Zur Existenz einer Unternehmerpersönlichkeit im Kontext des Gründungsprozesses


Diplomarbeit, 2002

87 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis.

1. Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Vorgehensweise

2. Unternehmerdefinition - eine Abgrenzung

3. Theorien zur Unternehmerpersönlichkeit
3.1 Erkenntnisse der allgemeinen Persönlichkeitspsychologie
3.1.1 Persönlichkeit und Persönlichkeitsmerkmale
3.1.2 Konsistenz im Verhalten
3.2 Unternehmerbezogene Persönlichkeitsforschung
3.2.1 Merkmalsorientierter Forschungsansatz (trait approach)
3.2.1.1 Persönlichkeitsmerkmale des Unternehmers - ein Portfolio
Das Leistungsmotiv (need for achievement) 16
Internale Kontrollüberzeugung (Internal Locus of Control)
Risikobereitschaft (Risk taking propensity)
Ambiguitätstoleranz (tolerance for ambiguity).
Kreativität und Innovation
Unabhängigkeitsstreben (need for autonomy).
Selbstwirksamkeit (self-efficacy) und das Konzept
des Adversity Quotient (AQ)
Weitere Persönlichkeitsmerkmale - einüberblick
Interaktion untersuchter Merkmale..
Unternehmertum und Erfolg - der Einfluss von
Persönlichkeit und anderen Faktoren..
3.2.1.2 Kritische Bemerkungen und Empfehlungen
3.2.1.3 Abschlussbemerkung
3.2.2 Dynamisch-prozessualer Ansatz
3.2.3 Weitere Forschungsschwerpunkte - eine Auswahl
3.2.3.1 Situativ-interaktive Sichtweise des Attitude-Approach
3.2.3.2 Typologische Forschungsansätze
3.2.3.3 Unternehmerische Orientierung und ihre Beziehung zur Unternehmerpersönlichkeit
3.3 Demographische Einflüsse
3.3.1 Arbeitsplatzes und (Un-)Zufriedenheit
3.3.2 Arbeitserfahrung
3.3.3 Alter
3.3.4 Geschlecht, ethnische Herkunft und kulturelle Einflüsse
3.3.5 Bildung
3.3.6 Rolle der Eltern

4. Ein integratives Gesamtmodell zur Evidenz der unternehmerischen Persönlichkeit
4.1 Der Unternehmer und sein Umfeld
4.2 Modell der unternehmerischen Disposition
4.2.1 Persönlichkeit
4.2.2 Umwelt
4.2.3 Situative Wahrnehmung
4.2.4 Einflussnahme und Wirkungsbereich
4.2.5 Auslösendes Ereignis, Intention und Gründungsaktivität

5. Schlussbetrachtungen

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Creation Value Performance Modell

Abbildung 2: Modell des unternehmerischen Potentials

Abbildung 3: Modell der unternehmerischen Disposition

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Leistungsmotiv und Unternehmerpersönlichkeit

Tabelle 2: Leistungsmotiv und unternehmerischer Erfolg

Tabelle 3: Kontrollüberzeugung und Unternehmerpersönlichkeit

Tabelle 4: Kontrollüberzeugung und unternehmerischer Erfolg

Tabelle 5: Risikoneigung und Unternehmerpersönlichkeit

Tabelle 6: Risikoneigung und unternehmerischer Erfolg

„ Entrepreneurship is the ability to create something from practically noth-ing. It is initiating, doing, achieving, and building an enterprise rather than just watching, analysing or describing one. It is the knack of sensing op- portunities where others see chaos, contradiction and confusion. It is the ability to build a ‘ founding team ’ to complement your own skills and talents. It is the knowledge to find, marshal and control resources [ ... ] Finally it is the willingness to take calculated risks [ ... ] - and then do everything possi- ble to get the odds in your favour. ”

(Timmons, 1989, S. 1)

1. Einleitung

1.1 Motivation

Kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) kommt bei Wirtschafts-wachstum und der Schaffung neuer Arbeitsplätze eine besondere Bedeutung zu (Frese/Chell/Klandt, 2000, S. 3). Dies gilt insbesondere für Unternehmen innova-tiver Hochleistungstechnologien (Audretsch, 2002, S. 1221 ; Licht/Nerlinger, 1997, S. 203). Insgesamt 99 % aller deutschen Unternehmen zählen zum Kreis des Mittelstandes, fast 70 % der verfügbaren Arbeitsplätze können diese Unternehmen auf sich vereinigen (BMWi, 1997, S. 16).

Shane (1996, S. 747) zeigt, dass 80 % aller neu geschaffenen Stellen auf Neugründungen zurückzuführen sind. Eine direkte Korrelation zwischen Arbeitslosenquote und unternehmerischer Aktivität wurde zudem in einer multinationalen Studie direkt nachgewiesen (Bögenhold/Staber, 1990).

Unternehmertum kann somit als eines der zentralen Aspekte zur Lösung der wirt-schaftlichen und sozialen Herausforderungen angesehen werden (Stewart, 1996, S. 3). Doch wie entsteht Unternehmertum? Welche Voraussetzungen stimulieren Erfolg versprechende Gründungsaktivitäten?

Die Forschung der letzten vierzig Jahre hat gezeigt, dass ein Zusammenspiel psy chologischer, soziologischer, demographischer und wirtschaftlicher Aspekte bei der Beantwortung beider Fragen zu berücksichtigen ist (u. a. Hisrich, 2000, S. 93; Stewart, 1996, S. 6; Cunningham/Lischeron, 1991, S. 46; Sexton/Bowman, 1985, S. 138). Die Gründung eines Unternehmens ist zudem mit hohen finanziellen, gesellschaftlichen und beruflichen Risiken verbunden (Brockhaus, 1982, S. 46). Zentrales Element innerhalb dieses Prozesses ist und bleibt deshalb der Unternehmer selbst (vgl. Cromie/O‘Donaghue,1992, S. 66).

Dies wirft die Frage auf, wie der potentielle Unternehmer agiert, wie er denkt, letztlich, welche spezifische Persönlichkeitsstruktur er aufweist, und ob diese in allgemeiner Form überhaupt existiert. Ist es zudem sinnvoll und notwendig, den Unternehmer zu begreifen, um den Unternehmensgründungsprozess zu verstehen und zu beeinflussen?

