Vorurteile in lerntheoretischer Perspektive


Hausarbeit, 2003

27 Seiten, Note: ohne Bewertung


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.) Einleitung

2.) Vorurteile als eine Form der Einstellung
2.1) Eindimensionale Einstellungskonzept
2.2) Mehrdimensionale Einstellungskonzept
2.3) Funktionen von Einstellungen

3.) Lerntheorie
3.1) Soziales Lernen
3.1.1) Lernen am Modell
3.1.2) Lernen von Erwartungen
3.1.3) Lernen durch Kontingenz und Kontrolle

4.) Vorurteile und soziales Lernen
4.1) Vorurteilsbildung unter dem Aspekt des sozialen Lernen
4.2) Vorurteilsänderung unter dem Aspekt des sozialen Lernen

5.) Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1.)Einleitung

In unserem Alltag werden wir häufig mit Vorurteilen konfrontiert. Sei es in den Medien, in Gesprächen mit anderen Personen oder in unseren eigenen Gedanken. Wohl keiner kann sich diesem Phänomen entziehen und von sich behaupten er wäre gegen es immun. Allport (1971) meint, „dass der Mensch eine Neigung zum Vorurteil hat. Diese Neigung stammt aus der normalen und natürlichen Anlage, Verallgemeinerungen, Begriffe und Kategorien zu bilden, deren Inhalte eine Über- Vereinfachung des Gesamts von Erfahrungen darstellt“. (Allport, 1971, S. 41).

Warum dies so stimmen mag, obwohl jede Person mit Vorurteilen von anderen Menschen wahrscheinlich wiederum vorverurteilt wird ist ein sehr vielschichtiges und differenziert zu betrachtendes Problem. Weder das Entstehen und Vermeiden noch das Beseitigen von Vorurteilen lässt sich auf einen einzigen Nenner bringen, der eine alleingültige Antwort darauf gibt, auch wenn dieser Anspruch gerne an die Wissenschaft gestellt wird.

Ein typisches Vorurteil, mit dem die Deutschen häufig zu kämpfen haben, ist „am Strand der Erste zu sein“. Dieser Meinung nach, ist der Deutsche im Urlaub bereits in der Morgendämmerung am Pool oder am Strand um sich dort mit seinem Handtuch den besten Platz zu reservieren. Husemann (1998) bezeichnet dieses Phänomen als „Beachtowel-Konflikt“ und vertritt die Meinung, dass dieses Vorurteil, speziell bei den Briten, vom Neid darüber geprägt ist, dass die Deutschen schneller und effizienter sind, selbst im Urlaub. (Kerber, Psychologie Heute 02/1998).

In diesem Beispiel handelt es sich um ein Vorurteil gegenüber einer ganzen Nation. Vorurteile können sich auf den unterschiedlichsten Ebenen bewegen. Es gibt solche, die sich gegen einzelne Personen, gegen Personengruppen wie z.B. Frauen, Gastarbeiter, körperlich Behinderte, Straffällige usw. richten oder auch gegen Objekte bzw. Sachverhalte wie beispielsweise Kunst, Kultur, Atomkraft usw. (Schäfer & Six, 1978, S. 9).

Aber sind Vorurteile immer gleich Vorurteil oder vielleicht einfach nur ein Urteil über Personen, Gruppen oder Objekte, die doch einen Funken Wahrheit haben ? So bezeichnet Allport (1971) beispielsweise das gegen Verbrecher existierende Vorurteil, diese seien antisozial eingestellt, als Antagonismus. Dieser Antagonismus sei durchaus berechtigt, da der Personengruppe der Verbrecher antisoziales Verhalten schlüssig bewiesen werden kann. Allerdings ist er der Meinung, dass es sicher auch hier einige Ausnahmen gibt, und daher diese Gruppe, in Bezug auf Vorurteil oder Wahrheit, als grenzwürdig anzusehen ist. Bei den ehemaligen Nazi-Führern handelt es sich nach Allport (1971) jedoch um keinen Grenzfall, sondern eindeutig um eine bewiesene Tatsache, wenn behauptet wird, dass diese eine grundsätzlich feindselige Einstellung hatten und nicht um ein Vorurteil. Die Trennung von ausreichend begründet und damit eine Tatsache und unzureichend begründet und damit ein Vorurteil lässt sich nicht klar ziehen, jedoch dürfte unumstritten sein, dass Personen oft Urteile fällen, die dürftig- wenn nicht sogar gar nicht begründet - sind und damit handelt es sich um Vorurteile. (Allport, 1971, S. 22).

