HIV als transnationales Problem

Die HIV-Epidemie auf Batam, Indonesien


Diplomarbeit, 2008

98 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALT

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die ökonomisch-transnationale Entwicklung der Insel Batam
2.1 Die Geschichte des Riau Archipels und seine Verbindung zu Singapur
2.2 Der Beginn der industriellen Entwicklung auf Batam
2.3 Das Indonesien-Malaysia-Singapur Wachstumsdreieck - ein transnationaler Wirtschaftsraum entsteht
2.4 Die Entwicklungen im Wachstumsdreieck und die Auswirkungen der Asienkrise
2.5 Aktuelle Entwicklungen auf Batam

3. Der soziale Aspekt - Leben und Arbeiten auf Batam
3.1 Der Batamindo Industriepark und die organisierte Migration nach Batam
3.2 Hoffnung auf ein besseres Leben - unorganisierte Migration nach Batam
3.3 Lebensumstände auf Batam und die Entstehung von transnationalen Gemeinschaften
3.3.1 Familienleben in einer Slumsiedlung
3.3.2 Batak-Frauen in einer privaten Unterkunft
3.3.3 Ein Wohnheim auf dem Gelände des Batamindo Industrieparks

4. Sexindustrie und HIV-Risiko auf Batam
4.1 „Island of Sin“ - Geschichte und Organisation der Prostitution auf Batam
4.2 Die Bedeutung von Scham bei Prostituierten auf Batam
4.3 Prostitution und HIV-Risiko auf Batam

5. HIV als transnationales Problem
5.1 Die Zusammenhänge von Bevölkerungsmobilität und HIV
5.1.1 Interne Bevölkerungsmobilität in Indonesien: Asienkrise, Menschenhandel und HIV-Ausbreitung
5.1.2 Indonesische Arbeiter im Ausland und ihr Risiko einer HIV-Infektion
5.1.3 Die Verbindung von hoher Mobilität, Sexindustrie und HIV-Ausbreitung in Indonesien
5.2 Von Batam ausgehende Verbreitungswege der HIV-Epidemie
5.2.1 Singapurische Männer als Kunden der Sexindustrie auf Batam
5.2.2 Prostituierte aus Batam in Singapur
5.2.3 Weitere Arten der grenz- und „insel“-überschreitenden Prostitution

6. Die HIV-Politik von Indonesien und Singapur in Bezug auf Batam
6.1 Die indonesische HIV-Politik auf Batam
6.2 Die HIV-Politik Singapurs in Bezug auf Batam

7. Nichtregierungsorganisationen als Akteure der HIV-Bekämpfung
7.1 Nichtregierungsorganisationen in Indonesien und auf Batam
7.2 Nichtregierungsorganisationen auf Batam als Akteure der HIV-Bekämpfung

8. Schlussbetrachtung

Glossar

Literatur

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Das Singapur-Johor-Riau Wachstumsdreieck

Abbildung 2: Dreieck der wirtschaftlichen Komplementarität

Abbildung 3: Routen des Menschenhandels nach der Art der Tätigkeit

Abbildung 4: Überweisungen nach Indonesien von 1983 bis 2005

Abbildung 5: Transportrouten des internationalen Menschenhandels in Indonesien

Abbildung 6: Modell zur möglichen Verbreitung von HIV/AIDS in In- donesien durch die kommerzielle Sexindustrie

Abbildung 7: Risikoverhalten der Zielgruppe

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

While Batam is regarded as one of Indonesia’s best economic success stories, its so- cial culture facilitates risky sexual behaviors. Regarded as a top site for the sex trade and sex tourism in the region, Batam is well known in the Malaysia-Singapore- Indonesia region for its flourishing nightlife of 10,000 brothel-based and street- based female and male sex workers. Unlike Indonesia’s village social culture found in most community settings, Batam is devoid of Indonesia’s traditional social net- works. Batam is a community focused on business, exports, tourism, sex and money. Batam is unwittingly contributing to a growing Indonesian business venture -- the import-export of HIV/AIDS. (USAID / INDONESIA1 )

Die Insel Batam, die zur indonesischen Provinz Riau Kepulauan (wörtlich: Riau Inseln) gehört, hat durch ihre Zugehörigkeit zum Indonesien-Malaysia-Singapur Wachstumsdreieck einen starken Wandel erfahren. War sie in den 50er Jahren noch ein dünn besiedeltes Fischerdorf, so ist sie nun ein stark bevölkerter, durch fortlaufende Migration multiethnischer und transnationaler Industriestandort geworden und kämpft mit verschiedenen sozialen Problemen, wie beispielsweise der Ausbreitung von HIV/AIDS.

Die transnationale Situation in Batam - das Entstehen des Wachstumsdreiecks, das Johor in Malaysia, Singapur sowie Batam und seine Nachbarinseln verbindet, die vielen Migranten, die Durchreisenden, die Geschäftsleute und Touristen - hat unter anderem auch eine florie- rende, weit gefächerte Prostitutionsszene entstehen lassen. Batam wird nach Einschätzun- gen von UNAIDS als ein Risikogebiet für die HIV/AIDS-Ausbreitung betrachtet. Von hier kann sich das Virus in ganz Indonesien und über die Landesgrenzen hinaus verbreiten.

Die Provinz Riau Kepulauan, zu der Batam gehört, steht im Juni 2007 im indonesischen Vergleich bei der Prävalenz von AIDS-Fällen pro 100.000 Einwohner an dritter Stelle, nach Papua und dem Großraum Jakarta, mit einer Prävalenzrate von 17,35. Durch Faktoren wie die kommerzielle Sexindustrie und niedrige Raten der Kondom-Benutzung liegt die Dunkelziffer der HIV/AIDS-Fälle jedoch wahrscheinlich weit höher.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, das HIV-Problem auf Batam mit Bezug auf die transnationale Situation zu analysieren und herausfinden, wie sich in diesem Gebiet das HI-Virus in die umliegenden Länder, aber auch innerhalb Indonesiens, verbreitet.

Der transnationale Ansatz hat seine Ursprünge zum einen in der Ökonomie und zum ande- ren in der Migrationsforschung. In dieser Arbeit gehe ich im zweiten Kapitel auf den öko- nomischen Ursprung ein, beschäftige mich aber hauptsächlich mit den sozialen, politischen und kulturellen Aspekten des Transnationalismus. Dieser Ansatz wird seit den 1990er Jah- ren in sozialen und anthropologischen Studien benutzt, als man merkte, dass Migranten nicht notwendigerweise auswandern und im Gastland assimiliert werden oder als kurzfristi- ge Wanderarbeiter nach Hause zurückkehren, sondern dass zunehmend transnationale Ge- meinschaften entstehen, die zwischen zwei oder mehr Ländern situiert sind und in denen sich MigrantInnen hin und her bewegen. Diese Menschen werden auch als Transmigranten bezeichnet und da Batam ein Ort ist, in dem viele Transmigranten leben, werde ich analy- sieren, welche Auswirkungen die Mobilität der Menschen auf das HI-Virus hat. Das HI-Virus als transnationales Problem auf Batam zu betrachten wirft eine Reihe von Fragen auf:

Wie hat sich Batam zu einem ökonomisch- transnationalen Raum entwickelt? Woher und wie kommen die Menschen nach Batam und wie gestaltet sich ihre Lebens- und Arbeitssituation? Wie hat sich die Prostitutionsszene auf Batam entwickelt, wie ist sie organisiert, was sind die Gründe für die Verbreitung des HI-Virus? Wie sind die Zusammenhänge von Mobilität und HIV und wie breitet sich das Virus konkret von Batam ausgehend aus, bzw. wohin und in welchem Ausmaß? Welche Politik betreiben die Regierungen von Indonesien und Singapur in Bezug auf die Eindämmung des HI-Virus auf Batam? Was leisten Nichtregierungsorganisationen als Akteure der HIV-Bekämpfung auf Batam? Gibt es transnationale Ansätze, um das HIV-Problem in den Griff zu bekommen?

Um diese Fragen umfassend zu beantworten werde ich mich in dieser Arbeit von der Peripherie - die Entwicklung von Batam - zum Zentrum - wie sich HIV über die Grenzen hinweg verbreitet - annähern.

