Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern


Diplomarbeit, 2009

127 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Fragestellung und Zielsetzung
1.2. Forschungsstand
1.3. Aufbau der Diplomarbeit
1.4. Begriffsbestimmung und Eingrenzung

2. Gesetzliche Grundlagen von Umgangsregelungen
2.1. § 1684 BGB: Umgang des Kindes mit den Eltern
2.2. § 1685 BGB: Umgang des Kindes mit anderen Bezugspersonen
2.3. Zusammenfassung der Möglichkeiten des Familiengerichts zur Regelung des Umgangs

3. Konkurrierende Pflegefamilienkonzepte
3.1. Das Ersatzfamilienkonzept
3.1.1 Die Objektbeziehungstheorie
3.1.2 Die Bindungstheorie
3.1.3 Besuchskontakte aus der Perspektive des Ersatzfamilienkonzeptes
3.2. Das Ergänzungsfamilienkonzept
3.2.1 Die Relevanz der Bindungstheorie für das Ergänzungsfamilienkonzept
3.2.2 Systemische Sicht von Pflegeverhältnissen
3.2.3 Besuchskontakte aus der Perspektive des Ergänzungsfamilienkonzeptes
3.3. Gegenüberstellung der beiden Konzepte

4. Traumatisierung von Kindern durch ihre Eltern
4.1. Begriffsklärung und mögliche Folgen
4.1.1 Posttraumatische Belastungsstörung
4.1.2 Bindungsstörungen und deren Bedeutung für die kindliche Entwicklung
4.2. Günstige und hinderliche Bedingungen bei der Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen

5. Zentrale Aspekte von Besuchskontakten
5.1. Auswirkungen von Besuchskontakten
5.1.1 Ergebnisse für die Pflegekinder
5.1.2 Ergebnisse für die Pflegeeltern
5.1.3 Ergebnisse für die Herkunftseltern
5.2. Die Funktion von Besuchskontakten
5.2.1 Besuchskontakte bei zeitlich befristeter Pflege
5.2.2 Besuchskontakte bei Dauerpflege
5.3. Förderliche und belastende Einflussfaktoren auf Besuchskontakte
5.3.1 Traumatisierung des Pflegekindes durch die leiblichen Eltern
5.3.2 Psychische Erkrankung der Herkunftseltern
5.3.3 Einstellung der Herkunftseltern
5.3.4 Einstellung der Pflegeeltern
5.3.5 Fazit
5.4. Einschränkung und Ausschluss von Besuchskontakten
5.4.1 Mögliche Indikationen für begleiteten Umgang
5.4.2 Die Rolle des Umgangsbegleiters
5.4.3 Ausschlusskriterien
5.4.4 Fazit

6. Methodisches Vorgehen
6.1. Die Zielsetzung und Fragestellung der Untersuchung
6.2. Die Forschungsmethode: qualitative Sozialforschung
6.3. Die Interviewform: Experteninterview
6.3.1 Die Leitfadenentwicklung
6.3.2 Stichprobenbeschreibung
6.3.3 Die Interviewdurchführung und Transkription
6.4. Das Auswertungsvorgehen: qualitative Inhaltsanalyse

7. Darstellung und Interpretation des empirischen Materials
7.1. Das Kategoriensystem
7.2. Allgemeine Bedeutung von Besuchskontakten
7.2.1 Subkategorie: Zielsetzung
7.2.2 Subkategorie: Chancen und Funktionen
7.2.3 Subkategorie: Grenzen
7.3. Einflussfaktoren auf die Auswirkung von Besuchskontakten
7.3.1 Günstige Faktoren
7.3.2 Belastende Faktoren
7.4. Umgang mit Schwierigkeiten
7.4.1 Verhaltensauffälligkeiten des Kindes
7.4.2 Kontaktverweigerung des Kindes
7.4.3 Traumatisierung
7.4.4 Einschränkung und Ausschluss von Kontakten
7.5. Besuchskontakte unter dem Fokus der theoretischen Pflegefamilienkonzepte
7.5.1 Grundsätzliche Überlegungen
7.5.2 Stellungnahmen zum Ersatzfamilienkonzept
7.5.3 Stellungnahmen zum Ergänzungsfamilienkonzept

9. Literaturverzeichnis
9.1. Printquellen
9.2. Internetquellen

Anhang 1: Anschreiben an potentielle Interviewpartner
Anhang 2: Leitfaden
Anhang 3: Informationsblatt zum Datenschutz
Anhang 4: Einverständniserklärung
Anhang 5: Fragebogen

1. Einleitung

Das Thema Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern ist für die Planung und den Verlauf von Pflegeverhältnissen von zentraler Bedeutung und stellt „eine der Schlüsselfragen der Pflegekindschaft“ (Diouani 2004, S. 13) dar. Grundsätzlich hat jedes Kind einen in § 1684 BGB rechtlich verankerten Anspruch auf Umgang mit seinen leiblichen Eltern. Bei Pflegekindern kann aufgrund ihrer belasteten Vorgeschichte, die eine Fremdunterbringung notwendig werden ließ, jedoch nicht grundsätzlich eine Kindeswohldienlichkeit von Kontakten mit den Herkunftseltern angenommen werden.

Bei zeitlich befristeten Pflegeverhältnissen mit voraussichtlicher Rückkehr des Kindes in seine Herkunftsfamilie besteht weithin Einigkeit darüber, dass die Eltern-Kind-Beziehung über regelmäßige Kontakte aufrechterhalten werden soll. Da jedoch die langfristige Perspektive von Pflegeverhältnissen häufig unklar ist, wird über Sinn und Unsinn von Besuchskontakten im Rahmen von dauerhaft angelegten Pflegeverhältnissen heftig debattiert und bestehen kontroverse Positionen zu adäquaten Umgangsregelungen.

Dieses Spannungsfeld war der Grundstein für meine Motivation, mich in meiner Diplomarbeit mit der Thematik der Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern auseinanderzusetzen. Während meiner beiden praktischen Studiensemester in der Adoptionsvermittlungsstelle und der Bezirkssozialarbeit eines städtischen Jugendamtes habe ich mich immer wieder mit der Situation von Kindern beschäftigt, die aus verschiedenen Gründen nicht (mehr) in ihren Herkunftsfamilien leben konnten. Dadurch habe ich ein ausgeprägtes Interesse an der weiteren Bedeutung und Gestaltung der Eltern-Kind-Beziehung nach der Fremdplatzierung entwickelt und mich schließlich dazu entschieden, dieses Thema im Rahmen meiner Diplomarbeit näher zu beleuchten.

1.1. Fragestellung und Zielsetzung

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Bedeutung von Besuchskontakten zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern für Kinder in Vollzeitpflege. Das zentrale Forschungsinteresse gilt der Frage, welche Umgangsregelung am wahrscheinlichsten eine positive Entwicklung des Kindes ermöglicht. Dazu werden schwerpunktmäßig folgende Fragestellungen verfolgt:

Welchen Nutzen impliziert die Berücksichtigung theoretischer Pflegefamilienkonzepte bei der Entscheidung über die Regelung von Kontakten zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern?

Worin liegen die Chancen von Besuchskontakten, wo sind die Grenzen?

Welche Rolle spielen die Erfahrungen des Kindes in seiner Herkunftsfamilie für die Beziehung zu seinen leiblichen Eltern nach der F remdunterbringung?

Durch welche Faktoren wird die förderliche oder belastende Auswirkung von Besuchskontakten beeinflusst?

Welche Konsequenzen für die Umgangsgestaltung ergeben sich aus auftauchenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Kontakten?

Das Ziel der Arbeit besteht zunächst darin, in einem ersten Teil theoriegeleitete Antworten auf diese Fragen herauszuarbeiten. Grundlage des zweiten Teils sind Interviews mit Experten aus dem Pflegekinderbereich, die nach den Standards der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet werden. Das Untersuchungsinteresse gilt den fachlichen Einschätzungen sowie dem Erfahrungs- und Handlungswissen über Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern. Durch eine Zusammenführung der Erkenntnisse aus dem Theorieteil und aus den praxisbezogenen Aussagen eröffnet sich die Möglichkeit, das fachpraktische Handeln mit den relevanten theoretischen Grundlagen zu vergleichen.

Denn es ist auch das Ziel der Arbeit, eine Orientierung für Personen zu bieten, die beruflich mit Pflegekindern zu tun haben und ihr eigenes fachliches Handeln auf dem Hintergrund einer Diplomarbeit reflektieren möchten.

1.2. Forschungsstand

Die Meinungen über den Sinn und die Notwendigkeit von persönlichen Kontakten zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern gehen nicht nur zwischen den unmittelbar betroffenen Herkunftseltern und Pflegeeltern teilweise weit auseinander. Auch die Fachwelt diskutiert die Bedeutung von Umgangskontakten vor dem Hintergrund zweier verschiedener Pflegefamilienkonzepte kontrovers: Mitte der 1980er Jahre entbrannte zunächst ein Theorienstreit über das Verständnis der Pflegefamilie als Ersatz- oder Ergänzungsfamilie, der sich später auch auf die Praxis der Jugendhilfe ausweitete und bis heute in das Pflegekinderwesen hineinwirkt.