In erster Linie denken die meisten Menschen bei dem Wort Vorurteil wohl an Rassenvorurteile. Dies ist jedoch ein sehr kleiner Aspekt, betrachtet man die Anlässe der Vergangenheit, die Menschen dazu bewegten ihre Vorurteile öffentlich darzustellen und teilweise auch diese als Rechtfertigung für grausame Taten zu missbrauchen. Nach Allport (1971) wurden Menschen häufiger wegen ihrer Religionen, als wegen ihrer Rasse vorverurteilt. (Allport, 1971, S. 11).

Auch in der heutigen Zeit werden, zumindest vordergründig, Menschen wegen ihrem Bekenntnis zu andern Glaubensgemeinschaften ausgegrenzt.

Man denke an die Zeit nach dem 11. September, als die Türme des World Trade Center gefallen sind. Jeder auch nur im entferntesten wie ein Moslem aussehender Mensch wurde von vielen nicht moslemischen Glaubens, als potenzieller Terrorist angesehen, dem man grundsätzlich misstraut und besser aus dem Weg geht. Es bildeten sich gegen die Glaubensgemeinschaft der Moslems schwere Vorurteile, die scheinbar auf jeden zutrafen ohne die Menschen differenziert zu betrachten.

In dieser Arbeit soll die Vorurteilsforschung unter lerntheoretischen Aspekt betrachtet werden. Es wird versucht, anhand von Lerntheorien zu erläutern, wie Vorurteile entstehen und ob die Konzepte des Lernens dazu dienen können sie zu beseitigen oder gar zu verhindern. Hierbei soll speziell die Form des sozialen Lernens, unterteilt in das Lernen am Modell, Lernen von Erwartungen und das Lernen durch Kontingenz und Kontrolle in Vordergrund treten, da es sich bei Vorurteilen um ein Problem der sozialen Interaktion handelt und daher auch ein Lösungsansatz der sich auf Aktion und Reaktion zwischen Personen bezieht als angebracht erscheint.

Das Vorurteil ist eine Beziehung zwischen Akteur und Objekt, in der das Objekt näher bestimmt wird. (Jones, 1972, S. 64).

Im ersten Teil sollen die grundlegenden Konzepte, das des Vorurteils als Einstellung und die Theorien des sozialen Lernens dargestellt werden, um dann die Wirkungsweise der Lerntheorien auf das Phänomen des Vorurteils zu erörtern. Bei der Erläuterung des Einstellungskonzeptes wird unterschieden in das eindimensionale und das mehrdimensionale Einstellungskonzept. Die Theorien des sozialen Lernens sollen nach Wiswede und Fischer (1997) in die drei Formen des Lernen am Modell, Lernen durch Erwartungen und das Lernen durch Kontingenz und Kotrolle aufgeteilt werden. Hauptsächlich soll das Phänomen des Vorurteils unter dem Aspekt des lernen am Modell betrachtet werden.

2.) Vorurteile als eine Form der Einstellung

In Bezug auf Vorurteile gibt es in der Sozialpsychologie viele verschiedene Definitionen. Zum Teil handelt es sich bei diesen Definitionen um Beschreibungen der Art der Beziehungen zwischen Gruppen (Schäfer & Six, 1978, S. 14). Ackerman & Jahoda (1950) beispielsweise definiert Vorurteil als „eine Form von Feindseligkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen“ (Ackerman & Jahoda, 1950, S. 3 in Schäfer & Six 1978, S. 14). Buss (1961) bezeichnet Vorurteile als

„ hostility or aggression toward individuals on basis of their group membership“ (Buss 1961, S. 245 in Duckitt 1992, S. 10).

Der Begriff des Vorurteils wird meist als negatives Vorurteil verstanden. Allport (1971) gibt jedoch zu bedenken, dass ein Vorurteil ein „zustimmendes oder ablehnendes Gefühl gegenüber Personen oder Sachen, das der tatsächlichen Erfahrung vorausgeht, nicht auf ihr gründet“ ist. Die Voreingenommenheit kann demnach sowohl Negatives als auch Positives implizieren (Allport, 1971, S. 20).