Ein Diskurs zwischen William B. Gartner (1988) und Carland, Hoy und Carland (1988) soll darauf eine Antwort geben. Gartner (1988, S. 11) kritisiert, dass die Frage nach dem „Wie“ (entsteht Unternehmertum) mit „Wer“ (ist der Unterneh-mer) beantwortet wird und eine separate Betrachtung von Unternehmer und Un-ternehmertum nicht möglich ist: „How can we know the dancer from the dance?“

Doch wenn wir den Tänzer nicht aus dem Tanz heraus erkennen können, dann be-deutet dies, dass beide untrennbar miteinander verbunden sind. Es ist also nicht möglich, das eine ohne das andere Konzept zu begreifen. Das Verständnis unter-nehmerischer Aktivität setzt fundiertes Wissen über diejenigen voraus, die in ent-scheidendem Maße diese Aktivität bestimmen und verantworten. Den Unterneh-mer in seiner Persönlichkeit zu definieren, ist demzufolge ein wesentlicher Schritt, um die Frage nach dem „Wie” zu beantworten (Carland et al., 1988, S. 34-35).

Die psychologische Literatur lässt keinen Zweifel daran erkennen, dass die Per-sönlichkeit einen entscheidenden Einfluss auf Ausbildung und Berufswahl ausübt (Carland et al., 1988, S. 37). Persönlichkeitsmerkmale sind, der breiten Auffas-sung der Entrepreneurship-Forschung folgend, zudem für das Gesamtverständnis des Gründungsprozesses von wesentlicher Bedeutung (Cromie, 2000, S. 9;

Rauch/Frese, 2000, S. 102; Carland/Carland/Stewart, 1996, S. 10; Stewart, 1996, S. 6; Greenberger/Sexton, 1988, S. 7).

1.2 Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit ist in vier weitere Abschnitte gegliedert. Zuerst wird über eine historische Analyse eine Arbeitsdefinition des Unternehmers entwickelt. Der darauffolgende Abschnitt befasst sich detailliert mit der zur Unternehmerpersönlichkeit vorliegenden Literatur und diskutierten Theorieansätzen. Im Anschluss wird ein Modell entwickelt, dass die Stellung der Unternehmerpersönlichkeit im und seine Bedeutung für den unternehmerischen Prozess herausstellt. Die Arbeit schließt mit einer Schlussbetrachtung.

Neben der grundsätzlichen Problematik der allgemeinen Unternehmerpersönlich-keit soll gleichzeitig untersucht werden, welche Persönlichkeitsstruktur und Um-gebungsvariablen erfolgreiche Unternehmer kennzeichnen. Diese Differenzierung erscheint in folgender Hinsicht sinnvoll: Die Antwort auf die erste Fragestellung ermöglicht es, potentielle Unternehmer generell zu bestimmen. Die Untersuchung des zweiten Aspekts führt zu einem besseren Verständnis möglicher Einflussfak-toren in Bezug auf eine positive Entwicklung des Gründungsunterfangens. Die Existenz einer unternehmerischen Persönlichkeitsstruktur ist nicht zwingend mit der Tatsache verbunden, erfolgreich zu sein (Utsch et al., 1999, S. 32; vgl. Begley/Boyd, 1987, S. 89-90).

„ Wealth is created only by doers in the arena who marred with dirt, dust, blood, and sweat. These are the producers who strike out on their own, who know high highs and low lows, great devotions, and who overextend themselves for worthwhile causes. “

(Joseph R. Mancuso, Center for Entrepreneurial Management)

2. Unternehmerdefinition - eine Abgrenzung

Grundlage einer erfolgreichen wissenschaftlichen Studie ist die exakte Definition des Untersuchungsobjektes. Die prinzipielle Schwierigkeit einer Persönlichkeits-analyse des Unternehmers liegt jedoch bereits in der Festlegung des Unterneh-merbegriffs selbst (Chell/Harworth/Brearley, 1991, S. 1). Weder in der deutschen Literatur, noch im englischen Sprachraum konnte bisher eine befriedigende, all-gemein gültige Definition gefunden werden (Stewart, 1996, S. 4; Cunning-ham/Lischeron, 1991, S. 45; Shaver/Scott, 1991, S. 23-24; Carland et al., 1988, S. 33; Gartner, 1988, S. 12). Erschwerend kommt hinzu, dass der deutsche Unter-nehmerbegriff semantisch keine vollständige Deckungsgleichheit mit dem aus dem angloamerikanischen Sprachraum stammenden Entrepreneur besitzt (Zum-holz, 2001, S. 12).

Gartner (1988, S. 12 und S. 21) bemerkt in Hinblick auf die vorliegenden Forschungsergebnisse:

„(1) that many (and often vague) definitions of the entrepreneur have been used (in many of the studies the entrepreneur is never defined);
(2) there are few studies that employ the same definition;
(3) that lack of basic agreement as to ‘who the entrepreneur is’ has led to the se- lection of samples of ‘Entrepreneurs’ that are hardly homogeneous. This lack of homogeneity occurs not only among the various listed, but actually within single samples [ … ]”

Der einheitlichen Definition des Unternehmerterminus kommt deshalb entschei-dende Bedeutung zu, da die Begriffsbestimmung zum einen der Festlegung der empirischen Grundgesamtheit jeder Studie dient, und damit auf die jeweiligen Forschungsergebnisse erheblichen Einfluss ausübt, zum anderen die grundsätzliche Frage behandelt, wem sich die Gründungsforschung im Allgemeinen widmen sollte, und damit, wessen psychologisches Potential es zu analysieren gilt. Eine allgemein anerkannte Definition würde letztendlich die Entwicklung eines übergreifenden konzeptuellen Rahmens für alle Teilbereiche der EntrepreneurshipForschung erleichtern (Stewart, 1996, S. 5).

Einen ersten Anhaltspunkt geben die etymologischen Wurzeln. Das Wort Entrepreneur ist demnach vom Französischen „entreprendre“ abgeleitet, was sinngemäß etwas unternehmen, versuchen, wagen bedeutet (Carland et al., 1988, S. 33). Gablers Wirtschaftslexikon (1997, S. 3949) sieht im Unternehmer eine „Persönlichkeit, die eine Unternehmung plant, mit Erfolg gründet und/oder selbständig und verantwortlich mit Initiative leitet, wobei sie persönliches Risiko oder Kapitalrisiko übernimmt“. Merriam-Webster‘s Collegiate Dictionary Online (2002) findet für den Entrepreneur eine ähnliche Erläuterung: „one who organizes, manages, and assumes the risk of a business enterprise“.

