynamischem Charakter. «Engelsk språk har fått en slik prestisje at det til og med brukes innenfor gamle grener av næringslivet.»38 So warben sogar norwegische Meiereien in ihrer Vermarktung mit dem englischen Motto Milk is a better drink.

Gerade in der Werbung tritt zum Prestigefaktor ein Aspekt von Neuheit und Fremdartigkeit englischer Ausdrücke, der im Gegensatz zu den direkten und klaren Aussagen norwegischen Wortmaterials verlockender und spannender wirkt und die Exotik der «großen weiten Welt» zu suggerieren vermag. «Så da velges det vage, eller for den saks skyld det meningsløse, så lenge det virker forlokkende.»39 Damit wird das Ziel verfolgt, mit Produkten oder Dienstleistungen positive Werte und Assoziationen zu verbinden. Die Betonung liegt hierbei also mehr auf der konnotativen als auf der denotativen Funktion der Verwendung englischen Wortmaterials.

«Jo mer mening og presis språkbruk (denotativ) knyttet til et utsagn, jo mindre reklame.»40

Darüber hinaus ist das Englische als Identifikationsmittel und Bestandteil einer Gruppensprache von Bedeutung. Dies gilt insbesondere für Fachsprachen aber auch für die Jugendsprache.

Der vierte Motivationsfaktor dafür, in bestimmten Situationen auf englisches Sprachmaterial zurückzugreifen, setzt sich aus verschiedenen Aspekten zusammen. Dazu gehören Unkenntnis, ein Mangel an Reflexion oder Interesse und auch Bequemlichkeit. «Den minste motstandsvegen er å bruke dei engelske nemningane.»41 Aber eben auch das Fehlen sprachlichen Wissens, des «Sprachgefühls», sind von Bedeutung, nicht jeder Sprachnutzer verfügt über entsprechende Fertigkeiten im Umgang mit der Sprache. «Nye emne, tilgangar og omgrep har gjerne engelsk-amerikansk opphav, og nemningane følgjer med på kjøpet. Dei kan såleis bli tekne i bruk i norsk av språkleg naudsyn, fordi den norske språkformaren ikkje er

noko språkleg flogvit, ikkje har tanke eller givnad til å drive med språkskaping og ikkje har tid til det eller interesse for det heller.»42

Aber auch Zeitdruck kann Auswirkungen auf die Sprachwahl z. B. in der Presse haben. Dies führt dazu, daß aus Nachlässigkeit das erste Wort verwendet wird, das im mentalen Lexikon auftritt, und ohne daß sich der Schreiber weitere Gedanken zu einer norwegischen Entsprechung macht.

«Tidspress og arbeidstempo lager altså fleire engelske ord i norsk avisspråk enn nødvendig.»43

Die Tendenz zur bloßen Übernahme ohne Übersetzung liegt nicht zuletzt auch in der Annahme begründet, daß ein englisches Wort inzwischen problemlos in norwegischem Zusammenhang stehen kann und von den meisten verstanden wird.

Alle diese Faktoren sind in unterschiedlichem Grade wirksam, und der Anteil durch der das Englische motivierten Elemente ist auch in verschiedenen Bereichen, wie der Wirtschaft, Werbung oder der Technik, unterschiedlich groß. Zudem treten die Faktoren selten isoliert auf, sondern wirken meist zusammen. Natürlich spielt auch die Augenfälligkeit der Anglizismen eine Rolle. Schon allein durch ihre markante Form, aber auch in gut sichtbaren Bereichen, wie z. B. der Werbung, ist es möglich, daß die Wahrnehmung der Menge von Anglizismen deren tatsächlicher Zahl bei weitem nicht immer entspricht. Diese psychologische Wirkung einiger weniger Lehnwörter, die jedoch sehr auffällig sind, kann zu diesem Eindruck des englischen Einflusses als etwas Bedrohlichem und Massivem führen.44

2.4 Bedeutung und Probleme der Entlehnung aus dem Englischen

Neben den dargestellten Ursachen hat die sprachliche Beeinflussung in Form von Entlehnung natürlich auch Symptome und Folgen, die einerseits von positiver Bedeutung für die norwegische Sprachgemeinschaft sind, andererseits aber auch eine große Anzahl von Problemen aufwerfen.

