Selbsthilfe - eine Ressource im Gesundheitswesen?


Essay, 2001

13 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Definition der Selbsthilfe

2 Selbsthilfe als Ressource im Gesundheitswesen
2.1 Psychosoziale Sichtweise
2.2 Medizinische Sichtweise
2.3 Ökonomische Sichtweise

3 Aktuelle Daten der Selbsthilfeorganisation und Selbsthilfebewegung

4 Ökonomische Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen

5 Schlussbemerkungen

6 Literaturverzeichnis

1 Definition der Selbsthilfe

Selbsthilfegruppen sind freiwillige, meist lose Zusammenschlüsse von Menschen, deren Ak-tivitäten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten, psychischen oder sozialen Problemen richten, von denen sie – entweder selbst oder als Angehörige – betroffen sind. Sie wollen mit ihrer Arbeit keinen Gewinn erwirtschaften. Ihr Ziel ist eine positive Verände-rung ihrer persönlichen Lebensumstände und häufig auch ein Einwirken auf ihr soziales und politisches Umfeld. Die Ziele von Selbsthilfegruppen sind vor allem auf ihre Mitglieder gerich-tet und nicht auf Aussenstehende; darin unterscheiden sie sich von anderen Formen des Bürgerengagements. Selbsthilfegruppen werden nicht von professionellen Helfern geleitet; manche ziehen jedoch gelegentlich Experten zu bestimmten Fragestellungen hinzu.[1]

Selbsthilfe – definiert als gesundheitsbezogenes Laienhandeln – ist in der gesundheitlichen Versorgung keine Besonderheit. Sie wird als selbstverständliche Eigenleistung bei der Krankheitsbewältigung und in der Gesunderhaltung vorausgesetzt: bei der Auswahl und In-anspruchnahme professioneller Dienste, der Befolgung therapeutischer Anweisungen, der Behandlung geringfügiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und Befindlichkeitsstörungen oder bei der dauerhaften und intensiven Betreuung kranker Menschen. Erst durch den Zusam-menschluß von Menschen außerhalb des Kontextes familiärer, ehrenamtlicher oder profes-sioneller Hilfeleistungen zu Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeorganisationen ist Selbsthilfe zu einer neuen Form der Krankheitsbewältigung beziehungsweise Gesundheitssicherung ge-worden.[2]

Bereits seit Jahrhunderten schliessen sich Menschen zusammen, um gemeinsam Schwierig-keiten oder Probleme aus eigener Kraft zu lösen und Themen zu bearbeiten, die so nicht vom professionellen Hilfesystem behandelt werden. Ein solcher Zusammenschluss kann auch als Countervailing Power zum Expertensystem verstanden werden.

2 Selbsthilfe als Ressource im Gesundheitswesen

2.1 Psychosoziale Sichtweise

Die Mehrzahl aller Gesundheitsstörungen wird im primären Hilfesystem im Rahmen privaten Hilfehandelns (zum Beispiel Familie und Nachbarschaft) und ohne Inanspruchnahme professioneller Hilfe (sekundäres Hilfesystem) gelöst.[3]

Die Familie und das enge soziale Netzwerk sind idealiter ein soziales Gefüge, in dem in ho-hem Maße emotionale Unterstützung erlebt und Gefühle des Eingebundenseins und Geliebt-werdens vermittelt werden. Emotionale Unterstützung wirkt nicht nur als Puffer bei Belastun-gen und in Krisensituationen, sondern übt zugleich einen direkten Einfluss auf das Wohlbe-finden aus.[4]

Sowohl die demographische Entwicklung als auch die stetigen Zunahme von Single-Haus-halten zeigt, dass ein erheblicher Anteil der Bevölkerung auf das primäre System der Familie nicht unmittelbar oder gar nicht mehr zurückgreifen kann.