Beide Definitionen basieren auf einer historischen Auseinandersetzung, die im Wesentlichen auf Richard Cantillon (1680-1734) zurückzuführen ist. Der irische Bankier und Ökonom erwähnte erstmals 1725 den „Entrepreneur“ und beschrieb ihn als einen rationalen Entscheider, der das Risiko und die Führung seiner Unter-nehmung übernimmt (Kuratko/Hodgetts, 1992, S. 5; Carland et al., 1988, S. 33).

Eine zweigeteilte Systematisierung existierender Definitionsansätze nimmt Zum-holz (2000, S. 12-13) vor. Zum einen stehen dort die an funktionalen Kriterien orientierten Begriffsauffassungen, wie sie hauptsächlich in der Volkswirtschafts-lehre Verwendung finden. Unternehmertum ist dabei eng mit der Vorstellung ver-bunden, die allgemeine Wohlfahrt zu mehren (Kuratko/Hodgetts, 1992, S. 5). Dies gelingt dem Unternehmer durch die explizite Schaffung (Schumpeter, 1952) oder die Ausnutzung (Kirzner, 1973) von Marktungleichgewichten. Der Unter-nehmer agiert als Koordinator (Say, 1841) und trägt das Risiko seiner Unterneh-mung (Knight, 1921). Diese Sichtweise assoziiert Unternehmertum mit dem Ge-danken, dass neue Kombinationen am Markt durchgesetzt werden können (Schumpeter, 1952), d. h. neue, innovative Leistungen entstehen (Cromie, 2000, S. 8). Drucker (1985, S. 26) sieht im Innovationsaspekt gar das entscheidende Kriterium für die Charakterisierung von Unternehmertum.

Die zweite, formale Sichtweise betrachtet den Unternehmer hauptsächlich als lei-tenden Eigentümer einer Wirtschaftseinheit. Er ist demnach derjenige, der „seine Firma mittels eigenverantwortlicher Entscheidung auf Grund eines wesentlichen Kapitalbesitzes selbständig leitet “ (Schmölders, 1971, S. 13; Hervorhebung im Original). Dies schließt im Gegensatz zur Auffassung Schumpeters alle Personen ein, die für eigene Rechnung und selbständig tätig sind (Zumholz, 2001, S. 15). Leitende Angestellte ohne persönliche Kapitalbeteiligung sind von dieser Defini-tion nicht erfasst.

Mit wenigen Ausnahmen sieht insbesondere die angloamerikanische Literatur als das wesentliche Merkmal des Unternehmers die Neugründung einer Wirtschafts-einheit (Reitan, 2002, S. 2; Zumholz, 2001, S. 15; Stewart, 1996, S. 15; Gartner, 1988, S. 26). Uneinigkeit besteht dagegen über den Sinn und die Kriterien einer weiteren Abgrenzung des Entrepreneurs von anderen begriffsverwandten Grup-pen.

Kritisch diskutiert wird beispielsweise die von Carland, Hoy, Boulton und Carland (1984, S. 358; bekräftigt in Carland et. al., 1988, S. 34) vorgeschlagene Differenzierung in Entrepreneur und Kleinunternehmer. Ein Entrepreneur orientiert sich demnach an innovations- und wachstumsorientierten Strategien, während ein Kleinunternehmer eher über persönliche Ziele definiert ist, und das Geschäft als maßgebliche Einnahmequelle dient. Kleinunternehmer wären somit keine Unternehmer im engere Sinne, da von ihnen definitionsgemäß keine Innovation ausgeht (Rauch/Frese, 2000, S. 105; Gartner, 1988, S. 23).

Carland et al. (1984) folgen damit Schumpeters Innovationsgedanken (Schumpeter, 1952), der auch in der von Cromie (2000, S. 9) vorgeschlagenen Systematisierung des Unternehmerbegriffs eine wesentliche Rolle spielt. Der Unternehmer kennzeichnet sich demnach durch folgende Kriterien2:

(1) Neigung, wirtschaftliche Organisationen zu gründen,
(2) aktive Suche nach ungenutzten Marktchancen innerhalb des wirtschaftlichen Umfelds,
(3) Suche nach innovativen Problemlösungen,
(4) Einnahme einer eigenständigen strategischen Rolle, um Ressourcen ausfindig zu machen, zuzuordnen und zu organisieren, mit dem Ziel, gegebene Mög- lichkeiten in marktfähige Güter oder Dienstleistungen umzuwandeln,
(5) deutlich erkennbarer Drang nach Wachstum und Gewinn,
(6) Bereitschaft, das dem Projekt inhärente Risiko zu tragen.

Eine umfassende Definition geben auch Hisrich und Peters (2002, S. 10; Hervorhebung hinzugefügt): „Entrepreneurship is the process of creating something new with value by devoting the necessary time and effort, assuming the accompanying financial, psychic, and social risks, and receiving the resulting rewards of monetary and personal satisfaction and independence.“

Kritiker argumentieren, dass insbesondere eine genaue Definition des Innovati-onsbegriffes nicht existiert (Rauch/Frese, 2000, S. 105; Gartner, 1988, S. 23; ähn-lich Begley/Boyd, 1987, S. 80). Zum anderen sei lediglich ein kleiner Personen-kreis durch die aufgeführten Begriffsauffassungen gedeckt (vgl. Zumholz, 2001, S. 14). Auch die Frage des Gewinnkriteriums erscheint problematisch: Unternehmertum kann auch von Stiftungen, wohltätigen Organisationen und Genossenschaften ausgehen, deren satzungsmäßiger Zweck gerade nicht oder nur in begrenztem Maße eine monetäre Ausrichtung besitzt.

Die Schlussfolgerung aus der Kritik kann jedoch nicht darin liegen, alle Selbstän-digen als homogene Masse anzusehen. Jüngere Arbeiten lassen signifikante Unterschiede in der Persönlichkeitsstruktur von Entrepreneuren und weniger mo-tivierten Kleinunternehmern vermuten3. Ziel muss es letztendlich sein, alle relevanten Teilstichproben auf abweichende Persönlichkeitsausprägungen hin zu untersuchen.

