Die vorliegende Staatsarbeit trennt den Theorieteil (S.3-43) vom praktischen Teil, in dem die EVAG-Busschule beschrieben wird (S.44-64).
Das Hauptziel dieser Arbeit ist eine umfassende Betrachtung einer nachhaltigen Umwelterziehung in der Grundschule. Da die Verkehrs- und Mobilitätserziehung als Baustein für eine umweltfreundliche und nachhaltige Entwicklung gesehen werden kann, wird die Umwelterziehung in starker Abhängigkeit zu den Themen Mobilität und Verkehr dargestellt. Zu diesem Zweck habe ich die Arbeit in zwei Teile aufgegliedert. In einem ersten theoretischen Teil werde ich zunächst die Begrifflichkeit einer nachhaltigen Umwelterziehung erläutern, bevor ich anschließend das Umweltbewusstsein und Umweltverhalten der Menschen in den Blick nehme. Es zeigt sich in vielen Fällen, dass der Mensch trotz eines erkennbaren Umweltbewusstseins nicht entsprechend umweltbewusst handelt. Damit Kinder nun frühzeitig an umweltverträgliches Verhalten herangeführt werden können, müssen sowohl deren Einstellungen und Zukunftsvorstellungen zur Mobilität als auch die sozialisierenden Einflüsse, denen Kinder während des Hineinwachsens in die motorisierte Gesellschaft ausgesetzt sind, bekannt sein. Diese werden daher in einem nächsten Schritt beleuchtet. Um die schon bei Kindern feststellbaren Diskrepanzen zwischen Umweltwissen und Umwelthandeln zu erklären, sollen sodann die Gefahren auf dem Schulweg aus Kindersicht dargestellt werden. In einem nächsten Kapitel werden die Auswirkungen des Verkehrs auf Mensch und Umwelt fokussiert. Dabei sollen mobilitätsbedingte Luft- und Lärmbelastungen sowie mögliche Gesundheitsbeeinträchtigungen dargestellt werden, bevor in einem weiteren Schritt Verbesserungsansätze für eine umweltgerechte Mobilität von Kindern beleuchtet werden. Der Theorieteil endet mit einer kurzen Darstellung der Geschichte der Verkehrs- und Mobilitätserziehung und den sich daraus ergebenden Aufgaben und Zielen in der Grundschule. Im Anschluss daran beginnt der praktische Teil dieser Arbeit. Inhalt dessen ist die Wiedergabe des Bus- und Bahntages in Kopperation mit der Essener-Verkehrs AG sowie die Darstellung einer von mir geplanten Unterrichtsreihe. Diese Unterrichtseinheit, die eine zukunftsorientierte Umwelterziehung im Hinblick auf die globale Erderwärmung zum Gegenstand hatte, habe ich als weiterführenden Unterricht in der Busschulklasse durchgeführt.
Inhaltsverzeichnis
THEORETISCHER TEIL
1 Einleitung.
2 Umwelterziehung in der Grundschule als Beitrag zu umweltverträglichem Verhalten
2.1 Nachhaltige Umwelterziehung – eine Begriffsbestimmung
2.2 Nachhaltige Umwelterziehung in der Grundschule
3 Umweltbewusstsein und Umweltverhalten.
3.1 Gute Vorsätze und Realität: Diskrepanz zwischen Denken und Handeln
3.2 Einstellungen und Zukunftsvorstellungen von Kindern und Jugendlichen zur Mobilität
3.2.1 Einflussfaktoren auf die kindliche Entwicklung eines Umweltbewusstseins
3.2.2 Gefahren auf dem Schulweg aus Kindersicht
4 Auswirkungen des Verkehrs auf Mensch und Umwelt
4.1 Mobilitätsbedingte Luftbelastungen und daraus resultierende Klimaveränderungen
4.2 Mobilitätsbedingte Lärmbelastung
4.3 Mobilitätsbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen
4.4 Ansätze zur Verbesserung einer umweltgerechten Mobilität von Kindern
5 Historischer Wandel: Von der Verkehrs- zur Mobilitätserziehung.
5.1 Verkehrserziehung von den Anfängen bis 1994
5.2 Empfehlungen der Kultusministerkonferenz von 1994
5.3 Aufgaben und Ziele der Mobilitätserziehung
5.3.1 Sicherheitserziehung
5.3.2Sozialerziehung
5.3.3. Gesundheitserziehung
5.3.4 Umwelterziehung
5.4 Rahmenvorgaben für die Verkehrs- und Mobilitätserziehung in der Grundschule in NRW
PRAKTISCHER TEIL
6 Die EVAG-Busschule als Beitrag zur Umwelterziehung – Unterrichtsreihe an der Gervinusschule in Essen
6.1 EVAG macht Schule - Das pädagogische Konzept
6.2 Lernumfeldsbeschreibung
6.3 Vorbereitende Unterrichtseinheit zum Bus- und Bahntraining
6.3.1 Das Bus- und Bahntraining
6.3.2 Erstes Fazit - Analyse der Busschule
6.4 Weiterführende Unterrichtseinheit zum Thema ‚ Globale Erderwärmung’
6.4.1 Zweites Fazit - Reflexion der weiterführenden Unterrichtseinheit
7.Ausblick
8.Literaturverzeichnis
9.Internetverzeichnis
Anhang
A1. Fahrplan Linie
A2. Planungsfahrt mit ÖPNV
A3. Bus - & Bahnquiz
A4. Fahrt A
A5. Fahrt B
A6. Hausaufgabe
A7. Treibhauseffekt
A8. Expertengruppe: Ursachen der Klimaerwärmung
A9. Expertengruppe: Folgen der Klimaerwärmung
THEORETISCHER TEIL
1 Einleitung