Die Kinderpsychoanalytiker Monika Nienstedt und Arnim Westermann arbeiten seit Anfang der 1970er Jahre mit Pflegekindern und haben sich auf deren psychologische Begutachtung und psychotherapeutische Behandlung spezialisiert. Als bekannteste Vertreter des Ersatzfamilienkonzeptes stehen sie regelmäßigen Besuchskontakten eher ablehnend gegenüber, da sie darin einen Störfaktor für die weitere Entwicklung des Pflegekindes und seinen Beziehungsaufbau in der Pflegefamilie sehen. Insbesondere für Pflegekinder mit traumatischen Erfahrungen und Bindungsstörungen verstehen sie die Pflegefamilie als Ersatz für die Herkunftsfamilie (vgl. Nienstedt/Westermann 2007, S. 18 ff.). Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) hingegen geht von einem weitaus geringeren Anteil traumatisierter Pflegekinder aus und befürwortet Besuchskontakte aufgrund deren identitätsfördernden Funktion. Pflegeeltern übernehmen diesem Ansatz zufolge die Aufgabe der Erweiterung bzw. Ergänzung der Herkunftseltern (vgl. Gudat 1987b, S. 52 ff.).

Weder das individuumszentrierte Ersatzfamilienkonzept noch das systemisch ausgerichtete Ergänzungsfamilienkonzept können jedoch ihre Überlegungen mit repräsentativen empirischen Studien untermauern. Trotz der hohen praktischen Relevanz gibt es kaum deutschsprachige empirische Studien zu diesem Thema. Die einzige Studie aus der BRD zu den Auswirkungen von Besuchskontakten in Pflegefamilien wurde in den 1990er Jahren von Sabine Kötter durchgeführt und veröffentlicht. Dabei wurden drei Gruppen von Pflegefamilien (1. ohne Besuchskontakte, 2. mit abgebrochenen Besuchskontakten, 3. mit laufenden Besuchskontakten) untersucht, um die Auswirkungen von Besuchskontakten auf alle Beteiligten eines Pflegeverhältnisses zu untersuchen. Das Hauptinteresse der Untersuchung galt der Verarbeitung von Besuchskontakten durch die Beteiligten, möglichen Belastungen und Bewältigungsstrategien sowie dem Einfluss von Besuchskontakten auf den Integrationsprozess des Pflegekindes in der Pflegefamilie. Zentrale Ergebnisse waren, dass eine Aufrechterhaltung der Beziehung zwischen Pflegekind und seinen leiblichen Eltern nur durch persönliche Kontakte möglich ist. Ein solcher Beziehungserhalt mittels Besuchskontakten wurde jedoch von den meisten Pflegeeltern aufgrund deren Selbstverständnisses als Ersatzfamilie abgelehnt und als belastend erlebt. Ein Abbruch von zunächst stattfindenden Kontakten zog häufig eine offene Ablehnung der Herkunftseltern durch die Pflegeeltern nach sich und verringerte insofern die Chancen der Pflegekinder, sich mit den eigenen Wurzeln auseinanderzusetzen (vgl. Kötter/Cierpka 1997).

Um die Frage nach unmittelbaren und langfristigen Auswirkungen von Besuchskontakten zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern zufrieden stellend beantworten zu können, sind somit dringend weitere empirische Arbeiten auf der Basis von Längsschnittuntersuchungen notwendig.

1.3. Aufbau der Diplomarbeit

Die Arbeit ist in einen theoretischen und einen empirischen Teil gegliedert. Im zweiten Kapitel werden zunächst die gesetzlichen Regelungen des Umgangs dargestellt und auf die Problematik hingewiesen, dass der Gesetzgeber in seinen Formulierungen nicht zwischen Scheidungs- und Pflegekindern differenziert hat. Das Wissen um das Umgangsrecht gemäß der §§ 1684 und 1685 BGB ist für das Thema der Besuchskontakte im Rahmen von Pflegeverhältnissen wichtig, da familiengerichtliche Entscheidungen den weiteren Verlauf von Pflegeverhältnissen entscheidend beeinflussen können. Gegenstand von Kapitel 3 sind zwei gegensätzliche Verständnisse von Pflegefamilien, die für eine Positionierung pro oder contra Besuchskontakte eine zentrale Bedeutung haben. Hier werden insbesondere die jeweils zugrunde liegenden Theorien erörtert und die beiden Konzepte auf ihre Gemeinsamkeit und Unterschiede hin durchleuchtet. Das Konzept der Ersatzfamilie basiert auf Erkenntnissen der Objektbeziehungstheorie und der Bindungstheorie und thematisiert traumatisierende Auswirkungen gestörter Eltern-Kind-Bindungen. Theoretische Grundlagen des Ergänzungsfamilienkonzeptes sind ebenfalls Aspekte der Bindungstheorie sowie Aussagen der systemischen Familientherapie, die auf Pflegeverhältnisse übertragen werden. Gegenstand des vierten Kapitels sind die Auswirkungen traumatisierender Erfahrungen in der Herkunftsfamilie auf die Bindungs- und Beziehungsfähigkeit der betroffenen Kinder sowie die wichtigen Einflussfaktoren auf die Verarbeitung der Traumatisierung. Im fünften Kapitel werden verschiedene Aspekte erörtert, die für Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern relevant sind. So werden im Rahmen einer Darstellung der einzigen aktuellen deutschsprachigen Studie von Sabine Kötter zur Auswirkung von Besuchskontakten die Bedeutung der Ergebnisse für Pflegekinder, Pflegeeltern und Herkunftseltern nachgezeichnet. Im darauf folgenden Abschnitt wird zwischen zeitlich befristeten und auf Dauer angelegten Pflegeverhältnissen differenziert und die Funktion von Besuchskontakten in den Kontext der Perspektive von Pflegeverhältnissen gestellt. Der förderliche bzw. belastende Einfluss unterschiedlicher Faktoren wird im dritten Abschnitt diskutiert. Der vierte Abschnitt des dritten Kapitels befasst sich mit den Fragen, wann eine Einschränkung von Besuchskontakten mittels Umgangsbegleitung angezeigt ist, welche Rolle dabei dem Umgangsbegleiter zukommt, und unter welchen Umständen der Umgang mit den Herkunftseltern dem Kindeswohl widerspricht und der Kontakt deshalb ausgeschlossen werden muss.

Der empirische Teil der Arbeit schließt sich in Kapitel 6 an. Dort werden das Erkenntnisinteresse, die angewandten Methoden für die Datenerhebung und -auswertung, die Leitfadenentwicklung, die Stichprobe sowie die Interviewdurchführung beschrieben. Die Ergebnisse der Interviews werden in Kapitel 7 in Form von Kategorien dargestellt, zusammengefasst und diskutiert. Dabei werden die Expertenaussagen zu den Ergebnissen aus dem Theorieteil in Bezug gesetzt. Die Arbeit endet im achten Kapitel mit einer Zusammenfassung der theoretischen und empirischen Erkenntnisse sowie Schlussfolgerungen für das Pflegekinderwesen.

1.4. Begriffsbestimmung und Eingrenzung

Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Arbeit das generische Maskulinum verwendet. Selbstverständlich sind bei den Formulierungen männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint.

Um den Einstieg in die Thematik zu erleichtern und deutlich zu machen, um welche Pflegeverhältnisse es in dieser Arbeit (nicht) geht, wird an dieser Stelle zwischen verschiedenen Pflegeformen differenziert:

Die Bereitschaftspflege erfolgt meist in einer akuten Krisensituation bzw. nach einer Inobhutnahme des Kindes oder Jugendlichen durch das Jugendamt bei einer Kindeswohlgefährdung. Diese Unterbringungsform ist zeitlich begrenzt und soll die Zeit überbrücken, bis eine dauerhafte Lösung für das betroffene Kind gefunden wurde. Diese kann sowohl in der Rückkehr des Kindes in seine Herkunftsfamilie, in der Vermittlung in eine Vollzeitpflege oder in der Unterbringung in einer stationäre Einrichtung bestehen.

Gegenstand dieser Arbeit ist die Vollzeitpflege[1]. Diese ist in § 33 SGB VIII geregelt und stellt entweder eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform für Kinder dar, die vorübergehend oder langfristig nicht in ihren Herkunftsfamilien leben können. Ziele der befristeten Vollzeitpflege sind die Rückkehr des Kindes zu seinen leiblichen Eltern und die Verbesserung der psychosozialen Voraussetzungen in der Herkunftsfamilie. Das Ziel der unbefristeten Dauerpflege besteht im Aufbau neuer Eltern-Kind-Bindungen zwischen Pflegekind und Pflegeeltern.

2. Gesetzliche Grundlagen von Umgangsregelungen

In diesem Kapitel werden diejenigen gesetzlichen Regelungen vorgestellt, die für den Umgang zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern relevant sind. Da das Thema dieser Arbeit nicht Pflegekindschaft allgemein ist, werden auch nicht sämtliche Gesetzesgrundlagen aus dem Bereich des Pflegekinderwesens erörtert. Eine Besonderheit der gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Pflegeverhältnissen ist, dass die Begriffe Pflegekind und Pflegeperson kaum ausdrücklich erwähnt werden und „dennoch sowohl fundamentale Aussagen der Verfassung wie auch wichtige Regelungen im Familienrecht des BGB auch und gerade für Pflegekinder von zentraler Bedeutung sind“ (Salgo 2003, S. 361). In diesem Merkmal spiegelt sich ein zentrales Problem der gesetzlichen Regelungen zum Umgang wider: in ihnen wird nicht zwischen Trennungs- bzw. Scheidungskindern und fremdplatzierten Kindern differenziert, obwohl sich aus diesen grundlegend verschiedenen Voraussetzungen und Konstellationen erheblich ungleiche Konsequenzen bezüglich der Ausgestaltung des Umgangsrechts ergeben (müssten). Die meisten Aussagen zum Umgangsrecht beziehen sichjedoch auf die Situation von Trennungs- und Scheidungskindern und können daher nicht unreflektiert auf Kinder, die in Pflegefamilien oder Heimen leben, übertragen werden. Salgo (2003) bringt den wesentlichen Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen auf den Punkt: „Das Pflegekind hat häufig - im Gegensatz zum Kind im Elternstreit bei Scheidung und Trennung - eine unterbrochene, oft gestörte, nur zu oft überhaupt keine Beziehung zu den Eltern“ (ebd., S. 362). Die Störung manifestiert sich also nicht auf der Paarebene der Eltern, sondern auf der Eltern-Kind-Ebene (vgl. Hopp 2004, S. 253).