Des Weiteren wird der Einbezug von Managern in die Gruppe der Unternehmer strittig diskutiert. Während McClelland (1961) sowohl Handelsvertreter, Manager, Unternehmensberater, Fondsmanager als auch Eigentümer einbezieht, kritisieren andere Forscher diese undifferenzierte Herangehensweise (Stewart/Roth, 2001, S. 4; Stewart, 1996, S. 5; Brockhaus, 1982, S. 42). Teile der Wissenschaft unterglie-dern des Weiteren in innovationsfreudige Manager, sog. Intrapreneure, und son-stige leitende Angestellte (Müller/Garrecht/Pikal/Reedwisch, 2002, S. 19; vgl. Chell et al., 1991, S. 2).

Die jüngere Literatur vermutet, dass sich Manager hinsichtlich der Art der Unter-nehmensführung, speziell in Bezug auf den Entscheidungsfindungsprozess vom Unternehmer unterscheiden (vgl. Stewart, 1996, S. 5). Leitenden Angestellten werden der allgemeinen Auffassung zufolge umfassendere Branchenerfahrungen und entwickeltere Fähigkeiten in Bezug auf die professionalisierte Unternehmens-führung zugerechnet. Unternehmer sollen sich dagegen eher durch persönliche Qualitäten und ihr Interesse an neuen Geschäftsfeldern auszeichnen (Timmons, 1994, S. 207-208). Allein die generelle Tendenz einer Differenzierbarkeit verlangt demzufolge eine separate Betrachtung beider Personengruppen.

In Anlehnung an die von Hisrich und Peters (2002, S. 10) vorgenommene Typi-sierung und unter Berücksichtigung weiterer Definitionen (Cromie, 2000, S. 9; Rauch/Frese; 2000, S. 105-106; Carland et al., 1984, S. 358) sowie eigener Über-legungen erscheint folgende abschließende Kategorisierung zweckmäßig:

(1) Entrepreneure sind demnach Gründer, Eigentümer und Manager von Organisationen in einer Person, die die von ihnen gesteckten Ziele auf inno- vative Art verfolgen, Strategien entwickeln und neue Markchancen nutzen. Sie akzeptieren das unternehmerische Risiko. Sie können durchaus klein- und mittelständische Unternehmen führen.
(2) Kleinunternehmer im engeren Sinne zeichnen sich durch eine weniger auf innovativen Strategien ausgerichtete Unternehmensführung aus, sind weniger flexibel und sehen den Grundgedanken ihrer Unternehmung eher in der Befriedigung individueller Ziele wie zur Bestreitung des Lebensunterhaltes. Auch sie akzeptieren das unternehmerische Risiko.
(3) Manager können bis zu einem gewissen Grad unternehmerisch tätig sein, aber grundsätzlich wird nicht mit dem eigenen Geld gearbeitet. Ein Verlassen oder Untergang der Organisation führt nicht zu denselben Konsequenzen wie bei einem Unternehmer4.

Die Vielzahl der im Detail voneinander abweichenden Begriffsdefinitionen macht es erforderlich, an gegebener Stelle auf die Besonderheiten einzelner Untersu-chungen hinzuweisen und die Stellung im Rahmen dieser Arbeit festzulegen.

„ It is time for a new generation of leadership to cope with new prob- lems and new opportunities. “

(John F. Kennedy)

3. Theorien zur Unternehmerpersönlichkeit

Im Vorfeld einer unternehmerbezogenen Persönlichkeitsanalyse folgt ein Über-blick über grundsätzliche Aspekte der allgemeinen Persönlichkeitspsychologie.

Ausgehend von der Erläuterung wesentlicher Fachbegriffe werden Erkenntnisse der eigenschaftsbasierten Persönlichkeitsforschung diskutiert. Abschließend wird auf grundsätzliche Aspekte zur Stabilität individueller Charaktereigenschaften eingegangen.

3.1 Erkenntnisse der allgemeinen Persönlichkeitspsychologie

3.1.1 Persönlichkeit und Persönlichkeitsmerkmale

Der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit ist die Persönlichkeit des Unterneh-mers. Zimbardo und Gerrig (1999, S. 520) sehen in ihr die Einzigartigkeit und das charakteristische (konsistente) Verhalten eines Menschen5. Persönlichkeit bezieht sich dabei auf die einmaligen psychologischen Merkmale eines Individuums, die sein Verhalten beeinflussen. Sie entwickeln sich durch Umwelteinflüsse aus der Anlage heraus und sind weiterhin Veränderungen unterworfen6. Es überwiegt je-doch die allgemeine Annahme, dass ein beträchtliches Maß an Konsistenz im aus-geübten Verhalten besteht (ebd.).

Persönlichkeitsmerkmale oder -eigenschaften (engl. traits) sind dabei konstante, überdauernde und spezifische Arten des Verhaltens und dienen der Persönlich-keitsbeschreibung sowie der Vorhersage zukünftiger Verhaltensausprägungen (Asendorpf, 1999, S. 36; Zimbardo/Gerrig, 1999, S. 521). Von Persönlichkeits- merkmalen spricht man demzufolge, wenn daraus resultierende Erlebens- und Handlungsdispositionen7 relativ dauerhaft sind.

Im Rahmen dieser Arbeit sind insbesondere die sogenannten Typen- und Eigen-schaftstheorien für die Identifizierung gesetzmäßiger Beziehungen zwischen Per-sönlichkeit und Verhalten von Bedeutung8. Erste Kategorisierungen des menschli-chen Charakters wurden bereits von Hypokrates im 5 Jh. v. C. und später von Sheldon (1942) vorgenommen. Erstmals stellte jedoch Allport (1966) eine umfas-sende Persönlichkeitstheorie vor. In dieser wird jeder Person eine einmalige Kombination von Persönlichkeitseigenschaften als Quelle der Individualität zuge-rechnet. Eigenschaften sorgen als Schnittstelle zwischen Stimuli und Reaktion für die notwendige Kohärenz im Verhalten, wobei jedoch jeder Stimulus individuell eine andere Reaktion hervorrufen kann. Allport geht zwar von einem eigen-schaftsmotivierten Verhalten aus, betont jedoch die Einmaligkeit des Individuums (Zimbardo/Gerrig, 1999, S. 524).