Die Stellung von Kindern und Jugendlichen in der mobilen Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Die zunehmende Automobilverbreitung steht einer rückläufigen Anzahl von Geburten gegenüber, so dass es heute fast viermal so viele Autos wie Kinder gibt. Während sich der Straßenverkehr unter dem Einfluss der Motorisierung organisiert‚ rücken Kinder als schwächere Verkehrsteilnehmergruppe in den Hintergrund. So wird der kindliche Lebens- und Handlungsraum durch den Wunsch vieler Menschen nach grenzenloser Mobilität zunehmend eingeschränkt. Konsequenterweise werden öffentliche Orte, an denen Kinder sich sorgenfrei und autonom bewegen können, stetig weniger. Neben den problematischen Auswirkungen des Verkehrs auf das Leben der Kinder, hat die Zunahme von Mobilität und Verkehr zugleich schwerwiegende Folgen für die Umwelt. Um diese Folgen abzuwenden, sollte die Mitwirkung eines jeden einzelnen Bundesbürger angestrebt werden, ein tiefgreifendes Bewusstsein für die Auswirkungen des Verkehrs herauszubilden. So müssen bereits Kinder im Grundschulalter für die durch Menschenhand verursachten Umweltzerstörungen sensibilisiert werden, um frühzeitig umweltbezogene und verantwortungsbewusste Handlungsperspektiven für die Zukunft zu entwickeln. In diesem Sinne muss das (ambivalente) Verhältnis von Mensch und Natur in gegenwärtigen Gesellschaften zum Gegenstand einer nachhaltigen Umwelterziehung werden, damit Kinder frühzeitig die Auswirkungen und Folgen der alltäglich erlebten Mobilitätswirklichkeit auf die Umwelt und Gesundheit der Menschen kennenlernen. Schulen müssen sich in der Folge diesem Anspruch stellen und verstärkt eine ‚Umwelterziehung’ thematisieren, die im Besonderen die Verbindung zu dem Themenkomplex Mobilität und Verkehr beleuchtet.
Das Hauptziel dieser Arbeit ist eine umfassende Betrachtung einer nachhaltigen Umwelterziehung in der Grundschule. Da die Verkehrs- und Mobilitätserziehung als Baustein für eine umweltfreundliche und nachhaltige Entwicklung gesehen werden kann, wird die Umwelterziehung in starker Abhängigkeit zu den Themen Mobilität und Verkehr dargestellt. Zu diesem Zweck habe ich die Arbeit in zwei Teile aufgegliedert. In einem ersten theoretischen Teil werde ich zunächst die Begrifflichkeit einer nachhaltigen Umwelterziehung erläutern, bevor ich anschließend das Umweltbewusstsein und Umweltverhalten der Menschen in den Blick nehme. Es zeigt sich in vielen Fällen, dass der Mensch trotz eines erkennbaren Umweltbewusstseins nicht entsprechend umweltbewusst handelt. Damit Kinder nun frühzeitig an umweltverträgliches Verhalten herangeführt werden können, müssen sowohl deren Einstellungen und Zukunftsvorstellungen zur Mobilität als auch die sozialisierenden Einflüsse, denen Kinder während des Hineinwachsens in die motorisierte Gesellschaft ausgesetzt sind, bekannt sein. Diese werden daher in einem nächsten Schritt beleuchtet. Um die schon bei Kindern feststellbaren Diskrepanzen zwischen Umweltwissen und Umwelthandeln zu erklären, sollen sodann die Gefahren auf dem Schulweg aus Kindersicht dargestellt werden. In einem nächsten Kapitel werden die Auswirkungen des Verkehrs auf Mensch und Umwelt fokussiert. Dabei sollen mobilitätsbedingte Luft- und Lärmbelastungen sowie mögliche Gesundheitsbeeinträchtigungen dargestellt werden, bevor in einem weiteren Schritt Verbesserungsansätze für eine umweltgerechte Mobilität von Kindern beleuchtet werden. Der Theorieteil endet mit einer kurzen Darstellung der Geschichte der Verkehrs- und Mobilitätserziehung und den sich daraus ergebenden Aufgaben und Zielen in der Grundschule. Im Anschluss daran beginnt der praktische Teil dieser Arbeit. Inhalt dessen ist die Wiedergabe des Bus- und Bahntages in Kopperation mit der Essener-Verkehrs AG sowie die Darstellung einer von mir geplanten Unterrichtsreihe. Diese Unterrichtseinheit, die eine zukunftsorientierte Umwelterziehung im Hinblick auf die globale Erderwärmung zum Gegenstand hatte, habe ich als weiterführenden Unterricht in der Busschulklasse durchgeführt.
Im weiteren Verlauf der Ausführungen werden die Begriffe Schüler und Schülerinnen nicht nach Maskulinum und Femininum differenziert, sondern in der Schreibweise ‚Schüler’ neutral verwendet.
2 Umwelterziehung in der Grundschule als Beitrag zu umweltverträglichem Verhalten
Gegenstand des Kapitels ist die Frage, inwieweit Umwelterziehung in der Grundschule einen Beitrag zu umweltverträglichem Verhalten leisten kann. Dazu wird zunächst der Begriff einer nachhaltigen Umwelterziehung erläutert, bevor dieser dann konkret auf die Grundschule übertragen wird.
2.1 Nachhaltige Umwelterziehung – eine Begriffsbestimmung
Die Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro (1992) forderte zum ersten Mal eine Neuausrichtung des Bildungsbegriffs. In diesem Sinne formulierte das offizielle Abschlussdokument der Konferenz, die Agenda 21, das Fundament für die Bildung einer nachhaltigen Entwicklung:
„Das Recht auf Entwicklung muss so erfüllt werden, dass den Entwicklungs- und Umweltbedürfnissen heutiger und zukünftiger Generationen in gerechter Weise entsprochen wird.“[1]
Der in der Agenda formulierte Bildungsbegriff entspricht dem heutigen Verständnis von Umweltbildung. So ist die nachhaltige Bildung als andauernder Prozess zu verstehen, „allen die Verknüpfungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft und Umwelt sowie deren Vernetztheit bewusst zu machen, um entscheidungs- und handlungsfähig zu werden.“[2] In diesem Sinne strebt eine nachhaltige Umwelterziehung einen Bewusstseinswandel der Gesellschaft an, um ein ökologisches und ethisches Bewusstsein der Menschen herauszubilden. Ausgehend von den globalen Erfordernissen und Gegebenheiten sollen also konkrete Handlungsmöglichkeiten für das lokale und globale Handeln entworfen werden.