So befasst sich das zweite Kapitel der Arbeit mit der transnational-ökonomischen Entwicklung der Insel Batam, von einem Ort mit marginaler Bedeutung zu einem Industriestandort eingegliedert in ein Wachstumsdreieck.

Das dritte Kapitel handelt von den Arbeitern, die aus verschiedenen Orten nach Batam migrieren und ihren Lebensumständen, um einen Einblick in die sozialen Umstände der Bevölkerung zu erhalten.

Das vierte Kapitel nähert sich der HIV-Problematik und beleuchtet Geschichte und Organisation der Sexindustrie und den Aspekt von Prostitution und HIV-Übertragung auf Batam, wobei auch kulturelle Aspekte nicht außer Acht gelassen werden.

Den wichtigsten Teil der Arbeit stellt das fünfte Kapitel dar, das sich einleitend mit den Zusammenhängen von Mobilität in Indonesien und HIV befasst, um dann konkret auf Ba- tam einzugehen und zu analysieren, wie das Virus über Grenzen verbreitet wird. An dieser Stelle sollen die Akteure und ihr transnationales Verhalten genau dargestellt werden. Das sechste Kapitel analysiert die HIV-Politik von Singapur und Indonesien bezüglich Ba- tam und geht der Frage eines transnationalen Vorgehens nach. Besondere Beachtung erfah- ren hierbei die neuen Gesetzesentwürfe Singapurs, die eine Ausweitung ihrer Kontrollen über die Grenze hinweg vorsehen.

Abschließend werde ich die Arbeit verschiedener Nichtregierungsorganisationen auf Batam vorstellen und, wie schon im vorigen Kapitel, der Frage nachgehen, inwieweit sie die transnationale Situation auf Batam in ihren Projekten berücksichtigen.

An einigen Stellen gestaltete es sich schwierig dem Anspruch der Arbeit - das transnationa- le Verhalten der Menschen nachzuvollziehen, um dadurch Informationen über die Verbrei- tung des HI-Virus zu erhalten - gerecht zu werden. Dies lag an der teils unzureichenden Literaturlage, da zwar sehr viele Autoren die wirtschaftliche Situation Batams als Teil des Wachstumsdreiecks hervorheben, doch die sozialen Auswirkungen eines solchen Projektes und das Verhalten der involvierten Menschen häufig stiefmütterlich behandelt werden.

Bei meinen Bemühungen, Batam als transnationalen Raum darzustellen, habe ich mich mit verschiedenen Transnationalismustheorien auseinandergesetzt, deren Verfasser folglich zu meinen wichtigsten Quellen zählen. Als weiterer bedeutender Autor für diese Arbeit ist Johan Lindquist zu nennen, der mehrere Jahre auf Batam forschte und in seinen Veröffent- lichungen wichtige Aspekte behandelte, die für diese Arbeit sehr hilfreich waren. Die Ex- kursion „Die Straße von Malakka: Transnationalisierung eines Raumes“, die unter Leitung von Dr. Oliver Pye von der Universität Bonn im Oktober/November 2007 nach Malaysia, Singapur und Indonesien durchgeführt wurde und an der ich teilnehmen durfte, ermöglichte es mir, die Situation vor Ort besser einschätzen zu können und wertvolle Gespräche mit verschiedenen Akteuren zu HIV/AIDS auf Batam zu führen. Hier gilt mein besonderer Dank Dr. Pye, der diese Reise initiierte.

2. Die ökonomisch-transnationale Entwicklung der Insel Batam

Dieses Kapitel befasst sich mit der wirtschaftlich-transnationalen Entwicklung der Insel Batam und den darin involvierten Akteuren.

2.1 Die Geschichte des Riau Archipels und seine Verbindung zu Singapur

Batam ist eine der drei größten von insgesamt circa 3.000 Inseln der indonesischen Provinz Riau Kepulauan2.

Die Provinz erstreckt sich in westlicher Richtung bis zur Küste von Sumatra und in östli- cher Richtung grenzt sie an das Seegebiet von Malaysia und Singapur. Batam besitzt eine strategisch sehr günstige Lage im Zentrum der Straße von Malakka, ei- ner der wichtigsten Schifffahrtsverbindungen in Asien, und ist nur 20 Kilometer von Sin- gapur entfernt.

Zu Beginn soll kurz der geschichtliche Kontext des Riau-Archipels und seine Verbindung zu Singapur erläutert werden.

In der vorkolonialen Zeit gab es viele wichtige Handelsrouten im malaiischen Archipel, die zu engen sozialen, kulturellen und ökonomischen Verbindungen zwischen verschiedenen Gemeinschaften führten. Das Johor-Riau Sultanat, das von 1511 bis 1824 existierte, ver- band schon damals als vereinigte Regierungsform die Gebiete Riau, Singapur und Johor (CHOU: 2006: 245).

Im frühen 17. Jahrhundert befanden sich die Hauptstadt des Sultanats und der wichtigste Hafen der Region auf einer Insel des Riau-Archipels. Dadurch kamen viele Migranten, un- ter ihnen Bugis und Chinesen, dort an. Auch die Kolonialmächte England und die Nieder- lande hatten ein starkes Interesse an der Region und teilten sie unter sich auf. Der Vertrag von London aus dem Jahr 1824 besiegelte, dass fortan Sumatra den Niederlanden, Singapur und die malaiische Halbinsel den Briten zugesprochen wurde. Mit diesem Vertrag wurde die Straße von Malakka die Grenzlinie zwischen dem niederländischen und dem britischen Kolonialreich (FORD / LYONS 2006: 259).

Singapur erlebte nach seiner Gründung 1819 eine positive ökonomische Entwicklung. Starke chinesische und europäische Migration ließ die Bevölkerung rasch anwachsen, und der Stadtstaat wurde mit seinem Hafen zu einer Wirtschaftsmacht in der Region, die regen Handel mit Riau trieb (LINDQUIST 2002: 51).

In Riau waren die Holländer bemüht wirtschaftlich aufzuholen und erklärten Tanjung Pi- nang 1828 zur zollfreien Zone. Große Probleme bereitete ihnen der Schmuggel von Men- schen und Gütern über die Grenze. Durch ihre Länge war sie schwer zu kontrollieren und die Menschen konnten sie problemlos überqueren.

Nach der indonesischen Unabhängigkeit im Jahr 1945 brauchte der indonesische Staat weitere fünf Jahre, um Riau von den Niederlanden zurück zu erhalten und es unter eigene Verwaltung zu bringen (LINDQUIST 2002: 54).

Wie aus von FORD / LYONS (2006: 260) geführten Interviews mit älteren Menschen aus Tanjung Pinang auf Bintan hervorgeht, gab es eine „gemeinsame Geschichte“ von Singapur und Riau und „familiäre Beziehungen“ zwischen den Menschen, da sie sich häufig gegen- seitig besuchten. Zusätzlich zu diesen sozialen Aspekten fand ein starker ökonomischer Austausch zwischen den Gebieten statt, der viel bedeutender war als der zwischen Riau und dem restlichen Indonesien. Dies besagen auch die von LINDQUIST (2002: 56) geführten In- terviews auf Batam, in denen ältere Bürger vom ständigen Pendeln zwischen Singapur und Batam berichten. Die Bevölkerung von Batam bestand damals aus nur 3.000 Fischern und Farmern.

Durch die gute ökonomische Lage kamen viele Menschen aus anderen Teilen Indonesiens nach Riau. Auch hatte sich der Singapur-Dollar im Riau Archipel durchgesetzt. Dies hielt an bis zu Sukarnos Politik der Konfrontasi von 1963 bis 19653. Die Grenze wurde fortan kontrolliert und die Menschen durften nur noch eingeschränkt nach Singapur reisen. Au- ßerdem wurde der Singapur-Dollar verboten und anfänglich eine lokale Währung, später die indonesische Rupiah, eingeführt. Die von FORD / LYONS (2006: 260) geführten Inter- views mit Bewohnern von Tanjung Pinang besagen, dass ihr Leben durch die Zeit der Kon- frontasi härter wurde. Ohne den Handel mit Singapur hatten die Menschen kaum Geld, um sich das Nötigste zu kaufen. Ihre einzige Möglichkeit war, sich im Schmuggel zu betätigen. Zudem fühlten sie sich durch das Erstarken der Grenze eingesperrt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Politik der Konfrontasi viel bedeutender für die Grenzpolitik zwischen Indonesien, Malaysia und Singapur war als die Unabhängigkeit In- donesiens. Diese Politik machte die Menschen auf jeder Seite der Grenze zu Staatsbürgern eines bestimmten Landes und rief ihnen die Grenze ins Bewusstsein (FORD / LYONS 2006: 260).