Der Versuch einer empirisch fundierten Kategorisierung menschlicher Persönlichkeitsmerkmale gelang erstmalig Eysenck (1973). In seiner auf Verhaltens di mensionen basierenden Theorie formen Extraversion (introvertiertes vs. extrovertiertes Verhalten), Neurotizismus (emotionale Stabilität) und Psychotizismus (Freundlichkeit vs. Aggressivität) die drei Grundausprägungen der Persönlichkeit in einem von ihm entwickelten Persönlichkeitszirkel.

In der aktuellen Literatur wird das Fünf-Faktoren-Modell von Costa und McCrae (1985) als wohl anerkannteste Beschreibung des menschlichen Verhaltens ange-sehen (Zimbardo/Gerrig, 1999, S. 525). Es überzeugt durch seine nachgewiesene Methodenstabilität (Borkenau/Ostendorf, 1991, S. 39). Das Modell fasst Merk-malsbeschreibungen in fünf Dimensionen zusammen: Extraversion, Verlässlich- keit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit9. Es stellt in erster Linie ein sinnvolles Klassifikationssystem bereit und bietet die Möglichkeit, Menschen individuell in ihren groben Verhaltensdimensionen zu beobachten (Zim-bardo/Gerrig, 1999, S. 525). Die Verwendung in der Entrepreneurship-Forschung ist auf wenige Untersuchungen beschränkt (Schmitt-Rodermund/Vondracek, 2002; De Fruyt/Mervielde, 1997)10.

3.1.2 Konsistenz im Verhalten

Zimbardo und Gerrig (1999, S. 527-529) widmen sich im Zusammenhang einer für diese Arbeit essentiellen Problematik: Erlauben Persönlichkeitseigenschaften Vorhersagen? McCrae (1982) ermittelt eine weitgehende Übereinstimmung hin-sichtlich der Selbstbeurteilung seiner Probanden und deren Partner. Verhaltens be- obachtungen Dritter zeichnen jedoch ein anderes Bild: Der Mensch zeigt situativ und zeitabhängig relativ wenig Konsistenz. Die Diskrepanz zwischen persönlicher Einschätzung und der Fremdbeobachtung tatsächlich inkonsistenter Verhaltens-muster wird als Konsistenzparadox bezeichnet (Zimbardo/Gerrig, 1999, S. 527). Ist Konsistenz also als ein reines Wahrnehmungsphänomen?

Die moderne Persönlichkeitspsychologie geht davon aus, dass Inkonsistenz ledig-lich für spezifische Eigenschaften problematisch ist (Zimbardo/Gerrig 1999, S. 527). Es ist demzufolge weniger ein Paradox zur Frage der Stabilität des Verhal-tens, sondern zum Problem der Analyseebene. Verhaltensforscher haben bedeut-same Beziehungen zwischen Selbstbeschreibung, Fremdbeobachtungen, Lebens-ereignissen und generellen Verhaltensmustern gefunden. Beispielsweise mag eine extrovertierte Persönlichkeit im Allgemeinen ein offenes, kommunikatives Ver-halten an den Tag legen, in spezifischen Situationen aber durchaus zurückhaltend und wortkarg sein. Caspi und Bem (1990) zeigen, dass Eigenschaften das Ver-halten eher beeinflussen, wenn es sich um neuartige, unbestimmte oder herausfor- dernde Situationen handelt11. Ein weiterer Aspekt, der Konsistenz im Verhalten erwarten lässt, ist die generell freie Situationswahl. Ein jeder wählt bewusst oder unbewusst Situationen aufgrund seiner individuellen Persönlichkeitseigenschaften (Zimbardo/Gerrig, 1999, S. 529) - entscheidet demzufolge auch individuell über den Gang in die Selbständigkeit.

Entscheidend ist demzufolge nicht die Frage nach konsistentem Verhalten, sondern nach kohärenten Verhaltensmustern, d. h. führt eine bestimmte Eigenschaft in spezifischen Situationen, wie die des Gründungsunterfangens, immer zur selben Verhaltensausprägung.

Kritisch bleibt anzumerken, dass situative Besonderheiten in den Merkmalsansät-zen oft unberücksichtigt bleiben und zudem langfristig Veränderungen im Per-sönlichkeitsbild eines Menschen auftreten können (Asendorpf, 1999, S. 62).

3.2 Unternehmerbezogene Persönlichkeitsforschung

„Are Entrepreneurs Born or Made?“ (Faris, 1999, S. 1). Zwei grundsätzliche Forschungsrichtungen zur Unternehmerpersönlichkeit versuchen auf diese Frage eine Antwort zu geben.

Eigenschaftsorientierte Ansätze (trait approach) sehen Persönlichkeitsmerkmale als die Determinanten individuellen Verhaltens, die eine gewisse Verhaltenskon-sistenz über verschiedene Situationen hinweg sicherstellen (Stewart, 1996, S. 17; Furnham, 1992, S. 174; Brockhaus, 1982, S. 40). Jüngere Theorien erweitern die-ses Konzept um situations- und zeitbedingte Aspekte (u. a. Robinson/Mitchell, 2001; Lumkin/Erdogan, 2000; Lumkin/Dess, 1996; Robinson/Stimpson/Huefner/ Hunt, 1991). Es wird damit versucht, Schwierigkeiten in der Beschreibung der Beziehung zwischen Persönlichkeit und tatsächlichem Verhalten Rechnung zu tragen.

Auf der anderen Seite finden sich in der neueren Literatur dynamische Theorien, die den Gründungs prozess aus der Sicht des einzelnen Individuums betrachten und von einer hohen Heterogenität der Unternehmerpersönlichkeit ausgehen (u. a. Krueger/Brazeal, 1994; Shapero, 1984; vgl. Zumholz, 2001, S. 55). Ziel ist eine Konzentration auf das Gründungsgeschehen und dessen Einflussfaktoren. Aufgrund der unterstellten Heterogenität wird die Unternehmerpersönlichkeit in diesen Modellen kaum gewürdigt.