Das unmittelbarste Problem, das die Entlehnung englischen Sprachmaterials in das Norwegische aufwirft, ist die «Kollision» der beiden Sprachsysteme, die vor allem durch orthographische, morphologische und phonetische Abweichungen bedingt ist. Die im Norwegischen durchgängig gegebene Phonem-Graphem-Entsprechung (Orthophonieprinzip) existiert im Englischen nicht, das Verhältnis zwischen Buchstabe und Laut unterscheidet sich in beiden Sprachen also grundlegend.45

In orthographischer Hinsicht weist das Englische eine große Variation bei der Wiedergabe von Lauten durch Grapheme auf. Das Vokalphonem /i:/ wird beispielsweise durch ein Graphem wie e (vgl. even) bzw. durch Graphemkombinationen wie ea (vgl. beach), ee (vgl. week), oe (vgl. Phoenix), ie (vgl. brief) oder ei (vgl. neither) wiedergegeben. Eine solche Vielzahl an Wiedergabemöglichkeiten besteht auch in lautlicher Hinsicht. Ein Graphem kann durch verschiedene Phoneme realisiert werden, so z. B. ea durch [e] (vgl. head), [i:] (vgl. cream), [a:] (vgl. heart) oder [ei] (vgl. steak).

Zudem verfügt das Englische in seinem Buchstabenvorrat über einige Zeichen, die im Norwegischen gar nicht oder nur in wenigen Ausnahmen existieren. Dies sind die Buchstaben c, q, w, x und z sowie die Buchstabenkombinationen ck, sc und th.46

Die Mehrzahl englischer Entlehnungen muß auf die eine oder andere Art orthographisch an das norwegische System angepaßt werden. Dabei gibt es grundsätzlich keine festgelegte Technik für die Assimilation.

Eine Besonderheit ist in diesem Zusammenhang die indirekte Entlehnung von Bestandteilen der klassischen Sprachen Latein und Griechisch sowie des Französischen über das Englische. Dies liegt in der Zusammensetzung des Englischen begründet, dessen Wortschatz eine grobe Zweiteilung in einen Teil germanischen und einen Teil romanischen Ursprungs aufweist.47 Wird eine größere Anzahl dieser Art von Wörtern entlehnt, wie es im Norwegischen geschieht, kann dies eine Latinisierung zur Folge haben.48

Solche Entlehnungen lateinischen, griechischen und französischen Ursprungs bilden im Hinblick auf den Entlehnungsmechanismus eine Ausnahme. Für diese Art von Lehnwörtern haben sich feste Muster herausgebildet, nach denen bei der Assimilierung vorgegangen wird.49 Ein solches Beispiel sind die Substantive auf -tion, die im Norwegischen die Endung -sjon erhalten (z. B. information > informasjon).

Hinzu kommt die Problematik der unumgänglichen Anpassung der Lehnwörter an die Grammatik und Morphologie des Norwegischen, wie sie sich z. B. bei der Genuszuweisung von Substantiven darstellt.

Substantive aus dem genuslosen Englischen müssen eines der drei norwegischen Genera bekommen und analog zum gewählten Paradigma in Kasus und Numerus flektiert werden. Unterschiede zwischen dem Norwegischen und dem Englischen bestehen auch im Ausdruck von Indefinitheit und Definitheit bei Substantiven. Während das Englische sowohl die unbestimmten als auch die bestimmten Formen durch einen vorangestellten Artikel markiert, drückt das Norwegische nur Indefinitheit auf diese Weise aus. Bestimmtheit wird grundsätzlich durch einen enklitischen Artikel des jeweiligen Genus signalisiert.

Neben diesen orthographischen und morphologischen Aspekten können aber auch auf semantischer Ebene Probleme durch entlehnte Wörter auftreten. Wörter verschiedener Wortarten innerhalb eines semantischen Wortfeldes haben neben dem inneren semantischen meist auch einen äußeren orthographischen Zusammenhang, das heißt, sie sind von einer gemeinsamen Wurzel ausgehend mit verschiedenen Wortbildungsmaßnahmen wie z. B. Ableitung gebildet worden. Dadurch ist der Wortschatz in sich sowohl sehr kohärent als auch in seiner Bedeutung transparent. Da Anglizismen meist isoliert entlehnt werden, fehlen ihnen diese Eigenschaften. Bei einer großen Menge von Entlehnungen besteht also die Gefahr, daß Kohärenz und Transparenz des norwegischen Wortschatzes geschwächt werden.50 «Mote-engelsken lagar vanskar også på den måten at han lett stiller seg i vegen for den fornyinga på heimleg grunn som språket vårt og treng. Når vi tek opp lånord, skal ikkje det gå ut over

nyordlaginga i norsk.»51 Das bequeme Zurückgreifen auf importierte Wörter kann die Wortbildungskraft des Norwegischen beeinträchtigen, die in Form von lexikalischer Innovation für die ständige Fortentwicklung und Anpassung der Sprache an neue Gegebenheiten unerläßlich ist. Eine solche Entwicklung kann daher einen sogenannten Ausbaurückstand des Norwegischen gegenüber des Englischen zur Folge haben. Moderne Termini werden nicht mehr auf der Grundlage der eigenen Sprache, sondern einer anderen, der englischen, gebildet.