Die für Scheidungskinder grundsätzlich angenommene Kindeswohldienlichkeit von Besuchskontakten muss für den Umgang zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern äußerst kritisch beurteilt werden, da „sich in dieser Fallgruppe vergleichsweise viele Kinder befinden, deren Wohl durch Umgangskontakte mit den leiblichen Eltern beeinträchtigt oder gar gefährdet wird“ (Friedrich/Reinhold/Kindler2004, S. 23).

Die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege darf gemäß § 27 Abs. 1 SGB VIII[2] nur dann geleistet werden, wenn 1. eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und 2. die konkrete Maßnahme sowohl geeignet als auch notwendig ist. Welche Gründe zur Notwendigkeit einer Fremdplatzierung führen können, zählt Salgo (2003) auf: „Vernachlässigung, Misshandlung, finanzielle oder Wohnprobleme, psychische Störungen der Eltern, Erziehungsunfähigkeit/-schwierigkeiten, emotionale Ablehnung des Kindes, Ehe/Partnerprobleme, gravierende Eltern-Kind-Konflikte, sexueller Missbrauch, Abwesenheit/Verschwinden/Tod von Elternteilen, Alkohol- und Drogenmissbrauch oder Kriminalität“ (ebd, S. 362). Das Wissen um diese Problem- und Gefährdungslagen muss in der Gestaltung des Umgangs zwischen Pflegekindern und ihren Herkunftseltern unbedingt berücksichtigt werden, „die gesetzliche Vermutung in § 1626 Abs. 3 BGB, dass der Umgang des Kindes mit seinen Eltern seinem Wohl dient, kann für Pflegekinder nicht vorbehaltlos angenommen werden“ (ebd., S. 364). Für die Regelung und Ausgestaltung von Umgangskontakten des Pflegekindes mit seinen leiblichen Eltern ist daher die Klärung von Fragen nach den Gründen, die zur Inpflegegabe führten, ebenso bedeutsam wie die damit zusammenhängende Perspektive des Pflegeverhältnisses und der artikulierte Kindeswille.

2.1. § 1684 BGB: Umgang des Kindes mit den Eltern

Zentrale Rechtsnorm für die Umgangsregelung ist § 1684 BGB, die - wenn auch nicht explizit erwähnt - auch für Pflegekinder und -personen Anwendung findet. Aufgrund der oben erörterten Besonderheiten von Pflegeverhältnissen ist diese rechtliche Bestimmung zum Umgangsrecht jedoch interpretationsbedürftig, da sie nicht ohne weiteres auf Pflegekindschaftsfalle übertragen werden kann. Entsprechende Kommentare oder Fachliteratur fehlenjedoch, weshalb ich mich in den Ausführungen zu rechtlichen Umgangsfragen bei Pflegekindern insbesondere auf Salgo (2003) und Diouani (2005) beziehe.

In § 1684 Abs. 1 BGB sind sowohl das Recht des Kindes auf Umgang mit jedem Elternteil als auch das Elternrecht und die Elternpflicht zum Umgang mit dem Kind verankert. Im Gegensatz zu den Eltern ist das Kind also nicht zum Umgang verpflichtet. Bezogen auf Pflegeverhältnisse ergibt sich daraus, dass eine nachvollziehbare Ablehnung des Kindes gegen Umgangskontakte mit seinen leiblichen Eltern „sehr ernst genommen werden muss und in den allermeisten Fällen der Ausübung des Umgangsrechts entgegenstehen dürfte“ (Salgo 2003, S. 366).

§ 1684 Abs. 2 BGB Satz 1 legt fest, dass Eltern alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. § 1684 Abs. 2 Satz 2 verpflichtet auch andere Personen, bei denen sich das Kind in Obhut befindet, zu diesem so genannten Wohlverhalten. Dieses Gebot gilt also wechselseitig auch für Pflegeeltern und Herkunftseltern und „soll eine Leitbildfunktion haben, um Spannungen zwischen den erwachsenen Parteien zu reduzieren“ (Diouani 2005, S. 27). Diese Loyalitätsverpflichtung ist in Pflegeverhältnissen jedoch kritisch zu hinterfragen: „Was bedeutet die Klausel etwa für Pflegeeltern, wenn ein Pflegekind beginnt, über Misshandlungen zu sprechen, die es bei den Eltern erlitten hat? Was bedeutet die Vorschrift umgekehrt für Herkunftseltern, wenn das Kind Rückführungswünsche äußert?“ (Kindler 2005, S. 541). Aus solchen Situationen kann für Pflege- und Herkunftseltern das Dilemma entstehen, einerseits keinen negativen Einfluss auf die jeweils anderen Beziehungen des Kindes ausüben zu dürfen und andererseits das eigene Vertrauensverhältnis zum Kind nicht durch eine vorgetäuschte neutrale Haltung stören zu wollen. Zenz (2001) kritisiert die Wohlverhaltensklausel in Bezug auf traumatisierte Pflegekinder scharf: „Wenn von Pflegeeltern Dirn Interesse der Kindern ein freundschaftlicher Umgang mit Herkunftseltern, die diese Kinder schwer misshandelt haben, verlangt wird, so deutet dies nicht nur auf eine groteske Unterschätzung kindlicher Gefühlswahrnehmung hin, sondern untergräbt auch das Vertrauen der Kinder in die Glaubwürdigkeit ihrer Pflegeeltern“ (Zenz 2001, S. 34).

§ 1684 Abs. 3 BGB beschreibt das Recht des Familiengerichtes, über den Umfang des Umgangsrechts zu entscheiden und seine Ausübung auch gegenüber Dritten näher zu regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht (Wohlverhalten) anhalten.

§ 1684 Abs. 4 BGB Satz 1 regelt die Einschränkung oder den Ausschluss von Umgangskontakten durch das Familiengericht, soweit dies zum Wohl des Kindes[3] erforderlich ist. Um das Kindeswohl in Umgangsfragen angemessen berücksichtigen zu können, gibt es zwei Angebote: zum einen formuliert § 18 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII einen Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts nach § 1684 Abs. 1 BGB. Zum anderen sieht § 50b Abs. 1 FGG die Möglichkeit der Kindesanhörung in einem Verfahren vor, das die Personen- oder Vermögenssorge betrifft.

Gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB kann das Umgangsrecht jedoch nur dann für längere Zeit oder auf Dauer eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet[4] wäre. Dieser Erforderlichkeitsgrundsatz lässt sich aus der „Einordnung des Umgangsrechts in das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht“ (Diouani 2005, S. 30) ableiten, „das unabhängig von der Personensorge besteht“ (Küfner 2008, S. 7).

Eine besondere Form der Einschränkung des Umgangsrechts ist in § 1684 Abs. 4 Satz 3 geregelt: Hier ist die Anordnung von begleitetem Umgang[5] durch das Familiengericht festgelegt. Im „Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts“ der Bundesregierung vom 13.06.1996 wird die Umgestaltung der Regelungen über den so genannten Beschützten Umgang begründet: „bei bestimmten Fallkonstellationen (z.B. unbewiesener, aber nicht fernliegender Verdacht des sexuellen Mißbrauchs durch den Umgangsberechtigten, Gefahr einer Kindesentziehung durch den Umgangsberechtigten) läßt sich manchmal eine für die Beteiligten akzeptable Lösung dadurch finden, daß der Umgang nur in Gegenwart eines Dritten stattfinden darf“ (Deutscher Bundestag 1996). Ausdrückliche Intention dieser Regelung ist es „zu verdeutlichen, daß ein völliger Ausschluß des Umgangs wegen des Erforderlichkeitsgrundsatzes nur in Betracht kommt, wenn ein beschützter Umgang nicht ausreicht, das Wohl des Kindes zu gewährleisten“ (ebd.). Damit ist die Hürde zum Umgangsausschluss sehr hoch. Die Annahme, dass eine Einschränkung des elterlichen Umgangsrechts durch die Anordnung von begleitetem Umgang im Vergleich zum Ausschluss das mildere Mittel sei, muss bei Pflegekindern kritisch gesehen werden. Fegert weist darauf hin, dass insbesondere bei angstbesetzten Beziehungen und nach traumatischen Erfahrungen des Kindes mit seinen Herkunftseltern „die emotionalen Kosten für das Kind und seine starke psychische Belastung“ (Fegert 2/2001, S. 42, zit. nach Diouani 2004, S. 29) durch eine solche Maßnahme sehr hoch sein können. Diouani macht auf die Gefahr aufmerksam, dass aufgrund des Erforderlichkeitsgrundsatzes „zunächst alle anderen Optionen ausgeschöpft werden, ehe der ggf. von Anbeginn der Konflikte um die Umgangsregelungen im Interesse des Kindes angezeigte Ausschluss letztendlich angeordnet wird“ (ebd., S. 31).