Im Verlauf der 1970er Jahre normalisierten sich die Beziehungen zwischen Indonesien und den, mittlerweile wieder getrennten, Nationen Malaysia und Singapur. Der Handel wurde aufgenommen, allerdings gab es nun bei der Grenzüberquerung Ausweiskontrollen. Doch der Wohlstand hielt, unterstützt durch regen Schmuggel, wieder Einzug im Riau-Archipel und es gab kaum Unterschiede zwischen dem Leben dort und dem in Singapur. Dies änder- te sich jedoch in den 1980er Jahren durch Singapurs Industrialisierung erneut. Der Handel wurde zwar fortgesetzt, aber die Grenze bekam zusätzlich eine symbolische Rolle zwischen dem entwickelten Singapur und dem rückständigen Indonesien. Zum ersten Mal stellte die Grenze für die Bewohner Riaus eine Barriere dar, in der die ökonomischen Disparitäten deutlich wurden und die den Traum eines gemeinsamen „way of life“ über die Straße von Malakka hinweg zerriss (FORD / LYONS 2006: 261).

2.2 Der Beginn der industriellen Entwicklung auf Batam

Den Anstoß zur Entwicklung Batams gab die nationale indonesische Erdölgesellschaft Pertamina aufgrund von umfangreichen Erdölvorkommen im Riau Archipel. Sie begann 1969 mit der Einrichtung von Basisinfrastrukturen zur Unterstützung von Förderstationen und wollte Batam für den Erdölhandel und die Erdölverarbeitung ausbauen.

Präsident Suharto4 begrüßte die Pläne von Pertamina und genehmigte sie durch zwei präsi- dentielle Dekrete. Mit dem ersten von 1970 bestätigte er den Ausbau der Insel zur Basis für die Förderung von Erdöl- und Erdgasvorkommen, im zweiten von 1971 verfügte er die Ein- richtung eines Industriegebietes im Norden Batams. Außerdem wurde die „Batam Industri- al Estate Authority“ zur Projektkoordinierung, zur Planung von Infrastrukturen und zur Annahme von Investitionsanträgen gegründet. Sie war dem Präsident gegenüber direkt ver- antwortlich.

1972 hatten sich bereits die ersten ausländischen Erdölunternehmen auf Batam angesiedelt, als Pertamina einen Masterplan für die Entwicklung der Insel ausarbeitete. Dieser Plan nannte unter anderem die Erdölraffinierung als wichtigsten Industriezweig für Batam und wollte eine Freihandels- und eine Industriezone mit Verbindungen zur indonesischen In- selwelt erstellen. Daraufhin erließ Suharto 1973 ein weiteres Dekret, welches die beiden vorhergehenden ersetzte. Er erklärte darin ganz Batam zum Industriegebiet und machte das „Batam Industrial Estate Board“ für die Entwicklung und Verwaltung von Batam verant- wortlich. Von dieser aus drei Gliedern bestehenden Körperschaft kam in der Praxis dem „Batam Industrial Development Authority“ (BIDA) die größte Bedeutung zu und ersetzte das „Batam Industrial Estate Authority“. BIDA ist bis heute zuständig für die Entwicklung der Industriezone Batam und dem Präsidenten gegenüber direkt verantwortlich (MARTY 1996: 101-109). Laut KELLY (2003: 78) ist die einheitliche administrative Struktur, in der allein BIDA verantwortlich ist für die Planung und Kontrolle der Entwicklungen auf der Insel, eines der kennzeichnenden Charakteristika in der Entwicklung Batams. Als zweites Charakteristikum nennt er die Nähe zu Singapur.

Laut LINDQUIST (2002: 60) erhielt BIDA das Recht Inselland zu verwalten und erwarb somit unter Zwang Land zu Spottpreisen. Außerdem wurde ein Kontrollteam gebildet, das illegal gebaute Häuser zerstörte. Nur für Häuser, die vor 1971 gebaut wurden, bekamen die Bürger eine Entschädigung in Form von Land oder Geld.

1974 wurden Teile der Insel zur zollfreien Zone erklärt (PERRY 1991: 142).Damals wurden große Hoffnungen in Batam gesetzt, die Insel zur exportorientierten Industriezone auszubauen. Im Jahr 1975 geriet Pertamina jedoch in eine Schuldenkrise, hervorgerufen durch internes Missmanagement und eine globale Rezession. Für die Schulden kam der indonesische Staat auf. In der Folge wurde Pertamina von der Regierung umstrukturiert und musste sich fortan auf Aktivitäten im Erdölbereich konzentrieren.

Die Pertamina-Krise führte zu einer Stagnation in der Entwicklung Batams, da sich viele ausländische Investoren zurückzogen und somit neue Strategien und Ziele verfasst werden mussten. Präsident Suharto erklärte ganz Batam 1977 zur zollfreien Industriezone unter Leitung der BIDA, um Investitionen aus Singapur anzuregen.

Laut SPARKE et al. (2004: 490) unterlag die Kontrolle der Entwicklung Batams seit 1978 BIDA unter dem Vorsitz von B. J. Habibie5. Dieser wollte Batam zu einer Mega- Metropolis ausbauen, um mit Singapur zu wetteifern. Habibie schaffte es nicht Batam Sin- gapur gleich zu stellen, aber seine Pläne, in Batam zu investieren und es in eine zollfreie Handelszone umzuwandeln, haben zu einer rapiden industriellen Entwicklung geführt.

BIDA veröffentlichte 1980 einen neuen Masterplan mit den Zielen, Batam zum Zentrum für den regionalen und internationalen Handel zu entwickeln, eine exportorientierte Indust- riezone zu schaffen, die sich auf arbeitsintensive Produktionen und die Verarbeitung indo- nesischer Rohstoffe spezialisiert und die Insel zur Touristendestination auszubauen. Private Unternehmen sollten die Hauptakteure darstellen (MARTY 1996: 101-109). Damals sollte Singapur als Entwicklungsvorbild dienen und Batam von seiner wirtschaftlichen Dynamik profitieren. Diese Hinwendung zu Singapur lässt sich dadurch erklären, dass der Stadtstaat im Zuge seiner „zweiten industriellen Revolution“ die Auslagerung arbeitsintensiver Industrien erwog. Damit stand fest, dass eine erfolgreiche Entwicklung Batams durch den Anschluss an die Wirtschaft Singapurs und mit der Einfügung der Insel in die regionalen Wirtschaftsstrukturen ermöglicht werden könnte.

Diese komplementären Strukturen wurden in Indonesien als Möglichkeit der Revitalisierung Batams erkannt. Außerdem wurde auf die Ergänzung durch den Tourismus hingewiesen. Diene Singapur als Geschäfts- und Messezentrum, so könne Batam als Ferien- und Freizeitinsel genutzt werden.

Um die komplementären Strukturen nutzen zu können, unterzeichneten Singapur und Indo- nesien 1980 ein „Basic Agreement on the Development of Batam“, worin Singapur zusagte, zur Vereinfachung des Austauschs von Gütern, Arbeitskräften und Kapital beizutragen und seinen Privatsektor zu ermuntern, Investitionen auf Batam zu tätigen (MARTY 1996: 101- 109).

Ein weiterer Schritt, um den Austausch zwischen Batam und Singapur zu vereinfachen, war die Maßnahme Batam 1983 zu einem Einreiseort für Touristen zu machen, was zu einem Anstieg der Urlauber aus Singapur führte. Die Bewohner Batams ihrerseits mussten keine Steuer mehr bezahlen, wenn sie das Land verlassen wollten. Dies erlaubte Indonesiern mit einem Ausweis der Provinz Riau einfach und günstig nach Singapur und Malaysia zu reisen (LINDQUIST 2002: 61).