In dieser Arbeit soll jedoch das Hauptaugenmerk auf die negative Implikation bei der Vorverurteilung von Personen oder Sachen gelegt werden, da diese negative Sichtweise der Gegenstände eher zu Problemen der sozialen Interaktion führt. Allgemein in der Psychologie wird Vorurteil als „negative Einstellung gegenüber Mitgliedern einer Minoritätengruppe“ verstanden (Schäfer & Six, 1978, S. 15).

Eine große Anzahl von sozialpsychologischen und soziologischen Definitionen, erläutert das Phänomen Vorurteil als Einstellung (Schäfer & Six 1978, S. 14).

Estel (1983) stellt fest, dass bei zahlreichen Definitionen dahingehend Einigkeit besteht, dass es sich dabei um Einstellung handelt (Estel, 1983, S. 153).

Ashmore (1970) hat die folgenden Übereinstimmungen bei verschiedenen Vorurteilsdefinitionen feststellen können. „points of aggrement common to most definitions. These are: 1. Prejudice is an intergroup phenomenon. 2. Prejudice is a negative orientation 3. Prejudice is bad 4. Prejudice is an attitude. (Ashmore 1970, zitiert in Duckitt 1992, S. 9).

Bei Schuman und Harding (1964) bezieht sich „der Terminus Vorurteil auf Einstellungen oder Handlungen, die von bestimmten weiterverbreiteten Standards abweichen.“ ( Schuman & Harding, 1964 zitiert in Schäfer & Six, 1978, S. 23). Auch Jones (1972, S. 3) bezeichnet das Vorurteil als „eine negative Einstellung gegenüber einer Person oder Gruppe ...“, Millner (1975, S. 9) spricht nicht von Vorurteil, sondern von „vorurteilsvoller Einstellung“ (Jones, 1972 S. 3 in Six & Schütz, 1995, S. 21), Rose Definition ist „A set of attitudes wich causes, supports, or jusitfies discrimination“ (Rose 1951, S. 5 zitiert in Duckitt 1992, S. 10).

Für den Verlauf dieser Arbeit soll die Definition von Six und Schütz (1995) gelten, die Vorurteil als “(extrem) negative Einstellungen bezeichnet, die in Form änderungsresistenter Bewertungsmuster für soziale Sachverhalte, wie z.B. gegenüber einzelnen Personen, aber auch Gruppen, Nationen, Organisationen, Produkten aus Kunst und Wissenschaft eingesetzt werden.“ (Six & Schütz, 1995, S. 25 ).

Nach Allprot (1971) werden die meisten Einstellungen irgendwann in Handlungen umgesetzt. Bei Vorurteilen kommt es dann beispielsweise zu Rassendiskriminierung als feindselige Handlung. Er unterscheidet fünf Stufen des feindseligen Verhaltens, die nicht zwangsläufig von einem Individuum mit Vorurteilen bis zur letzten Stufe ausgeführt werden müssen. Die erste und schwächste Handlung ist die Verleumdung, womit einzig vorurteilsvolles Reden über bestimmte Sachverhalte oder Objekte gemeint ist. Zweite Form ist die Vermeidung von Berührungen und das aus dem Weg gehen dieser verurteilten Gruppe. Nächste Steigerung ist die Diskriminierung und damit das bewusste Ausgrenzen der Personen die zu dieser Gruppe gehören. Als vierte Form sieht er die körperliche Gewaltanwendung bei der die Vorurteile in Gewaltakte gegen die verurteilte Gruppe umgesetzt werden. Die stärkste Art der negativen Handlung bei dem gewählten Beispiel der Rassendiskriminierung als Art eines Vorurteils ist die Vernichtung der Gruppe. Betroffen sind hiervon häufig Gruppen aus Lebensbereichen, wie Kirche, Beruf, Krankenhäuser und vielen mehr (Allport, 1971, S. 28-29).

Dieses Umsetzen der Einstellung in zum Teil radikale Handlungen macht eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Vorurteile wichtig. Wie bereits in der Geschichte zu sehen ist, hat diese Art des Verhaltens von Personen zu Kriegen und Feindseligkeiten gegen bestimmte Gruppen geführt und tut dies noch.

