Homosexuelle Pflegeeltern


Bachelorarbeit, 2009

90 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis:

Einleitung

1. Familie
1.1 Zum Begriff der Familie
1.2 Familie in Statistik
1.3 Geschichte der Familie
1.3.1 PrahistorischeZeit
1.3.2 Antike
1.3.3 Mittelalter
1.3.4 Die Neuzeit
1.4 DieFunktionenderFamilie
1.4.1 Reproduktionsfunktion
1.4.2 Die Sozialisationsfunktion
1.4.3 Die Platzierungsfunktion
1.4.4 Die Freizeitfunktion
1.4.5 Der familiare Schutzschild
1.5 Familienformen
1.5.1 Die biologische Kernfamilie
1.5.2 Ein- Eltern- Familien
1.5.3 Patchworkfamilien
1.5.4 Adoptivfamilien
1.5.5 Pflegefamilien
1.6 Pladoyer fur die Gleichberechtigung aller Lebensweisen

2. Homosexualitat
2.1 Begriffsbestimmung
2.2 Geschichte der Homosexualitat
2.2.1 Magnus Hirschfeld:
2.2.2 Alfred C. Kinsey
2.3 Ursachen von Homosexualitat
2.4 Das Coming- Out
2.5 Vorurteile
2.5.1 Die Identifizierung mit dem anderen Geschlecht
2.5.2 Die homosexuelle Subkultur
2.5.3 Der zahlreiche Partnerwechsel
2.5.4 Homosexualitat entsteht durch Verfuhrung
2.5.5 Schwule sind feminin
2.6 Homophobie und Heterosexismus
2.7 Gesetzliche Bestimmungen

3. Homosexuelle Pflegeeltern
3.1.1 Der Verlaufder Bewerberschulung
3.1.2 Die geeignete Pflegeform
3.1.3 Vorteile der Vermittlung von Pflegekindern an gleichgeschlechtliche Paare
3.2 Psychosoziale Forschung
3.2.1 Ergebnisse aus Studien
3.2.2 Das Erziehungsverhalten
3.2.3 Die Entwicklung der Kinder in Regenbogenfamilien
3.3 Kompetenzforderung im Umgang mit Diskriminierungen
3.3.1 Resilienz
3.3.2 Diversity

4. Fallbeispiel

5. Fazit

Literaturverzeichnis:

Internetquellen:

Abbildungsverzeichnis:

Familienformen Abbildung 1

Familienformen Abbildung 2

Kinsey- Skala Abbildung 1

Einleitung

„Wir bringen das zusammen!"- mit diesem Slogan warb die Stadt Wien fur gleichgeschlechtliche Pflegeelternschaft im Jahr 2006.

Dafur erntete sie Kritik und Ablehnung, genauso wie Neugierde und Fragen und schlieRlich Interesse und Beachtung. Wer uber homosexuelle Elternschaft berichtet, erhalt von den meisten Burgern keine normale Reaktion. Einige beginnen zu lachen, andere nehmen einen argwohnischen Gesichtsausdruck an und wieder andere halten das fur vollkommen uberflussig. Mich interessiert die Frage, warum das so ist. Preisen wir nicht standig unsere tolerante und demokratische Gesellschaft an? Beim Blick hinter die Kulissen sieht das Ganze allerdings schon wieder anders aus. Hinter vorgehaltener Hand wird heftig mit wissenschaftlich langst widerlegten Argumenten diskutiert. Darum geht es in meiner Bachelorarbeit: wie standhaft sind Vorurteile uber homosexuelle Menschen? Das Ziel der Arbeit ist eine kritische Reflektion bestehender Vorurteile, sowie ein wissenschaftlich fundiertes Pladoyerfur gleichgeschlechtliche Pflegeeltern, was Bestatigung anhand eines Praxisbeispiels findet.