Entgegen der Erwartungen wurden in den 1980er Jahren kaum Fortschritte auf Batam erzielt, und die Entwicklung der Insel stagnierte.

2.3 Das Indonesien-Malaysia-Singapur Wachstumsdreieck - ein transnationaler Wirtschaftsraum entsteht

Der Begriff des Singapur-Johor-Riau (SIJORI) Wachstumsdreiecks wurde von dem ehemaligen stellvertretenden Premierminister Singapurs Goh Chok Tong im Dezember 1989 geprägt, um die beginnende ökonomische Kooperation zwischen dem Stadtstaat Singapur, der zur indonesischen Provinz Riau gehörenden Insel Batam und dem malaysischen Bundesstaat Johor zu beschreiben (THAN 2000: 43).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung1: Das Singapur-Johor-Riau Wachstumsdreieck6

Ziel war es, die ökonomischen Verbindungen in der Region zu stärken und die Komplementarität zwischen den drei benachbarten Gebieten zu optimieren. Die ManagementExpertise, das Kapital, die Technologie und die Infrastruktur Singapurs sollten verbunden werden mit den günstigen Arbeitskräften, der Landfläche und den Bodenschätzen von Malaysia und Indonesien, wobei Malaysia als um eine Stufe entwickelter betrachtet wurde als Indonesien (MARTY 1996: 144).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Dreieck der wirtschaftlichen Komplementarität7

Die Entstehung des Wachstumsdreiecks begann bei einem 1989 abgehaltenen Gipfeltreffen zwischen Suharto und Lee Kuan Yew in Jakarta. Dabei machte Suharto ein entscheidendes Zugeständnis an Singapur: die Erlaubnis, Unternehmen auf Batam mit vollständigem Fremdeigentum, und mit der Auflage, im Zeitraum von fünf Jahren 5% des Aktienkapitals an einen indonesischen Partner abzutreten, zu gründen. Diese Ausnahmeregelung stellte die bisher fehlende Möglichkeit der vollständigen unternehmerischen Kontrolle dar und glich die Investitionsbedingungen auf Batam denjenigen in Johor an (MARTY 1996: 144). Dies galt für die „Batam Economic Zone“, die Batam und fünf benachbarte Inseln umfasst (PER- RY 1991: 142). Daraufhin sagte Lee Kuan Yew zu, die Auslagerung arbeitsintensiver In- dustrien aus Singapur zu unterstützen. Schon bald folgten die gemeinsame Entwicklung des ersten Industrieparks und der Aufbau von Infrastrukturen auf Batam für ein internationales Publikum (MARTY 1996: 144).

Das Konzept wurde auch von weiteren politischen Entscheidungsträgern positiv bewertet und als Ausdruck der Bemühungen der ASEAN-Staaten um wirtschaftliche Zusammenar- beit gewürdigt. Das Wachstumsdreieck galt als Vorbild für die zukünftige wirtschaftliche Kooperation und Integration zwischen den ASEAN-Mitgliedern (MARTY 1996:145).

An dieser Stelle greift der Ansatz von PORTES / GUARNIZO / LANDOLT (1999: 221), die in ihrer Typologie des Transnationalismus als erstes ökonomische Initiativen von transnatio- nalen Unternehmern nennen, die ihre Kontakte auf der Suche nach Unterstützern, Kapital und Märkten über Grenzen hinweg mobilisieren. Der zweite Typus sind politische Aktivitä- ten von Parteiabgeordneten, Regierungsfunktionären oder Gemeindevorsitzenden, mit dem Ziel, politische Macht und Einfluss in den sendenden und empfangenden Ländern zu errei- chen. Als dritten Typus nennen sie mannigfaltige sozio-kulturelle Unternehmungen. Beim Wachstumsdreieck kann man eine Mischform der von ihnen genannten ersten beiden Typen erkennen, da es die Politiker der unterschiedlichen Länder waren, die die nötigen Rahmen- bedingungen zum Entstehen des Wachstumsdreiecks schafften und dadurch ihre Macht erweitern und sichern wollten8, anschließend aber die Unternehmen transnational handelten und die Komplementarität in dieser Region nutzten.

Ein weiterer Ansatz von PORTES / GUARNIZO / LANDOLT (1999: 221) ist der des „transnati- onalism from above“. Hiermit sind Aktivitäten gemeint, die von mächtigen institutionellen Akteuren, wie multinationalen Unternehmen und Staaten, initiiert und ausgeführt werden.

The growth triangle concept is primarily an economic and not a political concept. […] The facilitators are governments who remove political barriers to the movement of goods, services and factors of production, provide the physical infrastructure and offer various investment incentives. The key role of the growth triangle is to reduce artificial cross-border barriers in order to create a business environment conducive to economic growth. (THAN 2000: 55)

Es sind diese Akteure, die Batam zu dem transnationalen Raum machen, der er heute ist, und zwar nicht nur, wie zu Beginn angedacht, auf ökonomischer Ebene, sondern, wie sich später zeigen wird, auch auf einer sozialen Ebene, die ebenfalls Probleme mit sich führt. Dass die grenzüberschreitenden Barrieren verringert werden, so wie im Zitat behauptet, ist zwar bei Finanzmitteln der Fall, gilt aber nicht für die günstigen indonesischen Arbeitskräfte, die auf Batam bleiben sollen.

Der „transnationalism from below“, der Ergebnisse von Graswurzel-Initiativen im Ort der Migration und ihren Gegenübern in der ursprünglichen Heimat darstellt, kann in Batam zu diesem Zeitpunkt noch kaum ausgemacht werden, was an der mangelhaften Dokumentation liegen mag, oder an der Tatsache, dass die Bewohner Batams aus finanziellen oder technischen Mitteln noch nicht dazu in der Lage sind. Es mag auch an der Tatsache liegen, dass viele Menschen nur für kurze Zeit auf Batam sind, da die meisten Arbeitsverträge der Industrieparks eine Laufzeit von nur zwei Jahren haben oder sie keine oder eine schlechte Anstellung finden, die sie dazu bewegt die Insel wieder zu verlassen.

Allerdings kamen für das Wachstumsdreieck keine trilateralen Vereinbarungen oder Ver- träge zustande, die einen gemeinsamen Rahmen festlegten. MACLEOD / MCGEE (1996: 424) bemerken hierzu: „This lack of formalization is, in part, because the Growth Triangle very clearly means different things to each of the participants. In many ways the strength of the Growth Triangle as a concept lies in its vagueness; it can mean all things to all sides”.

Singapur ist im Wachstumsdreieck der dominante Part und es findet keine Interaktion zwischen Batam und Johor statt. Deswegen wäre es nach MACLEOD / MCGEE (1996: 424, 425) angebrachter das Wachstumsdreieck in „Wachstumskorridor“ umzubenennen, der von Singapurs Wirtschaft angetrieben wird.

Die Zusammenarbeit zwischen Singapur und Indonesien verlief jedoch weiter positiv; im Januar 1990 wurde ein „Memorandum of Understanding“ zum Bau des Batamindo Indust- rieparks (BIP) unterzeichnet. Dieser Industriepark ist ein Gemeinschaftsprojekt aus regie- rungsnahen Unternehmen Singapurs und einem Konsortium indonesischer Großunterneh- men.

1990 wurde die Kooperationsvereinbarung von 1980 um das WachstumsdreiecksAbkommen ergänzt, das den institutionellen Rahmen für die Wirtschaftszusammenarbeit schuf und nötig wurde, da sich die Wirtschaftskooperation nicht mehr nur auf Batam, sondern auch auf andere Inseln im Riau-Archipel erstreckte (MARTY 1996: 151). 1994 wurde das Wachstumsdreieck offiziell „Indonesia-Malaysia-Singapore-Growth Triangle“ (IMS-GT) genannt. Dies wurde mit dem Unterzeichnen eines „Memorandum of Understanding“ durch die Vertreter der drei Länder formalisiert9. Im Jahr 2000 umfasste das Wachstumsdreieck eine Fläche von 565.000 Quadratkilometern und eine Einwohnerzahl von 34 Millionen Menschen (THAN 2000: 44, 45).