2.2 Nachhaltige Umwelterziehung in der Grundschule
Um nun Umweltbewusstsein- und handeln als Basis einer nachhaltigen Umwelterziehung zu etablieren, muss sich dieselbige zu einer wesentlichen Aufgabe der Schule entwickeln. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie hat unter Berücksichtigung der Agenda erste curriculare Vorgaben für eine nachhaltige Umweltbildung (1997) umrissen. Für die Grundschulen wurden dabei u.a. folgende Themenbereiche formuliert, denen aber bislang in der Schule nicht ausreichend Bedeutung zukam:
- „Die Formen der Energiegewinnung und des Energieverbrauchs – insbesondere für Heizsysteme,
- das Mobilitätsverhalten – insbesondere der Gütertransport und der Individualverkehr im Freizeitbereich,
- industriell bearbeitete Lebensmittel […]
- die Reflexion auf die heutigen Lebensstile und die Leitbilder nachhaltiger Lebensstile, […]
- der Zusammenhang zwischen Ökologie, Gesundheit und Risikowahrnehmung“[3]
Während sich die Kinder im Rahmen der Umwelterziehung durchaus mit der Natur (Tiere, Pflanzen usw.) beschäftigt hatten, blieben aktuelle Tendenzen der Umwelt, wie z.B. die Umweltbelastung durch den Menschen im Hintergrund. Nicht zuletzt ergab sich diese Problematik aus der Schule als „hoch differenziertes und formalisiertes System“[4]. Durch die mangelnde Überwindung institutioneller Barrieren konnten die Erwartungen an eine nachhaltige Umwelterziehung nur mäßig erfüllt werden: „Zeitaufwendige, außerschulische Erkundungen in der knappen Zeit der Halbtagsschule“[5] waren lange Zeit undenkbar und auch „handlungsorientierte Umweltbildung, die sich angesichts der Pflicht zur Benotung schwerer benoten lässt als reproduzierbares Wissen“[6] wurde vorerst abgelehnt. Doch es lässt sich langsam ein Bewusstseinswandel innerhalb der Schulen erkennen. So kann der Bericht der Bundesregierung zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (Jahr 2002) positive Tendenzen verzeichnen. Demzufolge hat die Umweltbildung im Laufe der Jahre sehr wohl Einhalt in den Schulen gefunden. Insbesondere in der Grundschule werden Umweltthemen zunehmend handlungs- und problemorientiert bearbeitet[7], sind aber in vielen Fällen ausschließlich dem Sachunterricht verschrieben.
„In den Publikationen der grundschulspezifischen Fachzeitschriften überwogen ( - und überwiegen immer noch - ) Beiträge zu den naturwissenschaftlichen Aspekten der Umwelterziehung und somit zu den verschiedenen Lernbereichen des Sachunterrichts und den seit langer Zeit typischen ‚Umweltthemen’: so etwa Wasser, Müll, Verkehr, Luft…“[8].
Das Thema Umwelt muss also noch stärker fächerübergreifend behandelt werden. Es sollte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden und immer einen Bezug zur kindlichen Lebenswelt herstellen. In diesem Sinne eignen sich Themen, wie die Transportwege von Lebensmitteln oder der Auslastungsgrad von Fahrzeugen beispielsweise auch für den Mathematikunterricht. Um Kinder zu einem umweltbewussten Verhalten anzuregen, könnte der Flächenverbrauch öffentlicher Verkehrsmittel dem Platzbedarf des Autoverkehrs gegenübergestellt werden. Können Kinder die Überzeugung gewinnen, dass in einem Bus der Verbrauch an Verkehrsfläche sehr viel geringer ist als im PKW, besteht grundsätzlich die Hoffnung, dass sie ihre Verkehrsmittelwahl nachhaltig überdenken und umweltbewusst handeln. Unzählige weitere Beispiele lassen sich für Unterrichtsfächer wie Biologie, Deutsch, Sport etc. entwickeln. So machen die zahlreichen Überschneidungen der Umwelt mit allen menschlichen Lebensbereichen „sowohl eine fachspezifische als auch eine fächerübergreifende Integration“[9] einer nachhaltigen Umwelterziehung in der Grundschule möglich. Im Interesse einer möglichst ganzheitlichen und umfassenden Bearbeitung der Umwelterziehung muss sich die Grundschule auch gegenüber offenen, projekt- und handlungsorientierten Unterrichtsformen öffnen. Angesichts dieser Erweiterung der traditionellen Lernorte ist auch
„eine Kooperation der Schule mit außerschulischen Partnern (Polizei, Deutsche Verkehrswacht, VCD, ADAC, ADFC, Umwelt- und Gesundheitsämter, Kinder- und Unfallkliniken, öffentliche Verkehrsbetriebe, Straßenverkehrs- und Tiefbauämter, Naturschutzorganisationen, Forstämter usw.) wünschenswert“[10].