Tritt diese Problematik in bestimmten Domänen, also Themen- und Anwendungsbereichen der Sprache auf, ist ein Domänenverlust möglich. Entsprechende Tendenzen können beispielsweise auf dem Marketingsektor, in der Populärmusik und auch im Bereich der Wissenschaft beobachtet werden.52 In diesem Fall führt die Verdrängung der Landessprache aus bestimmten sprachlichen Domänen sowohl auf der Mikroebene dieser Domäne als auch in gesamtgesellschaftlicher Perspektive, auf der Makroebene, zu Diglossie. »Vi kan konstatere at engelsken på mange og viktige områder av samfunnslivet har skapt en diglossi, der norsk er språket for den ledige dagligtale og uformelle kontakt mellom landsmenn, og der engelsken er språket for de organisasjonsmessige og forretningsmessige drøftinger.«53

Interessant ist in dem Zusammenhang festzustellen, daß schon in den 1970er Jahren diese Kennzeichen wirtschaftlicher Globalisierung ihren Ausdruck fanden, indem beispielsweise das Englische als Hauptsprache in solchen norwegischen Betrieben eingesetzt wurde, deren Interessen sich auch auf ausländische Märkte erstrecken.54

Neben den genannten problematischen Erscheinungen müssen aber auch positive Begleiterscheinungen der Aufnahme englischen Wortmaterials beachtet werden. Da die Übernahme sprachlicher Ausdrücke ja in vielen Fällen durch die Übernahme der dahinterstehenden Begriffe begleitet wird, erfährt die aufnehmende Sprache eine Bereicherung sowohl ihres Lexikons

als auch ihres begrifflichen Denkens. Die Sprache wird reicher und bietet daher mehr Möglichkeiten für präzisen und nuancierten Ausdruck. Der Wortschatz wird aber nicht nur reicher sondern auch internationaler, eine Tatsache, die im Zuge der zunehmenden Globalisierung erhebliche Erleichterungen für die internationale Kommunikation mit sich bringt.55

Weit über die rein sprachliche Ebene hinausgehend entwickelt sich die sprachliche Beeinflussung vom reinen Sprachproblem zum Gesellschaftsproblem. «This is not a new situation. Since the advent of Christianity, the élite or sections of it have been socialized in a dominant foreign language which has secured their leading position in the home country and at the same time their membership in an international community.»56 Wo früher Latein, Niederdeutsch oder Französisch die Sprachen der wirtschaftlichen und kulturellen Eliten waren, übt heute das Englische diese Funktion aus.

Dieser Trend führt zu größeren Abständen zwischen den Gesellschaftsschichten, deren Grenzen nun durch Faktoren wie die sprachliche Kompetenz bedingt werden. «We may get an increasing social distance between homo loquens 'the language-proficient man' and homo laborans 'the working man' […].»57 In Norwegen entsteht also »[…] ei språkkløft mellom ein engelskkunnig elite og alle dei som berre kjenner seg heime i norsk.«58 Eine solche Kluft bildet sich zudem zwischen den verschiedenen Altersgruppen heraus. Durch das frühe Lernen des Englischen und den ständigen Kontakt damit vor allem durch die Medien entwickelt sich eine Art «grass-roots bilingualism» der jüngeren Generation.59

In diesem Zusammenhang muß schon im Vorgriff auf die Bedeutung der Fachsprachen in Verbindung mit Entlehnung hingewiesen werden.

«Innlånet av engelsk-amerikansk er jo i første rekke et fagspråksproblem, men fagspråkene setter i våre dager sitt merke på mange sider av språkbruken.»60 Der Ausschluß aus beziehungsweise die Benachteiligung bestimmter Gesellschaftsgruppen in verschiedenen Domänen der Sprache und damit Gesellschaftsbereichen kann somit im schlimmsten Fall eine Bedrohung demokratischer Grundprinzipien und rechtlicher Grundsätze darstellen.