2.2. § 1685 BGB: Umgang des Kindes mit anderen Bezugspersonen

In § 1685 Abs. 1 BGB ist das Umgangsrecht von Großeltern und Geschwistern festgehalten, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient. Im Gegensatz zu dem in § 1684 Abs. 1 BGB verankerten Umgangsrecht von Eltern wird hier also die Kindeswohldienlichkeit nicht von vornherein angenommen, sondern muss durch Großeltern und Geschwister erst glaubwürdig gemacht werden.

§ 1685 Abs. 2 weitet dieses Umgangsrecht auf Ehe- und Lebenspartner aus, mit denen das Kind längere Zeit und häuslicher Gemeinschaft gelebt hat und auf „Personen, bei denen das Kind längere Zeit in Familienpflege war“. „Sie müssen zudem „enge Bezugspersonen des Kindes“ sein und „tatsächliche Verantwortung“ für das Kind tragen oder getragen haben“ (Küfner 2008, S. 7). Der Ausdruck „längere Zeit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und unter Berücksichtigung des kindlichen Zeitbegriffs[6] zu interpretieren. Ein wichtiges Kriterium dieser Anforderung sind die entstandenen Bindungen zwischen Pflegekind und Pflegeeltern (vgl. Küfner 2008, S. 7 f.). In § 1685 BGB ist jedoch kein eigenes Recht des Kindes aufUmgang mit den genannten Personen vorgesehen.

2.3. Zusammenfassung der Möglichkeiten des Familiengerichts zur Regelung des Umgangs

Bei Umgangskonflikten stehen dem Familiengericht gemäß § 1684 BGB mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, den Umgang zwischen Pflegekind und seinen leiblichen Eltern zu regeln (vgl. auch Küfner 2008, S. 8).

Entscheidung über den Umfang des Umgangsrechts und nähere Regelung seiner Ausübung;

Anhalten der Beteiligten zur Erfüllung der Wohlverhaltenspflicht durch Anordnungen;

Einschränkung des Umgangsrechts für kürzere Zeit, für längere Zeit oder auf Dauer, insbesondere Anordnung von begleitetem Umgang;

Ausschluss des Umgangsrechts für kürzere Zeit, für längere Zeit oder auf Dauer;

Einschränkung oder Ausschluss des Vollzugs früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht für kürzere Zeit, für längere Zeit oder aufDauer.

Die gerichtliche Entscheidung zur Wahl der geeigneten Maßnahme und der Ausgestaltung des Umgangs orientiert sich gemäß der Vorschrift des § 1697a BGB „unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten“ am Wohl des Kindes.

3. Konkurrierende Pflegefamilienkonzepte

Die fachwissenschaftliche Diskussion im Pflegekinderwesen ist bis heute von der Befürwortung oder Ablehnung zweier zentraler Konzepte geprägt: dem Ersatzfamilienkonzept und dem Ergänzungsfamilienkonzept. Die Positionierung zu einem der beiden Konzepte korreliert mit der Einstellung zu einer möglichen Kooperation zwischen Pflege- und Herkunftseltern sowie zu Umgangskontakten des Pflegekindes mit seinen leiblichen Eltern (vgl. Sauer 2008, S. 22; Gehres 2005, S. 246 f.). Aus diesem Zusammenhang ergibt sich die Bedeutsamkeit der beiden Konzepte für die vorliegende Arbeit. In den folgenden Abschnitten werden die theoretischen Grundlagen, Vorannahmen sowie die sich aus dem jeweiligen Konzept ergebenden unterschiedlichen Rollenkonstellationen, Zielvorstellungen und Aufgaben von Pflege- und Herkunftseltern erläutert.

3.1. Das Ersatzfamilienkonzept

Bekannteste Vertreter des Ersatzfamilienkonzeptes sind die deutschen DiplomPsychologen und Kinderpsychoanalytiker Monika Nienstedt und Arnim Westermann. Beide sind Kuratoriumsmitglieder in der „Stiftung zum Wohl des Pflegekindes“ und haben langjährige Erfahrung in der psychoanalytisch orientierten Therapie von Pflege- und Adoptivkindern. Die theoretischen Grundlagen des Ersatzfamilienkonzeptes bilden die Objektbeziehungstheorie sowie Aspekte der Bindungstheorie. Nienstedt und Westermann gehen von einem sehr großen Anteil „beziehungsgestörter, zur Erziehung unfähiger Herkunftseltern“ (Kötter 1997, S. 71) aus. Grundsätzlich wichtig für die Einordnung der Bedeutung von Besuchskontakten aus Sicht des Ersatzfamilienkonzeptes ist, dass Vertreter dieses Konzeptes ihre Aussagen auf Dauerpflegeverhältnisse beziehen und ausdrücklich nicht auf Bereitschafts- und Kurzzeitpflege (vgl. Nienstedt/Westermann 1998, S. 12, zit. nach Conrad/Stumpf 2006, S. 21).

3.1.1 Die Objektbeziehungstheorie

Die Objektbeziehungstheorie wurde ursprünglich von der Psychoanalytikerin Melanie Klein (1882-1960) entwickelt. Gemeinsam mit Michael Balint (1896- 1970), William Fairbairn (1889-1964) und Donald Winnicott (1896-1971) ist sie eine Vertreterin der „Britischen Schule“.

Grob zusammengefasst erklärt die Objektbeziehungstheorie die Verinnerlichung von Objektbeziehungen in der primären Dyade (meist die Mutter-Kind- Beziehung) und deren Einfluss auf alle weiteren Beziehungen des Kindes. Der Begriff der Objektbeziehung meint zum einen internalisierte Vorstellungsbilder von Beziehung und zum anderen die sichtbare Interaktion von zwei oder mehreren Personen. Das vorrangige Interesse der Objektbeziehungstheoretiker gilt jedoch den „intrapsychisch phantasierten bzw. vorgestellten Beziehungen, die mit vielfältigen Gefühlen, Erinnerungen, Gedanken und Erwartungen verbunden sind“ (Santer 2003, S. 196).

Die Objektbeziehungstheorie geht von einer „zunächst symbiotischen Mutter- Kind-Beziehung“ (Kötter 1997, S. 33) aus, in der das Kind durch allmähliche Loslösungs- und Individuationsprozesse so genannte Selbst- und Objektrepräsentanzen entwickelt. Das bedeutet, „dass man von seinem eigenen Selbstbild und Selbstverständnis ausgehend (=Selbstrepräsentanz) eine vorgestellte Beziehung zu einem Interaktionspartner eingeht (=Objektrepräsentanz)“ (Mertens 1996, S. 96, zit. nach Santer 2003, S. 196). Erst die Auflösung der frühen Mutter-Kind-Symbiose im Sinne einer Selbst-Objekt- Differenzierung ermöglicht es dem Kind, sein Selbst vom Objekt abzugrenzen. Einfühlsamkeitsvermögen, Vermittlung von Sicherheit und eine adäquate Regulation der kindlichen Bedürfnisse nach Nähe und Distanz durch die Mutter sind dabei wichtige Voraussetzungen für frühe positive Beziehungserfahrungen. Diese wiederum sind der Schlüssel für „die Entwicklung von stabilen Selbstgrenzen, Selbstsicherheit und einer befriedigenden Nähe-Distanz- Regulation“ (Kötter 1997, S. 30). Wird der Ablösungsprozess des kindlichen Selbst von dem (elterlichen) Objekt behindert, verharrt das Kind in einer erhöhten Abhängigkeit von seiner primären Bezugsperson und identifiziert sich mit ihr (vgl. Winnicott 1965, 1971, zit. nachKötter 1997, S. 31).

Die wechselseitige Beeinflussung von Objektrepräsentanzen und realen zwischenmenschlichen Beziehungen wird von Vertretern der Objektbeziehungstheorie betont: „So wird versucht, die äußere Realität nach den inneren Bildern zu formen, aber die innere Realität wird auch durch die äußere geprägt“ (Richter 1963; Buchholz 1980, zit. nach Kötter 1997, S. 31). Cierpka (1989, S. 169, zit. nach Kötter 1997, S. 31) bezeichnet die Objektrepräsentanzen als „innere Landkarte der interpersonalen und intrapsychischen Realität“, die auch - in Abhängigkeit der realen Erfahrungen - eine Vorstellung von Familie impliziere.

Aus den vorangegangenen theoretischen Ausführungen wird die Bedeutung der Objektbeziehungstheorie für Pflegekinder in zweierlei Hinsicht deutlich: Zum einen ergeben sich aus dem elterlichen Einfluss auf die frühkindlichen Loslösungs- und Individuationsprozesse und das Herausbilden von Selbst- und Objektrepräsentanzen hohe Anforderungen an erzieherische Kompetenzen. Können diese nicht vorausgesetzt werden, stellt sich die Frage nach möglichen negativen Folgen für das Kind, die sich beispielsweise in familiärer „Verstrickung“ (Minuchin 1983, zit. nach Kötter 1997, S. 30) manifestieren können. Zum anderen erklärt die enge Korrelation zwischen den tatsächlichen Erfahrungen des Kindes in seiner Herkunftsfamilie und seinem verinnerlichten Bild von Familie die Auswirkungen der bisherigen Beziehungserfahrungen auf neue Beziehungen beispielsweise mit den Pflegeeltern.

