Chorea Huntington - Problematik einer vorhersagbaren Erbkrankheit


Facharbeit (Schule), 2010

23 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Medizinische und biologische Betrachtung von Chorea Huntington
2.1. Definition der Krankheit
2.1.1. Diagnose
2.1.2. Pathogenese
2.2. Symptomatik
2.2.1. Psychopathologie
2.2.2. Pathophysiologie
2.2.3. Verlauf und Formen
2.3. Therapie
2.3.1. Medikamentöse Behandlung
2.3.2. Begleitende Therapie
2.4. Aktuelle Forschungsergebnisse

3. Problematik der Veranlagung und Vorhersage
3.1. Gespräch mit Erkrankten
3.2. Gentest ja oder nein?
3.3. Lebensplanung mit positiver Diagnose
3.4. Hilfestellung für Betroffene durch Selbsthilfegruppen

4. Schluss & Ausblick

Literatur- und Quellenverzeichnis

Bildnachweis

1. Einleitung

In der heutigen Medizin spielt unsere genetische Disposition eine immer größere Rolle für die Lebensplanung und -führung. So werden neue Diagnoseverfahren, wie zum Beispiel Gentests zur Bestimmung erblich bedingter Krankheiten, immer häufiger durchgeführt. Ist diese Entwicklung zur Vorhersage von Krankheiten ein Fluch oder ein Segen?

Mit diesem Thema befasse ich mich in dieser Facharbeit anhand des Beispiels Chorea Huntington, die gegenwärtig eine der häufigsten neurologischen Erbkrankheiten ist. Dabei handelt es sich um eine schwerwiegende, nicht heilbare und tödlich verlaufende Zerstörung des zentralen Nervensystems. Meine Motivation zur Untersuchung dieses Themas entstand aus dem Wunsch heraus, nach dem Abitur Humanmedizin studieren zu wollen.

Neben den Behandlungsmöglichkeiten und der Entstehung dieser Krankheit wird das ethische Problem diskutiert. Eine Person, in deren Familie die Krankheit auftritt, gerät in einen Konflikt: So kann sie durch einen Gentest Gewissheit über eine mögliche Erkrankung erlangen, aber dadurch auch Nachteile erfahren. Abschließend dokumentiere ich ein Gespräch mit der Leiterin der Selbsthilfegruppe der DHH (Deutsche Huntington Hilfe) in Nürnberg und einigen Erkrankten über ihre Erfahrungen mit diesem Problem und der Krankheit.

Diese Problematik spiegelt sich im Bild auf dem Titelblatt wider. Man erkennt drei Betroffene in verschieden Situationen ihrer Krankheit und den Ursprung, nämlich das Huntington-Gen, den Auslöser der Krankheit. Die Betroffenen zeigen zum einen die Bewegungsstörungen, die im Laufe der Krankheit auftreten (rote Frau) und die geistigen Symptome bzw. das Gefühl, von der Außenwelt abgeschieden zu sein (linke und rechte Person).

Ich erwarte mir von dieser Arbeit einen detaillierten Einblick in die wissenschaftliche Betrachtung einer Krankheit in Verbindung mit der aus solch einer gravierenden Erbkrankheit resultierenden psychischen Belastung. Außerdem erhoffe ich mir mein Einfühlungsvermögen gegenüber erkrankten Menschen zu sensibilisieren, da dies eine notwendige Qualifikation eines Arztes ist.

