EG und COMECON (RGW) ab Mitte der 1970er Jahre

Ost-West-Handel im realen Sozialismus und Kapitalismus


Seminararbeit, 2011

21 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Nachkriegszeit in Osteuropa / Vorgeschichte des RGW
2.1. Machtteilung und Machtsicherung der UdSSR nach dem Zweiten Weltkrieg
2.2. Die ökonomische Ausbeutung und die politische Anbindung

3. Gründung des RGW - die Entwicklungsphasen
3.1. Der transferable Rubel als kollektive Währung des RGW

4. Wirtschaftliche Beziehungen zwischen realem Sozialismus und Kapitalismus in der ersten Hälfte der 1970er Jahre
4.1. Die Entwicklung des Ost-West-Handels und seine Bedeutung für die UdSSR und die anderen RGW-Mitgliedsländer - die unterschiedlichen Motive für den Ost-West-Handel
4.2. Der Außenhandel der RGW-Länder 1973 und 1974

5. Die Beziehungen zwischen der EG und dem RWG
5.1. Zwei Phasen der Beziehungen in den 70-er Jahren
5.2. Vorschlag des EG-RGW-Rahmenabkommens

6. Schlussfassung

1. Einleitung

Die vorliegende Seminararbeit wird sich mit den Beziehungen zwischen den zwei Großmächten (EG u. RGW) während des Kalten Kriegs (Schwerpunkt 70-er Jahre) beschäftigen, in der auch eine politische Analyse, basierend auf dem realen Sozialismus, vorgenommen wird.

Die Recherche hat gezeigt, dass die politischen Implikationen eine bedeutende Rolle in der Erklärung der ökonomischen Strukturen und Interessenlagen zwischen der EG und dem RGW gespielt haben.

Zentrale Fragestellungen / Hypothesen:

- Welche Antworten hatte die UdSSR auf die wirtschaftliche Lage in Osteuropa nach dem Zweiten

Weltkrieg? Stellte die Gründung des RWG eine Antwort auf den in Westeuropa implementierten Marschall-Plan sowie eine Hegemonialmachtsicherung in Ost- sowie Südosteuropa dar?

- Wie sahen die Beziehungen zwischen der EG und dem RGW in den 70-er Jahren aus? Von wem gingen die ersten Annäherungsversuche in der wirtschaftlichen Kooperation aus und welche Reaktionen gab es darauf?

Der RGW-Vorschlag für ein Rahmenabkommen über Handel und Zusammenarbeit mit der EG (1976) stellt einen wichtigen Punkt dieser Arbeit dar. Im Besonderen wurde die Reaktion der EG bzw. die Ablehnung des sowjetischen Wunsches untersucht.

- Die Gründung des RWG hatte keinen ökonomischen Hintergrund. Die wichtigsten Auswirkungen der Gründung des RWG waren sowohl die Bindung der osteuropäischen Länder an die UdSSR als auch die Festigung der sowjetischen Macht.
- Eine unterentwickelte Wirtschaft (RWG-Raum) wird bei der Liberalisierung des Handels bzw. des ökonomischen Austauschs benachteiligt und das System staatlicher Wirtschaftsplanung (RWG) kann auch aus politischen Gründen eine Eingliederung in den kapitalistischen Markt verhindern.

Diese Recherche hat ergeben, dass es in den Beziehungen hauptsächlich um die Lösung von Interessenkonflikten und die gleichberechtigte Stellung für beide Institutionen ging. Aus diesem Grund war der Beziehungsaufbau kompliziert und Fortschritte innerhalb der Beziehungen konnten nur schwer erzielt werden.

Die vorliegende SE-Arbeit teilt sich in zwei Unterthemen auf. Das erste Thema geht auf die Intensivierung des Ost-West-Handels ein, die eine wichtige Rolle bei der Annäherung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EG und dem RGW spielte.

Das zweite Unterthema beschäftigt sich mit dem Aufbau der Beziehungen untereinander und den ersten Schritten im EG-RGW-Bereich.

2. Nachkriegszeit in Osteuropa / Vorgeschichte des RGW

2.1. Machtteilung und Machtsicherung der UdSSR nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Geschichte der RGW-Gründung bzw. die Gründung der osteuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist nicht hauptsächlich eine Folge des Zweiten Weltkrieges. Damals gab es keine Anzeichen, dass in Osteuropa die wirtschaftliche Integration nach dem Zweiten Weltkrieg im Vordergrund stand.