3.1.2 Die Bindungstheorie

Begründer der Bindungstheorie ist der englische Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby (1907-1990). Sein Interesse galt - grob zusammengefasst - der Erklärung und Beschreibung von Bindungsentwicklung und Aktivierung des Bindungsverhaltens. Seine Mitarbeiterin Mary Ainsworth (1917-1999) erweiterte Bowlbys überwiegend theoretische Arbeiten um empirische Studien. Unter dem Begriff der Bindung verstand sie „ein gefühlsgetragenes Band, was eine Person mit einer anderen Person anknüpft, das sie über Raum und Zeit hinweg verbindet“ (Ainsworth 1973, zit. nach Cappenberg 2005, S. 72). Diese Bindungen bestehen jedoch nicht von Geburt an, sondern werden vom Säugling durch bestimmte Bindungsverhaltensweisen wie weinen, lächeln, nachlaufen, Körperkontakt suchen usw. im Laufe seines ersten Lebensjahres entwickelt. Das Bindungsverhalten des Säuglings wird ausgelöst durch Angst, Unsicherheit, Belastung sowie durch das Bedürfnis nach Nähe und Schutz. Durch dieses kindliche Bindungsverhalten wird wiederum elterliches Fürsorgeverhalten aktiviert, um dem Kind Sicherheit, Geborgenheit und Vertrauen zu vermitteln. Ausgehend von dieser sicheren Basis kann sich das Kind neugierig der Exploration seiner Umwelt zuwenden (vgl. Unzner 2004, S. 129 ff.). Die frühen Bindungserfahrungen werden im Laufe der kindlichen Entwicklung als „kognitive DArbeitsmodelleD“ (ebd., S. 131) verinnerlicht. Diese umfassen Vorstellungen von der eigenen Person, den Bezugspersonen und den Beziehungen zu ihnen.

3.1.2.1 Bindungsqualitäten

Um das Bindungsverhalten von Kindern im Alter zwischen 11 und 20 Monaten überprüfen zu können, entwickelte Ainsworth den Fremde-Situationen-Test, „bei dem Kinder in einer standardisierten Spielsituation durch Trennung von ihrer Bezugsperson, u.a. auch unter Beteiligung einer fremden Person, Stress ausgesetzt werden“ (Cappenberg 2005, S. 73). Aufgrund ihrer Beobachtungen unterschied sie zunächst drei Bindungsqualitäten: die unsicher-vermeidende Bindung (Typ A), die sichere Bindung (Typ B) und die unsicher-ambivalente Bindung (Typ C). In späteren Untersuchungen konnten diese Bindungstypen mehrfach bestätigt werden, jedoch wurde noch eine weitere Bindungsqualität entdeckt, die als „desorganisiertes und desorientiertes Muster“ (Typ D) (vgl. Main/Solomon 1986, zit. nach Brisch 2008, S. 16) klassifiziert wurde. Sicher gebundene Kinder wenden sich bei befürchteter oder tatsächlicher Gefahr an ihre Bezugsperson und erfahren bei ihr Nähe, Schutz und Geborgenheit. Kinder mit einem unsichervermeidenden Bindungsmuster haben häufig die Erfahrung gemacht, dass ihre Bindungsbedürfnisse nicht angemessen befriedigt bzw. abgelehnt wurden und entwickeln dementsprechend eine relativ hohe Hemmschwelle für Bindungsverhalten. Erst in äußerst bedrohlichen Situationen, beispielsweise bei Unfällen, geben sie ihre Bindungsvermeidung auf und suchen Hilfe und Schutz bei ihrer Bezugsperson. Unsicher-ambivalent gebundene Kinder können das Fürsorgeverhalten ihrer Bezugsperson nicht einschätzen und zeigen intensives Bindungsverhalten in Trennungssituationen, indem sie heftig weinen und sich an die Bezugsperson klammern. Kehrt diese nach der Trennung zurück, können sich die Kinder dennoch kaum wieder beruhigen und reagieren gleichzeitig mit Nähe suchendem und aggressivem Verhalten. Die Grunderfahrung dieser Kinder ist die unberechenbare Reaktion der Bezugsperson auf ihre Bindungsbedürfnisse, d.h. dass diesen „manchmal zuverlässig und feinfühlig, ein anderes Mal aber eher mit Zurückweisung und Ablehnung“ (Brisch 2008, S. 16) begegnet wird. Die desorganisierte Bindung zeichnet sich durch „motorische Sequenzen von stereotypen Verhaltensweisen“ (ebd., S. 17) oder im kindlichen „Erstarren in Form von tranceartigen Zuständen“ (ebd.) aus. Es wird vermutet, dass Kinder mit desorientiertem Bindungsverhalten widersprüchliche Bindungserfahrungen erlebt haben, in denen die Bezugsperson manchmal als sicherer Hort, manchmal als „Quelle der Angst und Bedrohung“ (ebd.) fungierte.

Die folgende Tabelle zeigt Muster der Bindungsorganisation von Kleinkindern, Kinder im Alter von sechs Jahren sowie Jugendlichen bzw. Erwachsenen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Muster der Bindungsorganisation (Grafik entnommen aus Zimmermann 2007, S. 329)

Eine sichere Bindung ist ein „Schutzfaktor für die weitere kindliche Entwicklung“ (Brisch 2006, S. 226) und geht mit einer erhöhten kindlichen Resilienz[7] einher. Unsicher gebundene Kinder dagegen können mit belastenden Situationen weniger erfolgreich umgehen und entwickeln weniger stark ausgeprägte Sozialkompetenzen, was sich wiederum auf ihre Beziehungen negativ auswirkt (vgl. ebd., S. 226 f.). Aus diesen Erkenntnissen wird deutlich, dass die Bindungsqualität von Pflegekindern ein wichtiger Anhaltspunkt sowohl für die Bewältigung der Trennungserfahrung von ihren Eltern ist als auch für ihre Fähigkeit, neue Bindungen zu den Pflegeeltern einzugehen. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine desorganisierte Bindung des Kindes zu seinen Herkunftseltern den Aufbau einer sicheren Bindung zu den Pflegeeltern erschwert.

Bowlby ging davon aus, dass Bindungsqualitäten mit den primären Bezugspersonen eine hohe Stabilität aufweisen und sich auch auf spätere Bindungen auswirken. Diese These konnte mittlerweile empirisch belegt werden (vgl. Strauß 2000, S. 100 f.). Hieraus ergibt sich eine wesentliche Bedeutung der Bindungsqualität von Pflegekindern für den Bindungsaufbau mit ihren Pflegeeltern. Darüber hinaus konnte ein enger Zusammenhang zwischen dem elterlichen Bindungsmuster und der Bindungsqualität ihrer Kinder festgestellt werden, d.h. „daß Bindungsmuster generationsübergreifend bestehen“ (ebd., S. 100 f.) womit sich die Schwierigkeit vieler Herkunftseltern erklären lässt, ihrem Kind selbst eine verlässliche Bezugsperson zu sein. Eine weitere zentrale Erkenntnis der Bindungstheorie ist die langfristige Bedeutung der frühen Bindungserfahrungen für die Persönlichkeitsentwicklung (vgl. Cappenberg 2005, S. 78). Neuere Forschungsergebnisse (vgl. Fonagy u.a. 1991; Stelle u.a. 1991, zit. nach Brisch 2008, S. 15) stellen einen Zusammenhang her zwischen sicherer Bindungsqualität und dem kindlichen Vermögen, „in einer empathischen Weise über sich, andere und die Welt nachzudenken“ (Brisch 2008, S. 15) und sehen darin einen wichtigen Vorteil einer sicheren Bindungsentwicklung.

3.1.2.2 Mütterliche Feinfühligkeit

Erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der kindlichen Bindungsqualität hat nach dem Konzept der Feinfühligkeit das „feinfühlige Pflegeverhalten der Bindungsperson“ (Ainsworth 1977, zit. nach Brisch 2006, S. 223). Ainsworth formulierte folgende vier Kriterien mütterlicher Feinfühligkeit: 1. Wahrnehmen der kindlichen Signale; 2. richtige Interpretation der kindlichen Signale; 3. prompte Reaktion auf die kindlichen Signale; 4. angemessene Reaktion auf die kindlichen Signale (vgl. Cappenberg 2005, S. 75). Neuere Studien betonen neben dem Einfluss der mütterlichen Feinfühligkeit die Relevanz weiterer Kriterien für die Entwicklung der Bindungsqualität, beispielsweise „die mütterliche Verfügbarkeit und ihre Kontingenz“ (vgl. Cappenberg 1997, zit. nach Cappenberg 2005, S. 76) und die „empathische Verbalisation von Affektzuständen“ (Brisch 2006, S. 224) des Säuglings durch die Bezugsperson. Wie im vorherigen Abschnitt deutlich wurde, lassen sich aus frühkindlichen Bindungsmustern aufgrund deren Beständigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit spätere Bindungsqualitäten abschätzen. Die Qualität der Bindung von Kleinkindern an ihre primäre Bezugsperson stellt daher einen wesentlichen Prädiktor für deren Bindungsfähigkeit im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter dar.

3.1.2.3 Bindungsstörungen

Kinder, die durch ihre Bezugspersonen jahrelang Deprivation, Misshandlung, Verlust und Gewalt erleiden mussten, können schwere Bindungsstörungen entwickeln (vgl. Brisch 2006., S. 227).