Neben den fächerübergreifenden und handlungsorientierten Formen kann die nachhaltige Umwelterziehung ebenso durch bestimmte Lehr- und Unterrichtsorganisation, z.B. Projekte initiiert werden. So hat beispielsweise das einwöchige Projekt ‚autofreie Schule’ an einer Hamburger Grundschule dazu geführt, dass auch nach der Aktionswoche immer noch 30% weniger Kinder mit dem PKW zur Schule gebracht wurden.[11] In diesem Zusammenhang sind auch die Medien zu integrieren, um eine nachhaltige Umwelterziehung zu fördern. Diese können Forderungen der Schulen an die Autofahrer, Stadtverwaltung oder an das Verkehrsamt im Hinblick auf umweltverträglicheres Verhalten verstärken.[12]
„Mit diesen methodischen Ansätzen würde Schule nicht nur einen Beitrag zur Anpassung der Schüler an unsere derzeitigen Verkehrsverhältnisse leisten, sondern sie auch dazu befähigen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Straßenverkehr ‚kinderfreundlicher’ zu gestalten“[13].
Nur wenn das Thema ‚Umwelt’ unter Berücksichtigung der aufgeführten Bedingungen thematisiert wird, kann von einer nachhaltigen Umwelterziehung gesprochen werden. Im Mittelpunkt der Umwelterziehung stehen dabei immer die Kinder, die in ihrer Rolle als „Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft“[14] ernst genommen werden. Im Idealfall wird dann aus dem gelegentlichen Stundenfüller ‚Umwelt’ ein Thema, dass das Leben der Schüler positiv und nachhaltig beeinflusst und sie so zu umweltbewusst denkenden und handelnden Individuen anregt.
Die Umwelterziehung stellt eine sehr facettenreiche und vielschichtige Thematik dar. Da umweltverträgliches Agieren im besonderen Maße von den individuellen Mobilitätseinstellungen eines Menschen abhängt, wird im weiteren Verlauf der Arbeit die nachhaltige Umwelterziehung im Rahmen der schulischen Mobilitäts- und Verkehrserziehung fokussiert.
3 Umweltbewusstsein und Umweltverhalten
Umweltbewusstsein ist ein Sammelbegriff, der nicht klar definiert ist. Im weiteren Sinne meint Umweltbewusstsein die Einsicht in die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen, die eine „Wissens-, eine Einstellungs- sowie eine Handlungsdimension umfasst.“[15] Menschen können sich demzufolge als umweltbewusst bezeichnen, wenn sie sich durch bestimmtes Umweltwissen und -verhalten sowie durch bestimmte Umwelteinstellungen auszeichnen. Doch in vielen Fällen klaffen das umweltbedingte Wissen und die persönliche Handlungsbereitschaft, also das Umweltverhalten weit auseinander. Inwieweit das Umweltbewusstsein das Alltagshandeln letztlich wirklich beeinflusst, soll im Folgenden dargestellt werden. Anschließend werden die Einstellungen von Kindern zur Mobilität in den Blick genommen, um diese dann mit ihren Zukunftsvorstellungen abzugleichen. Zeigt sich etwa schon im Kindesalter eine umweltbezogene Diskrepanz zwischen Denken und Handeln? In einem nächsten Schritt wird die kindliche Entwicklung des Umweltbewusstseins anhand sozialisierender Einflüsse beleuchtet. Wovon hängt die Entwicklung eines Umweltbewusstseins bei Kindern überhaupt ab? Wer hat Einfluss auf die Kinder und in welchem Maße? Ein wesentlicher Einflussfaktor ist das individuelle Erleben der Kinder von Verkehr und Umwelt. Ein umweltverträgliches Verhalten der Kinder hängt dementsprechend davon ab, wie sicher sie ihren Schulweg erleben. Daher werden in einem abschließenden Schritt die Gefahren auf dem Schulweg aus Kindersicht beleuchtet. Denn ein ‚kindersicherer’ Verkehr fördert im Umkehrschluss eine umweltgerechte Mobilität von Kindern.
3.1 Gute Vorsätze und Realität: Diskrepanz zwischen Denken und Handeln
Umweltschutz wird für die Bundesbürger zunehmend wichtiger. Das ergab die Studie Umweltbewusstsein 2006, eine repräsentative Bevölkerungsumfrage im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die im Zwei-Jahres-Rhythmus langfristige Trends in der Entwicklung des Umweltbewusstseins aufzeigt.
Auf die offene Frage nach den wichtigsten Problemen in Deutschland nannten 25% der Befragten den Umweltschutz. Hinter der Arbeitslosigkeit klettert der Umweltschutz damit auf Platz zwei der aktuellsten Probleme. Im Jahr 2000 und 2002 rangierte der Umweltschutz auf Platz vier, 2004 schon auf Platz drei. Die ansteigende Bedeutung des Umweltschutzes dürfte die Folge des weltweiten Klimawandels sein, der in das öffentliche Bewusstsein der Bundesbürger vorgedrungen ist. Folgerichtig würde man erwarten, dass sich das hohe ökologische Problembewusstsein der Bevölkerung auch auf der Verhaltensebene niederschlägt.[16] Die Ergebnisse einer Umfrage des ADAC zeigen jedoch ein anderes Bild. Auch wenn mehr als die Hälfte der Befragten über den Kauf eines emissionsärmeren Autos nachdenkt, wollen nur knapp 29 Prozent der Befragten generell weniger fahren und 22,6 Prozent wollen häufiger öffentliche Verkehrsmittel nutzen.[17] Es kann also
„eine zunehmende Bereitschaft festgestellt werden, negative Entwicklungen als solche anzuerkennen und darüber zu diskutieren. Gleichzeitig fällt aber oft eine große Diskrepanz auf, zwischen verbal unbestrittenen Lösungsmöglichkeiten und dem, was die Leute dann in der Praxis tun, oder zu tun bereit sind, um Probleme tatsächlich zu entschärfen oder zu lösen.“[18]
So führt eine positive Einstellung zur Umwelt leider nicht in allen Fällen zu umweltverträglichem Verhalten. Das belegt ebenfalls die Studie Umweltbewusstsein 2006 zur Verkehrsmittelnutzung im Nahverkehr. Trotz des relativ weit verbreiten Umweltbewusstsein antworten die Bundesbürger auf die Frage: Wie häufig nutzen Sie im Nahverkehr die folgenden Verkehrsmittel?