Weder vor noch unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg fand kein entwickelter Handel und schon gar keine industrielle Kooperation statt. Die Wirtschaftsstrukturen der Ostländer waren eher konkurrierend als komplementär, weil sie hauptsächlich das Gleiche, Nahrungsmittel und Rohstoffe exportierten wie auch importierten (industrielle Fertigwaren und Rohstoffe). Das Entwicklungsniveau der osteuropäischen Wirtschaft war niedrig und noch niedriger deren Beteiligung am Welthandel.

Allerdings hatten sich die Länder unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg sehr rasch auf den Warenaustausch vor allem mit der Sowjetunion umgestellt, da die Auswahl von Handelspartnern äußerst beschränkt war und es mit der UDSSR keine Zollbarrieren abzubauen gab. Für eine engere Wirtschaftskooperation fehlten trotz des rasch vor sich gehenden Wiederaufbaus die Voraussetzungen.

Obwohl die sowjetische Wirtschaft und jene Osteuropas dem Ruin nahe waren, war Stalin nicht dazu bereit westliche Wirtschaftshilfe zu akzeptieren. Der Grund hierfür dürfte darin gelegen haben, dass Stalin durch die abgelehnte Hilfe einen möglichen Einfluss der Helfer auf die Sowjetunion unterbinden wollte. Einige Politiker des Westens, wie z.B. White (Verfasser der Bretton Woods Projekte), waren bereit, Osteuropa eine großangelegte Wirtschaftshilfe in Höhe von 5 Mrd. US$, zukommen zu lassen, die ihnen die Verwirklichung der Grundprinzipien des Internationalen Währungsfonds ermöglichen sollte.1 Aber Stalins Wille, die von ihm geprägte real sozialistische Gesellschaftsordnung den Ländern Osteuropa aufzuzwingen, war nicht zu brechen. Die Länder Ost-und Südosteuropas sahen sich gezwungen, den Wiederaufbau der zerstörten Industriebetriebe mit eigenen Kräften herbeizuführen und einige von ihnen mussten zusätzlich erhebliche Entschädigungssummen an die Sowjetunion entrichten. Es gab auch keinen großen Unterschied zwischen der Höhe der Hilfsleistungen des Marshallplans und dem geleisteten Entschädigungsbeitrag der osteuropäischen Länder: im Rahmen des Marshallplans wurde zwischen dem 4.April 1948 und dem 30.Juni 1952 an 16 Länder Europas eine Wirtschaftshilfe im Gesamtwert von 16,400 Mio. US$ geleistet, die Entschädigungen Ostdeutschlands und anderer osteuropäischer Staaten beliefen sich nach Angaben des amerikanischen Experten J. Wszelaki auf rund 20 Mrd. US$. Den größten Beitrag leistete die DDR, nämlich US$ 15 Mrd. Rumänien und Polen je 2 Mrd. US$, Ungarn 1 Mrd. US$.2

An diese Stelle ist es auch wichtig zu betonen, dass die Sowjetunion bereit war, sich an allen wirtschaftsregelnden Institutionen zu beteiligen, die während des Krieges vorbereitet wurden und unmittelbar nach dem Krieg ihre Tätigkeit beginnen sollten. Die Absicht sich der Einflusssphäre des Westens zu entziehen reifte jedoch erst nach der gelungenen Umformung der Gesellschaftsordnung in Osteuropa und der Gründung des RGW. Die Projekte von Keyne und White der Neuordnung der Währungsbeziehungen akzeptierte die Sowjetunion. Dem sowjetischen Vorschlag ist es zu verdanken, dass jenen Mitgliedsländer, die im Krieg große Schäden erlitten hatten, eine Ermäßigung der Goldquote um 75% zuerkannt wurde und somit ein Kompromiss formell erzielt werden konnte.3

Die Folgen der Abschirmung von internationalen Währungsinstitutionen zeigten sich nicht nur am Fernbleiben von Krediten, die für osteuropäische Länder von größter Bedeutung waren, sondern vor allem auch darin, dass die Ostländer gezwungen waren ein differenzierendes Verrechnungs- und Außenhandelsmodell im Intra-Blockhandel und im Handel mit Drittländern anzuwenden.