Familien, in denen Kinder mit homosexuellen Eltern aufwachsen, werden als Regenbogenfamilien bezeichnet. Hintergrund dafur ist, dass der Regenbogen als internationales Lesben- und Schwulensymbol gilt, welches die Vielfalt zum Ausdruck bringt. Entworfen wurde die Regenbogenfahne von Gilbert Baker, er erhielt nach der Ermordung eines offenen schwulen Supervisors 1979 den Auftrag der Angst und dem Entsetzen in der Schwulenbewegung farbenfrohe Zuversicht entgegenzusetzen.

Im ersten Kapitel setze ich mich intensiv mit dem Thema der Familie auseinander, indem ich der Frage nachgehe, wie diese definiert wird, einen Blick zuruck in die Geschichte werfe, dann zur Notwendigkeit der Familie komme, ehe ich Statistik einflieRen lasse und abschlieRend uber verschiedene Formen der Familie berichte.

Der zweite Teil beschaftigt sich, wie oben erwahnt, mit dem Thema Homosexualitat. Auch hier beginne ich mit einer Reise in die Vergangenheit, komme dann zu den Ursachen, beschaftige mich mit zwei wichtigen Vertretern der Aufklarung uber (Homo-)Sexualitat, beleuchte gangige Vorurteile kritisch, erortere die derzeitige Rechtslage und erklare das Coming- Out.

Dasdritte Kapitel meiner Arbeit handelt von homosexuellen Pflegeeltern, also dem eigentlichen Thema, ich beginne mit Voraussetzungen des Fungierens als Pflegeeltern und der geeigneten Pflegeform um dann ausfuhrlich aktuelle Forschungsergebnisse vorzustellen und kritisch zu reflektieren. Der letzte Teil dieses Kapitels beschaftigt sich mit Resilienz und Diversity um zwei Moglichkeiten der Starkung sowohl kindlicher Personlichkeiten als auch vielfaltiger Lebensweisen aufzuzeigen.

Im Anschluss daran folgt ein Fallbeispiel aus der Praxis, an handdessen die Verbindung theoretischer Erkenntnisse mit der Praxis verknupft werden.

AbschlieRend folgt ein personliches Resumee mit eigenen Erkenntnissen und einem moglichen Ausblick.

1. Familie

1.1 Zum Begriff der Familie

Das Wort „Familie" stammt ursprunglich von dem lateinischen Begriff „Famulus" ab und kann mit Haussklaven ubersetzt werden. Diese Wortherkunft lasst sich aus der Tatsache ableiten, dass mit diesem Begriff dergesamte Besitz und Hausstand eines Mannes (Ehefrau, Kinder, Sklaven, Tiere) gemeint war. (Vgl. ScheuR 2007 S. 294- 295)

Grundlegend beleuchtet die Soziologie zwei Blickwinkel der Familie. Einmal die Mikroebene, in der jede Familie eine individuelle soziale Gruppe darstellt und zum anderen die Familie als Institution der Gesellschaft auf der Makroebene. (Vgl. Huinink, Konietzka 2007 S. 25)

Auffallend ist, dass es weder in der Alltagssprache, noch in der Wissenschaft eine einheitliche Definition von Familie gibt. Im Allgemeinen kennzeichnet sich Familie von gemeinsamer Abstammung und einer Haushaltsgemeinschaft, jedoch gehen mit der Bezeichnung fortwahrend ethische Wertvorstellungen einher, einige Menschen bezeichnen kinderlose Ehepaare als Familie und andere Menschen negieren dies. Ebenso gegensatzlich ist die Wissenschaft aufgrund von unterschiedlichen theoretischen Ansatzen.

Generell unterscheidet sich die Familie durch drei grundlegende Kennzeichen von anderen Lebensformen:

1. Durch ihre Doppelnatur im biologischen und sozialen Sinne

Diese Eigenschaften sind einerseits durch die Reproduktionsfunktion und anderseits durch die Funktion der fruhkindlichen Sozialisation begrundet. Diese Funktion ist auch dann noch gegeben, wenn Dritte (Verwandte, Freunde oder Institutionen) Aufgaben der Erziehung ubernehmen. Die Familie bietet Sicherheit und Schutz und befriedigt korperliche und emotionale Bedurfnisse. (Vgl. Nave- Herz 2004 S. 29- 31)

2. Durch eine Generationsdifferenzierung

Das bedeuet, dass einer Familie mehrere Generationen (GroReltern, Eltern, Kinder) angehoren, diese mussen nicht zwangslaufig einen gemeinsamen Haushalt fuhren.