wie folgt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: „Wie häufig nutzen Sie im Nahverkehr die folgenden Verkehrsmittel?“[19]
Die tabellarische Übersicht zeigt die anhaltend starke Gewichtung des Autos, als bevorzugtes Verkehrsmittel. Obgleich Bahn und Bus im motorisierten Personennahverkehr in aller Regel umweltverträglicher sind als der PKW, rangieren die ÖPNV auf den letzten Plätzen. Gleichwohl darf aus diesen Ergebnissen nicht geschlossen werden, dass sich Menschen trotz umweltbewusster Einstellungen generell umweltschädigend verhalten. Immerhin 65% der befragten Personen von Umweltbewusstsein 2006 gehen sorgsam mit ihrem Müll um, d.h. sie trennen Abfall, werfen Müll nicht achtlos weg und halten ihr Umfeld sauber.[20]
Will man nun das Umweltverhalten dem vorhandenen Umweltbewusstsein auch auf der Mobilitätsebene anpassen, muss man die signifikanten Gründe für die Diskrepanz zwischen Denken und Handeln kennen.
Ein möglicher Grund ist die mangelnde Erfahrung mit öffentlichem Verkehr. Ist das angestrebte Umweltverhalten ungewohnt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es praktiziert wird, trotz einer positiven Umwelteinstellung eher gering. So haben Menschen, die immer nur mit dem Auto gefahren sind und Busse und Bahnen nie genutzt haben, große Hemmnisse, auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Während den Personen, die den öffentlichen Verkehr gelegentlich genutzt haben, der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel leichter fällt.[21] Zudem können langjährige Gewohnheiten und Bequemlichkeit ein weiterer Grund sein, den ÖPNV zu meiden. Gewohnheiten verlaufen automatisiert und sind daher nur schwer zu modifizieren. Autoorientierte Personen reflektieren ihr eigenes Mobilitätsverhalten nicht kritisch und folgen weiterhin ihren Routinehandlungen.[22] Da im Kindesalter aber noch keine routinierten Gewohnheiten hinsichtlich der Verkehrsmittelwahl und damit hinsichtlich des Umweltverhaltens vorliegen, ist es besonders wichtig, schon bei Kindern im Rahmen der schulischen Umwelterziehung anzusetzen. Da ihre Einstellungen noch formbar sind, kann man sie im Kindesalter besser zu umweltverträglichem Handeln befähigen. Um Kinder nun langfristig zu umweltverträglichem Verhalten anzuregen, müssen ihre vorhandenen Einstellungen gegenüber dem Verkehr und ihre Zukunftsvorstellungen bekannt sein. Diese sollen in einem nächsten Schritt in den Blick genommen werden.
3.2 Einstellungen und Zukunftsvorstellungen von Kindern und Jugendlichen zur Mobilität
Kinder und Jugendliche sind, wenn sie nicht gerade im Auto gefahren werden,
„auf den ‚Umweltverbund’, d.h. auf ihre Füße, das Fahrrad, Inline-Skates und öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Ihre Mobilität ist zum größten Teil nicht-motorisiert und damit umwelt- und sozialverträglich.“[23]
So nutzen Kinder den öffentlichen Verkehr wesentlich häufiger als Erwachsene. Mit welchen Verkehrsmitteln sie sich dabei fortbewegen, ist stark vom städtischen Umfeld abhängig. Je nach Stadt legen Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren zwischen 20% und 35% ihrer alltäglichen Wege mit dem öffentlichen Verkehr zurück.[24] Vergegenwärtigt man sich nun die Einstellungen der Kinder gegenüber den Verkehrsmitteln, lässt sich eine positive Bilanz ziehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Einstellungen der Kinder gegenüber den Verkehrsmitteln[25]
Die signifikanten Ergebnisse dieser Umfrage zeigen deutlich, dass Kinder und Jugendliche das Radfahren sehr hoch einschätzen. Auch die Nutzung des ÖPNV wird überwiegend positiv beurteilt. Beim Autofahren hingegen ist die Mehrheit geteilter Meinung. Immerhin 61% der Befragten bewerten das Autofahren weder als eindeutig gut oder schlecht. Gleichwohl zeigen die Mobilitätsvorstellungen der Kinder und Jugendlichen in der Zukunft ein anderes Bild:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Vorgestellte Häufigkeit der Verkehrsmittelnutzung im Erwachsenenalter[26]
Die Grafik zeigt eindeutig, dass die öffentlichen Verkehrsmittel und das Fahrrad deutlich hinter dem Auto zurückbleiben. Die mehrheitliche positive Einstellung gegenüber dem Radfahren verliert bei den Zukunftsvorstellungen also an Bedeutung. So scheint die Einschätzung des Fahrrads demnach „nicht so stabil [zu sein], dass sie in vergleichbarer Stärke auch in Zukunft fortbesteht.“[27] Auch die positiv beurteilte ÖPNV-Nutzung ist in der vorgestellten Zukunft eher von sekundärem Interesse. Dabei ist die Abwendung der Kinder und Jugendlichen vom öffentlichen Verkehr vielfach abhängig von negativen Erfahrungen, die sie als Schüler im öffentlichen Verkehr gemacht haben.