Letztlich ist sprachliche Beeinflussung auch ein Kulturproblem. Die starke Dominanz der US-amerikanischen Kultur und ihr kommerzieller Erfolg führen in ihrer Einwirkung auf die norwegische Kulturgemeinschaft zu einer Vereinheitlichung von Denkweisen und kulturellen Produkten sowie Identitätsverlust, die letztlich die Selbstsicht auf die eigene Kultur und Sprache bestimmen und meist ein kulturelles Minderwertigkeitsgefühl mit sich bringen. Mangelndes Selbstbewußtsein kann jedoch gleichzeitig auch Auslöser dieser Entwicklung sein: «[…] bruken av mote-engelsk botnar i ei kulturell mindreverdskjensle, samstundes som han nærer den same kjensla og fører henne vidare ut.»61 Diese mit dem Etikett der Internationalisierung bzw. Globalisierung benannte Entwicklung führt in der Realität zu einem ganz anderen Ergebnis: «[…] ei internasjonalisering basert på engelsk fører til ei amerikanisering som er det motsette av ekte internasjonalisering, [...].»62

Trotz der genannten problematischen Begleiterscheinungen darf jedoch nicht die wichtige Rolle vergessen werden, die das Englische als Medium im Prozeß der Modernisierung und Internationalisierung Norwegens gespielt hat und nach wie vor spielt.63 «Engelsk er framfor alt det språklige medium som vi blir ein del av den moderne verda på, og det sjølvsagt på både godt og vondt. Det letter utvekslinga av informasjon, politikk og samkvem landa imellom, og er på det viset eit heilt umistelig gode.»64

Kapitel 3: Die Spracharbeit in Norwegen

3.1 Das sprachliche Klima

Streitigkeiten und Debatten zum Thema Sprache haben in Norwegen Tradition. Seit über anderthalb Jahrhunderten steht dabei die Problematik der zwei Schriftsprachen, bokmål und nynorsk, im Zentrum der Aufmerksamkeit. In den letzten Jahren ist nun ein neuer Sprachstreit in das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit gerückt, der die Vermischung des Norwegischen mit englischen Elementen – das sogenannte anglonorsk – zum Gegenstand hat. In diesem Fall scheinen nun sogar die Frontlinien zwischen den Vertretern der beiden Schriftsprachen aufzuweichen. «Anglo- American loanwords are viewed as the most pressing problem for the Norwegian language community at large. […] in general the conflict of attitudes towards Americanisms cuts across the traditional Norwegian language divide.» 65

Nicht zuletzt durch vieldiskutierte und umstrittene Maßnahmen – wie z.B. eine Art Rechtschreibreform für englische Wörter im Norwegischen im Jahre 1996 – verstärkt, hat das Phänomen anglonorsk eine Debatte sowohl unter Fachleuten als auch unter Laien in Gang gesetzt.

Ausgangspunkt der Betrachtung ist das Konzept des «sprachlichen Klimas». Damit sind die ideologischen Bedingungen des Sprachgebrauchs und der Sprachplanung gemeint, also die Auffassungen von korrekter Sprache, Schriftsprachennormen, dem Abstand zwischen mündlicher und schriftlicher Sprache, dem Status und Verhältnis von Standardsprache und Dialekten, das Niveau des sprachlichen Bewußtseins, und eben auch der Umgang mit fremdsprachlichen Einflüssen.66

Die heutige sprachklimatische Situation in Norwegen ist zunächst durch ein hohes Maß an sprachlichem (Selbst-) Bewußtsein in weiten Teilen der Bevölkerung geprägt. Dieses spiegelt sich in kritischer Haltung zu allen Sprachfragen, aber auch im Kenntnisstand der eigenen Sprachgeschichte und der aktuellen Sprachsituation wider.

Um die an dieser Stelle im Zentrum stehende aktuelle Situation der Sprache und der Spracharbeit in Norwegen beschreiben und bewerten zu können, muß die Entwicklungsgeschichte und die Stellung des Norwegischen im Laufe der Zeit berücksichtigt werden.

Die über Jahrhunderte dauernde politische Abhängigkeit Norwegens von zunächst Dänemark und dann Schweden hatte u.a. auch direkte Auswirkungen auf die Stellung und die Gestalt der norwegischen Sprache. Während der Phase der Union mit Dänemark nach 1500 war das Dänische offizielle Amtssprache und damit einzige Schriftsprache in Norwegen. Bis 1814 und auch darüber hinaus wurde dieser Status beibehalten. Das Norwegische war also als Schriftsprache praktisch nicht mehr existent und wurde daher nur über die mündlichen Varietäten, die Dialekte, weitergegeben.