Die Annahme, dass es sich bei Vorurteilen um eine Form der Einstellung handelt macht die Erläuterung des „Einstellungskonzepts“ notwendig, die hier im folgenden geschehen soll. Zwischen dem Konzept des Vorurteils und der Einstellung lassen sich nach Six und Schütz (1995) folgende Parallelen finden.

- Eine Erhebung ist über die gleichen Messverfahren möglich.
- Es ist in beiden Konzepten ein entsprechender Gegenstand oder Objekt, wie z.B. eine Person oder Gruppe usw. vorhanden.
- Sie sind beide in die Dimensionen affektiv, kognitiv und konaktiv zu „zerlegen“.
- Beide Konzepte implizieren menschliches Verhalten.
(Six & Schütz, 1995, S. 24).

Ein weiterer Punkt der für die Definition von Vorurteilen über das Einstellungskonzept spricht ist, dass bei den meisten Forschungen die Vorurteile über die Erfassung von Einstellungen geschieht. Beispielsweise erfragte

Hartley (1946) die Einstellung von Studenten zu 32 Nationen und Rassen um den Grad der Vorurteile in Erfahrung zu bringen, den diese gegenüber fremden Gruppen haben (Hartley, 1946 zitiert in Allport, 1971, S. 81).

Die „Meinungs- und Einstellungsbefragung“ hat sich in den letzten Jahren als Forschungsmethode durchgesetzt. Sie hat den Vorteil, dass auch länderübergreifend Untersuchungen miteinander verglichen werden können wenn die Grundregeln der Meßmethode berücksichtigt werden und die Übersetzungen sinngemäß durchgeführt werden ( Allport, 1971, S. 104).

Städtler (1998) stellt zwei verschiedene Bedeutungen des Begriffs Einstellung dar. Zum einen kann darunter „das Eingestellt sein, also die Bereitschaft auf bestimmte Reize mit bestimmten Reaktionen zu antworten „, zum anderen kann Einstellung auch verstanden werden als „eine spezielle Sichtweise von Dingen und Prozessen, v.a. von sozialen Prozessen Einstellung bezeichnet also eine bewertende Stellungnahme gegenüber einer Person, Institution oder einem sozialen Prozess“ (Städtler, 1998 , S. 222-223). Für das Konzept des Vorurteils, wie es in dieser Arbeit verstanden werden soll, ist die zweite Definition von Relevanz.

Um das Einstellungskonzept zu erläutern, sind in der Psychologie zwei Modelle üblich, das „Eindimensionale- und das Mehrdimensionale Einstellungsmodell“ (Duckitt, 1992, S. 11).

Diese Modelle sollen nachfolgend dargestellt werden.

2.1) Das Eindimensionale Einstellungskonzept

In der älteren Einstellungsforschung war das Eindimensionale Einstellungskonzept „commonley viewed as an individual´s affective or emotional orientation to an object along the single dimension of favorability –unfavorability“.

Thurstone und Chave definieren Einstellung als „a general evaluation or feeling of favorability or unfavorability” to an objekt. (Duckitt, 1992, S. 11 und Estel, 1983, S. 154).

In der Sozialpsychologie findet dieses Einstellungskonzept nur wenig Anwendung. Die Hauptvertreter sind Fishbein und Ajzen (1975) und Herkner (1991). Herkner (1991) definiert „Die Einstellung einer Person zu einem Objekt ist ihre (subjektive) Bewertung des Objektes „ (Herkner, 1991, S. 181 in Wiswede & Fischer, 1997, S. 209). Die Komponente die hier Relevanz hat, ist die der Bewertung. Auch bei Fishbein & Ajzen (1975) beschränkt sich die „Einstellung auf die Bewertung eines bestimmten Verhaltens“ (Fishbei & Ajzen (1975) zitiert In Wiswede & Fischer, 1997, S. 209).

Estel (1983) unterscheidet noch eine zweite Variante der Eindimensionalen Einstellungsforschung. Er meint, dass in Bezug auf bestimmte soziale Sachverhalte eine „Reaktionskonsistenz“ entsteht. Dass also ein bestimmtes Verhalten Objekt gegenüber in auch zukünftigen Situationen immer in der gleichen Weise erfolgen werden. In diesem Fall ist Einstellung das Verhalten selber, nicht die angenommene Größe einer Bewertung (Estel, 1983, S. 154).