Der folgende Abschnitt unterzieht insbesondere den Eigenschaftsansatz einer the-oretisch fundierten Analyse. Aufgrund der Breite prozessual-dynamischer Sicht-weisen werden diese exemplarisch am unternehmerischen Potential nach Krueger und Brazeal (1994) erläutert. Abschließend werden drei weitere Forschungsrich-tungen diskutiert, die Elemente beider Strömungen in verschiedener Gewichtung aufgreifen (Typologische Ansätze, Attitude-Ansatz und Theorie der unternehme-rischen Orientierung).

3.2.1 Merkmalsorientierter Forschungsansatz (trait approach)

Die historische Literatur zum Unternehmertum konzentrierte sich auf eine funkti-onale Erklärung von Unternehmer und Unternehmertum (Kirzner, 1973; Schum-peter, 1952; Knight, 1921; Say, 1841). Erst McClellands (1961) Untersuchungen zur Leistungsmotivation des Unternehmers richtete die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Handlung zum Handelnden und dessen Persönlichkeitsmerkmalen (Shaver/Scott, 1991, S. 23). Die Suche nach fundierten Charaktereigenschaften des Unternehmers dominiert seither weite Teile der Entrepreneurship-Forschung.

Kirschbaum (1990, S. 82) beschreibt den Unternehmer beispielsweise als jeman-den, „der von der ‚Machbarkeit‘ der Dinge überzeugt ist, der sich in Situationen sozialer Abhängigkeit unbehaglich fühlt, Autoritäten zurückweist und unwillig ist, sich zu unterwerfen, dagegen aber eine positive Beziehung zu Gleichrangigen hat.“ Zudem sei er „dynamischer, durchsetzungsfähiger, entschlossener, [ ... ] verantwortungs- und risikofreudiger als abhängig Beschäftigte“ (ebd.).

Der „entrepreneurial mind“ scheint etwas Besonderes zu sein. Er arbeitet hart, sieht ein Glas halbvoll, statt halb leer, Stillstand empfindet er als unbefriedigend. Er will sich selbst und andere stets übertreffen, und nutzt Fehler, um aus ihnen zu lernen (Timmons, 1994, S. 24).

Welchen Aussagewert haben diese idealtypischen, eher intuitiven Beschreibungen der Unternehmerpersönlichkeit? Zur Vielzahl der seither veröffentlichten Unter-suchungen (Übersichten finden sich z. B. in Zumholz, 2001; Rauch/Frese, 2000; Utsch et al., 1999; Stewart, 1996; Furnham, 1992; Chell et al., 1991; Brock-haus/Horwitz, 1986; Brockhaus, 1982) merkt Gartner (1988, S. 21) kritisch an: „A startling number of traits and characteristics have been attributed to the entrepre-neur, and a ‘psychological profile‘ of the entrepreneur assembled from these studies would portray someone larger than life, full of contradictions, and contro-versively, someone so full of traits that (s)he would have to be sort of generic ‘Everyman‘.“

Dieser Kritik kann nur ansatzweise zugestimmt werden. Die Forschung hat in der jüngeren Vergangenheit gewaltige Anstrengungen unternommen, die den einzelnen Studien zugrundeliegenden Annahmen und Messmethoden in ihrer Gesamtheit zu hinterfragen und Gemeinsamkeiten zu erkennen (u. a. Stewart/Roth, 2001; Rauch/Frese, 2000; Stewart, 1996; Chell et al., 1991).

3.2.1.1 Persönlichkeitsmerkmale des Unternehmers - ein Portfolio

Die in der Gründungsforschung verstärkt untersuchten Persönlichkeitsmerkmale sind neben dem Leistungsmotiv (need for achievement) internale vs. externale Kontrollüberzeugung (internal versus external locus of control), Risikobereit-schaft (risk-taking propensity), Ambiguitätstoleranz (tolerance for ambiguity), Unabhängigkeitsstreben (need for autonomy) sowie Innovation und Kreativität (Cromie, 2000, S. 7; Hisrich, 2000, S. 94; Amit/Glosten/Muller, 1993, S. 821; vgl. Stewart, 1996, S. 18-54).

Neuere Untersuchungen schließen Selbstwirksamkeit (self-efficacy)12, Widerstandsfähigkeit gegenüber Unwägbarkeiten (adversity quotient), soziale Kompetenz, Gewissenhaftigkeit und kognitive Fähigkeiten ein (u. a. Schmitt-Roder-mund/Vondracek, 2002; Markman/Baron/Balkin, 2001; Allinson/Chell/Hayes, 2000; Baron/Markman, 2000; Chen/Greene/Crick, 1998).

Frühere Literaturübersichten beschränkten sich im Allgemeinen auf eine rein qua litative Analyse der Forschungsergebnisse zur Unternehmerpersönlichkeit (vgl. Stewart, 1996, S. 17-54; Furnham, 1992, S. 189-196; Chell et al., 1991, S. 29-53; Brockhaus/Horwitz, 1986; Brockhaus, 1982). Eine weitere Einschränkung liegt in der spezifischen Ausrichtung vieler Arbeiten entweder auf die Unternehmerper-sönlichkeit selbst oder den unternehmerischen Erfolg. Rauch und Frese (2000) haben im Rahmen einer quantitativen Metaanalyse sowohl den Einfluss der Per-sönlichkeit auf die Berufswahl als auch auf die erzielten Ergebnisse untersucht. Hervorzuheben ist zudem die metaanalytische Untersuchung von Stewart und Roth (2001) in Bezug auf die Risikoneigung des Unternehmers.

Im folgenden wird der Frage nachgegangen, inwieweit verschiedene Persönlich-keitsmerkmale ein definierbares Persönlichkeitsportfolio ergeben, das den Unter-nehmer eindeutig von Vergleichsgruppen differenziert. Gleichzeitig wird die Hypothese untersucht, dass die Unternehmerpersönlichkeit zwar maßgeblich die Gründungsentscheidung determiniert, jedoch nur geringen Einfluss auf die Er-folgswahrscheinlichkeit ausübt (Begley/Boyd, 1987, S. 88). Soweit möglich, wird auf die Ergebnisse quantitativer metaanalytischer Untersuchungen zurückge-griffen.