Der Wirtschaftsegoismus in Ost- und Südeuropa war ziemlich stark ausgeprägt. Kein Land war geeignet, auch nur auf den geringsten Teil des schwer erwirtschafteten Nationalproduktes zugunsten eines anderen Landes zu verzichten. Den Grund waren die Erfahrungen der ersten Nachkriegsjahre, die für alle eher negativ verliefen. Die Planwirtschaften waren durch das Staatseigentum und die autonomen ökonomischen Mechanismen stark introvertiert.4

Für die Sowjetunion stand in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein Hauptziel fest: die „Sowjetisierung“ in Ost- und Südosteuropa. Die Stärkung der Macht der Sowjetunion sollte vorangetrieben werden. Daraufhin schloss die UdSSR Freundschafts- und Bündnisverträge mit den Ländern, die nicht auf deutscher Seite gekämpft hatten. (Polen und Jugoslawien 1945; Tschechoslowakei bereits 1943). Mit Rumänien, Bulgarien und Ungarn, die auf deutscher Seite gestanden hatten, kam es bis zu den Friedensverträgen 1947 „lediglich“ zum Abschluss von Wirtschaftsabkommen.

Die wichtigsten Merkmale der damaligen sowjetischen Volksdemokratie im Bezug auf die Wirtschaft in Ost- und Südosteuropa bis 1947 waren:5

- die Beibehaltung des Privateigentums bei gleichzeitiger Nationalisierung der Großbetriebe,
- keine Kollektivierung der Landwirtschaft,
- keine Planwirtschaft, sondern lediglich eine Wirtschaftsplanung (1948 stand dann die Planwirtschaft sowjetischen Typs auf der Tagesordnung).

Das gesellschaftliche Gebilde befand sich damals zwischen dem Kapitalismus und dem Sozialismus - ein realer „Staatssozialismus stalinistischer Prägung“, ohne damit die real sozialistische Natur zu propagieren.

2.2. Die ö konomische Ausbeutung und die politische Anbindung

Die wichtigsten Instrumente der ökonomischen Ausbeutung und der politischen Anbindung seitens der UdSSR in der Nachkriegszeit waren die Reparationen (Bulgarien, SBZ, Rumänien, Ungarn, z.B. Demontagen, Warenlieferungen, Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen), die gemischt-nationalen Gesellschaften und die Benachteiligungen im Handel bzw. Beeinträchtigungen der nationalen Planung (die UdSSR beherrschte mit den gemischt-nationalen Gesellschaften große Teile der Wirtschaft des betroffenen Landes in Industrie und Handel) sowie das Preissystem, basierend auf der Unterbewertung der Waren aus allen osteuropäischen Staaten zugunsten der UdSSR.6 Das sowjetische Grundmodell der Industrialisierung wurde von allen Staaten in Ost- sowie auch Südosteuropa übernommen. Damit verstärkte sich die ökonomische Abhängigkeit von der UdSSR, z.B. von ihren Rohstofflieferungen. Das sowjetische Grundmodell der Industrialisierung hatte als Ziel alle wichtigen Industriezweige mit dem Schwerpunkt der Herstellung von Produktionsmitteln aufzubauen, die Konsumgüterindustrie sowie die Landwirtschaft wurden weitgehend vernachlässigt und aus der Landwirtschaft wurden die Mittel für die Industrialisierung herausgepresst. Die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft führte in Verbindung mit dem sowjetischen Grundmodell der Industrialisierung zum Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion. Die Verhinderung einer Beteiligung am Marshallplan (damit endeten die traditionellen Handelsbeziehungen) führte zur Errichtung eines Außenhandelsmonopols und dadurch zur Gründung des RGW.

Diese Art der Ausbeutung war zugleich bis 1953 auch das wichtigste Instrument der Einbeziehung des wirtschaftlichen Potentials der Volksdemokratien in die sowjetische Wirtschaft. Dementsprechend hatten die Länder Ost- und Südosteuropas von der Sowjetunion in der Nachkriegszeit nicht nur die Wirtschaftsordnung übernommen sondern auch das Entwicklungskonzept der Industrialisierung mit Hauptaugenmerk auf die Schwerindustrie. Das einheitliche Außenhandels- und Währungsmonopol prägte das einheitliche Außenhandelsmodel, in dem die Einfuhren als Versorgungskomponente den Vorrang hatten und den Ausfuhren nur eine unterordnete Rolle als Finanzierungsquelle zugewiesen wurde.

Von der Errichtung des staatlichen Außenhandelsmonopols in den osteuropäischen Staaten (1948), verbunden mit einem weitgehenden Abbruch der traditionellen ökonomischen Beziehungen zu kapitalistischen Ländern, profitierte politisch wie ökonomisch die UdSSR, da die osteuropäischen Länder nur die Wahl hatten sich der Sowjetunion zu unterwerfen.

