Menschen mit Behinderung in der Wirtschaftswerbung - Ein Bild zwischen kommerzieller Instrumentalisierung und zeitgemäßer Integration


Hausarbeit, 2003

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

Menschen mit Behinderung in der Werbung

´Lieber zeckengeimpft als gehirngeschädigt`
Zu den Werbebildern der 1981er-Kampagne der Österreichischen Apothekenkammer

´Die Sonnenblumen - Models des Herrn Toscani`
Kinder und Jugendliche mit Behinderung in der 1998er- Kampagne der italienischen Modefirma Benetton

Werbung für alle, mit allen

Hinweise zu den Quellenangaben

Quellenangaben

Anhang

Menschen mit Behinderung in der Werbung

Sich mit dem Bild behinderter Menschen in der Werbung zu befassen, ist im ersten Schritt nicht ganz leicht: Zunächst einmal müssen behinderte Menschen in der Werbung gefunden werden.

Da gibt es zum einen natürlich zahlreiche Körperschaften und Vereine in Deutschland wie z.B. die Lebenshilfe oder die Aktion Mensch, die sich für die Interessen behinderter Menschen einsetzen und für ihre Arbeit meist in Verbindung mit Spendenaufrufen auch werben.

Zum anderen sind da die Hersteller von Hilfsmitteln, die Behinderte als Zielgruppe anvisieren, und jüngst startete darüber hinaus beispielsweise das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung die Werbe-Aktion ´50.000 Jobs für Schwerbehinderte`.

Die Werbekampagnen dieser Organisationen haben gemeinsam, dass es ihnen tatsächlich um die Belange behinderter Personen geht: Entweder sind Behinderte selbst die Adressaten der Reklame oder aber Menschen, die sich mit Behinderten konkret beschäftigen beziehungsweise ihren Beitrag zur Behindertenarbeit mittels Spenden oder sonstiger Hilfen leisten möchten.

Die Einbeziehung behinderter Menschen in die alltägliche Wirtschaft swerbung ist allerdings eher unüblich und durch ihre Seltenheit etwas Besonderes: Bei meinen Recherchen für diese Arbeit bin ich auf nur zwölf Wirtschaftswerbungen gestoßen, die sich in den letzten zwanzig Jahren die Darbietung behinderter Menschen bzw. das Aufgreifen des Themas Behinderung zu Nutzen gemacht haben. Acht davon wurden von deutschen Unternehmen hervorgebracht. Angesichts der Werbeüberfrachtung in unserer Gesellschaft ist dies eine nahezu unbedeutende Anzahl.

Die Darstellungsweisen behinderter Menschen in der Wirtschaftswerbung unterscheiden sich zwar in ihrer Gestaltung, sie beachten jedoch in der Regel die klassischen Beeinflussungsstrategien von Reklame. Werbung mit behinderten Menschen im Bezug auf soziologische Kriterien betrachtet, zeigt oftmals deutliche Kontraste zum Selbstbild Betroffener und steht in einigen Fällen in erkennbarem Gegensatz zum Integrationsgedanken.

Zur Erläuterung dieser Annahme wählte ich je ein Beispiel aus Plakat- und Katalogwerbung.

Sieben der insgesamt zwölf Wirtschaftswerbungen, die ich zum Thema finden konnte, erwecken den Anschein, als sei mit Negativdarstellungen und der verbreiteten, aber vielfach verdrängten Angst vor drohender Behinderung mehr Umsatz zu erzielen, als mit der Darstellung von Behinderung in positiven Bezügen.

Aus den negativen Beispielen wählte ich die Werbeaktion ´Lieber zeckengeimpft als gehirngeschädigt` aus, die 1981 von der Österreichischen Apothekenkammer initiiert wurde. Ihr stelle ich anschließend die 1998er-Kampagne ´Die Sonnenblumen` der italienischen Modefirma Benetton als eine von fünf Werbeaktionen, die ein modernes, bejahendes und integratives Bild von Behinderung zeigen, gegenüber.