2. Medizinische und biologische Betrachtung von Chorea Huntington

2.1. Definition der Krankheit

Der Name des monogenen Erbleidens Chorea Huntington geht auf den amerikanischen Arzt George Huntington zurück, der 1872 als Erster diese Erkrankung von der Chorea Minor Sydenham abgrenzte, die, im Gegensatz zu Chorea Huntington, durch eine Strepptokokkeninfektion ausgelöst wird. Beschrieben und definiert wurde sie jedoch zuvor schon von C.O.Waters im Jahre 1841. Eine weitere übliche Bezeichnung ist der „erbliche Chorea“ (auch: erblicher Veitstanz), das sich von dem griechischen Wort xopda (dt. Tanz) ableitet. Weil die tanzähnlichen Bewegungsstörungen aber nur einen Aspekt von mehreren möglichen Krankheitssymptome bilden (es gibt auch Formen, bei denen psychische Störungen zumindest zu Anfang mehr im Vordergrund stehen), spricht man heute weltweit von der Huntington-Krankheit (engl.„Huntington‘s disease“, abgekürzt HD).1 In Deutschland sind circa 8.000 Menschen, Männer und Frauen gleichermaßen, von HD betroffen laut der Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) von 10:100.000.1 Das typische Krankheitsbild der HD besteht aus der Kombination psychischer und kognitiver Veränderungen sowie hyperkinetischer Bewegungsstörungen, die in der Regel zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr, manchmal aber auch früher oder später auf- ueneeieneJmH^,ri!;;9u,imn'Gehirns (unten) mit de treten können. Diese Störungen werden durch einen progressiv-selektiven Neuronenverlust im Striatum (Teil der Basalganglien im Stammhirn, die für die Ausführung von Motivation, Emotion und Bewegungen zuständig sind, siehe Abb.1) ausgelöst.2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Querschnitt eines gesunden (oben)

Die HD ist eine Erkrankung mit autosomal-dominanter Vererbung und sie wird durch ein verändertes Allel verursacht. Dieses veränderte Allel konnte auf dem „kurzen Arm des vierten Chromosoms (Locus 4p16.3 = Chromosom 4, kurzer Arm, 16. Band, Region 3)“3 lokalisiert werden. Es zeichnet sich durch eine er-Chorea Huntington - Problematik einer vorhersagbaren Erbkrankheit höhte Anzahl eines Basentripletts der organischen Basen Cytosin (C), Adenin (A) und Guanin (G) aus, welches die Aminosäure Glutamin codiert. Bei Menschen, die nicht an HD erkrankt sind und auch nicht erkranken werden, wiederholt sich dieses CAG-Triplett höchstens 30 mal. Bei HD-Erkrankten und Anlageträger/-innen gibt es jedoch 38 und mehr CAG-Wiederholungen (engl. CAG-re- peats). Je mehr CAG-repeats vorhanden sind, desto früher treten die ersten Symptome der Krankheit ein. Solch eine Genmutation nennt man CAG-Expan- sion, also vermehrtes Auftreten des CAG-Tripletts.123

2.1.1. Diagnose

Seit 1998 sind Gentests eine gängige Methode, um die Disposition eines Patienten für eine Erbkrankheit festzustellen. Nach der Entdeckung des HuntingtonGens im Jahre 1993 wurde auch ein Gentest für dessen Diagnose entwickelt. Verläuft dieser Gentest positiv, wobei dieser zu 99,9% sicher ist, so wird die Krankheit bei dem Patienten sicherlich in Zukunft ausbrechen (fast vollständige Penetranz). Sind mehr als 38 Tripletts im Gen zu finden, wird die Krankheit manifest, und zwar je früher, desto länger der Gluta- min-Repeat ist. Allerdings lässt sich anhand der CAG-repeatzahl, die bis zu einer Anzahl von 30 der eines gesunden Menschen entspricht, nicht genau der Krankheitsbeginn oder die -schwere ermitteln. Sind jedoch mehr als 60 CAG-Tripletts auf dem kurzen Ärmchen des vierten Chromosoms zu finden, so ist ein juveniler und gravierender Krankheitsverlauf nahezu sicher (Antizipation, siehe 2.2.3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: „Genetischer Fingerabdruck“, wie er bei Gentests erstellt wird, gibt Aufschluss

Man unterscheidet bei den Gentests zwischen dem differenzialdiagnostischen, prädikativen und dem pränatalen Gentest. Sie unterscheiden sich nur in ihrem Durchführungsgrund und -zeitpunkt, nicht aber in ihrer Anwendung. Der differenzialdiagnostische Gentest wird bei auftretenden Symptomen durchgeführt, die denen der HD ähnlich sind und somit ein ernster Verdacht auf HD besteht.