Dem Marshallplan standen die osteuropäischen Staaten keineswegs einhellig und ablehnend gegenüber. Wie z.B. die Tschechoslowakei, welche ihre Teilnahme an der Konferenz beschlossen hatte. Das Interesse am Marschall-Plan bestand in osteuropäischen Ländern auch deshalb, weil der Lebensstandard, bedingt durch Kriegslasten und ökonomische Ausbeutung durch die UdSSR, sank und Kredite dringend benötigt wurden. Die Sowjetunion musste zwecks politischer Absicherung und ökonomische Ausbeutung ihres Machtbereichs, die Beteiligung osteuropäischer Länder am MarschallPlan verhindern. Man sollte hierbei berücksichtigen, dass vor dem Krieg 80 bis 90 % der Exporte der kleineren osteuropäischen Länder in den Westen gingen. Sie exportierten agrarische Produkte und Güter der Leichtindustrie und importierten Maschinen und Rohstoffe.7

Als Antwort auf die Verkündung die Truman-Doktrin und die ökonomische Abstützung durch den Marschall-Plan reagierte die UdSSR mit der Sicherung ihres Einflussbereiches durch die Gründung des Kominform und die Unterdrückung des Balkanföderationswillen in Jugoslawien (1947 zwischen Jugoslawien und Bulgarien). Die Stärkung der Position der Sowjetunion kam durch die Installierung von Volksdemokratien unter der Herrschaft der überall gebildeten Einheitsparteien (von Sozialdemokraten und Kommunisten), durch die Errichtung des Außenhandelsmonopols in den osteuropäischen Staaten, mit dem Beschluss des Kominform über die Kollektivierung der Landwirtschaft und dem „Molotow Plan“ (= Gründung des RGW) zustande. Im Gegensatz zur UdSSR bedienten sich die USA ihrem Gesellschaftssystem entsprechenden primär-ökonomischen Mittel zur Sicherung ihres Einflusses, so z.B. des Weltwährungssystems von Bretton-Woods.

Die UdSSR sicherte 1948 ihren Einflussbereich durch die Beseitigung der Koalitionsregierungen, die Einführung des Außenhandelsmonopols und den Abschluss von Freundschaftsverträgen und Handelsabkommen mit den osteuropäischen Ländern. Die sowjetischen Politiker führten zu Recht an, dass das Außenhandelsmonopol nunmehr ein Mittel sei, um die Sowjetwirtschaft mit den Wirtschaften der Volksdemokratien zu verbinden (somit ein Mittel um das sowjetische Imperium zusammenzuschweißen).

3.Gründung des RGW - die Entwicklungsphasen.

Über die Gründungsmotive gibt es in der Literatur in Ost und West keine einheitliche Meinung. Das Ziel des am 8. Januar 1949 gegründeten Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) stellte offensichtlich keine Wirtschaftsintegration in Aussicht. Das Ziel damaliger Gründerstaaten (Albanien, Bulgarien, Polen, der CSSR, Rumänien, Ungarn und die UdSSR) lautete: „ ...Verwirklichung einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den volksdemokratischen Ländern und der Sowjetunion; der Rat sollte sich aus Vertretern der an den Beratungen beteiligten Länder auf gleichberechtigter Basis zusammensetzen, mit der Auflage, die Wirtschaftserfahrungen auszutauschen und eine gegenseitige technische Hilfe sowie eine Hilfe in Rohstoffen, Nahrungsmitteln, Maschinen und Ausrüstungen zu gewährleisten“.

[...]


1 Zwass (1989), S. 13

2 Zwass (1989), S.14

3 Zwass (1989), S. 15

4 Damus (1979), S. 20

5 Damus (1979), S. 25

6 Damus (1979), S. 61

7 Hoffmann (1961), S. 11

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
EG und COMECON (RGW) ab Mitte der 1970er Jahre
Untertitel
Ost-West-Handel im realen Sozialismus und Kapitalismus
Hochschule
Universität Salzburg
Veranstaltung
SE "Bretton Woods – Weltwirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg"
Note
1,5
Autor
Jahr
2011
Seiten
21
Katalognummer
V176873
ISBN (eBook)
9783640983056
ISBN (Buch)
9783640983179
Dateigröße
488 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
EG, RGW, 1970, Ost-West Handel
Arbeit zitieren
Nataliya Rybalko (Autor:in), 2011, EG und COMECON (RGW) ab Mitte der 1970er Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/176873

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