´Lieber zeckengeimpft als gehirngeschädigt`

Zu den Werbebildern der 1981er-Kampagne der Österreichischen Apothekenkammer

´Lieber zeckengeimpft als gehirngeschädigt.` Unter diesem Motto stand im Frühjahr 1981 eine Reklameaktion der Österreichischen Apothekenkammer - vom Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz unterstützt - die mittels 1300 Großplakaten (s.u.) und einiger Radiospots über eine Million ÖsterreicherInnen dazu bewegen konnte, sich vorbeugend gegen Zeckenbisse impfen zu lassen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[Quelle: Forster, R. & Schönwiese, V., 1982]

Bilder und Texte dieser Werbekampagne sollen beim Betrachter zunächst sehr negative Gefühle hervorrufen: Vor der direkten Konfrontation mit menschlichem Leid schrecken die meisten Menschen zurück. Der Gedanke, es könnte einem selbst auch widerfahren, eines Tages vollkommen hilflos an Infusionen angeschlossen im Bett zu liegen oder für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt zu sein, drängt sich unangenehm auf und ist furchteinflößend.

Die zentrale Gefahr solcher Furchtappelle in der Werbung ist, dass sie bei dem Adressaten solch negative Emotionen auslösen können, dass das beworbene Produkt schließlich selbst mit der durch die Werbebotschaft erzeugten Abneigung assoziiert wird. Das hat dann im schlimmsten Fall für die Werbetreibenden zur Folge, dass die Reklame nicht mehr beachtet und das beworbene Produkt dann natürlich auch nicht gekauft sondern abgewehrt wird, denn nach Schnierer steht Werbewirksamkeit in enger Verbindung mit aktuellen Bedürfnissen der potentiellen Kundschaft bzw. mit deren emotionalen Konsumerlebnissen: Positiverlebnisse erfreuen Menschen normalerweise sehr viel mehr, als Negativerlebnisse dies tun [vgl. Schnierer 1999: 74 ff.]. Dennoch hatte die Reklamekampagne der Österreichischen Apothekenkammer durchschlagenden Erfolg.

Dies lag zum Teil sicher daran, dass die Werbekampagne nach dem „Prinzip des adaptiven Hedonismus“ arbeitete [Schnierer 1999: 79].

Es beinhaltet die Annahme, dass Menschen ihre „Handlungen nach dem Gewinn von Lust und der Vermeidung von Schmerz“ ausrichten [ebd.]. Der Trick, den die Werbetreibenden bei der 1981er-Impfkampagne angewandt haben, ist genau diese Methode: Den Adressaten wurden anhand der Visualisierung des vermeintlichen Elends behinderter Menschen die schmerzlichen Folgen vor Augen geführt, die durch den Verzicht auf eine Impfung entstehen können: lebenslange geistige und körperliche Behinderung, dauerhafte Hilflosigkeit, Abhängigkeit etc.. Gleichzeitig wurde der Zielgruppe eine recht bequeme Lösung des Problems angeboten: Impfung gegen durch Zecken übertragbare Infektionen.

Der angeführte Konsumgrund war also die Vermeidung von Schmerz. Der Erfolg der Reklameaktion zeigte, dass die Rechnung nach dem Prinzip des adaptiven Hedonismus hier trotz bzw. durch Weckung negativer Emotionen aufging - auf Kosten behinderter Menschen.

Die abgebildeten Menschen haben die „Rolle der Leidenden“ [Halder 1995: 33], der Hilfsbedürftigen und Unselbständigen inne. Eine negative affektive Haltung der Adressaten ihnen gegenüber wurde von den Werbetreibenden durch eine entsprechende Gestaltung der Plakate herausbeschworen und ist zur Unterstützung des Werbezieles auch dem Slogan zu entnehmen gewesen: Man soll sich lieber gegen Zeckenbisse impfen lassen, als womöglich ein solch bedauernswertes Leben wie die abgebildeten Behinderten verbringen zu müssen.

Die Botschaft dieser Impf-Kampagne suggeriert auf latenter Ebene, dass Behinderung durch korrektes Verhalten vermeidbar ist. Anders herum formuliert hieße das, behinderte Menschen sind eigenverantwortlich für ihre Situation, gewissermaßen sind sie durch individuelles Fehlverhalten verdient zum Opfer geworden.

Diese durch die Bilder und Texte hervorgerufene Suggestion in Verbindung mit der „Orientierung unserer Gesellschaft am Gesunden und Vollhandlungsfähigen“ [Cloerkes 2001: 75] führt zu einer in hohem Maße stigmabehafteten, undifferenzierten und unvollständigen Wahrnehmung von Behinderung. Obwohl eine Behinderung in manchen Fällen tatsächlich auf bewusste Selbstverschuldung zurückzuführen ist (z.B. auf waghalsiges Betreiben gefährlicher Sportarten, übermäßigen Rauschmittelkonsum etc.), sind Behinderungen zum überwiegenden Teil in Alltags- und Arbeitsunfällen, Krankheiten, medizinischen Fehlern (z.B. Impfschädigungen) oder Vererbung begründet [vgl.: Stimmer 20004: 74f].