Chorea Huntington - Problematik einer vorhersagbaren Erbkrankheit Anders hingegen ist der prädikative (vorsorgliche) Gentest. Er wird auf Grund eines bekannten Falles von HD in der Familie (meist bei den Eltern) angefertigt, mindestens 50% beträgt, selbst zu viele CAG-Tripletts zu besitzen.

Der pränatale Gentest wird bei einem Fötus oder Embryo, dessen Mutter und/ oder Vater Träger des Huntington-Gens ist/sind, mit Hilfe einer Choriozottenbiopsie durchgeführt. Das Ergebnis soll zeigen, ob das noch ungeborene Kind das Huntington-Gen besitzt oder gesund ist. Es kann eine Indikation für eine Abtreibung bedeuten.

Allerdings sind pränatale Gentests auf Grund des im Februar 2010 verabschiedeten Gesetztes zur Regelung von Gentest nicht mehr möglich, da die Volljährigkeit des Getesteten zur Einwilligung gegeben sein muss. Ebenso schreibt das Gesetzt vor, wie ein prädikativer Test bei möglicher Veranlagung abzulaufen hat. Hierbei sind vor dem Test Beratungsgespräche bei Humangenetikern und Psychotherapeuten zu vereinbaren und bestimmte Überdenkzeiten einzuhalten, bevor das Blut für die Untersuchung entnommen und schließlich das Ergebnis bekannt gegeben wird.

Doch wie stellt man fest, ob die Krankheit bereits ausgebrochen ist? Im Rahmen der klinischen Diagnostik kann man mit MRTs (Magnet-Resonanz-Tomo- graphie) oder CTs (Computer-Tomographie) der Basalganglien eine Degenerierung des Stratiums festzustellen, was eindeutig Chorea Huntington bestätigt.2 Mit Hilfe eines PETs (Positronen-Emissions-Tomograph) kann man den veränderten Glukosestoffwechsel (siehe 2.1.2.) bei HD eindeutig und vor allem frühzeitig erkennen.1

Im Rahmen einer Differentialdiagnose muss der Arzt, je nach Symptomen, zuerst Krankheiten mit ähnlichen Symptomen wie z.B. Chorea Minor, Demenz, Alzheimer, Durchblutungsstörungen, psychische Störungen oder gar einen Hirntumor ausschließen.2,4,5

2.1.2. Pathogenese

Bei der Pathogenese wird die Krankheitsentstehung und -ausbreitung bzw. -verlauf beschrieben. Allerdings unterscheidet sie sich bei Erbkrankheiten deutlich von anderen Krankheiten, da ein (meist) kleiner Gendefekt garantiert krankheitsauslösend wirkt und er nicht vom menschlichen Immunsystem oder DNA- Reparatur Proteinen bekämpft oder bereinigt werden kann. Chorea Huntington - Problematik einer vorhersagbaren Erbkrankheit Die Entstehung von Chorea Huntington ist auf die vermehrte Anzahl von CAG- repeats in dem Gen zurückzuführen, welches das Protein Huntingtin codiert. Diese Vervielfachung der CAG-Tripletts ist nur durch eine „slippage“ (Verschieben der DNA-Polymerase während der Mitose und Meiose) möglich. Eine weitere, weitaus unwahrscheinlichere Möglichkeit ist die eines „asymmetrischen crossing-overs“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Amyloidogene Fibrillenstruktur an den Dendriten der Neuronen, wie sie durch das mutierte Huntingtin gebildet werden.

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Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Chorea Huntington - Problematik einer vorhersagbaren Erbkrankheit
Autor
Jahr
2010
Seiten
23
Katalognummer
V163612
ISBN (eBook)
9783640802807
ISBN (Buch)
9783640803040
Dateigröße
2134 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Chorea, Huntington, Erbkrankheit, Gendefekt
Arbeit zitieren
Christian Frysch (Autor:in), 2010, Chorea Huntington - Problematik einer vorhersagbaren Erbkrankheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163612

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