„So kritisieren die Schüler im Einzugsgebiet des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) im Rahmen eines Schüler-Wettbewerbes im Schuljahr 1996/97 die heruntergekommenen Bahnhöfe, die ständigen Verspätungen, die schlechten Verbindungen und die zu geringen Frequenzen, die zu hohen Preise für Kinder und Jugendliche, das teilweise wenig kinderfreundliche Personal, die für Jugendliche langweiligen Busse und Bahnen, die Sicherheitsprobleme (Kriminalität), den Vandalismus und vieles mehr.“[28]
Diese ungünstigen Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen führen schließlich zu negativen Einstellungen gegenüber dem ÖPNV, die dann im Führerscheinalter eine Abwendung vom öffentlichen Verkehr zur Folge haben können. Trotz der ambivalenten Einstellung der Kinder gegenüber dem Autofahren (vgl. Abb.4) ist eine deutliche Autoorientierung für die Zukunft sichtbar (vgl. Abb.5). Dass der PKW in der Grafik unangefochten die Spitze einnimmt, verwundert in einer Gesellschaft, in der das Auto einen derart hohen Stellenwert einnimmt, kaum: „In diese Gesellschaft mit ihren normativen Erwartungen und erwachsenen Vorbildern wachsen die Kinder und Jugendlichen schließlich hinein.“[29] Zudem hängt die zukünftige Verkehrsmittelwahl von Kindern und Jugendlichen stark von den jeweiligen Umweltbedingungen ab. So zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen den Mobilitätsbedingungen von Kindern und Jugendlichen aus ländlichen Gebieten und aus Städten.[30] Flade und Limbourg haben sich exemplarisch mit der Verkehrssituation verschiedener Städte beschäftigt, die möglichst unterschiedliche Verkehrsumwelten aufweisen. In fahrradfreundlichen und weniger motorisierten Städten wie Münster gaben die Kinder an, zukünftig nur jeden dritten Weg mit dem PKW zurückzulegen. Im Gegensatz dazu stehen die Ergebnisse zweier Ruhrgebietsstädte: Bottrop und Oberhausen. Hier stellten sich die befragten Kinder und Jugendlichen vor, jeden zweiten Weg mithilfe des Autos zurückzulegen[31]. Das Ergebnis ist eindeutig: In Gebieten, in denen dem Radverkehr eine hohe Priorität eingeräumt wird, können auch die zukünftigen Mobilitätsnutzer, also Kinder und Jugendliche, die vorgelebten Einstellungen übernehmen und umweltbewusste Mobilitätsformen positiv bewerten. So können sich in Städten,
„die sich […] an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen orientieren, […] leichter Verkehrsintentionen in Richtung einer Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel herausbilden.“[32]
Festzuhalten bleibt also, dass sowohl Einstellungen als auch Zukunftsvorstellungen der Kinder stark von der ihnen umgebenden Lebenswelt, den Umweltbedingungen und den individuell erlebten Erfahrungen abhängen. Neben den kindlichen Einstellungen und Zukunftsvorstellungen zur Mobilität im Allgemeinen entwickeln Kinder dann im Laufe der Jahre ein Umweltbewusstsein und wachsen in die motorisierte Gesellschaft hinein. Doch von wem und in welchem Maße werden Kinder hinsichtlich ihres umweltverträglichen Verhaltens überhaupt beeinflusst?
3.2.1 Einflussfaktoren auf die kindliche Entwicklung eines Umweltbewusstseins
„Menschen sind nicht nur ‚Einzelwesen’, die ihre Entscheidungen ganz für sich allein treffen, sondern sie sind weitgehend auch ,Sozialwesen’, die sich an den Meinungen und dem Verhalten Anderer orientieren.“[33] Im Kindes- und Jugendalter manifestiert sich die Umwelt in Abhängigkeit zu den jeweils vorherrschenden Lebensbedingungen, der verschiedenen Sozialisationsinstanzen: „in der Familie, in der Schule und im Kindergarten, in der Wohnung und deren Umfeld, in Institutionen, in Freizeiteinrichtungen und in öffentlichen Räumen, auf Plätzen und Straßen.“[34] Somit hat die Orientierung an den jeweiligen Sozialisationsinstanzen maßgebenden Einfluss auf den Prozess der ‚Verkehrssozialisation’, der das Hineinwachsen von Kindern und Jugendlichen in die mobile Gesellschaft beschreibt und mit der Entwicklung eines umweltbewussten Mobilitätsverhaltens einhergeht.[35] In der Regel bildet die Familie die erste Phase der Verkehrssozialisation. „Die Familie beeinflusst wie keine andere Sozialisationsinstanz die Lebensbedingungen und somit die Einstellungen, die Gefühle und das Verhalten von Kindern und Jugendlichen.“[36]. Kinder sind in ihrer familiären Umgebung sowohl geplanten erzieherischen Maßnahmen, als auch ungeplanten sozialisierenden Einflüssen ausgesetzt. Während die geplanten erzieherischen Maßnahmen mittels Erklärungen, Anweisungen etc. versuchen, ein konkretes Ziel zu erreichen, verlaufen die ungeplanten sozialisierenden Einflüsse nicht bewusst. Die ungeplanten sozialisierenden Einflüsse sind in der Regel jedoch ungleich wirksamer, da Kinder ihnen häufiger und konstanter ausgesetzt sind als den geplanten erzieherischen Maßnahmen. Auf diese Weise werden in der Familie die Grundsteine für zahlreiche, mobilitätsrelevante Emotionen, Verhaltensweisen und Einstellungen gelegt.[37]
„So kann z.B. ein Vater, der seinen Ärger deutlich zeigt, wenn er mit dem Bus zur Arbeit fahren muss, weil sein Auto in der Werkstatt ist, bei seinem Kind eine negative Einstellung zum öffentlichen Verkehr fördern. […] Oder Väter, die einen aggressiven und unsozialen Fahrstil beim Autofahren praktizieren, werden bei ihren Söhnen zur Ausbildung eines ähnlichen Fahrstils beitragen“[38].