Im Jahr 1996 hat das Singapore Tourism Board (STB) eine neue Vision namens Tourism 21 vorgelegt, die Singapurs touristischen Raum neu definiert, indem sie die umliegenden Länder mit einschloss. Ziel war es, die eigene Attraktivität für Touristen durch begrenzte Landflächen nicht zu verlieren und die Tourismusattraktionen in Übersee zu nutzen (Regionaltourismus). So präsentiert Singapur sich selbst als Kapitale des Tourismus mit modernem Flughafen, Kongress- und Kunstzentren.

Diese transnationale Vision erfordert eine enge Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und Investitionen in ihren Tourismussektor. Im touristischen Sinne war das Wachstumsdreieck als Ressortgebiet gedacht, das ein Netzwerk von Hotels, Stränden, Fährstationen, Jachthäfen etc. anbietet. Die größten abgeschlossenen Projekte sind auf Batam und Bintan zu finden. So ist ein positives Ergebnis des Wachstumsdreiecks für Singapur die Diversifizierung seiner Tourismusindustrie durch neue Attraktionen in Übersee. Beispielsweise konnte sich Singapur als Kreuzfahrtzentrum etablieren, was nur durch den Zugang zu Indonesiens und Malaysias Küstenressorts möglich war (CHANG 2004: 3).

Das Wachstumsdreieck fand große Beachtung und wurde gar als Zeichen für eine Welt ohne Grenzen gedeutet. LINDQUIST (2000: 3) betont jedoch, dass das Aufkommen dieser transnationalen ökonomischen Zone im Gegenteil abhängig ist von den Grenzen, die die drei Staaten teilen. Für die Wirtschaft ist es wichtig, dass das Kapital über die Grenzen flie- ßen kann, die günstigen Arbeitskräfte, in diesem Fall die Indonesier, aber an ihrem Platz bleiben. Dieser Ansatz wird auch von SPARKE ET AL. (2004: 496) betont: „Clearly, first and foremost, the Triangle is not borderless“.

2.4 Die Entwicklungen im Wachstumsdreieck und die Auswirkungen der Asien-krise

Die ersten Jahre der Zusammenarbeit zwischen Singapur und Johor bzw. Batam verliefen erfolgreich. Laut MACLEOD / MCGEE (1996: 425) gab es einen merklichen Anstieg des Flusses von Gütern, Kapital, Informationen und Menschen zwischen Singapur und Johor bzw. Batam. Die ersten großen Interaktionen fanden durch die Medien statt, Fernsehprogramme aus Johor und Piratensender aus Batam, die die nationalen Grenzen überquerten. Zu den weiteren Verbindungen zwischen den drei Gebieten zählen die sich verbessernden Bootsverbindungen zwischen Singapur und den Riau-Inseln, die Einführung von so genannten „Smart Cards“10, die es Personen, die in die Aktivitäten des Wachstumsdreiecks involviert sind, erlauben den Grenzübergang schneller zu passieren, sowie der geplante Bau eines zweiten Überganges zwischen Johor und Singapur.

Auch LINDQUIST (2002: 65) beschreibt die ökonomische Entwicklung nach dem Entstehen des Wachstumsdreiecks als sehr positiv. Steigende Investitionen, Migration und Tourismus haben Batam in ein boomendes Grenzgebiet umgewandelt. Die Genehmigungen für Aus- landsinvestitionen verfünffachten sich zwischen 1988 und 1990 und der Wert der Exporte stieg beachtlich. Die Zahl der Touristen wuchs von 60.000 im Jahr 1985 auf 1.073.000 im Jahr 1997 und hält sich konstant bei einer Million jährlich (beispielsweise 2006: 1.013.000). Die Einwohnerzahl Batams ist von circa 3.000 in den 60er Jahren stark ange- stiegen und betrug 2006 schon 713.960 Menschen, davon 347.575 Männer und 366.385 Frauen11.

An dieser Stelle lassen sich zwei Definitionsformen des transnationalen Ansatzes erkennen. Einerseits entstehen durch die genannten Beispiele soziale Systeme, die durch permanenten Austausch gekennzeichnet sind, so wie sie auch von PORTES / GUARNIZO / LANDOLT (1999: 219) als „high intensity of exchanges, the new modes of transacting, and the multiplication of activities that require cross-border travel and contacts on a sustained basis” beschrieben werden. Andererseits wird Transnationalismus durch neue Transport- und Kommunikati- onsmittel ermöglicht bzw. vereinfacht. Diesen zweiten Punkt nennt beispielsweise VERTO- VEC (2004: 447), der die Bedeutung neuer Technologien betont, vor allem der Telekommu- nikation, die Netzwerke von Menschen an voneinander entfernten Orten mit Schnelligkeit und Effizienz verbinden. Auch laut PORTES / GUARNIZO / LANDOLT (1999: 223) ist es die Verfügbarkeit von technischen Neuerungen, die den Transnationalismus für die Massen möglich macht, beispielsweise Lufttransport und neue Kommunikationsmittel.

In den frühen 90ern wurden die höchsten Investitionen im Wachstumsdreieck getätigt, da Singapur mit Wachstumsraten von 12,3% 1993 und 11,4% im Jahr 1994 boomte. Die Arbeitslosenquote fiel auf zwischen 1,7% und 2,7% und die Löhne stiegen. Dadurch konnten einfache Produktionstätigkeiten ausgelagert und einträglichere Finanz- und Leitungstätigkeiten in Singapur verankert werden.

1990 erreichten private Investitionen auf der Insel jährlich US$ 2.199 Millionen, 1996 hatten sie sich auf US$ 4.704 Millionen verdoppelt, wobei die höchsten Investitionen aus Singapur kamen. Acht Industriegebiete wurden in dieser Zeit fertig gestellt (SPARKE ET AL. 2004: 489, 490). Durch diesen Erfolg kamen in den 1990er Jahren mehr Migranten nach Batam, als die Regierungen sich vorher erhofft hatten (LINDQUIST 2002: 66).

Als die Asienkrise 1997/98 die Region erschütterte, verblasste die angebliche Komplementarität neben der aufkommenden Sorge bezüglich eines Wettbewerbs. Die Arbeitslosenquote in Singapur stieg 2002 auf 5,2% und neue Orte zur Expansion wurden, für Unternehmen mit US-Dollar, günstiger. In diesem neuen Kontext wurde das Interesse, in Batam und Johor zu investieren, vermindert und man konnte die Abhängigkeit des Wachstumsdreiecks von der Entwicklung in Singapur erkennen (SPARKE ET AL. 2004: 489).

Die Auswirkungen der Asienkrise auf Batam waren jedoch noch andere. Ungefähr ein Jahr nach ihrem Beginn entschloss sich die malaysische Regierung mit der „Operation Go A- way“ gegen die circa eine Million indonesischer illegaler Arbeitsmigranten in ihrem Land vorzugehen. Tausende von Indonesiern kamen in Haft und wurden ausgewiesen. Die meis- ten wurden in indonesische Hafenstädte auf Sumatra gebracht. Von dort fanden viele ihren Weg ins nahe gelegene Batam, wo sie versuchten Geld zu verdienen, um der Schande, mit leeren Händen in die Heimat zurückzukehren, zu entkommen. Gleichzeitig flohen viele Menschen vor der ökonomischen Krise von anderen Inseln nach Batam (LINDQUIST 2000: 6, 7).

Durch die Asienkrise wurde die Grenze nach Singapur für die Bürger Riaus geschlossen. 1998 wies Singapur die höchsten Arrestzahlen illegaler Immigranten auf, die versucht hat- ten, über Batam oder Bintan nach Singapur zu gelangen. Daraufhin steigerte die singapuri- sche Regierung die Küstenüberwachung und erhöhte die Kontrollen bei der Einreise (FORD / LYONS 2006: 262).