Diese Tatsache wird von den Werbetreibenden der Impf-Kampagne aus gutem Grund nicht angeführt. Vielmehr wird hintergründig zumindest kognitive Behinderung („gehirngeschädigt“) als selbstverschuldete und vermeidbare Mangelhaftigkeit, als in jedem Fall behandlungsbedürftiges und belastendes Problem generalisiert.

Dies widerspricht jedoch häufig dem Selbstbild von Menschen mit Behinderung. Eine betroffene Mutter meint, sie glaube, behinderte Menschen lebten oftmals „viel glücklicher und zufriedener als wir, die wir nur auf Leistung gucken und nach Erfolg streben“ [Arbeitskreis Down-Syndrom 2002].

Der erwünschte und letztlich auch erzielte Profit für Pharmaindustrie und Ärzteschaft durch die Kampagne ´Lieber zeckengeimpft als gehirngeschädigt` geht im wahrsten Sinne des Wortes auf Kosten verängstigter BürgerInnen zum einen - im Gegensatz zur Impfung nach einem Zeckenbiss, die von der Krankenkasse übernommen wird, muss die Vorsorgeimpfung selbst bezahlt werden - [vgl. Forster & Schönwiese 1982] und auf Kosten eines positiven gesellschaftlichen Images behinderter Menschen auf der anderen Seite. Denn „abschreckender kann Behinderung, furchtbarer können Distanz und Vorurteile gegenüber behinderten Menschen kaum mehr visualisiert werden. (...) Abstoßende Bilder und aufrüttelnde Texte prägen sich eben viel stärker ins Gedächtnis ein als lange Erklärungen“ [ebd.].

Natürlich ist es verständlich und ohne Zweifel auch richtig, dass entsprechende Vorsorge betrieben wird, wenn die Gefahr einer schwerwiegenden Infektion besteht. Dafür allerdings unter zu Hilfenahme eines stigmabehafteten Bildes behinderter Menschen zu werben, zeigt weniger Besorgnis um die Gesundheit der BürgerInnen, als vielmehr das Wissen um die gesellschaftlich weit verbreitete „Unfähigkeit (...) mit dem Phänomen ´Behinderung` natürlich umzugehen“ [Bai-Pfeifer: 109].

Plakatmotive und Texte wurden, abschließend bemerkt, mit einem ´Werbeoscar` prämiert, „weil durch eine entsprechend hochdramatische Gestaltung ein überaus starker Aufforderungseffekt erzielt worden ist“, so Helmut Buxbaum, ein Mitglied der für die Vergabe der Auszeichnung zuständigen Jury [vgl. ebd.].

D i e S o n n e n b l u m e n - M o d e l s d e s H e r r n T o s c a n i

Kinder und Jugendliche mit Behinderung in der 1998er-Kampagne der italienischen Modefirma Benetton

„Nein, nein, natürlich missbrauchen sie die nicht, die Toten, die Kranken, die Sterbenden, die Leidenden, die Betroffenen zum schönen Strickwarenverkauf. (...) Ganz uneigennützig, selbstverständlich“ [Heinrichs, 1998]. Natürlich - würden viele vermutlich augenblicklich richtig schlussfolgern - ist hier die Rede von der Firma Benetton, einem italienischen Modekonzern, der Erwachsenen- und Kinderkleidung herstellt und unter der Marke ´United Colors of Benetton` weltweit über selbständige Einzelhandelsgeschäfte vertreibt.

Benetton ist bekannt für äußerst provokante Werbung: Seit Anfang der 90er Jahre wirbt die Firma verstärkt mit gesellschaftlich brisanten und daher oft umstrittenen Themenmotiven, die in der Regel für heftige öffentliche Diskussionen sorgen und den Konzern immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik nehmen. Die kontroversen Meinungen zu den Werbekampagnen spalten in regelmäßigen Abständen die Nation:

