Gertrude Steins Einfluß auf andere amerikanische Schriftsteller


Seminararbeit, 1998

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.Gertrude Steins Einfluß auf Sherwood Anderson
2.1. Die Beziehung zwischen Gertrude Stein und Sherwood Anderson
2.2. Die Gemeinsamkeiten des Stils und der Intention

3. Gertrude Steins Einfluß auf Ernest Hemingway
3.1. Die Beziehung zwischen Gertrude Stein und Ernest Hemingway
3.2. Stilistische Analyse einer Auswahl an Werken

4. Gertrude Steins Einfluß auf Francis Scott Fitzgerald

5.Gertrude Steins Einfluß auf Richard Wright

6. Schlußbemerkung

Literaturliste

Primärliteratur

Sekundärliteratur

1. Einleitung

Forscht man nach amerikanischen Schriftstellern, die unter Gertrude Steins Einfluß gestanden haben könnten, bemerkt man, daß viele Schriftsteller-bekannte und weniger bekannte- in die Rue de Fleurus zu Gertrude Stein und Alice B.Toklas[1] kommen, sobald sie in Paris angekommen sind. Viele von ihnen kennen ihre Werke schon vorher und stehen in sofern vom schrifstellerischen Standpunkt aus gesehen bereits vor einem ersten Treffen unter einem gewissen Einfluß. Ihre schriftstellerische Besonderheit liegt ohne Zweifel in ihrem Umgang mit Wörtern. Edith Sitwell[2] sagt darüber:

Sie warf ein Wort in die Luft, und wenn es wieder zum Boden zurückkehrte, trug es seine ursprüngliche Bedeutung in sich, die es besessen hatte, bevor Überlieferung und falsche Anwendung sie verdunkelt hatten.[3]

Edith Sitwell gehört zu den Schriftstellerinnen, auf die Gertrude Stein Wirkung hat. Vorwiegend jedoch besteht die Gruppe von Schriftstellern, die sich bei ihr Rat holen, aus Männern. Es drängt sich die Frage auf, warum eine Frau und Schriftstellerin wie Gertrude Stein solch einen Einfluß auf männliche Schriftsteller hat. Ihr Lebensstil ist weitgehendst ungewöhnlich und ihr schriftstellerisches Arbeiten von wenig Erfolg seitens der Öffentlichkeit gekrönt: sie lebt in einer lesbischen Lebensgemeinschaft und ihre Werke werden lange Zeit kaum gelesen, so daß sie nur schwer von ihrem Schreiben leben kann. Um der Frage nach dem Grund für ihren Einfluß nachzugehen, werde ich in der folgenden Arbeit ihre Beziehung zu vier amerikanischen Schriftstellern -Sherwood Anderson, Ernest Hemingway, Francis Scott Fitzgerald und Richard Wright-darstellen.

2.Gertrude Steins Einfluß auf Sherwood Anderson

2.1. Die Beziehung zwischen Gertrude Stein und Sherwood Anderson

Das erste Treffen zwischen Gertrude Stein und Sherwood Anderson findet am 13.Juni 1921 statt. Anderson lernt Sylvia Beach[4] kennen, nachdem er sein Werk Winesburg, Ohio[5] in ihrem Laden sieht. Sylvia Beach gibt ihm eine Empfehlung für Gertrude Stein, so daß er die Möglichkeit hat sie kennenzulernen.[6] Bereits bei ihrem ersten Treffen erklärt er ihr, wieviel ihm ihr Werk bedeutet. Als er nach Amerika zurückkehrt, veröffentlicht er am 11.10.1922 in The New Republic einen kurzen Artikel über seinen Besuch bei ihr. In diesem Artikel mit dem Titel Four American Impressions vergleicht er Gertrudes Fähigkeit, mit Wörtern umzugehen, mit der Fähigkeit der Frauen seiner Heimat, in der Küche zu arbeiten, was als großes Kompliment zu verstehen ist.[7]

Schon vor seinem Besuch in Paris bei Gertrude Stein ist er auf ihr Werk gestoßen. 1914 bringt sein Bruder ihm zufällig Steins Tender Buttons[8] mit; obwohl dieses Werk verspottende Kritiken bekommt, gefällt es Anderson. Er erzählt, daß er von ihrem Werk inspiriert ist und mehrere Tage ein Notizbuch mit sich herumträgt, um Wortspiele zu machen und das, obgleich er zu diesem Zeitpunkt noch kein Schriftsteller war.[9]