Erst nach 1814 und im Laufe der Unionszeit mit Schweden setzten sich nationalistische und romantischen Ideen in Norwegen durch, die Bestrebungen zur Schaffung einer selbständigen norwegischen Sprache mit sich führten. Zwei Vorgehensweisen wurden dabei im wesentlichen in Erwägung gezogen. Zum einen bot es sich an, die dänische Schriftsprache durch norwegische Elemente aus der gesprochenen Sprache zu ergänzen. Zum anderen gab es die radikalere Möglichkeit, eine ganz neue Schriftsprache auf der Grundlage eines oder mehrerer norwegischer Dialekte zu schaffen.

Beide Vorgehensweisen wurden seit den 1840er Jahren umgesetzt. So einerseits durch Ivar Aasen, der die Dialekte des Landes erforschte, auf deren Basis er schließlich das landsmål schuf. Es wurde 1884 als gleichberechtigte offizielle Sprache anerkannt und heißt seit 1929 nynorsk.

Andererseits wurde die Linie des sogenannten riksmål parallel dazu verfolgt. Ziel dieser Arbeit des Lehrers Knud Knudsen seit den 1840er Jahren war es, eine der norwegischen Aussprache entsprechende Schreibung der dänisch-norwegischen Schriftsprache zu schaffen, die durch Rechtschreibreformen erreicht werden sollte. Bis heute hat es zahlreiche Reformen in beiden Sprachformen gegeben.

Als Konsequenz ist eine Dichotomie der beiden Schriftsprachen entstanden, die letzten Endes die verschiedenen Haltungen der Anhänger des jeweiligen Sprachlagers in allen Sprachfragen prägt und polarisiert, so

z. B. auch im Umgang mit fremdsprachlichen Elementen. Darauf wird im Laufe dieses Kapitels noch näher eingegangen.

3.2 Überblick über die Forschung im Bereich Anglizismen

Unabhängig von den Haltungen zu diesem Thema im einzelnen herrscht allgemein Übereinstimmung in der Feststellung, daß das Phänomen anglonorsk eine Bedeutung angenommen hat, die weit über das rein linguistische Interesse hinausgeht. In der sprachwissenschaftlichen Forschung wird dieser Bereich in Norwegen schon seit mehreren Jahrzehnten immer wieder unter den verschiedensten Gesichtspunkten untersucht.

Als Meilenstein und Pionierwerk der Untersuchung von Lehnbeziehungen zwischen dem Englischen und dem Norwegischen gilt die Dissertation English Loan-Words in Modern Norwegian. A Study of Linguistic Borrowing in the Process von Aasta Stene, die 1940 abgeschlossen wurde, aber erst 1945 erschienen ist.

Sie beschäftigt sich ausschließlich mit direkten Entlehnungen und nicht mit Lehnbedeutungen und ähnlichen, durch das Englische nur motivierten Elementen. Die Arbeit möchte zudem keine erschöpfende Liste von Wörtern bieten, sondern befaßt sich mit der Beschreibung der Lehnmechanismen und formaler Probleme, die dadurch entstehen. Das Hauptinteresse liegt auf den Bereichen Phonologie, Orthographie und Grammatik. Der Untersuchung liegt Material zugrunde, das in den 1930er Jahren gesammelt wurde. Die Verfasserin meinte zwar, zu diesem Zeitpunkt einen insgesamt noch geringen Anteil an englischen Elementen, zugleich aber einen Wendepunkt sowie eine immer raschere Entwicklung und stärkere Beeinflussung zu erkennen: «Bokskrivaren, Aasta Stene, såg då på arbeidet sitt som eit dokument om ei faren tid, eit vitnemål om sluttfasen av ei lang utvikling. Med klårsyn nemnde ho samstundes dette som ei ny arbeidsmark i framtida, og så for seg at nokon skulle granske den nye fasen vitskapleg.» 67

Nach dem Zweiten Weltkrieg bildeten sich zwei unterschiedliche Ansätze in der Erforschung der Interferenzbeziehungen heraus.68

So gab es zum einen den philologisch und sprachgeschichtlich ausgerichteten Einfallswinkel, der der Nachfolge Stenes verhaftet war. Zum anderen wurde Forschung unter kulturellen und soziolinguistischen Gesichtspunkten betrieben. Beide Richtungen sind jedoch nicht klar von einander zu trennen, sie zeigen nicht zuletzt Übereinstimmungen hinsichtlich der Ergebnisse zu Ursachen, zur Entwicklung und auch zum Umfang englischsprachlicher Elemente im Norwegischen.