Vertreter des Ersatzfamilienkonzeptes gehen zumeist davon aus, dass es sich bei Dauerpflegekindern „zum größten Teil um Kinder mit frühen verletzenden Erfahrungen handelt“ (Nienstedt/Westermann 2007, S. 21) und „der größte Anteil der Pflegekinder (...) traumatische Beziehungserfahrungen[8]“ (Cappenberg 2005, S. 81) erleben musste, deren Folge Bindungsstörungen sind, von denen die wichtigsten im Folgenden näher erläutert werden.

(a) Desorganisation im Bindungsverhalten

Die Erfahrung, dass „die Bindungsperson gleichzeitig Quelle und Auslöser der Angst“ (ebd., S. 82) ist, führt beim Kind zum Erleben von Überwältigung durch die eigenen Eltern, zu Gefühlen „des Ausgeliefertseins, der Resignation und extremster Hilflosigkeit“ (ebd., S. 89) und schließlich zum Versagen jeglicher Bindungsstrategien. Aufgrund solcher existenziellen und angstauslösenden Ohnmachtserfahrungen entwickelt das Kind eine Desorganisation im Bindungsmuster, bei dem „ein Fehlen jeglicher Strategie ebenso zu beobachten [ist] wie eine Mischung unterschiedlicher Strategien“ (ebd., S. 82). Prädiktoren für desorganisiertes Bindungsverhalten von Kindern sind Kindesmisshandlung[9], „ungelöste Traumata der Eltern“ (Lyons-Ruth & Jacobvitz 1999, zit. nach Brisch 2006, S. 231), multiple Probleme in der Familie, Depressivität der Mutter sowie beängstigendes Verhalten der Eltern (vgl. Cappenberg 2005, S. 83). Der bereits oben angedeutete Zusammenhang zwischen kindlicher Bindungsqualität und Persönlichkeitsentwicklung ist für desorganisierte Kinder insofern bedeutsam, als dieses Bindungsmuster ein schwerwiegender Risikofaktor für viele Bereiche wie beispielsweise Selbstwert- und Autonomieentwicklung, soziale Wahrnehmung, Beziehungen zu anderen Erwachsenen sowie psychische Erkrankungen ist (vgl. ebd., S. 84). Aus der Prämisse, dass die Mehrzahl der Pflegekinder traumatisiert ist, ergibt sich die Annahme, dass zahlreiche Pflegekinder eine desorganisierte Bindungsstörung entwickelt haben. Neben dieser Form von Bindungsstörung sind sowohl die Angstbindung als auch die Distanzlosigkeit in Beziehungen für das Verständnis von Bindungs- bzw. Beziehungsverhalten von Pflegekindern von zentraler Bedeutung.

(b) Angstbindung

Dieser Bindungsstörung liegt die Erfahrung der existenziellen Abhängigkeit von der misshandelnden Bezugsperson bei gleichzeitigem Fehlen von helfenden Menschen zugrunde. Die Angstbindung ist dadurch charakterisiert, dass „ein Kind in Angst an seine es traumatisierende Bezugsperson gebunden ist“ (Cappenberg 2005, S. 85), die bedrohlichen Erfahrungenjedoch mit Angstabwehrmechanismen verdrängt und sich überangepasst verhält. Idealisieren der misshandelnden oder vernachlässigenden Eltern, Identifikation mit ihnen sowie die Rechtfertigung ihrer Verhaltensweisen sind ebenso wie das Herausbilden eines negativen Selbstbildes verzweifelte Versuche des Kindes, seine Ohnmachtserfahrungen als Opfer umzuwandeln in die Hoffnung, durch überangepasstes Verhalten auf das elterliche Verhalten einwirken zu können bzw. durch die verzerrte Selbstwahrnehmung als schlecht und schuldig die Aggressivität der Eltern zu verstehen (vgl. Nienstedt/Westermann 2007, S. 223). Die überangepassten und unterwürfigen Verhaltensweisen vieler angstgebundenen Kinder ihren Eltern gegenüber können mit dem Wissen um diese Abwehr- und Bewältigungsmechanismen erklärt werden (vgl. Diouani 2005, S. 54). Durch die große Angst vor den Eltern bei gleichzeitiger Abhängigkeit von ihnen wird ständig kindliches Bindungsverhalten ausgelöst und es entsteht eine intensive, aber zerstörerische Beziehung. Folglich weist Zitelmann explizit auf die wichtige Unterscheidung zwischen Bindungsintensität und -qualität hin: „Die Intensität der kindlichen Bindung sagt dementsprechend nichts, rein gar nichts, über deren positive Qualität und damit über die Schutzwürdigkeit von Beziehungen aus, die nicht auf dem Angenommen-Sein des Kindes, sondern auf erzwungener Abhängigkeit ruhen“ (Zitelmann 2001, S. 286, zit. nach Diouani 2005, S. 54).

Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, diese Bindungsstörung überhaupt zu erkennen, da sie sich im Gegensatz zum desorganisierten Bindungsmuster nicht im kindlichen Verhalten beobachten lässt, sondern eine Diagnose des inneren Erlebens[10] des Kindes notwendig macht. Die Beschränkung auf das beobachtbare Verhalten und kindliche Äußerungen kann zu folgenschweren Fehleinschätzungen führen (vgl. Cappenberg 2005, S. 86).

(c) Distanzlosigkeit in Beziehungen

Distanzlose Kinder gehen scheinbar unbefangen auf fremde Personen zu und wirken in ihren Bindungsbedürfnissen undifferenziert. Gleichzeitig können sie echte emotionale Nähe nicht zulassen und haben daher erhebliche Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung. Ursache dieser Bindungslosigkeit ist das Fehlen von „exklusiven, verfügbaren und feinfühligen Bezugspersonen“ (Cappenberg 2005, S. 87) und das Erleben, dass die eigenen Bindungsbedürfnisse nicht angemessen befriedigt oder mit übergriffigem Verhalten beantwortet werden. Folglich misstrauen diese Kinder sowohl ihrer eigenen Möglichkeit, auf Beziehungen aktiven Einfluss auszuüben, als auch der Vertrauenswürdigkeit anderer Personen. Bezogen auf Pflegekinder ist es wichtig, distanzloses Verhalten den Pflegeeltern gegenüber nicht mit echter Nähe zu verwechseln. Aufgrund ihrer deprivierenden Erfahrungen in der Herkunftsfamilie sind distanz- bzw. bindungslose Kinder ohne therapeutische Unterstützung gerade dazu nicht in der Lage (vgl. ebd., S. 86 f.).

3.1.3 Besuchskontakte aus der Perspektive des Ersatzfamilienkonzeptes

Die Frage nach dem Sinn von Besuchskontakten für traumatisierte Pflegekinder[11] hängt eng mit der Frage nach dem Ziel von Pflegeverhältnissen zusammen. Als Ziel von dauerhaften Pflegeverhältnissen postulieren Nienstedt/Westermann den „Aufbau und die Entwicklung neuer, intensiver, individueller Eltern-Kind- Beziehungen“ (Nienstedt/Westermann 2007, S. 80). In ihrer Theorie der schrittweisen Integration gehen sie davon aus, dass die erste Phase von einer (Über-)Anpassung des Kindes an die neuen Umweltbedingungen gekennzeichnet ist. In der zweiten Phase reinszeniert das Kind frühere Beziehungsformen in der (Übertragungs-)Beziehung zu seinen Pflegeeltern und in der dritten Phase entwickelt es durch regressive Beziehungsformen persönliche Beziehungen zu seinen Pflegeeltern (vgl. ebd., S. 80 ff.). Diese Integration ist ein langer und hoch sensibler Prozess, „da diese Kinder mit den verschiedenen Mustern von Bindungsstörungen mit ihren potentiellen neuen Bindungspersonen Kontakt aufnehmen“ (Brisch 2006, S. 236) und sich ihr kognitives Arbeitsmodell zunächst auch ohne Kontakt mit den Herkunftseltern auf die Beziehungsgestaltung mit den Pflegeeltern auswirkt (vgl. Diouani 2005, S. 62).

Der Aufbau von tragfähigen Beziehungen zu neuen Bezugspersonen ist für Pflegekinder eine Chance, frühere traumatisierende Erfahrungen zu verarbeiten und pathologische Bindungserfahrungen zu korrigieren (vgl. Cappenberg 2005, S. 88). Dabei ist wichtig, dass ihre Bedürfnisse im Sinne des Konzeptes der Feinfühligkeit wahrgenommen, richtig interpretiert sowie schnell und angemessen befriedigt werden. Auf solche Beziehungsangebote können sich traumatisierte und bindungsgestörte Kinder jedoch nur dann einlassen, wenn sie von ihren misshandelnden oder vernachlässigenden Herkunftseltern keine Bedrohung mehr befürchten müssen und sich gleichzeitig bei ihren Pflegeeltern sicher und geschützt fühlen. Diese Voraussetzungen sind jedoch dann nicht gegeben, wenn Kinder durch erzwungene Besuchskontakte die Macht ihrer leiblichen Eltern weiterhin erfahren und ihre Pflegeeltern die Kontakte mit den angstbesetzten und bedrohlich erlebten Eltern unterstützen (müssen) (vgl. ebd., S. 90 f.). Unter diesen Umständen wird nicht nur das oben formulierte Ziel von Dauerpflegeverhältnissen verfehlt, sondern auch eine „ständige Retraumatisierungserfahrung“ (Brisch 2006, S. 241) des Kindes provoziert. Die betroffenen Kinder können sich nicht kritisch von ihren Herkunftseltern distanzieren und sind somit gezwungen, an ihren pathologischen Abwehr- und Bewältigungsmechanismen festzuhalten. Dadurch wird der Aufbau neuer positiver Bindungen verhindert und sie werden zu „psychisch elternlosen Kindern“ (Nienstedt/Westermann 1989, zit. nach Cappenberg 2005, S. 87).