Als er jedoch 1922 in Amerika schon zu etwas Berühmtheit gelangt ist, bittet ihn Gertrude Stein, das Vorwort zu ihrer Zusammenstellung von Prosa, Porträts und Stücken - Geography and Plays - zu verfassen. Mit Begeisterung nimmt er diese Aufforderung an.[10] In diesem Vorwort berichtet er, wie sein Bruder ihn auf Tender Buttons aufmerksam gemacht hat. Außerdem erklärt er, daß der entscheidende Unterschied zwischen Gertrude Stein und anderen Schriftstellern darin liegt, daß sie sich die Zeit nimmt und das Bewußtsein hat, um den Wörtern gebührende Beachtung zu schenken.[11]

Daß er nicht nur aus ihren Werken lernte, sondern auch um ihren Rat bezüglich seiner Werke bittet, geht aus einem Brief hervor, den Stein im April 1923 an ihn schreibt.[12] Sie erklärt ihm darin sehr genau, was er ihrer Ansicht nach in seinem gerade herausgekommenem Roman Many Marriages[13] gut oder schlecht ausgearbeitet hat. Dabei geht sie sowohl auf Charakterisierungen der Personen als auch auf den Aufbau und die Struktur in sehr detaillierter Weise ein. Dadurch ist es für ihn möglich, an den entsprechenden Stellen zu arbeiten und so seinen Stil zu verbessern. Außerdem beschreibt sie ihm auch ihre persönliche Leseerfahrung in bezug auf sein Werk, so daß er einen Eindruck der Rezipientenmeinung erlangen kann.

Immer wieder hebt Anderson hervor, wie sehr Gertrude Stein ihm geholfen hat und immer noch hilft. So schreibt er in seiner 1924 veröffentlichten Autobiographie A Story Teller´s Story[14], daß Gertrude ihm einen Sinn für Wörter und deren Lebendigkeit gegeben hat und ihm so geholfen hat, besser zu schreiben. Als ein amerikanischer Professor einen Artikel in Atlantic Monthly veröffentlicht, in welchem er Gertrude Steins Schreiben als ein zufälliges Produkt, das bei ihrer Praktizierung der 'écriture automatique' entstand, bezeichnet,[15] schreibt Anderson sofort einen Gegenartikel für The American Spectator[16]. In diesem Artikel erklärt Anderson die 'écriture automatique' zunächst als "ästhetische Unmöglichkeit" und preist dann Gertrude als "Pfadfinderin", die es "gewagt hatte, auf die Gefahr hin, sich lächerlich zu machen und mißverstanden zu werden, in uns allen, die wir schreiben, ein neues Wortgefühl zu erwecken."[17] Desweiteren unterstreicht er das Ausmaß, zu welchem Gertrude Stein allen Schreibenden geholfen hat, allein dadurch daß sie das Bewußtsein für Wörter geändert hat. Er schließt seinen Artikel damit, sie als eine Revolutionärin zu bezeichnen, die immer genannt sein wird, wenn es um "pures Schreiben" geht.

Neben Veröffentlichungen, in denen er von Gertrude Stein schreibt, berichtet er auch privat von ihr und ihren Hilfestellungen. In einem Brief an seine Schwiegertochter legt er seine Auffassung von Dichtertum dar, um ihr Steins großen Einfluß auf ihn klarzumachen. So erklärt er, daß ein Dichter immer ein menschliches und ein schreibendes Ich hat, wobei die beiden Ichs fast durch nichts miteinander in Verbindung stehen. Die wichtigste und schwierigste Aufgabe eines Dichters ist es nun sein schreibendes Ich zu finden. Diesen wichtigen Teil seines Schriftstellertums spricht er komplett Gertrude Stein zu, da sie ihm geholfen hat, sein schreibendes Ich zu entdecken.[18]

Auch der freundschaftliche Kontakt bleibt weiterhin bestehen. Immer wieder zeugen Briefe von einer innigen Freundschaft[19]. Diese geht sogar soweit, daß die beiden Schriftsteller zusammen ein Werk über ihren gemeinsamen Favoriten General Grant verfassen wollen[20]. Letztlich wird dieser Plan jedoch nie verwirklicht und Stein verfaßt dann ohne Andersons Mithilfe eine Serie von biographischen Essays einschließlich einen von General Grant[21]. Als Stein 1935 nach Amerika kommt, sieht sie Anderson zunächst bei seinem Schwager in Minnesota und später in New Orleans, wo sie sich lange über die Schicksalswendung, die sie noch einmal zusammengeführt hat, unterhalten. Das ist die letzte Begegnung zwischen Gertrude Stein und Sherwood Anderson. Im Januar 1941 erhält sie den letzten Brief von Anderson; er stirbt im folgenden März.