3. Durch ein bestehendes Kooperations- und Solidaritatsverhaltnis der Mitglieder Aufgrund einer spezifischen Rollenzuweisung innerhalb der Familie geschieht es, dass an jedes Mitglied eine bestimmte Erwartung geknupft ist. Die Bestimmung und Anzahl der Rollen sind auch kulturabhangig, jedoch legen sie die Zusammenarbeit und Obereinstimmung der Familienangehorigen fest. Es herrscht auRerdem eine enge Beziehung zwischen den Mitgliedern. In der Regel werden gemeinsame Brauche und Traditionen gelebt. (Vgl. Nave- Herz 2004S. 29-33)

Das deutsche Jugendinstitut definiert die Familie durch gemeinsam vollzogene Handlungen ihrer Mitglieder, die in einem vereinten Haushalt leben konnen, aber nicht mussen. (Vgl. dji, 2009)

1.2 Familie in Statistik

Laut statistischem Bundesamt ist eine Familie ein Ehepaar mit raumlicher Gemeinschaft und mindestens einem Kind, diese Gegebenheit wird auch als traditionelle Familie bezeichnet. Im Gegensatz dazu setzt sich eine alternative Familie aus einem Elternteil mit einem Kind im Haushalt zusammen (ebenso gehoren Lebensgemeinschaften zu alternativen Familien).

Im Jahr 2005 gab es 82,7 Millionen Haushaltsmitglieder, die in 39, 2 Mio. Haushalten lebten, diese Zahlen sind in einem leichten Anstieg seit 1992 manifestiert. Die durchschnittliche HaushaltsgroRe reduzierte sich 2005 jedoch auf 2, 11 Personen (im Gegensatz dazu waren es 1991 noch 2, 27 Personen). Aufgrund des Individualisierungsprozesses nehmen Ein- und Zweipersonenhaushalte zu, wahrenddessen drei und mehr Personen unter einem Dach immer haufiger zur Raritat werden. Einpersonenhaushalte sind mit 38% die haufigste Haushaltsform in Deutschland, welche sich mit GroRenzunahme der Stadt maximieren. In GroRstadten wie Berlin lebt jede zweite Person allein. Immerhin 34% aller Haushalte sind Zweipersonenhaushalte. Minderjahrige Kinder lebten in 23% aller Haushalte (also in 8, 9 Mio. Haushalten). In einer Familie lebten 2005 mehr als die Halfte (53%) der Bevolkerung, auch hier ist die zunehmende Bedeutung von alternativen Formen des Zusammenlebens signifikant, so sind ein Viertel aller Familien alternative Familien (siehe Familienformen Abbildung 1). (Vgl. ScheuR 2007 S.236- 239) Bei 2/3 der alternativen Familien handelt es sich um alleinerziehende Mutter, alleinerziehende Vater bilden nur einen geringen Anteil. Ober 20% der alternativen Familien sind uneheliche oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften (siehe Familienformen Abbildung 2).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Familienformen Abbildung 1

Quelle: Statistisches Bundesamt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Familienformen Abbildung 2

Quelle: Statistisches Bundesamt

http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2006/08/PD06 _320_122.psml

1.3 Geschichte der Familie

1.3.1 Prahistorische Zeit

In der Anthropologie ist die Entfaltung familiarer Strukturen bedeutsam fur den evolutionaren Fortschritt des Menschen. Die Entwicklung des Menschen und familiarer Strukturen stehen in enger Reziprozitat zueinander (Vgl. Huinink, Konietzka 2007 S. 56- 57), was auf die Tatsache zuruckzufuhren ist, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Er ist von Anfang an in umfassende soziale Verhaltnisse eingebunden, er ist abhangig von Mitmenschen und auf soziale Bindungen angewiesen. Der Mensch kommt als physiologische Fruhgeburt zur Welt, auf seine Instinkte kann er sich nur rudimentar verlassen. Um spezifisch menschliche Verhaltensweisen, wie die Sprache, den aufrechten Gang, Umweltbeherrschung zu erlernen, bedarf es anderen Menschen. (Vgl. Hobmaier 1996 S. 43)