Die Anbahnung von ersten persönlichen Kontakten zwischen traumatisierten Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern nach der Fremdplatzierung hält Brisch (2006) nur unter folgenden Bedingungen für denkbar: Der Kontaktwunsch geht vom Kind selbst aus, die körperliche und psychische Sicherheit des Kindes ist gewährleistet und die Herkunftseltern haben im Rahmen einer Psychotherapie positive psychische Veränderungen erreicht. Voraussetzungen für weitere Kontakte sind auf Seiten der Eltern feinfühliges Verhalten und auf Seiten des Kindes das Ausbleiben kritischer Reaktionen (vgl. ebd., S. 241 f.).

3.2. Das Ergänzungsfamilienkonzept

Bedeutendster Vertreter des Ergänzungsfamilienkonzeptes ist das Deutsche Jugendinstitut, dessen Aussagen auf seinem Modellprojekt „Beratung im Pflegekinderbereich“[12] beruhen, das zwischen 1980 und 1985 durchgeführt wurde. Theoretische Grundlagen stellen sowohl Aspekte der Bindungstheorie als auch der systemorientierte Ansatz dar. Ein grundsätzlicher Unterschied im Vergleich zum Ersatzfamilienkonzept liegt in der Annahme „von einem eher geringen Anteil beziehungsgestörter Herkunftseltern (...) und somit von einem sehr geringen Anteil pathologischer Eltern-Kind-Beziehungen“ (Conrad/Stumpf 2006, S. 20).

3.2.1 Die Relevanz der Bindungstheorie für das Ergänzungsfamilienkonzept

Ebenso wie die Vertreter des Ersatzfamilienkonzeptes berufen sich Vertreter des Ergänzungsfamilienkonzeptes auf Erkenntnisse aus der Bindungstheorie, ziehen für die Arbeit mit Pflegekindern jedoch andere Konsequenzen daraus. Die elementare Bedeutung von Bindung und der Verfügbarkeit einer Bindungsperson für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung wird auch im inklusiven Konzept betont. Die Fähigkeit von Kindern, zu mehreren Bezugspersonen Bindungen aufzubauen, ist für Gudat eine zentrale Erkenntnis, da sie übertragen auf Pflegekinder bedeutet, dass „bestehende Bindungen keineswegs ein Hindernis für das Kind darstellen, eine neue zusätzliche Bindung einzugehen“ (Gudat 1987a, S. 28).

Um die Situation von Pflegekindern nach der Trennung von ihren leiblichen Eltern zu verdeutlichen, verweist Gudat auf Bowlbys Arbeiten über kindliche Trauerprozesse nach dem Verlust eines Elternteils. Demnach reagieren schon Kleinkinder ab dem Alter von etwa 16 Monaten mit Trauer auf den Verlust einer Bindungsperson, bei Kindern im Alter von zweieinhalb Jahren an sind bereits ähnliche Trauerphasen wie bei Erwachsenen zu beobachten. Auch wenn Kinder ihrer Trauer anderen Ausdruck verleihen als Erwachsene, ist der Trauerprozess für sie dennoch schmerzvoll und wird entscheidend von den Bedingungen vor, während und nach dem Verlust geprägt. Positive Einflussfaktoren für den Verlauf der Trauer sind Trost und Nähe durch den verbliebenen Elternteil oder eine andere möglichst vertraute Ersatzperson (verbunden mit der Sicherheit, dass diese Beziehung erhalten bleibt), ehrliche und verständliche Informationen über das

Geschehene und seine Folgen, Annahme seiner Gefühle und Unterstützung in seinem Ausdruck (vgl. ebd., S. 33 f.). Übertragen auf Pflegeverhältnisse folgert Gudat aus Bowlbys bindungstheoretischen Überlegungen drei Leitlinien (vgl. ebd., S. 34 ff.):

(1) Um eine gesunde Entwicklung des Kindes zu ermöglichen, ist die angemessene Befriedigung seiner Bindungsbedürfnisse durch verfügbare Bezugspersonen notwendig.
(2) Unter der Voraussetzung, dass das Kind vor der Trennung von seinen Herkunftseltern Bindungen zu diesen entwickelt hat, sollen diese bestehenden Bindungen geachtet werden. Umgekehrt sollen auch entstandene Bindungen an die Pflegeeltern nach einer Rückführung in die Herkunftsfamilie möglichst nicht abgebrochen werden. Verluste von Bindungspersonen sind also wenn möglich zu vermeiden, da der kindliche Trauerprozess störanfällig ist und einen Risikofaktor für seine weitere Entwicklung darstellt. Dennoch kann es Situationen geben, die zum Schutz des Kindeswohls einen Kontaktabbruch erfordern. Die Entscheidung der jeweiligen Handlungsweise muss jedoch im Einzelfall getroffen werden, es gibt keine Wenn-Dann-Empfehlungen.
(3) Ist der Bindungsabbruch unvermeidbar, so sollen die oben beschriebenen Bedingungen, die sich günstig auf den kindlichen Trauerprozess auswirken, berücksichtigt werden. Bezogen auf den Verlust der Eltern durch Fremdplatzierung ergeben sich daraus die Anforderungen, dass 1. das Kind eine verfügbare Ersatzperson braucht und ihm die Beständigkeit dieser Beziehung versichert wird, 2. dem Kind die Umstände der Inpflegegabe und sein weiterer Verbleib erklärt werden und 3. seine Gefühle und der Ausdruck seiner Trauer respektiert werden.

3.2.2 Systemische Sicht von Pflegeverhältnissen

Die systemische Sichtweise stellt im Gegensatz zum Ersatzfamilienkonzept nicht das Pflegekind in den Mittelpunkt, sondern erweitert den Blick auf das gesamte Pflegefamiliensystem (Herkunftsfamilie, Pflegefamilie, Pflegekind), auf weitere involvierte Akteure (z.B. Jugendamt oder Familiengericht) sowie auf das „gesamtgesellschaftliche System der Jugendhilfe“ (Gudat 1987b, S. 39 ff.). Gudat distanziert sich vom linear-kausalen Denken mit der Begründung, dass dieser Ansatz für das Erklären menschlichen Verhaltens und der Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen unzureichend sei und die Suche nach einer bestimmten Ursache häufig mit Schuldzuweisungen einhergehe. Das Interesse der systemischen Familientherapie gelte jedoch nicht der Schuldfrage, sondern der Frage nach dem Sinn. Um Prozesse in Familiensystemen zu verstehen, favorisiert er das zirkuläre Denken und interpretiert „Ereignisfolgen als Kreisprozesse sich gegenseitig bedingender Ereignisse“ (ebd., S. 43). Die Verhaltensweisen der einzelnen Familienmitglieder beeinflussen sich demnach gegenseitig. Die Frage nach der Ursache bestimmter Ereignisse hält er aufgrund der beschriebenen Korrelation für „unsinnig“ (ebd.).

3.2.2.1 Strukturmerkmale in Pflegefamilien-Systemen

Um die Besonderheit der Familienstruktur von Pflegeverhältnissen darzulegen, greift Gudat (1987b) auf zentrale Grundbegriffe der strukturellen Familientherapie nach Minuchin zurück.

Nach der Fremdplatzierung eines Kindes entsteht durch die Berührungspunkte zweier Familiensysteme eine neue Familienstruktur, die wesentlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Pflegekindes hat. In seinen Überlegungen zum Strukturmodell der Ersatzfamilie kritisiert Gudat die Rolle der Herkunftsfamilie als „Anhang“ des Pflegekindes ohne direkte Verbindung zu den Pflegeeltern. Diese Beziehungskonstellation führe dazu, dass die Beziehung des Kindes zu seinen Pflegeeltern die leiblichen Eltern ausschließt und umgekehrt seine Beziehung zu den leiblichen Eltern die Pflegeeltern ausschließt. Für das Kind ergebe sich daraus eine sehr belastende Situation, die auch als „pathogenes Dreieck“ bezeichnet wird: „Das Kind ist mit zwei verschiedenen Erwachsenen jeweils in einer Koalition, die sich gegen den anderen richtet, gleichzeitig haben die Erwachsenen eine negative, konfliktreiche Beziehung zueinander“ (Gudat 1987b, S. 54). Gudat vermutet, dass diese dysfunktionale Struktur ein Herausdrängen der Herkunftseltern begünstige, was für das Pflegekind einen weder rechtlich noch psychologisch zu rechtfertigenden Beziehungsverlust bedeute.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Strukturdiagramm einer Pflegefamilie vom Ersatzfamilien-Typ (Grafik entnommen aus Gudat 1987b, S. 53)