2.2. Die Gemeinsamkeiten des Stils und der Intention

Obwohl Gertrude Steins und Sherwood Andersons Beziehung sehr eng ist und Anderson auch immer wieder hervorhebt, daß er unendlich viel von Stein gelernt hat, fallen bei einer Analyse ihrer Werke wenige Gemeinsamkeiten auf. Die eigentlichen Gemeinsamkeiten liegen im Bereich der Intention und des Handlungsstroms. Abgesehen von jeglichem inhaltlichen Schwerpunkt haben beide Autoren das Ziel, mit Hilfe einer einfachen Umgangssprache Gefühle und Bilder zu beschreiben und somit den Worten eine neue Bedeutung zu geben. Hierbei jedoch gehen sie unterschiedlich vor. Während Anderson Beobachtungen direkt beschreibt, versucht Stein die Beobachtungen auf das Wesentliche zu reduzieren, um dann ihre Erkenntnisse zu beschreiben.[22]

In bezug auf ihre Werke läßt sich außerdem eine Übereinstimmung im Bereich des Handlungsstroms ausmachen, die einige stilistischen Gemeinsamkeiten zur Folge hat. Vergleicht man Winesburg, Ohio und Three Lives fällt auf, daß es darin größtenteils von undramatischen und teilweise ungewollten Leben handelt. Dies wird mit Hilfe von stilistischen Elementen wie Wiederholungen und bildhafter Sprache dargestellt. Die auffallendste Gemeinsamkeit ist das Element der Wiederholungen sowohl von Adjektiven zur Stimmungsbeschreibung als auch von Subjekten. So findet man beispielsweise in dem ersten Absatz der Geschichte Death in the Woods mehrfach das Personalpronomen 'she' als Subjekt des Satzes, ohne daß ein Name genannt wird.

[...]


[1] Alice Babette Toklas (30.4.1877-7.3.1967), Lebensgefährtin von Gertrude Stein

[2] Edith Sitwell (7.9.1887-11.12.1964)

[3] Edith Sitwell: Mein exzentrisches Leben, übers. von Karl A. Klewer, Frankfurter Verlagsanstalt GmbH, Frankfurt am Main, 1989, S.212

[4] Sylvia Beach, Besitzerin des Buchladens Shakespeare and Company in Paris und erste verlegerin von James Joyce' Ulysses

[5] Sherwood Anderson: Winesburg, Ohio, B.W.Huebsch, New York 1919

[6] vgl. Gertrude Stein: Autobiographie von Alice B.Toklas, übers. von Elisabeth Schnack, Sammlung Luchterhand, April 1993, S.231

[7] vgl.Sherwood Anderson: Four American Impressions: Gertrude Stein, Paul Rosenfeld, Ring Lardner, Sinclair Lewis, in: Sherwood Anderson-Gertrude Stein: Correspondence and Personal Essays, hrsg. von Ray Lewis White, University of North Carolina Press, Chapel Hill 1973, S.24

[8] Gertrude Stein: Tender Buttons, Claire Marie, New York 1914

[9] vgl. Sherwood Anderson: from A Story Teller´s Story, in: Anderson-Stein: Correspondence, S.40/1

[10] vgl. John Malcolm Brinnin: Die dritte Rose-Gertrude Stein und ihre Welt, suhrkamp taschenbuch, Frankfurt am Main 1991 S.255

[11] Gertrude Stein: Geography and Plays, Four Seas, Boston 1922

[12] vgl. Anderson-Stein: Correspondence, S.26

[13] Sherwood Anderson: Many Marriages, B.W.Huebsch, New York 1923

[14] Sherwood Anderson: A Story Teller´s Story, B.W.Huebsch, New York 1924

[15] B.F.Skinner: Has Gertrude Stein A Secret?, in: Atlantic Monthly Januar 1934, S.50-57

[16] Sherwood Anderson: Gertrude Stein, in: American Spectator 2, April 1934

[17] Brinnin, Die dritte Rose, S.247/8

[18] vgl. Brinnin: Die dritte Rose, S.248

[19] vgl. Anderson-Stein: Correspondence

[20] vgl. Brinnin, Die dritte Rose, S.295

[21] Gertrude Stein: Four in America, Yale University Press, New Haven 1947

[22] vgl. Brinnin, Die dritte Rose, S.247

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Gertrude Steins Einfluß auf andere amerikanische Schriftsteller
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: "Modernismus aus zwei Perspektiven: Der Pariser literarische Kreis und 'Gender' im Modernismus"
Note
1,7
Autor
Jahr
1998
Seiten
22
Katalognummer
V18845
ISBN (eBook)
9783638231046
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gertrude, Steins, Einfluß, Schriftsteller, Proseminar, Modernismus, Perspektiven, Pariser, Kreis, Gender, Modernismus
Arbeit zitieren
Katharina Schnell (Autor:in), 1998, Gertrude Steins Einfluß auf andere amerikanische Schriftsteller, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18845

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