Die Familie beeinflusst also in starkem Maße über die Vorbildfunktion der einzelnen Familienmitglieder. Ihr Verhalten als Verkehrsteilnehmer, sei es im Auto, als Radfahrer oder Fußgänger oder als Nutzer von Bus und Bahn, wird von Kindern beobachtet, dokumentiert und in vielen Fällen nachgeahmt. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat veröffentlicht regelmäßig Hinweise für Eltern, wie sie ihre Kinder auf die Teilnahme am Straßenverkehr vorbereiten können. Seit 1980 existiert nun das Programm Kind und Verkehr, das in Form von Filmen, Broschüren usw. wirksame Methoden für das Training mit Kindern im Straßenverkehr vermittelt.[39]
Das im Januar 1999 verabschiedete Recht auf einen Kindergartenplatz ermöglicht fast allen Kindern in Deutschland, denselbigen zu besuchen. So wird die familiäre Sozialisation durch die sozialisierenden Einflüsse des Kindergartens ergänzt. Verschiedene Programme stehen für den Elementarbereich zur Verfügung, die die Entwicklung einer vorschulischen Mobilitätserziehung fördern. Von der kindlichen Lebenswelt ausgehend wird
„verkehrsgerechtes Verhalten […] als ein wichtiger Bestandteil von sozialer Kompetenz betrachtet, das von den Kindern zuverlässiger gelernt wird, wenn sie frühzeitig und altersgerecht darauf vorbereitet werden.“[40]
In diesem Sinne zielt der Elementarbereich auf ein situationsgerechtes, autonomes und kompetentes Verhalten der Kinder im Straßenverkehr ab.[41] Dieses Ziel darf allerdings nicht erst im Kindergarten verfolgt werden. Kinderunfälle von Kindern unter drei Jahren können schließlich nur vermieden werden, wenn Mobilitätserziehung schon vorher ansetzt, so „in Babypflegekursen, in Geburtskliniken und bei den Vorsorgeuntersuchungen in Kinderarztpraxen.“[42] Nach der Kindergartenzeit folgt der Übergang in die Grundschule. Mit dem Schuleintritt wird die Mobilitätserziehung vielschichtiger und facettenreicher. Da dieser Inhalt in Kap. 5.3.4 angeführt wird, werde ich an dieser Stelle nicht erneut auf die schulische, umweltbezogene Mobilitätserziehung eingehen. Neben der Familie, den Einflüssen des Kindergartens und der Schule haben auch Freunde und Bekannte Einfluss auf die Verkehrssozialisation und das damit zu entwickelnde Umweltbewusstsein der Kinder. Machen Kinder ‚stellvertretende’ Erfahrungen, d.h. sie sind in einer Situation dabei, in der einem anderen Kind etwas passiert, steigt die Sensibilisierung für das Gefahrenbewusstsein. Beobachtet das Kind beispielsweise einen schweren Fahrradunfall, ist die Chance ungleich niedriger, dass sich das Kind in bestimmten Situationen für das umweltbewusste Radfahren entscheidet. Insbesondere bei älteren Kindern und Jugendlichen ist die ‚Peer-Group’ maßgebend. Viele Jugendliche lassen sich stark von der ‚Peer-Group’ beeinflussen. Sie stehen unter einem großen Gruppendruck und wollen von der ‚Clique’ akzeptiert und anerkannt werden. Wenn also das Radfahren, zu Fuß gehen oder die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ‚uncool’ ist, ist mit hohem Maße davon auszugehen, dass auch andere Jugendliche der Clique eine derartige umweltbewusste Verkehrsmittelwahl ablehnen.[43]
Überdies nehmen Medien eine stark sozialisierende Rolle ein. In einer von audiovisuellen Medien geprägten Gesellschaft überrascht es nicht, dass auch Medien die Verkehrssozialisation von Kindern und Jugendlichen nachhaltig beeinflussen. So reicht das Angebot an audiovisuellen Medien für alle Verkehrsarten, von der Musik-Kassette über Filme und Videos bis hin zu Computer- und Simulationsspielen. „Das Ziel ihres Einsatzes kann die Erhöhung der Verkehrssicherheit oder die Prävention von Unfällen sein, häufig werden aber auch umwelt- oder gesundheitsbezogene Ziele“[44] angestrebt. In jedem Fall lassen sich durch den audiovisuellen Medieneinsatz drei Arten von Ziele erreichen. Sie können Interesse für Themen wecken oder Informationen zu bestimmten Themen geben und folgen so dem Ziel der Wissensvermittlung als kognitives Lernziel. Darüber hinaus können Medien das Ziel verfolgen, „die Gefühle und Einstellungen der Menschen im Lebensbereich Verkehr zu beeinflussen und zu verändern.“[45] Das dritte und wohl zugleich das wichtigste Ziel stellt die angestrebte Veränderung von Verhaltensweisen dar. In diesem Bereich streben audiovisuelle Medien eine dauerhafte Verhaltensänderung, z.B. das Tragen eines Fahrradhelms an.[46]
Werden Kinder also durch die verschiedenen Sozialisationsinstanzen positiv für ein nachhaltiges Umweltbewusstsein beeinflusst, kann einer Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln vorgebeugt werden und ein umweltverträgliches Verhalten gefördert werden. Neben den möglichen positiven Erfahrungen machen Kinder jedoch auch zahlreiche negative Erfahrungen mit der ihnen umgebenden Verkehrsumwelt, insbesondere auf ihrem Schulweg. Diese negativen Erfahrungen können umweltverträgliche Einstellungen von Kindern hemmen und verdienen daher in einem nächsten Schritt besonderes Augenmerk.
[...]
[1] Rieß, Werner: Grundlagen der empirischen Forschung zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE). In: Rieß, Werner/Heino Apel (Hrsg.): Bildung für eine nachhaltige Entwicklung. Aktuelle Forschungsfelder und Ansätze. Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden 2006. S. 9.