Während es auf der einen Seite Menschen gibt, die beispielsweise die Darstellung einer farbigen Frau, die einen weißen Säugling stillt (1990), eines Neugeborenen mit noch unzertrennter Nabelschnur (1991), eines Soldatenfriedhofs (1991) oder eines im Sterben liegenden AIDS-Patienten (1992) als einen in „provokative Fotoästhetik“ [Siemens, 1998: 65] gehüllten Appell gegen gesellschaftliche Missstände und gleichzeitigen Aufruf zu sozialem Engagement verstehen, können eine Vielzahl anderer Menschen diesen Enthusiasmus nicht teilen. Sie halten die oftmals schockierenden Werbeanzeigen des Konzerns für eine besonders medienwirksame Taktik, um sich durch das Vermarkten gesellschaftlicher Tabuthemen immer wieder in die Schlagzeilen zu katapultieren und damit die Aufmerksamkeit potentieller Kunden auf sich zu lenken. Man kritisiert in diesem Zusammenhang die Glaubwürdigkeit der Firma und führt zumeist das Argument an, dass das vermeintlich soziale Engagement Benettons stets bei der Werbung aufhöre [vgl. www.agenturcafe.de]. Entsprechende Werbekampagnen seien darum als „Verlogen (...) und zynisch bis zur Schmerzgrenze“ [Heinrichs, 1998] zu bezeichnen, denn Benetton setze zur Steigerung der Umsatzrate gezielt auf die Werbewirksamkeit von Skandalen. Würde es um soziale Verantwortlichkeit und humane Anliegen gehen, müsse nach Meinung der Kampagnenkritiker das grüne Benetton-Logo ja nicht so groß auf der Werbung abgebildet sein [vgl. ebd.].

Die öffentliche Empörung über einige Benetton-Motive ging in der Vergangenheit von Protestbriefen bis hin zu Boykottaufrufen gegen Geschäfte und fand einige Male ihren spektakulären Höhepunkt in gerichtlichen Klagen gegen die Firma.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass einige Jahre später allein die Ankündigung der italienischen Modemacher, man wollte als nächstes mit behinderten Kindermodels werben, einen gewissermaßen präventiven Sturm der Entrüstung ausgelöst hat.

In den Printmedien, denen eigentlich nicht jede Nachricht einen Artikel wert ist, fanden sich im September 1998 Akzente setzende Schlagzeilen wie „Eine neue Provokation von Benetton?“ [Siemens, 1998: 62] oder „Benetton-Auftritt polarisiert wieder: Soziale Sensibilisierung oder PR-Schock fürs Geschäft?“ [in ´Horizont`, 1998]. Aber auch deutlich vorsichtiger formulierte Headlines wie „Fördert Benettons neue Kommunikationskampagne die Anliegen behinderter Menschen?“ [Heiner, 1998] drückten die gemischten Gefühle aus, mit denen die Öffentlichkeit der neusten Kampagne von Benetton entgegensah.

Im Herbst 1998 erschien der hundertseitige Benettonkatalog mit dem deutschen Titel ´Die Sonnenblumen` in einer ersten Auflage von drei Millionen Stück, der in den Benettongeschäften und als Zeitschriftenbeilage in fünfzig Ländern zu bekommen war. Die große Nachfrage zeigte das Interesse der Leute an der umgerechnet rund 8,9 Millionen Euro teuren Kampagne und machte schon bald einen Nachdruck notwendig, da bereits nach kurzer Zeit die erstgedruckten Exemplare ver- 1998er - Titelbild des Benetton-Kataloges ´Die Sonnenblumen` als Plakatwerbung

Quelle: www.rhein-zeitung.de/on/98/09/25/magazin/newes/benetton/html (25.09.´98)

griffen waren. Einige ausgesuchte Fotos aus dem Katalog wurden für Plakat- und Anzeigenwerbung genutzt. Die ´Stars` der 1998er-Kampagne waren junge Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen. Die Fotos von ihnen wurden im Heilpädagogischen Zentrum St. Valentin im oberbayrischen Ruhpolding von Benetton-Fotograf Oliviero Toscani aufgenommen.

Wie schon angesprochen gehen die Ansichten über Benettons unkonventionelle Werbemotive weit auseinander, so dass es auch bei dieser Kampagne unter dem Vorzeichen der Behinderung zunächst nicht anders kam, als von vielen Leuten erwartet.

Man kann selbstverständlich geteilter Meinung darüber sein, ob Menschen mit Behinderung als Kleidermodels eingesetzt werden ´dürfen` oder ob dies nicht tragbar ist, weil es einer Zurschaustellung menschlichen Leidens gleichkommt. Tatsache ist jedoch, dass es dem Benettonkonzern gerade durch das Wecken ambivalenter Gefühle im Bezug auf die Darstellung behinderter Kinder und Jugendlicher einmal mehr gelungen ist, Zentrum des öffentlichen Interesses zu werden. Eine hervorragende Werbestrategie steckt dahinter, die im Folgenden näher erläutert werden soll.