Die von Stene in ihrem Vorwort angesprochenen Nachfolger traten nicht unmittelbar ihre Nachfolge an. Erst in den 1960er Jahren erschien eine Reihe von Abschlußarbeiten am Fachbereich Anglistik der Universität Oslo, die sich vor allem philologisch mit dem Thema beschäftigten.69 Ihnen lag eine systematische Erfassung von englischen Entlehnungen in Osloer Tageszeitungen zugrunde, die über ein Vierteljahr ausgewertet worden waren. Untersuchungsbereiche waren dabei unter anderem die Genuszuweisung bei englischen Substantiven, die in das Norwegische übertragen worden sind, das zahlenmäßige Verhältnis der Wortklassen im Entlehnungsprozeß, aber auch die sprachlichen Domänen, in denen entlehnt wird. Soziolinguistische und sprachfunktionelle Betrachtungen wurden in diesen Fällen jedoch vernachlässigt.

Eine der Doktorarbeit Stenes vergleichbare umfangreiche Untersuchung englischer Entlehnungen im Norwegischen erschien erst Mitte der 1990er Jahre. Die Abhandlung Morphological, semantic and functional aspects of English lexical borrowings in Norwegian von Anne-Line Graedler basiert auf einem Korpus von rund 17000 Lehnwörtern. Die Arbeit ist Teil des Forschungsprojektes Engelsk i norsk språk og samfunn an der Universität Oslo. Wie Stene untersucht auch Anne-Line Graedler nicht indirekte Einflüsse, wie z. B. Lehnübersetzungen, sondern nur direkte Entlehnungen sowie die morphologische und orthographische Integration dieser englischen lexikalischen Elemente. Sie betrachtet dabei die gefundenen Beispiele als in keiner Weise repräsentativ, sondern betont den selektiven Charakter ihrer Vorgehensweise. Quellen der Arbeit waren vor allem Zeitungen aus den Jahren 1960-1963 – sie nahm die Beispiele aus den obengenannten Abschlußarbeiten zur Grundlage – sowie Tageszeitungen,

Zeitschriften und schönliterarische Werke der Jahre 1988 bis zur ersten Hälfte der 1990er.

Auf derselben Grundlage wie die Dissertation entstand auch ein Wörterbuch über Anglizismen im Norwegischen. Dieses Nachschlagewerk Anglisismeordboka70 enthält rund 4000 Stichwörter und damit nur einen Teil der Wörter, die gesammelt wurden. Es versucht nicht, eine vollständige Erfassung aller englischen Wörter im Norwegischen zu leisten, sondern konzentriert sich auf «ord og uttrykk som forekommer og brukes i moderne norsk dagligspråk»71. Die Stichwörter stammen, wie schon erwähnt, aus Zeitungen und für das allgemeine Publikum bestimmten Publikationen, so daß z. B. Fachausdrücke aus technischen Bereichen nicht berücksichtigt worden sind. Die einzelnen Wortartikel enthalten u. a. Informationen wie die Grundform des Wortes, eventuelle Varianten, Aussprachehinweise, grammatische und etymologische Informationen sowie Anwendungsbeispiele.72

3.3 Grundlagen und Formen der Spracharbeit

Spracharbeit wird in Norwegen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen geleistet, wobei eine generelle Zweiteilung in den öffentlichen und den privaten Bereich vorgenommen werden kann. Zum stark ausgeprägten öffentlichen Bereich der Spracharbeit gehören zum einen die Bildungseinrichtungen, insbesondere die Schulen, zum anderen spezielle Organe und Institutionen, die sich ausschließlich oder vorrangig mit Sprache befassen. Diese sind vor allem das norwegische Kulturministerium und der ihm zugeordnete Norsk språkråd, aber auch fachspezifische Einrichtungen wie Rådet for teknisk terminologi. Diese werden im Verlauf näher vorgestellt.

In den privaten Bereich der Spracharbeit fallen die Medien, Verlage, Schriftsteller und Übersetzer, aber auch Firmen jeder Art.

Jede dieser Instanzen besitzt ein unterschiedliches Maß an Autorität und fachlicher Grundlage. Nur wenige davon sind normgebend bzw. mit präskriptiven Vollmachten ausgestattet oder explizit sprachlich-fachlichen

[...]


1 Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft. 2., völlig neu bearbeitete Auflage. Stuttgart: Kröner, 1990: S. 349.

2 Weinreich, Uriel: Languages in Contact. Findings and Problems. Seventh printing. The Hague [u. a.]: Mouton, 1970: S. 1.