[2] Michelsen, Gerd: Umweltbildung und Agenda 21. In: Beyersdorf, Martin u.a. (Hrsg.): Umweltbildung. Theoretische Konzepte – empirische Erkenntnisse – praktische Erfahrungen. Hermann Luchterhand Verlag GmbH: Neuwied 1998. S. 42.
[3] Bolscho, Dietmar: Schulische Umweltbildung. In: Beyersdorf, Martin u.a. (Hrsg.): Umweltbildung. Theoretische Konzepte – empirische Erkenntnisse – praktische Erfahrungen. Hermann Luchterhand Verlag GmbH: Neuwied 1998. S. 157-158.
[4] A.a.O., S. 156.
[5] A.a.O., S. 157.
[6] Ebd.
[7] Vgl. http://www.bmbf.de/_media/press/011212bfne_bericht_kabinettfassung.pdf
[8] Lob, Reinhold / Harald Gesing: Umwelterziehung. Ganzheitlicher und umfassender Bildungsauftrag für die Grundschule. In: Lob, Reinhold / Harald Gesing (Hrsg.): Umwelterziehung in der Primarstufe. Grundlinien eines umfassenden Bildungskonzepts. Agentur Dieck: Heinsberg 1991. S. 8.
[9] Limbourg, Maria: Mobilitäts- und Verkehrserziehung als Aufgabe der Grundschule. In: Sache-Wort-Zahl 2001, Heft 38. S. 8.
[10] Ebd.
[11] Vgl. Limbourg, Maria / Antje Flade / Jörg Schönharting: Mobilität im Kindes- und Jugendalter. Opladen: Leske + Budrich 2000. S. 98.
[12] Vgl. Limbourg, Maria. 2001, S. 8.
[13] Ebd.
[14] Spitta, Philipp: Kinder im Verkehr. Neue Konzepte der Verkehrserziehung in der Primarstufe. Bericht der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg 1995. S. 76.
[15] Gebauer, Michael: Kind und Umwelt. Ergebnisse einer empirischen Studie zum Umweltbewusstsein von Grundschülern. Frankfurt am Main 1994. S. 22.
[16] Vgl. Preisendörfer, Peter: Umwelteinstellungen und Umweltverhalten in Deutschland. Empirische Befunde und Analysen auf der Grundlage der Bevölkerungsumfragen, Umweltbewusstsein in Deutschland 1991-1998’. Opladen: Leske + Budrich 1999, S. 74.
[17] Vgl. http://www.welt.de/motor/article1484679/Alle_wollen_das_Klima_schonen__aber_wie.html
[18] Limbourg, Maria: Vom Umweltbewusstsein zum Umwelthandeln. Psychologie des Umweltschutzes. Vortrag bei der Fachkonferenz „Umweltschutz in Essen” am 6. und 7. Mai 1999a, S. 1.
[19] Vgl. http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3113.pdf S. 49
[20] Vgl. http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/broschuere_umweltbewusstsein.pdf. S. 64.
[21] Vgl. Limbourg, Maria. 1999a, S. 2-3.
[22] Vgl. A.a.O., S. 3.
[23] Flade, Antje: Die Gegenwart und die Zukunftsperspektive. In: Flade, Antje / Ulrike Hacke (Hrsg.): Mit dem Fahrrad durchs Netz. Konzepte und Grundlagen einer zeitgemäßen Mobilitätserziehung. Institut Wohnen und Umwelt: Darmstadt 2004 , S. 5.
[24] Vgl. Flade, Antje / Maria Limbourg: Das Hineinwachsen in die motorisierte Gesellschaft. Institut Wohnen und Umwelt. Darmstadt / Essen 1997. S. 55.
[25] Vgl. A.a.O., S. 58.
[26] Vgl. A.a.O., S. 127.
[27] Limbourg, Maria: Von der Verkehrs- zur Mobilitätserziehung. In: Flade, Antje / Ulrike Hacke (Hrsg.): Mit dem Fahrrad durchs Netz. Konzepte und Grundlagen einer zeitgemäßen Mobilitätserziehung. Institut Wohnen und Umwelt: Darmstadt 2002b, S. 7.
[28] Holeweg, Stefan / Claudia Köhne / Maria Limbourg: Mobilitätsverhalten und Einstellungen von Kindern Jugendlichen zum öffentlichen Verkehr. Vortrag beim 37.BDP-Kongreß für Verkehrspsychologie in Braunschweig, September 1998. In: Meyer-Gramcko (Hg.): Verkehrspsychologie auf neuen Wegen: Herausforderungen von Strasse, Wasser, Luft und Schiene, Deutscher Psychologenverlag, Bonn, 1999, Bd. 2, S. 1-2.
[29] Limbourg, Maria. 2002b, S. 7.
[30] Vgl. Limbourg, Maria / Antje Flade / Jörg Schönharting. 2000, S. 133.
[31] A.a.O., S. 131-134.
[32] A.a.O., S. 133-134.
[33] Flade, Antje. 2004, S. 11.
[34] Limbourg, Maria / Antje Flade / Jörg Schönharting. 2000, S. 79.
[35] Vgl. Ebd.
[36] Hurrelmann, Klaus: Einführung in die Sozialisationstheorie, Weinheim: Beltzverlag 1998, S. 92.
[37] Vgl. Limbourg, Maria / Antje Flade / Jörg Schönharting. 2000, S. 85.
[38] A.a.O., S. 86.
[39] Vgl. A.a.O., S. 85-91.
[40] A.a.O., S. 92.
[41] Vgl. A.a.O., S. 91-97.
[42] A.a.O., S. 97.
[43] Vgl. A.a.O., S. 103-104.
[44] Limbourg, Maria: Verkehrserziehung mit audiovisuellen Medien. In: Zeitschrift für Verkehrserziehung 1998, Heft 3, S. 10.
[45] A.a.O., S. 28.
[46] Vgl. Ebd.
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