Das Leistungsmotiv (need for achievement)

Innerhalb der internationalen Gründerforschung kommt dem Leistungsmotiv (need for achievement; nAch) eine besondere Bedeutung zu. Eine Vielzahl empirischer Untersuchungen und psychologischer Forschungsarbeiten widmen sich diesem Persönlichkeitsmerkmal (vgl. Klandt, 1990, S. 88).

Die moderne Beschreibung des Leistungsmotivs ist maßgeblich das Ergebnis der Arbeit von Murray (1938) (Johnson, 1990, S. 40). McClellands „The Achieving Society“ (1961) entwickelte das Konzept weiter und legte damit den Grundstein für die moderne unternehmerbezogene Persönlichkeitsforschung. In seinem Werk charakterisiert McClelland (1961, S. 230) Individuen mit hoher Leistungsmotiva-tion als solche, die es bevorzugen, für die Lösung von Problemen Eigenverant-wortung zu tragen, selbst Ziele zu setzen und diese durch eigene Anstrengungen zu verwirklichen. Folgende Verhaltensweisen macht McClelland (1966, S. 204; vgl. Klandt, 1990, S. 91) im Detail ausfindig, die einen leistungsmotivierten Men- schen kennzeichnen:

(1) mäßig schwierige, aber erreichbare persönliche Ziele anzustreben,
(2) Suche nach persönlicher Leistung,
(3) Bevorzugung von Arbeitssituationen, die eine direkte Rückmeldung über die erreichte Leistung ermöglichen,
(4) mit der Neigung, an Problemen zu arbeiten und sie nicht in ihrem Ergebnis dem Zufall und Dritten zu überlassen,
(5) Arbeitspartner vor allen Dingen nach ihrer Qualifikation und nicht nach persönlicher Sympathie auszusuchen,
(6) Geld als wichtigen Maßstab für die eigene Leistung anzusehen.

In diesen Eigenschaften sieht Klandt (1990, S. 90) ein Effizienzstreben, mit dem Ziel, die eingesetzten Mittel optimal zu nutzen. Leistungsmotivierte Menschen sind bestrebt, Aufgaben bestmöglich zu begegnen und auf gesteckte Ziele hinzu-arbeiten (Chell et al., 1991, S. 37). „Seeking out the challenge inherent in a start-up and responding in a positive way [ ... ] is achievement motivation in action“, begründet Timmons das Leistungsstreben (Timmons, 1994, S. 169).

Gründerpersönlichkeit: In mehreren Untersuchungen konnte McClelland einen Zusammenhang zwischen dem Leistungsmotiv und unternehmerischem Verhalten aufzeigen (vgl. Brockhaus, 1982, S. 41). Im Ergebnis führt auch die aus der späte-ren Empirie gewonnene Datenbasis zu dem Schluss, dass das Leistungsmotiv ein wesentliches Merkmal unternehmerischer Persönlichkeit darstellt. Unternehmer sind signifikant stärker leistungsmotiviert als der Durchschnitt der Bevölkerung und leitende Angestellte (u. a. Müller, 2000, S. 105; Utsch et al., 1999, S. 37; Cromie/O‘Donaghue, 1992, S. 69; Begley/Boyd, 1987, S. 87-88; vgl. Stewart, 1996, S. 18-28; Furnham, 1992, S. 190-191).

Der breiten empirischen Absicherung tritt jedoch Skepsis entgegen (Chell et al., 1991, S. 38-39; Brockhaus, 1982, S. 42-43). Einerseits wird argumentiert, dass die Vielzahl der Instrumente nicht zwingend das von McClelland entworfene Kon- strukt messen (Johnson, 1990, S. 47)13, andererseits herrscht über die Ausprägung des Leistungsmotivs im direkten Vergleich von Unternehmensgründern und Ma-nagern keine Einigkeit. Keine oder schwache Zusammenhänge finden sich bei-spielsweise in den Studien von Hull, Bosley und Udell (1980), Cromie und Johns (1983), Cromie, Callaghan und Jansen (1992) sowie bei Schmitt-Rodermund und Vondracek (2002)14.

Rauch und Frese (2000) untersuchen im Rahmen einer quantitativen Metaanalyse verschiedene Studien zur Unternehmerpersönlichkeit und Erfolg15. Die Ergebnisse zur Beziehung zwischen Leistungsmotivation und Unternehmertum finden sich in Tabelle 1.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Leistungsmotiv und Unternehmerpersönlichkeit

Sämtliche Untersuchungen zeigen eine positive Korrelation, nur zwei sind nicht signifikant. Über alle Studien wurden die Korrelationskoeffizienten mit der Stich-probengröße gewichtet. Trotz der geringen Anzahl einbezogener Arbeiten ist der Trend eindeutig: Die Empirie stützt die These, dass Unternehmer eine höhere Leistungsmotivation zeigen als Vergleichsgruppen, wie z. B. Manager (gewich-tete Durschnittskorrelation r=0,21; signifikant bei p<0,01). Johnson (1990, S. 47; Hervorhebung hinzugefügt) stellt in einer qualitativen Untersuchung von 23 Stu-dien zum Leistungsmotiv trotz Kritik an der generellen Methodik fest: „[ ... ] a positive relationship between achievement motivation, however defined and mea-sured, and some type of entrepreneurial behaviour or inclination was found in twenty of twenty-three studies reviewed.“

Jüngere Studien untermauern die Ergebnisse, jedoch leicht differenziert. Müller et al. (2002, S. 24) attestieren Unternehmern, aber auch Intrapreneuren16 eine signifi-kant höhere Leistungsorientierung als Angestellten mit geringer Führungsverant-wortung. Der Unterschied zwischen den beiden erstgenannten Gruppen ist dabei gering (ähnlich Müller, 2000, S. 116). Stewart (1996, S. 106-109) ermittelt im Vergleich zu Managern signifikante Unterschiede in Hinblick auf Entrepreneure, nicht jedoch in Bezug auf Kleinunternehmer17 (entsprechend Ste-wart/Watson/Carland/Carland, 1999, S. 202-203). Anders Utsch et al. (1999, S. 36), die auch für Kleinunternehmer signifikant höhere Werte ermitteln als für Ma-nager.

Auch Personen, die über den Weg in die Selbständigkeit nachdenken, sind leistungsorientierter als ihre weiterhin unselbständigen Kollegen (Müller, 2000, S. 115). Unternehmerisch interessierte Jugendliche zeigen dagegen noch keine erhöhte Leistungsmotivation (Schmitt-Rodermund/Vondracek, 2002, S. 15; Bonnett/Furnham, 1991, S. 47218 ).