Leider ist das Wissen uber das Zusammenleben in der Fruhgeschichte nur luckenhaft und beruht groRtenteils auf Auslegungen. Die Quelle der Familie als soziales Gefuge bildete zum damaligen Zeitpunkt die Einheit von Mutter und Kind, sowie die Beziehung der Geschwister untereinander. Die Gewissheit uber die Blutsverbindung bildete die Essenz der Familienbeziehungen untereinander, was wiederrum die Wirksamkeit der Elternbeziehung pragte und so zu Eheverordnungen und Abstammungsgeboten fuhrte.

Das Zusammenleben der Menschen in der Steinzeit vollzog sich in Gruppen von 20 bis 40 miteinander verwandten Personen, die in Gruppen oder Horden zusammenlebten Es herrschte biologisch begrundbare

Arbeitsteilung der Geschlechter, die Manner waren Jager und die Frauen Sammler.

Die Jungsteinzeit fuhrte zu einem Wandel der Lebensumstande und-formen, welche sich in Garten- und Ackerbaugesellschaften begrundeten. Die miteinander lebenden Gruppen wurden groRer, die Menschen wurden heimisch und auch die Lebensumstande der Kinder verbesserten sich, wenngleich diese als Arbeitskrafte in der Landwirtschaft genutzt wurden. Die Ehe bekam eine grundlegende und bedeutsame Funktion, obwohl eine Vielfalt an Lebensformen und Regeln herrschte. (Vgl. Huinink, Konietzka S. 57- 59 2007)

1.3.2 Antike

In der Antike bestimmte Patriotismus Familien- und Verwandtschaftsverhaltnisse. Die Hausgemeinschaft der Ehegatten, Kinder und Sklaven bildete in Griechenland und Rom die Familie, welche zentrale Funktionen der Okonomie, Religion und Erziehung wahrnahm. Der Vater als Familienoberhaupt hatte die Oberhand und damit uneingeschrankte Gewalt uber seine Ehefrau und Kinder und musste fur die mannliche Nachkommenschaft sorgen. Das Heiratsalter der Manner war wesentlich hoher als das der Frauen, Scheidungen gab es viele (diese konnten auch von der Frau eingeleitet werden) und auch uneheliche Partnerschaften waren weitestgehend legitimiert.

Geburtenkontrolle durch verschiedenste Formen der Kindstotung waren die Regel, weshalb auch das Adoptionswesen zunehmend an Bedeutung gewann. Dennoch sank die Bevolkerungszahl bis ins dritte Jahrhundert n.

Chr. merklich. Plotzlich galt die Ehe als unauflosbar, Kindstotungen wurden per Gesetz verboten und eine Heirat naher Verwandter wurde untersagt. Zuruckzufuhren lasst sich dies auf die Herrschaft des Kaisers Konstantin im vierten Jahrhundert. Er erlieR das „Mailander Edikt" der Religionsfreiheit und forderte die Entwicklung des Christentums mit dem Errichten bedeutender Kirchen und der Implementierung christlicher Werte. (Vgl. Huinik, Konietzka 2007 S. 56- 63)

Das Wissen uber die germanische Familie in der Antike ist nur luckenhaft, da keine historischen Schriften daruber existieren. Der Familienverband war als Sippe zusammengeschlossen und ebenfalls durch die Herrschaft des Vaters gekennzeichnet. Frauen verfugten uber keinen autonomen Rechtsstatus, aber erfuhren gesellschaftliche Prestige. Bei einer formellen Ehe wurde ein Sippenvertrag zwischen der Brautfamilie und dem Brautigam beschlossen. Informelle Ehen orientierten sich an keiner juristischen Verbindlichkeit. Auch die Ehegemeinschaft eines Mannes mit mehreren Frauen ist vorgekommen. (Vgl. Huinik, Konietzka 2007 S. 61- 62)

1.3.3 Mittelalter

Die Familienformen im Mittelalter unterschieden sich grundlegend voneinander.