Diese Prozesse führten 1998 zu einer Überflutung Batams mit Menschen, die abgeschoben wurden und sich ohne Geld nicht nach Hause wagten und hofften, auf Batam Arbeit zu fin- den. Als die Rupiah einbrach kamen viele Touristen aus Singapur, häufig Männer, die Dro- gen und Sex zu günstigen Preisen kauften (LINDQUIST 2000: 5). So wuchs ein zweites Drei- eck im Schatten des offiziellen, in dem Prostitution und Drogenhandel boomten, und das hauptsächlich von Männern aus Singapur genutzt wurde. Diese Prozesse begannen bereits vor der Krise, wurden durch sie jedoch beschleunigt (LINDQUIST 2002: 67).

Nach dem Ende der Asienkrise wurde wieder vermehrt internationales Kapital in Indonesien investiert und die Grenzen waren offener als vor einem Jahr (LINDQUIST 2000: 7).

LINDQUIST (2000: 2-6) stellt die „Go-Away“-Politik Malaysias exemplarisch an einer jun- gen Frau aus Indonesien dar. Sie stammt aus Sumatra, ist geschieden und zweifache Mutter. Um Geld zu verdienen, geht sie mit Hilfe eines Vermittlers nach Malaysia, von wo sie, nach zwei Jahren als Haushaltshilfe, um ihren Lohn betrogen, abgeschoben wird. Nach zwei Wochen in einem Abschiebelager kommt sie in der Hafenstadt Dumai auf Sumatra an und reist weiter nach Batam, wo sie hofft Arbeit zu finden, um nicht mittellos heimkehren zu müssen. Durch die Überflutung Batams mit Migranten gibt es aber kaum Stellen und so beginnt sie als Prostituierte zu arbeiten. Da sich die Rupiah nach der Krise stabilisierte, gab es mehr Prostituierte als Kunden auf Batam, und die junge Frau überlegte, temporär mit einem Touristenvisum nach Singapur einzureisen, um sich dort zu prostituieren, was finan- ziell sehr ergiebig wäre. Diese Frau als Transmigrantin zu bezeichnen, passt in die Definiti- on von PRIES (2001: 21), laut der sich Transmigranten zwischen verschiedenen Orten hin und her bewegen und in dieser neu aufkommenden Konfiguration von sozialen Praktiken, Symbolen und Artefakten, die verschiedene Plätze umspannen, ihren sozialen Raum des täglichen Lebens entwickeln12.

2.5 Aktuelle Entwicklungen auf Batam

Da die meisten Autoren sich mit dem Wachstumsdreieck zu seiner Blütezeit beschäftigen, gestaltet es sich schwierig, die aktuellen Trends zu erkennen. Nach FORD / LYONS (2006: 261) hat sich Batam, trotz rapider ökonomischer Entwicklung, nicht dem Vorbild Singapur angenähert. Auf Batam liegen viele Fabriken und Wohnkomplexe verlassen dar und die Hotels bedienen hauptsächlich die Sextourismusindustrie.

Laut CHANG (2004: 4) hat Singapur durch die Entstehung des Wachstumsdreiecks stark profitiert, da für den Stadtstaat günstige Landflächen und Arbeitskräfte in Riau und Johor bereit stehen. Für Batam und Bintan stellt er einige negative Auswirkungen, wie eine wach- sende Sexindustrie, Strandverschmutzung und Preisinflation, fest. Außerdem habe der star- ke Zustrom von Migranten zu Wohnungsknappheit und Stadtausbreitung geführt.

In einer neueren Publikation von FORD / LYONS (2007: 1) ist nachzulesen, dass Batam, Bin- tan und Karimun im Jahr 2006 Teil einer „Special Economic Zone“ (SEZ) wurden. Auch REUTERS13 berichtet, dass die Unterzeichnung zum Abschluss der SEZ im Sommer 2006 auf Batam stattgefunden hat und dass die Zone unternehmerfreundliche Zoll- und Steuerre- gelungen beinhalten soll, sodass sich wieder Industrien aus Singapur ansiedeln und Ar- beitsplätze für Indonesien geschaffen werden14. In den letzten Jahren haben viele Unter- nehmen Batam wegen rechtlicher Unsicherheiten, hoher Kosten, starkem Bürokratieauf- kommen und Korruption, verlassen. Der singapurische Premierminister versprach Indone- sien technisch, sowie bei der Schaffung von unternehmensfreundlichen Regulierungen, zu unterstützen.

Laut einem Artikel der indonesischen Botschaft15 fand die SEZ mit sieben Investitionspro- jekten im Wert von US$ 566,4 Millionen einen guten Start. Fünf der Projekte sollen in Ba- tam durchgeführt werden, das größte ist der Bau einer Schiffswerft. Die Projekte, die im Transmigration (Transmigrasi) ist, im indonesischen Kontext, ein 1969 gestartetes Um- und Neuansiede- lungsprojekt der Regierung Suharto. Mit groß angelegten Programmen versuchte die Staatsmacht, Millionen von Einwohnern aus Java, Bali und Madura, dem dicht besiedelten Kernland Indonesiens, die "Transmigrati- on" auf die "Außeninseln" schmackhaft zu machen. Im Zeitraum von 1969 bis 1994 haben sich 1,7 Millionen Familien mit insgesamt 6,8 Millionen Menschen an dem Transmigrasi-Programm beteiligt und wurden als „Transmigranten“ bezeichnet. Die meisten von ihnen sind nach Sumatra gezogen. Die Strategie muss heute als gescheitert betrachtet werden, da viele Probleme (Überbevölkerung wuchs weiter, soziale Spannungen und Konflikte, Zerstörung des Regenwaldes, etc.) auftraten (STRUTYNSKI, http://www.uni- kassel.de/fb5/frieden/regionen/Indonesien/dayak.html, 01.10.2007).

Laufe des Jahres 2007 fertig gestellt werden, sollen insgesamt 8.057 neue Arbeitsplätze schaffen.

3. Der soziale Aspekt - Leben und Arbeiten auf Batam

Nachdem im vorangegangenen Kapitel der Fokus auf die ökonomisch-transnationale Entwicklung Batams gelegt wurde, wird sich dieses Kapitel dem sozialen Aspekt, den Lebensund Arbeitsumständen der Menschen auf Batam, widmen.

3.1 Der Batamindo Industriepark und die organisierte Migration nach Batam

Auf Batam gibt es derzeit 17 Industrieparks. Das Vorzeigeprojekt unter ihnen, der Meilen- stein der Zusammenarbeit zwischen Indonesien und Singapur, ist der Batamindo Industrie- park (BIP), der seit 1990 rund 76 Fabriken auf 320 Hektar Land beherbergt (BATAM IN- DUSTRIAL DEVELOPMENT AUTHORITY o.J.: 1) und rund die Hälfte der offiziellen Arbeits- plätze der Insel stellt (PHELPS 2004: 214). Der Batamindo Industriepark entstand durch ein Joint Venture. So gehören 40% des Parks regierungsnahen Unternehmen aus Singapur und 60% der indonesischen Salim Gruppe, einem Konglomerat aus indonesischen Großunter- nehmen. Die Partner aus Singapur sind für Aufbau, Entwicklung und Management des Parks zuständig, die Salim Gruppe trägt die Verantwortung für die Beschaffung des Groß- teils der Arbeitskräfte durch ihre Rekrutierungsstelle „Tunas Karya“. An dieser Stelle wird der Batamindo Industriepark vorgestellt, da über diesen die meisten Informationen vorlie- gen.

Der Park soll als autarker industrieller Bezirk verstanden werden, in dem Fabriken gemietet oder gekauft werden können und verfügt über eine eigene Stromversorgung, eine Wasseraufbereitungsanlage, ein Kanalisationssystem, Telekommunikationseinrichtungen, Geschäfte, Restaurants, religiöse Einrichtungen und ein medizinisches Zentrum. Für die Arbeiter gibt es, je nach Rang, Wohnhäuser oder Wohnheime auf dem Gelände (GRUNDYWARR / PEACHEY / PERRY 1999: 310).

SMITH (1997: 356) stellt die Ziele des BIP folgendermaßen dar: „The aim is to offer a Singapore-type environment with cheap labour and land costs in order to make investors feel ‘at home’; that is, to feel just as they were doing business in Singapore”. Auch MACK (2004: 163) beschreibt, dass die Befürworter der industriellen Entwicklung auf Batam Singapur als Vorbild ansehen, und die Planer des BIP orientierten sich am ersten und sehr bekannten Industriepark von Singapur: Jurong.