[...]


1 Audretsch (2002, S. 111) ermittelt in eigenen Studien, dass kleine- und mittelständische Hochtechnologiefirmen die treibende Kraft bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze sind.

2 Eigene Übersetzung. Die Hervorhebung wurde hinzugefügt.

3 Vgl. Abschnitt 3.1.2.1, Seite 15-40.

4 Der dritte Punkt ist Rauch/Frese (2000, S. 106) entnommen. Die Autoren differenzieren zwischen Unternehmern und Managern. Ein weiteres Abgrenzungskriterium ist nach Auffassung der Autoren die Größe einer Unternehmung.

5 Einfacher ausgedrückt, beschreibt die Persönlichkeit eines Menschen die Gesamtheit aller seiner Eigenschaften (Dispositionen und Gestalteigenschaften), in denen er sich von anderen unterscheidet (Asendorpf, 1999, S. 5).

6 Vgl. für eine nähere Beschreibung Fachgebärdenlexikon Psychologie (2002), Stichwort Persönlichkeit.

7 Als Disposition ist dabei die individuell unterschiedliche, relativ dauerhaft wirkende Bereitschaft zu sehen, auf bestimmte Umweltbedingungen mit bestimmten Verhaltensweisen, Symptomen oder anderen Eigenarten zu reagieren. Sie kann angeboren, erworben oder im Zusammenspiel aus Anlage und Umwelt entstanden sein (Fachgebärdenlexikon Psychologie, 2002, Stichwort Disposition).

8 Es wird zwischen individuumszentriertem und differentiellem Ansatz unterschieden. Ersterer ermittelt aus SituationsReaktionsbeziehungen das Verhaltensmuster eines Menschen. Erst mittels differentieller Ansätze kann dann durch den Vergleich zu einer Referenzpopulation auf die Persönlichkeit geschlossen werden (Asendorpf, 1999, S. 45).

9 Erläuterungen (Gegenpole in Klammern): (1) Extraversion: gesprächig, energiegeladen, bestimmt (ruhig [tranquil], reserviert, schüchtern), (2) Verlässlichkeit: verlässlich, freundlich, mitfühlend (kalt, streitsüchtig, unbarmherzig), (3) Gewissenhaftigkeit: organisiert, verantwortungsbewusst, vorsichtig (sorglos, verantwortungslos, leichtfertig), (4) Neurotizismus: stabil, ruhig [calm], zufrieden (besorgt, labil, launenhaft), (5) Offenheit für Erfahrungen: kreativ, intellektuell, offen (einfach, oberflächlich, unintelligent) (Zimbardo/Gerrig, 1999, S. 525).

10 Ein weiterer anerkannter Persönlichkeitstest ist der 16 PF (16 Personality Factor Questionnaire). Eine unternehmerbezogene Untersuchung hat Brandstätter (1997) unter Nutzung einer eigenen Variation des Testinstruments vorgelegt.

11 Sogenannte „weak situations“. Baron/Markman (2002, S. 1) sehen im Gründungsprozess eine solche Situation (ähnlich Utsch et al., 1999, S. 32).

12 Selbstwirksamkeit ist die persönliche Fähigkeit, die Aktionsquellen zu organisieren und zu aktivieren, die für die Bewältigung erwarteter Situationen notwendig sind (Chen et al., 1998, S. 296); vgl. Seite 34.

13 Als meistgenutztes Frageinstrument gilt McClellands Thematic Apperception Test (TAT), gefolgt vom Edwards Personal Preference Schedule (EPPS). Sechs weitere Fragebögen kamen in den Jahren zur Anwendung (Johnson, 1990, S. 42).

14 Schmitt-Rodermund/Vondracek (2002) untersuchen die unternehmerische Orientierung Heranwachsender. Die Probanden zeigen keinen signifikanten Unterschied in Hinblick auf das Leistungsmotiv. Die Autoren verweisen jedoch auf die Signifikanz der Forschungsergebnisse in Hinblick auf etablierte Unternehmer (ebd., S. 13). Gewissenhaftigkeit als enger Begleiter des Leistungsmotivs ist für Jugendliche mit unternehmerischer Orientierung dagegen signifikant höher (ebd., S. 15).

15 Die in die Studie einbezogenen Arbeiten mussten gewisse Mindestkriterien erfüllen. Nähere Erläuterungen hierzu werden von den Autoren leider nicht vorgenommen (vgl. Rauch/Frese, 2000, S. 107).

16 Intrapreneure sind nach Müller et al. (2002, S. 23) „Führungskräfte oder leitende Angestellte [ ... ] unmittelbar unterhalb der Leitungsebene [ ... ], deren Tätigkeit eigenverantwortliches Handeln und selbständige Entscheidungen abverlangte.“

17 Stewart (1996, S. 70) differenziert den Unternehmer in Entrepreneure und Kleinunternehmer gemäß Carland et al. (1984, S. 358); vgl. Abschnitt 2, Seite 6.

18 Bonnett und Furnham (1991, S. 469) vergleichen Jugendliche, die an einem britischen Unternehmensplanspiel teilnehmen (allerdings mit tatsächlicher Gründung und Liquidation nach acht Monaten), mit anderen Heranwachsenden.

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Zur Existenz einer Unternehmerpersönlichkeit im Kontext des Gründungsprozesses
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Entrepreneurship und Innovationsmanagement)
Veranstaltung
Entrepreneurship und Innovationsmanagement
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
87
Katalognummer
V15071
ISBN (eBook)
9783638203074
Dateigröße
1106 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit untersucht die Existenz stabiler Persönlichkeitsmerkmale eines Unternehmers und deren Dynamik und Einflußgrössen, der Autor erhielt kürzlich die Auszeichnung als Bester Diplomand seines Jahrgangs im Studienfach BWL.
Schlagworte
Existenz, Unternehmerpersönlichkeit, Kontext, Gründungsprozesses, Entrepreneurship, Innovationsmanagement
Arbeit zitieren
Stefan Scholz (Autor:in), 2002, Zur Existenz einer Unternehmerpersönlichkeit im Kontext des Gründungsprozesses, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15071

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