Wohin man auch sieht, es wird geworben. Auf riesigen Plakatwänden, auf Bussen und Bahnen, auf Autoheckscheiben, mit Anzeigen in Illustrierten und Tageszeitungen, mittels Flugblättern, Leuchtreklamen, Fernsehspots und dicken Katalogen. Unsere Umwelt ist derart überfrachtet mit Reklame, dass es unmöglich ist, all diese Botschaften bewusst aufzunehmen. Nicht allein Thomas Schnierer weist darauf hin, dass deshalb die menschliche „Wahrnehmung immer und zwangsläufig selektiv erfolgt“ [Schnierer, 1999: 39].

Die dadurch bedingten Defizite im Erfassen angebotener Informationen stören die Mehrzahl der Menschen meist nicht weiter. Für die Werbewirksamkeit kann der Mechanismus der Wahrnehmungsselektion allerdings verheerende Auswirkungen haben, denn „für Werbetreibende verliert (...) nicht beachtete Werbung ihren Sinn und Zweck“ [ebd]. Sprich: Ein Produkt, das nicht wahrgenommen wird, wird auch nicht gekauft.

Benetton hat sich zur Lösung dieses Grundproblems, mit dem sich jede Werbung auseinandersetzen muss, gleich mehrere Möglichkeiten zu Nutze gemacht:

Zunächst geht es Benetton um das Überwinden der sogenannten Wahrnehmungsschwelle, denn die Kontakt herstellung zum Werbeobjekt ist als wichtigstes außerökonomisches Werbeziel eine unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen des ökonomischen Zieles der Absatzsteigerung [vgl. Schnierer 1999: 31].

Der Kontakt erleichterung dient hierbei in der typischen Benetton-Reklame die komprimierte Visualisierung der Werbung. Getreu der Redewendung ´Ein Bild sagt oft mehr als tausend Worte` haben prägnante Illustrationen den Vorteil, ein höheres Aktivierungspotential als Sprache zu haben: Da die gedankliche Anstrengung bei der Dekodierung von Bildern im Vergleich zur Sprachdekodierung relativ gering ist, können Bilder von den meisten Menschen wesentlich schneller und auch genauer aufgenommen und verarbeitet werden als Worte. Im Hinblick auf die eher kurze Orientierungsreaktion der potentiellen Kundschaft steigert sich mit der Visualisierung einer Reklame deren Wirkungschance.

Benetton orientiert sich an diesem Prinzip. Die Models des 1998er-Kampagne fallen sofort ins Auge, da sie zumeist die ganze Katalogseite bzw. Plakatwand ausfüllen bzw. zwölfmal sogar im großformatigen Einzelportrait zu sehen sind. Im Grunde wird nichts dargestellt, was die Aufmerksamkeit der Betrachter von den in die Benetton-Pullover gekleideten Kindern ablenken könnte: Die Hintergründe sind neutral gehalten (u.a. Wald, Wiese, Schnee, Küche, Badezimmer). Dies kennt man seit langem von anderen Werbekampagnen Benettons: In der Regel wird jemand oder etwas vor einem ganz und gar weißen - reizlosen - Hintergrund abgebildet, so dass sich sowohl das Objekt bzw. die Person, als auch das grüne Benetton-Label deutlich abheben.

Damit die potentielle Kundschaft nach einer ersten flüchtigen Betrachtung nicht sofort wieder wegguckt, zieht Benetton die Aufmerksamkeit der Kunden durch den Einsatz unkonventioneller Werbebilder auf sich. Blickfang waren 1998 Kinder und Jugendliche mit sichtbaren Behinderungen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Menschen mit Behinderung in der Wirtschaftswerbung - Ein Bild zwischen kommerzieller Instrumentalisierung und zeitgemäßer Integration
Hochschule
Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe
Veranstaltung
Soziologie der Werbung
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
26
Katalognummer
V18189
ISBN (eBook)
9783638225823
Dateigröße
1086 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Menschen, Behinderung, Wirtschaftswerbung, Bild, Instrumentalisierung, Integration, Soziologie, Werbung
Arbeit zitieren
Sabine Maurer (Autor:in), 2003, Menschen mit Behinderung in der Wirtschaftswerbung - Ein Bild zwischen kommerzieller Instrumentalisierung und zeitgemäßer Integration, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18189

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