3 Weinreich 1970: S. 56.

4 Coulmas, Florian: Die Wirtschaft mit der Sprache. Eine sprachsoziologische Studie.

5 Vgl. ebd., S. 334.

6 Haugen, Einar: «The analysis of linguistic borrowing» . In: Language 26 (1950), S. 210-231: S. 224.

7 Siehe dazu Haugen 1950.

8 Siehe dazu Weinreich 1970.

9 Bußmann 1990: S. 444.

10 Ebd., S. 253.

11 Abraham, Werner: Terminologie zur neueren Linguistik. 2., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Tübingen: Niemeyer, 1988: S. 432. (= Germanistische Arbeitshefte: Ergänzungsreihe ; 1)

12 Vgl. ebd.

13 Vgl. Haugen 1950: S. 219.

14 Grønvik, Oddrun: «Framandorda og norsk språkutvikling i nyare tid.» In: Bojsen, Else m. fl. (red.): Språk i Norden 1980. Årsskrift för de nordiska språknämnderna och Nordiska språksekretariatet. Lund: Esselte Studium, 1980, S. 39-60: S. 55f.

(= Skrifter utgivna av Svenska språknämnden ; 68)

15 Pettersen, Egil: «Kampen mot anglonork.» In: Bojsen, Else m. fl. (red.) Språk i Norden 1989. Årsskrift for Nordisk språksekretariat og språknemndene i Norden. [Oslo]: Cappelen, 1989, S. 77-88: S. 78. (= Nordisk språksekretariats skrifter ; 10)

16 Vgl. Norsk språkråd (red.): Nyord i norsk 1945-1975. Oslo: Universitetsforlaget, 1982: S. 15 und vgl. Berkov, Valerij: Norsk ordlære. Oslo: Universitetsforlaget, 1997: S. 88.

17 Lundeby, Einar [= Lundeby 1987b]: «Fremmedord – hva gjør vi med dem?» . In: Mæhle, Leif m.fl. (red.): Fornying og tradisjon. Språkvern og språkrøkt 1972-1988. [Oslo]: Cappelen, 1987, S. 79-89: S. 83.

18 Vgl. Graedler, Anne-Line [= Graedler 1997b]: «Engelske lånord i bølger og drypp.» In: Språknytt 1997:3, S. 1-4: S. 1.

19 Vgl. Berkov 1997, S. 88.

20 Vgl. Graedler, Anne-Line: Morphological, semantic and functional aspects of English lexical borrowings in Norwegian. Oslo: Scandinavian University Press, 1998:

S. 20. (= Acta Humaniora ; 40)

21 Vgl. Torp, Arne og Lars Vikør: Hovuddrag i norsk språkhistorie. Oslo: Ad Notam Gyldendal, 1993: S. 100f. und vgl. Berkov 1997: S. 154ff.

22 Leira, Vigleik: «Om å lage nyord i norsk» . In: Mæhle, Leif m.fl. (red.): Fornying og tradisjon. Språkvern og språkrøkt 1972-1988. (Oslo): Cappelen, 1987, S. 67-78: S. 67.

23 Grønvik 1980: S. 56.

24 Almenningen, Olaf m.fl. (red.): Språk og samfunn gjennom tusen år. Ei norsk språkhistorie. 3. utg. Oslo: Universitetsforlaget, 1987: S. 120.

25 Lundeby 1987b: S. 82.

26 Venås, Kjell: «Skal vi bruke engelsk eller norsk i olje- og data-alderen?» In: Mål og Makt 1984: 1-2, S. 37-55: S. 42.

27 Vgl. ebd.

28 Vikør, Lars S.: The Nordic Languages. Their Status and Interrelations. Oslo: Novus, 1995: S. 142. (= Nordic Language Secretariat ; 14)

29 Vgl. ebd.

30 Lundeby 1987b: S. 82f.

31 Vgl. Graedler 1998: S. 74 und vgl. Weinreich 1970: S. 56ff.

32 Berkov 1997: S. 155.

33 Venås 1984: S. 50.

34 Weinreich 1970: S. 58.

35 Vgl. ebd., S. 57.

36 Vgl. ebd., S. 59f.

37 Venås 1984: S. 54.

38 Johnsen, Egil Børre (red.): Vårt eget språk I. Oslo: Aschehoug, 1987: S. 220f. 39 Løvfall, Jan: «Bruk av norsk og engelsk språk i norsk reklame.» In: Språknytt 1997:3, S. 11-14: S. 13.