Im Ergänzungsfamilienmodell sieht Gudat den entscheidenden Vorteil, dass sich aufgrund der anderen Aufgabenbestimmung der Pflegeeltern - nämlich nicht dem völligen Ersatz der Herkunftseltern, sondern ihrer Ergänzung in bestimmten Bereichen - eine wesentlich andere Familienstruktur ergebe. Um den dem Ersatzfamilienkonzept innewohnenden Gefahren der Dreiecksbildung und des Beziehungsabbruchs zu den leiblichen Eltern vorzubeugen, fordert er eine klare Grenze zwischen dem Eltern-Subsystem und dem Kinder-Subsystem. Somit treten Pflege- und Herkunftseltern direkt miteinander in Kontakt und bilden ein „erweitertes Elternsubsystem“ (ebd., S. 55). Leibliche Eltern sind diesem Verständnis nach nicht der Anhang des Pflegekindes, sondern ein „Subsystem der Pflegefamilie auf der Elternebene“ (Kötter 1997, S. 69). Das Kind werde dadurch entlastet, dass es von der Verantwortung für das Verhältnis zwischen Pflege- und Herkunftseltern befreit wird. In dieser Beziehungskonstellation stehe das Kind bei Konflikten nicht zwischen den beiden Elternpaaren und könne zu den Pflege- und Herkunftseltern gleichzeitig Beziehungen haben. Gudat geht davon aus, dass die Intensität der jeweiligen Beziehungen vom Alter des Kindes bei der Inpflegegabe abhängt und phasenweise mehr oder weniger stark sein kann. Die kindlichen Bedürfnisse nach Nähe und Distanz sollen von den Erwachsenen akzeptiert werden, um ihm eine aktive Beziehungsgestaltung zu ermöglichen (vgl. Gudat 1987b, S. 55).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Strukturdiagramm einer Pflegefamilie vom Ergänzungsfamilien-Typ (Grafik entnommen aus Gudat 1987b, S. 55)

Bezogen auf die Ausgestaltung von Umgangskontakten ergibt sich aus der Familienstruktur nach dem Verständnis der Ergänzungsfamilie die Anforderung an Pflege- und Herkunftseltern zu kooperieren und gemeinsame Regelungen zu vereinbaren (vgl. ebd., S.59)[13] . Das Verständnis, dass Pflegekinder „prinzipiell zu zwei Familien gehören“ (ebd., S. 362) führt dazu, dass Pflege- und Herkunftseltern die Beziehungen oder Bindungen zur jeweils anderen Familie achten sollen.

3.2.3 Besuchskontakte aus der Perspektive des Ergänzungsfamilienkonzeptes

Der Anspruch, die bestehenden Bindungen zwischen Pflegekind und seinen leiblichen Eltern zu wahren, soll u.a. durch persönliche Kontakte verwirklicht werden. Die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen in der Herkunftsfamilie und das Aufrechterhalten der Beziehung zu den leiblichen Eltern werden von Vertretern des Ergänzungsfamilienkonzeptes als förderliche Einflussfaktoren für die Identitätsentwicklung von Pflegekindern gesehen (vgl. Sauer 2008, S. 49).

Durch die Besuchskontakte können sich Pflegekinder mit ihren Wurzeln beschäftigen, und es wird einer verzerrten Wahrnehmung der leiblichen Eltern entgegengewirkt. Aufgrund der Fähigkeit von Kindern, gleichzeitig mehrere Bindungen zu verschiedenen Bezugspersonen einzugehen, wirken sich die Kontakte zur Herkunftsfamilie bei gleichzeitigem Lebensmittelpunkt in der Pflegefamilie nicht schädlich auf die kindliche Entwicklung aus (vgl. Kötter 1997, S. 68).

Der Beziehungsdynamik zwischen Pflege- und Herkunftseltern wird für die kindliche Bewältigung der Zugehörigkeit zu zwei verschiedenen Familiensystemen eine große Bedeutung beigemessen. Die teilweise heftigen Reaktionen des Kindes nach Besuchskontakten mit seinen leiblichen Eltern können demnach nicht losgelöst von diesem Aspekt verstanden werden (vgl. Gudat 1987b, S. 60 f.). Die Lösung von Konflikten zwischen Pflege- und Herkunftseltern wird nicht im Abbruch der Besuchskontakte gesehen, sondern kann „nur durch eine gemeinsame Konfliktbearbeitung der Elternpaare auf der Erwachsenenebene ohne die Beteiligung des Kindes“ (Kötter 1997, S. 69) erreicht werden.

3.3. Gegenüberstellung der beiden Konzepte

Wie in den vorangegangenen Ausführungen deutlich wurde, gehen die Vertreter der beiden Konzepte von jeweils grundsätzlich anderen Ausgangsbedingungen von Pflegeverhältnissen aus, die in der Konsequenz zu unterschiedlichen Zielvorstellungen führen. Die Vertreter des Ersatzfamilienkonzeptes mit dem theoretischen Schwerpunkt der Psychoanalyse gehen von überwiegend gestörten Eltern-Kind-Beziehungen aus und einer großen Anzahl traumatisierter und angstgebundener Pflegekinder. Im Mittelpunkt aller Überlegungen bezüglich des Pflegeverhältnisses steht das Kind, dem die Korrektur seiner traumatischen Erfahrungen und der Aufbau neuer, exklusiver und tragfähiger Eltern-Kind- Bindungen ermöglicht werden soll. Als Voraussetzungen für diese Ziele werden von Nienstedt und Westermann der Abbruch persönlicher Kontakte zwischen Pflegekind und seinen leiblichen Eltern sowie die Verabschiedung der Herkunftseltern aus ihrer Elternrolle gesehen.

[...]


[1] Zu der Frage, welche Kriterien bei der Entscheidung über die Eignung von Vollzeitpflege relevant sind, vgl. Jordan 2002, S. 93 ff.

[2] Fir alle Paragrafen in diesem Kapitel vgl. Stascheit 2007

[3] Das Kindeswohl ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und zentrales Element verschiedener Regelungen im Kindschaftsrecht (BGB) und Jugendhilferecht (SGB VIII). Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Definition muss der Begriff des Kindeswohls individuell ausgelegt werden. Hauptsachliche Kriterien fir die nahere Bestimmung sind die Grundrechte des Kindes bzw. des Jugendlichen. Konkrete Bestandteile sind ,das Recht des Kindes auf Kontinuitat von Beziehungen bzw. von gewachsenen Bindungen, die Bericksichtigung seines Willens (.) sowie die Orientierung der Entscheidungen am kindlichen Zeitbegriff" (Conrad/Stumpf 2006, S. 118). Das Kindeswohl muss sowohl in der gegenwartigen Situation als auch in der zukinftigen Entwicklung gewahrleistet sein und umfasst neben der Erziehung zur eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfahigen Personlichkeit (vgl. § 1 Abs. 1 SGB VIII) auch den Schutz vor Gefahren fir das Wohl (vgl. Schmid/Meysen 2006, S. 2-1 ff.).

[4] Eine Kindeswohlgefährdung ist laut Rechtssprechung des Bundesgerichthofs „eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“ (BGH FamRZ 1956, 350, zit. nach Schmid/Meysen 2006, S. 2-5).

[5] „Eine Begleitung der Kontakte bedeutet immer eine Begleitung durch eine Fachkraft, die schützend und regulierend die Kontakte beobachten und lenken soll. Wenn die Pflegemutter oder der Pflegevater beim Kontakt anwesend sind, gilt dies im fachlichen Verständnis nicht als Besuchskontaktbegleitwng“ (Hopp 2004, S. 256).

[6] Weiterführende Informationen bei Heilmann, Stefan (2002): Kindliches Zeitempfinden und Verfahrensrecht. Neuwied: Luchterhand

[7] Unter Resilienz versteht man „die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen, die es ermöglicht, selbst widrigste Lebenssituationen und hohe Belastungen ohne nachhaltige psychische Schäden zu bewältigen“ (Meyers Lexikon Online)

[8] Cappenberg bezieht sich in ihrem Verstandnis von Trauma auf die folgende Definition: ,Von Traumatisierung sprechen wir dann, wenn von Eltern die elementarsten Bedirfnisse ihres Kindes nicht wahrgenommen und respektiert werden und wenn das Kind von seinen Eltern iberwaltigt wird und sie dadurch als Schutzobjekt verliert" (Nienstedt/Westermann 1989, S. 92, zit. nach Cappenberg 2005, S. 81).

[9] „Eine Kindesmisshandlung liegt dann vor, wenn das Kind von seinen Eltern, zu denen es bei Gefahr und Angst schutzsuchend fliehen musste, überwältigt wird, so dass es sie nicht nur als Schutzobjekte verliert, sondern auch mörderisch-überwältigend erleben muss“ (Westermann 1998, S. 37, zit. nach ebd.).

[10] Dazu ist es erforderlich, „die Vorerfahrungen des Kindes aus seiner Sicht wahrzunehmen, sein inneres Erleben qualifiziert kinderpsychologisch zu untersuchen und sein scheinbar unauffälliges Verhalten dann u.U. als angstmotivierte Überanpassung zu interpretieren“ (Cappenberg 2005, S. 86).

[11] An dieser Stelle sei explizit daraufhingewiesen, dass die folgenden Aussagen auf traumatisierte, bindungsgestörte Pflegekinder bezogen sind und nicht für Kinder mit positiven Bindungen zu ihren Herkunftseltern gelten.

[12] Vgl. Deutsches Zur Arbeit mit Herkunfts- und Pflegeeltern vgl. ausfihrlicher Deutsches Jugendinstitut 1987 Jugendinstitut 1987

[13] Zur Arbeit mit Herkunfts- und Pflegeeltern vgl. ausfihrlicher Deutsches Jugendinstitut 1987

Ende der Leseprobe aus 127 Seiten

Details

Titel
Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern
Hochschule
Evangelische Fachhochschule Freiburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
127
Katalognummer
V165812
ISBN (eBook)
9783640817573
ISBN (Buch)
9783640821143
Dateigröße
1495 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
besuchskontakte, pflegekindern, eltern
Arbeit zitieren
Carola Apfel (Autor:in), 2009, Besuchskontakte zwischen Pflegekindern und ihren leiblichen Eltern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/165812

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