Das eindimensionale Model wird von Duckitt (1992) in seinem Konzept „of Prejudice Attitude“ mit Hilfe folgender Abbildung dargestellt.

Stereotyped Prejudice Behavioral Discriminatory

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Das eindimensionale Einstellungsmodell nach Duckitt (1992, S. 14)

Dieses sehr eng gefasste Konzept der eindimensionalen Einstellungsforschung vernachlässigt jedoch wichtige Aspekte. Nicht immer ist die Bewertung eines Objekts identisch mit der Bewertung eines bestimmten Verhaltens im Hinblick auf dieses Objekt, auch Emotion, die eine Vorstellung leitet, können in diesem Konzept unberücksichtigt gelassen werden. Es handelt sich einzig um den verengten Blickwinkel der Bewertung eines bestimmten Verhaltens (Wiswede & Fischer, 1997, S. 209).

Da dieser Blickwinkel den Geltungsbereich des Konzeptes der Einstellung zu stark einschränkt, ist dem mehrdimensionalen Konzept der Vorzug zu geben.

Dieses umfassendere und differenziertere Modell soll im nächsten Kapitel dargestellt werden.

2.2) Das Mehrdimensionales Einstellungskonzept

Das Einstellungskonzept wird meistens über ein mehrdimensionales System mit drei Komponenten dargestellt. Bei diesen drei Komponenten handelt es sich um die kognitive, affektive und die handlungsintentionale (Städtler, 1998, S. 222-223). Bergius (1976) bekräftigt diese Art der Darstellung, wenn er behauptet, dass „Urteile über Völker – mit diesem neutralen Ausdruck bezeichnen wir nationale Vorurteile und Stereotypen zunächst – sind Indikatoren von ethnischen Attitüden und haben wie sie analysierbar 1. kognitive, 2. affektive und 3. verhaltensbezogene Komponenten“ (Bergius, 1976, S. 154 zit. in Schäfer & Six, 1978, S. 15).

Rosenberg und Hovland (1960) stellen dieses mehrdimensionale Einstellungskonzept in folgender Abbildung dar.

Messbare Intervenierende Messbare

unabhängige Variablen abhängige

Variablen Variablen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Das mehrdimensionale Einstellungskonzept nach Rosenberg & Hovland, (1960) zitiert in Wiswede & Fischer, 1997, S. 208)

Unter der „affektiven“ oder auch „emotionalen Komponente“ ist zu verstehen, dass von einer Person etwas als angenehm oder unangenehm empfunden werden kann. Es handelt sich also um die Bewertung eines sozialen Sachverhalts (Schäfer & Six, 1978, S. 16). Hier kommt die jeweilige Emotion, die eine Vorstellung leitet, zum Ausdruck. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Richtung und die Intensität mit der die Emotion die Einstellung prägt.

Als Beispiel hierfür führen Schäfer und Six (1978) die Äußerung „Italiener sind schmutzig“ an. Diese scheinbar beschreibende, formale Erkenntnis, beinhaltet auch eine für die Menschen in unserem Kulturkreis verständliche negative Bewertung (Schäfer & Six, 1978, S. 16).

Bei der „kognitiven Komponente“ handelt es sich um Wahrnehmung, Überzeugung und Erwartungen in bezug auf einen sozialen Sachverhalt. Es ist oft schwer klar zu definieren, ob bei einer Äußerung der Einstellung die affektive oder die kognitive Komponente hervortreten. Bei der Behauptung, dass „Italiener schmutzig sind“ kann auch eine Erwartung ausgedrückt werden, die diese Person hat, wenn sie einem Italiener begegnet (Schäfer & Six, 1978, S. 16).

Estel (1987) schränkt diese Komponente insoweit ein, dass bei ihm Kognizieren Wahrnehmen bedeutet. Ein bestimmtes Objekt wird in einer bestimmten Weise wahrgenommen und hierüber bildet sich die Einstellung zum Objekt (Estel, 1987, S. 155).