40 Ebd., S. 11.

41 Venås 1984, S. 53.

42 Ebd.

43 Gulliksen, Øyvind [= Gulliksen 1980a]: «Ned i self-servicen å shoppe. Om engelsk-amerikanske lånord og kulturpåverknad. Del I.» In: Språklig samling 1980:1, S. 4-8: S. 5.

44 Vgl. Graedler 1997b: S. 3f.

45 Sandøy, Helge (= Sandøy 1997b): «Lån eller import?» In: Språknytt 1997:4, S. 1-4:

S. 1

46 Siehe dazu Vinje, Finn-Erik: «Omstaving av fremmedord i norsk og nordisk.» In: Blaauw, Knud; Vernegg, Trond og Lars Roar Langslet (red.): Engelske ord med norsk rettskriving? Seks seminarforedrag 1996. Bergen: Bergens Riksmålsforening, Riksmålsforbindet og Det Norske Akademi for Sprog og Litteratur, 1996: S. 9-39.

47 Vgl. Lundeby 1987b: S. 87 und vgl. Grønvik 1980:S. 52f.

48 Vgl. Berkov 1997, S. 86f.

49 Siehe dazu auch Sandøy 1997b: S. 2.

50 Lundeby 1987b: S. 85f.

51 Aksjonen for språklig miljøvern. Oslo: Norsk språkråd, 1990: S. 4. (= Språknytt 1990:2, spesialnummer)

52 Vgl. Venås, Kjell: «Domenetap for norsk?» In: Løland, Ståle m. fl. (red.): Språk i Norden 1993. Årsskrift for Nordisk språksekretariat og språknemndene i Norden. Oslo: Novus, 1993, S. 13-32: S. 15ff. (= Nordisk språksekretariats skrifter ; 15) 53 Vinje, Finn-Erik: «Språksituasjonen i Norge.» In: Norsk språkråd: De nordiske språkenes framtid. [Oslo]: Cappelen, 1977: S. 26-40: S. 38. (= Norsk språkråds skrifter ; 19).

54 Ebd.

55 Lundeby 1987b: S. 84.

56 Vikør 1995: S. 142.

57 Ebd., S. 227.

58 Almenningen 1987: S. 121.

59 Vikør 1995: S. 144.

60 Vinje 1977: S. 39.

61 Aksjonen for språklig miljøvern 1990: S. 3.

62 Lars S. Vikør: Språknytt 1992:2, S. [zit. nach Venås 1993: S. 18]

63 Vgl. Vikør 1995: S. 143.

64 Gulliksen 1980a: S. 7.

65 Vikør 1995: S. 207.

67 Venås, Kjell: «Ei avhandling om engelsk i norsk.» In: Språknytt 1996:3, S. 8-10:

S. 8.

68 Vgl. Gulliksen 1980a: S. 4f.

69 Vgl. ebd., S. 5f, Verzeichnis der Abschlußarbeiten siehe S. 8.

70 Graedler, Anne-Line og Stig Johansson [= Graedler 1997a]: Anglisismeordboka: engelske lånord i norsk. Oslo: Universitetsforlaget, 1997.

71 Ebd., S. 10.

72 Ebd., S. 12.

Ende der Leseprobe aus 122 Seiten

Details

Titel
Strategien der Entlehnung, Wortbildung und Wortschöpfung im norwegischen Computerwortschatz
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Nordeuropa-Institut)
Note
1,1
Autor
Jahr
2000
Seiten
122
Katalognummer
V149
ISBN (eBook)
9783638101080
ISBN (Buch)
9783668148093
Dateigröße
909 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beschäftigt sich mit der norwegischen Computerterminologie vor dem Hintergrund des Sprachkontaktes zwischen dem Norwegischen und dem amerikanischen Englisch. Ausgehend von der Annahme, daß der gesamte norwegische Fachwortschatz der elektronischen Datenverarbeitung und Phänomenen wie dem Internet auf ein amerikanisches Vorbild zurückgeht, wird die Terminologie anhand einer eigenen Lehnwortklassifikation systematisiert und dabei verschiedene Strategien wie Entlehnung, Wortbildung und Wortschöpfung als zentrale Prinzipien untersucht. Zum besseren Verständnis ist dem praktischen Teil ein theoretisch-historischer Abriß des Sprachkontaktes sowie der Datenverarbeitung und ihrer Terminologie vorangestellt.
Schlagworte
Computer, EDV, Norwegisch, Skandinavien, Linguistik, Sprache, Norwegen
Arbeit zitieren
Anja Klein (Autor:in), 2000, Strategien der Entlehnung, Wortbildung und Wortschöpfung im norwegischen Computerwortschatz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/149

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