Von den rund 52.000 Arbeitern des BIP leben 32.000 in den Wohnheimen auf dem Gelände und 20.000 außerhalb, in privat gemieteten legalen Wohnhäusern oder in Slumsiedlungen. Rund 85% der Arbeiter werden von „Tunas Karya“ hauptsächlich aus Java und Sumatra angeworben. Seit der Asienkrise und dem damit einhergehenden rapiden Bevölkerungsan- stieg auf Batam hat sich die Situation jedoch langsam verändert, die Arbeiter werden häufig von den Unternehmen lokal angeworben. Diejenigen, die von „Tunas Karya“ angeheuert werden, müssen im Besitz eines höheren Abschlusses, vergleichbar mit dem amerikani- schen High School Abschluss, sein und einen Zweijahresvertrag unterschreiben, in dem sie einwilligen, während dieser Zeit weder zu heiraten noch Kinder zu bekommen. Es ist zwar möglich einen Vertrag zu verlängern, doch die wenigsten Arbeiter bekommen unbefristete Verträge. Leider liegen mir keine Informationen darüber vor, wie die anderen Industrie- parks ihre Arbeiter anheuern.

Über 80% der Arbeiter in Batamindo sind Frauen, die meisten im Alter zwischen 18 und 24 Jahren. Laut WOLF (1992: 115, zitiert nach LINDQUIST 2002: 95) werden junge Frauen be- vorzugt in Fabriken eingestellt, da sie leichter zufrieden zu stellen sind als verheiratete Frauen, die Verpflichtungen ihrer Familie gegenüber haben. Andere Autoren stellen die These auf, dass junge Frauen sich ihrem Arbeitgeber gegenüber ehrerbietiger verhalten und direkte Konfrontationen vermeiden. Laut LINDQUIST (2002: 95) ist in ganz Asien zuneh- mend ein Diskurs über Arbeiterinnen mit so genannten „gewandten“ Händen („nimble- fingered“) im Gange, der die Anstellung von jungen Frauen, denen niedrige Gehälter ge- zahlt werden und die angeblich einfach zu kontrollieren sind, legitimiert. Dieser Diskurs lässt sich auch auf die Anstellung von jungen Frauen im BIP anwenden (LINDQUIST 2002: 89, 95).

Zum Alltag der Arbeiterinnen lässt sich sagen, dass die Arbeit in den Fabriken meist sehr monoton ist und die Verdienstmöglichkeiten eher schlecht. Da es bislang wenige Gewerk- schaften auf Batam gibt, sind ihre Rechte nicht gut vertreten. Dies zeigt sich auch in den Überstunden: so sind zwei pro Tag in den meisten Unternehmen obligatorisch, ein Ar- beitstag von zwölf Stunden ist oft üblich. Doch viele Arbeiterinnen trauen sich nicht, sich dagegen aufzulehnen, denn wie es eine Frau ausdrückt „if 100 of us are fired there will be 1000 more to apply for the jobs, especially since the krismon (economic crisis) began.“

Nach eigener Aussage ist die größte Angst der Arbeiterinnen, nicht genug Geld sparen zu können, gefolgt von der Sorge um ihre Weiterbildung, da sie in den Fabriken nichts lernen, was sie in der Zukunft für eine Bewerbung gebrauchen könnten (LINDQUIST 2002: 100, 104).

3.2 Hoffnung auf ein besseres Leben - unorganisierte Migration nach Batam

Als sich in den 90er Jahren die Neuigkeiten über den ökonomischen Boom Batams in Indonesien verbreiteten, erreichten unkontrollierte Migrantenströme die Insel. Hinzu kamen Menschen, die durch ethnische oder politische Probleme in ihren Landesteilen motiviert waren in Batam ihr Glück zu suchen (GRUNDY-WARR / PEACHEY / PERRY 1999: 318). Fast die Hälfte der Bevölkerung Batams, die sich seit 1990 mehr als verdreifacht hat, wohnt in illegalen Slumsiedlungen (GRUNDY-WARR / PERRY 2001: 75).

Einer Schätzung von BIDA zufolge erreichen jeden Monat circa 3.000 Menschen Batam. Viele der Migranten kommen aus Westjava, West- und Nordsumatra und aus Gegenden des Riau-Archipels, manche auch aus entfernteren Gebieten Indonesiens, wie der Insel Flores im Osten des Landes. Viele der Migranten sind unverheiratet und eine Arbeit im formalen Sektor ist für sie schwierig zu finden. Für Männer gibt es die Möglichkeit eine legale An- stellung bei Schiffsbauunternehmen, auf Baustellen, als Sicherheitsangestellter oder als Taxifahrer zu bekommen. Zu den illegalen Tätigkeiten gehören ebenfalls Taxi fahren oder Verkaufs- und Servicetätigkeiten. Jungen unverheirateten Frauen gelingt es mitunter eine Arbeit im Batamindo Industriepark zu erhalten, allerdings stellt der Park nur Frauen bis zu einem Alter von 24 Jahren ein. Dadurch, dass der formelle Sektor nicht für alle Migranten Arbeit bereitstellen kann, werden viele Menschen in die Prostitutionsszene oder in illegale Tätigkeiten gedrängt und Kriminalität sowie illegale Unterkünfte breiten sich über die Insel aus (GRUNDY-WARR / PERRY 2001: 75).

Aus persönlichen Gesprächen mit BIDA-Mitarbeitern (BATAM INDUSTRIAL DEVELOPMENT AUTHORITY 2007a) ging hervor, dass BIDA seit einiger Zeit Regelungen erlässt, um das Bevölkerungswachstum auf Batam zu mindern, da zu viele Menschen auf der Suche nach Arbeit auf Batam ankommen und Wasserversorgungs- und soziale Probleme auftreten. Auf meine Frage hin, wie sie dies konkret durchsetzen wollen, lautete die Antwort, dass verdächtig aussehende Personen aus dem Ausland an der Grenze kontrolliert werden sollen und ihnen gegebenenfalls die Einreise verweigert würde.

3.3 Lebensumstände auf Batam und die Entstehung von transnationalen Gemein- schaften

Die Lebensumstände auf Batam sind für die meisten der Bewohner nicht einfach. Sehr hohe Lebenshaltungskosten, geringe Bezahlung und oftmals nur temporäre Beschäftigung erschweren selbst für diejenigen, die eine Anstellung haben, den Alltag.

Viele der teuren Einfamilien-Wohnkomplexe, die für Touristen oder Besuche von leitenden Angestellten gedacht waren, stehen leer, während es zu wenige preisgünstige Unterkünfte für die Angestellten gibt. Die Wohnheime, die der Batamindo Industriepark bereitstellt, reichen nicht aus. Anders als beim singapurischen Vorbild, dem Industriepark Jurong, sind die Unterkünfte kurzzeitig und werden hauptsächlich unverheirateten Frauen zur Verfügung gestellt. Im Folgenden wird eine Auswahl der preiswerten Wohnmöglichkeiten auf Batam vorgestellt (MACK 2004: 163, 164).

3.3.1 Familienleben in einer Slumsiedlung

Eine der Slumsiedlungen auf Batam trägt den Namen „Belakang Foster“ (wörtlich: Hinter Foster) und befindet sich in der Nähe des Batamindo Industrieparks, hinter der Produktionsstätte des Unternehmens Foster.

Von Regierungsseite werden solche illegalen Slumsiedlungen „rumah liar“ (wörtlich: wilde Häuser / Behausungen) genannt. Die offizielle Planungsbehörde der Insel, BIDA, reagiert auf Slums einerseits mit Verbotsschildern, die den Bau von Häusern ohne Genehmigung untersagen, andererseits lassen sie regelmäßig Slumsiedlungen abreißen. Trotz dieser Ge- fahr der spontanen Zerstörung breiten sich Slums auf Batam weiter aus. In einem illegalen Haus zu leben ist meist die preiswerteste Möglichkeit, und durch die Nähe zum Arbeits- platz entstehen keine Fahrtkosten.