Irle (1975) bezeichnet die kognitive Dimension von Vorurteilen auch als Stereotyp. „Die genannten kognitiven Merkmale werden in der Regel als konstitutive Bestimmungsstücke des Terminus „Stereotyp“ genant (Irle, 1975 zitiert in Schäfer & Six, 1978, S. 19). Diesen Ansatz verfolgt auch Berger (1987) wenn er behauptet, dass Einstellungen „durch einen zusätzlichen Verarbeitungsprozess mit emotionalen und motivationalen Bedeutsamkeiten aufgeladene Stereotypien“ sind. Diese Stereotypien enthalten nach Berger bestimmte Merkmale, wie z.B. dass Stereotype Systeme „primär latent vorhandene allgemeine Formeln von hohem Prägnanzniveau“ sind, dass diese „Orientierungspunkte menschlichen Verhaltens“ darstellen, weil sie“ die Wahrnehmung bereits mit ganz bestimmten Erwartungen und Erwartungssystemen aufladen“. Die Verfestigung der Stereotype „in ihrer Stabilität und Konstanz ist soziologisch und sozialpsychologisch bedingt“ (Berger zitiert in Estel, 1987, S. 155).

Dies ist nur ein Teil der von Berger aufgeführten Merkmale von Stereotypen. Da in dieser Arbeit jedoch Vorurteile und nicht Stereotypen betrachtet werden sollen, wird auf eine komplette Auflistung der Merkmale, aus mangelnder Relevanz für diese Arbeit, abgesehen.

Eine Untersuchung, die das Wirken der kognitiven Komponente belegt wurde von Archer, Irtani, Kimes, Barrios (1983) durchgeführt. Die Grundannahme dieser Untersuchung war, dass Personen ihre Einschätzung über eine andere Person hauptsächlich über dessen Gesicht vornehmen. Es wurde von den Forschern ein „Gesichtsindex“ entwickelt. Dieser errechnete sich in dem die Länge des Kopfes in die Relation zur Länge des gesamten Bildes, auf dem der Körper zu sehen ist, gesetzt wird. Der Notwendigkeit dieses Zusammenhangs lag darin, dass erkannt wurde, dass die Bedeutung einer abgebildeten Person damit stieg, je mehr von ihrem Gesicht zu erkennen war. Je größer also der Index war, desto mehr Gesicht war sichtbar und umso bedeutender wurde die Person bewertet. Bei der Auswertung von Print-Medien wurde festgestellt, dass zu 60 % Männer abgelichtet waren, deren Gesichtsindex bei .60 lag, der von Frauen bei .45, also niedriger als bei den Männern. Frauen wurden also häufiger als Sexobjekte dargestellt bei denen das Gesicht nicht von Wichtigkeit ist und die Person an sich nicht von Bedeutung. Das gleiche Verhältnis wurde bei Analysen von Gemälden aus dem 15. und 16. Jahrhundert festgestellt. Bei Untersuchungen an Versuchspersonen, die einen Mann oder eine Frau malen sollten zeigte sich zwar in der Häufigkeit des gemalten Geschlechts kein Unterschied, jedoch in dem sich wiederholend höheren Gesichtsindex des Mannes. Ebenso eindeutig war die Beurteilung der Versuchspersonen über ihnen vorgelegte Fotos, bei denen die abgebildeten Personen mit einem Gesichtsindex von .60 positiver beurteilt wurden, als diejenigen mit einem Index von .15. In dieser Untersuchung wurde aufgezeigt, dass die Bildung von Einstellungen bzw. Vorurteilen eine aufnehmende und auch umsetzende Komponente, nämlich die kognitive, besitzt. Die Reizdarbietung beeinflusst Prozesse in der Vorurteilsbildung. Durch die Art der Darstellung der Frau mit einem niedrigeren Gesichtsindex, wird diese zu einem Sexobjekt reduziert und damit vorverurteilt (Archer, Irtani, Kimes & Barrios, 1983).

[...]

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Vorurteile in lerntheoretischer Perspektive
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Universität)
Note
ohne Bewertung
Autor
Jahr
2003
Seiten
27
Katalognummer
V15110
ISBN (eBook)
9783638203258
ISBN (Buch)
9783656069263
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
nach der Korrekturanmerkung liegt die Note zwischen 2 und 2,5
Schlagworte
Vorurteile, Perspektive
Arbeit zitieren
Josina Johannidis (Autor:in), 2003, Vorurteile in lerntheoretischer Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/15110

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Titel: Vorurteile in lerntheoretischer Perspektive



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