Diese Aufgaben, die bislang überwiegend im primären Hilfesystem erbracht werden, fallen immer öfter der Selbsthilfe zu, die durch unmittelbare, persönliche Hilfe gekennzeichnet ist. Sie ist für die Krankheitsbewältigung (erfolgreiches Coping), der Einhaltung von Therapien (Com-pliance), aber auch zum Schutz gegen Erkrankungen (salutogenetische Funktion) von großer Be-deutung. Seit Ende der 70er Jahre hat sich eine Form der Selbsthilfe entwickelt, deren Cha-rakteristikum kleine, informelle Gruppen von ca. fünf bis zehn Personen sind: Selbsthilfe-gruppen. Sie erweitern das Selbsthilfe-Spektrum und reagieren auf aktuelle gesellschaftliche Defizite und Entwicklungen.

Selbsthilfegruppen

- ersetzen verlorene soziale Netze,
- geben Schutz gegen soziale Isolation und seelische Vereinsamung;
- ergänzen professionelle Hilfesysteme; persönliche und soziale Belastungen, die mit chroni-schen Erkrankungen und Behinderungen verbunden sind, werden bearbeitet;
- regulieren professionelle Klientelisierungstendenzen.

Ihre Mitglieder festigen und erweitern ihre persönlichen Kompetenzen (Empowerment). Die Wir-kungen von Selbsthilfegruppen werden in Forschungsergebnissen und Erfahrungsberichten beschrieben: Mitglieder von Selbsthilfegruppen leiden seltener unter Depressionen und see-lisch bedingten körperlichen Beschwerden als andere Menschen in vergleichbaren Situatio-nen. Die Gruppenarbeit stabilisiert medizinische Behandlungserfolge, steigert die persönliche Autonomie und das Selbstbewußtsein und verbessert die soziale Kontaktfähigkeit. Die Er-gebnisse der Selbsthilfegruppenarbeit sind nur in Gruppen möglich, deren Mitglieder selb-ständig, selbstbestimmt, freiwillig und gleichberechtigt arbeiten.[5]

Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass immer wieder drei psychosoziale Ressour-cen neben materieller und medizinischer Versorgung sowie sozialer Unterstützung für eine erfolgreiche Bewältigung verantwortlich sind: Transparenz, Aktivierung und Partizipation. Die Selbsthilfe, als Laienhilfe oder in der Selbsthilfegruppe, trägt dazu bei, dass sich die genann-ten Ressourcen entwickeln. Je mehr ein Mensch über die drei genannten Ressourcen ver-fügt, desto stärker hat er das Gefühl, dass er sich in einer verstehbaren und beeinflußbaren Welt bewegt und er selbstgesteckte Ziele erreichen kann. Diesem Welterleben (Kohärenzsinn) wird eine gesundheitsstiftende Wirkung zugesprochen und zwar nicht nur auf eine Krankheit bezogen, sondern auch als unspezifische Schutzfaktor.[6]

Krankheitsbewältigung ist demnach nicht nur von der Größe der Belastungen und Zumutun-gen oder dem Schweregrad der Krankheiten abhängig, sondern auch von der Stärke der Be-wältigungsressourcen der Betroffenen.[7]

[...]


[1] Matzat, J.: „Wegweiser Selbsthilfegruppen“, Gießen, 1997

[2] Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen: „Gesundheitsreport Nord- rhein-Westfalen 1990“

[3] Klein-Lange, M.: „Krankenversorgung“, München-Wien-Baltimore, 1998

[4] Kollip, P.: „Familie und Gesundheit“, Weinheim-München,

[5] Moos-Hofius, B. / Hilbert, P. : „Der Selbsthilfe nutzen“, S. 8 und 9)

[6] Bengel, J. / Strittmatter, R. / Willmann, H.: „Was erhält Menschen gesund?“, S. 24-30

[7] Rosenbrock, R.: „Stärkung der Selbsthilfe in der Gesundheitsreform 2000“, S. 18-29

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Selbsthilfe - eine Ressource im Gesundheitswesen?
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Gesundheitswissenschaften)
Note
2,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
13
Katalognummer
V16184
ISBN (eBook)
9783638211055
ISBN (Buch)
9783640157051
Dateigröße
447 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Selbsthilfe, Ressource, Gesundheitswesen
Arbeit zitieren
Reinhold Ballmann (Autor:in), 2001, Selbsthilfe - eine Ressource im Gesundheitswesen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16184

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