MACK (2004: 166), die 1998 drei Monate Feldforschung auf Batam betrieb, beschreibt die Bewohner von „Belakang Foster“ als ethnischen Mix von Menschen aus einer Vielzahl von Gegenden, unter anderem Sumatra, Java und Flores. Die Nachbarschaft basiert nicht auf der gleichen Herkunft der Bewohner, sondern ist eine Erweiterung ihrer Beziehungen, die sie in den Fabriken aufgebaut haben. Einige der Frauen lebten vorher in den Wohnheimen des Industrieparks, manche Bewohner kommen aus anderen illegalen Siedlungen.

Die Meisten sind junge Paare, oft aus unterschiedlichen Gebieten Indonesiens, teils verheiratet oder mit Kindern. Gemäß eigener Aussagen, stellen die Bewohner dieses Slums für sie nun ihre Familie dar.

Aber es gibt viele Probleme für die Bewohner. So stand ihr Unternehmen während der A- sienkrise kurz vor dem Konkurs, viele hatten Angst um ihre Arbeitsplätze und konnten zeitweise nur wenige Stunden täglich arbeiten. Hinzu kam das ständige Bangen um den Abriss ihrer Siedlung. Dies geschah dann auch im Jahr 2001 durch BIDA (MACK 2004: 164, 167).

LINDQUIST (2002: 119, 120) beschreibt eine weitere Slumsiedlung, die den Namen „Belakang Sony“ (wörtlich: Hinter Sony) trug. Die meisten der Bewohner dort stammten aus Java. Trotz Problemen, wie das Fehlen von sauberem Wasser und einer schlechten Stromversorgung, waren sie nach eigener Aussage zufrieden, da sie sich in ihrer Wohnform keinen Regelungen unterwerfen mussten und eine Dorfgemeinschaft hatten. Einige betonen, dass sie sich als Teil einer Familie fühlten, und obwohl sie so weit von zuhause entfernt waren, es sich anfühle, als würden sie in ihrem eigenen Dorf leben.

Transnational betrachtet findet in den Slumsiedlungen eine Rekonstruktion von Lokalität, wie sie VERTOVEC (1999: 455) als eine von sechs Voraussetzungen des Transnationalismus beschreibt, statt. Das heißt, dass die Bewohner ihre gewohnten Praktiken und Bedeutungen aus der Heimat in die Slumsiedlung verlegen.

Eine andere Voraussetzung nach VERTOVEC (1999: 450), die gleiche Art des Bewusstseins, trifft ebenfalls auf diese Bewohner zu. Ihre gemeinsamen Erfahrungen verbinden sie. Hier ergänzen sich die Ausführungen von VERTOVEC, der von dem Gefühl gleichzeitig „home away from home“ zu sein schreibt und die Aussage eines Bewohners von „Belakang Sony“: „Even though I am in a foreign place (perantauan) it feels like I am living in my own kampung“ (LINDQUIST 2002: 120).

Diese hier beschriebenen „transnationalen“ Gemeinschaften, die zwischen zwei oder mehr Orten situiert sind, überschreiten allerdings keine nationalen Grenzen, sondern finden meist innerhalb Indonesiens statt. Da Indonesien aber sehr weitläufig ist und aus Tausenden von Inseln und vielen verschiedenen Kulturkreisen besteht, ist es trotzdem möglich die Theorien des Transnationalismus anzuwenden.

In der Zeit der Asienkrise verloren viele Bewohner von „Belakang Sony“ ihre Anstellung und verließen die Slumsiedlung. Einige versuchten ihr Glück in Singapur, andere zogen in Orte auf Batam, wo sie Arbeit fanden oder kehrten zurück in ihre Heimat.

[...]


1 http://www.hivpolicy.org/Library/HPP001020.pdf, 01.07.2007: 74.

2 Die Provinz Riau Kepulauan (Riau Inseln) hat sich im Jahr 2004 von der Provinz Dataran Riau (Festland Riau) abgespalten und die Stadt Tanjung Pinang ist das administrative Zentrum der neuen Provinz (BUNNEL / GRUNDY-WARR / SIDAWAY: 2006: 238).

3 Sukarno, der erste indonesische Präsident von 1945 bis 1966, betrieb die Politik der Konfrontasi, da er die Bildung der Föderation von Malaysia, unter Einschluss von Singapur, als neokoloniale Machenschaft der Briten bekämpfen wollte. Sukarno propagierte die Bildung einer Superföderation Maphilindo mit Malaysia, den Philippinen und Indonesien. Konfrontasi war der Slogan für Sukarnos Anti-Malaysia-Kampagne.

4 Zweiter Präsident Indonesiens von 1967 bis 1998.

5 Bacharuddin Jusuf Habibie, indonesischer Politiker, Studium in Deutschland, 1978 von dem damaligen Präsidenten Suharto zum Staatsminister für Forschung und Technologie, 1998 zum Vizepräsidenten ernannt. War von 1978 bis zu seiner Ernennung zum Vizepräsidenten im März 1998 Vorsitzender von BIDA. Nach Suhartos Rücktritt war er von 1998 bis 1999 dritter Präsident Indonesiens seit der Unabhängigkeit.

6 Abbildung entnommen aus HENDERSON, http://www.multilingual-matters.net/cit/004/0078/cit0040078.pdf, 10.08.2007: 82.

7 Abbildung entnommen aus DEBRAH ET AL. (2000) zitiert nach SPARKE ET AL. (2004: 490).

8 Singapur war bislang abhängig von dem günstigen Land, der Arbeitskraft und dem Wasser aus Malaysias Johor Provinz, da es über diese Ressourcen selbst nicht verfügt. Aber durch steigende Kosten und heikle Be- ziehungen zu Malaysia, wandte sich Singapur an Indonesien als sein neues Hinterland (MACLEOD / MCGEE 1996: 424, LINDQUIST 2002: 64). Beispielsweise wurde in einem Abkommen zur Regelung der Wasserfrage festgelegt, dass Singapur die nächsten 50 Jahre Wasser aus Riau beziehen kann (MARTY 1996: 153-154).

9 1996 wurde West Sumatra, Malakka, Negri Sembilan und Süd Pahang dem Wachstumsdreieck angeschlos- sen und 1997 die Provinzen Jambi, Benkulu, Süd Sumatra, Lampung und West Kalimantan (THAN 2000: 44).

10 Die Smart Card wurde 1991 eingeführt, um den Strom der Investoren und Arbeiter im Wachstumsdreieck über die Grenze reibungsloser zu gestalten. Statt eines Passes kann bei der Grenzkontrolle diese Karte vorgezeigt werden, was das Verfahren vereinfacht (THAN 2000: 54).

11 BATAM INDUSTRIAL DEVELOPMENT AUTHORITY, http://www.batam.go.id/home/eng/data_kependudukan.php, 10.08.2007.

12 Die PRIES’sche Definition von Transmigration und Transmigranten an dieser Stelle und der im weiteren Verlauf dieser Arbeit verwende transnationale Ansatz hat jedoch eine Bedeutung, die verschieden ist von der im indonesischen Kontext allgemein Gebräuchlichen.

13 REUTERS, http://en.epochtimes.com/news/6-6-25/43179.html, 16.08.2007.

14 Indonesien besitzt einen Überschuss an Arbeitern, Ende 2006 waren schätzungsweise 11 % der indonesi- schen Arbeiter (11,6 Millionen Menschen) arbeitslos und die Unterbeschäftigung lag bei über 20 % (45 Milli- onen Menschen) (HUGO, http://www.migrationinformation.org/feature/print.cfm?ID=594, 20.06.2007).

15 HUDIONO, http://www.indonesianembassy.org.uk/news_2006_08_24_jp_1.html, 28.06.2007.

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
HIV als transnationales Problem
Untertitel
Die HIV-Epidemie auf Batam, Indonesien
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Institut für Orient- und Asienwissenschaften)
Veranstaltung
Regionalwissenschaften Südostasien
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
98
Katalognummer
V174100
ISBN (eBook)
9783640945283
ISBN (Buch)
9783640945498
Dateigröße
1003 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
HIV, Aids, Batam, Riau-Archipel, Transnationalismus, Sijori, Singapur, Indonesien, Migration, Sexindustrie
Arbeit zitieren
Yvonne Bach (Autor:in), 2008, HIV als transnationales Problem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/174100

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