Im fruhen Mittelalter gab es hauptsachlich Waldgebiet mit vereinzelten Streusiedlungen (meist ohne Verkehrsanbindung).

Verstandigungsprobleme existierten schon bei einem Umkreis von 30 km, auch die Nachrichtenuberbringung war stark verzogert. Die Hauptaufgabe bestand in der Befriedigung der Primarbedurfnisse auf Grundlage von Eigenproduktion, durch die daraus resultierende Abhangigkeit von der Umwelt war der Mensch eins mit der Natur. Der zweite entscheidende Faktor fur die Beziehung zum Ackerboden als Essenz des Lebens war die Zugehorigkeit zu einer Gruppe. (Vgl. Hettlage, 1992 S. 57- 58). Individuelle emotionale Beziehungen und auch personlicher Ruckzug spielte dabei uberhaupt kaum eine Rolle. AuRerdem war die Sterblichkeitsrate relativ hoch, was eine Fluktuation der Mitglieder zur Folge hatte. (Vgl. Huinik, Konietzka 2007 S. 64)

Grundlegend fur das Zeitempfinden war der von Stetigkeit gepragte Generationswechsel. Die Personlichkeit der Vorfahren wurde fortgesetzt. Jegliches Tun, Handeln und Sein wurde auf den Beginn und schon Erlebtes zuruckgefuhrt (aufgrund dessen wird das Zeitgefuhl als ahistorisch bezeichnet).

Eine neue Entwicklung entstand mit dem Christentum, durch das die heidnische Uhr ein religioses Tempo erhielt. Dennoch blieb die Zeit an sich, sowie deren Bestimmung und Fristen unbedeutend, alles orientiere sich an der An- und Wiederkunft des Messias. Die Welt richtet sich nach dem Schopfungsplan Gottes und wird somit historisiert. Das irdische Dasein dagegen ist aufgrund des himmlischen Aons vollkommen nebensachlich. Die personliche Entwicklung und die Reife spielten, wenn uberhaupt, eine untergeordnete Rolle. (Vgl. Hettlage 1992 S.59-60)

Pragend waren auch die drei Grundprinzipien des Feudalismus, wonach die Aufgabe der Bischofe im Beten besteht, Adelige haben die Pflicht zu kampfen und Bauern mus]sen arbeiten. Diese Gesellschaftsordnung setzte sich 30 bis 40 Generationen lang durch.

Verantwortlich fur den Untergang der Zeitlosigkeit war die Orientierung zur Stadt, in welcher der Mensch weniger von okologischen Gegebenheiten abhangig ist, stattdessen war Eigeninitiative (beim Bauen, bei der Kommunikation) gefragt. (Vgl. Hettlage, 1992 S.62- 63)

1.3.4 Die Neuzeit

Die Lebensformen der Familie blieben vielfaltig, ebenso vollzog sich die Arbeit in verschieden Positionen im selbstandigen Handwerk oder in der Landwirtschaft. Erstmals erfolgte eine Trennung vom Arbeits- und Privatbereich. Es war die Zeit des Protestantismus, der viele Sakrilegien der Ehe aufhob. Die religiose Erziehung der Kinder oblag der christlichen Pflicht der Eltern, der Vater leitete mit Hilfe seiner Frau das Haus. Zu einer verstarkten Erwagung der personlichen Rechte und Konventionen fuhrte die Zeit der Aufklarung im 18. Jahrhundert. Im Zuge der Romantik im 19. Jahrhundert kam es zu einer Gefuhlsorientierung, die Familie gewann damit eine ausschlieRliche Bedeutung als Gemeinschaft zwischen Eltern und Kind. Die individuelle Entscheidung fur oder gegen einen Partner obliegt nun keinem Dritten mehr, sondern dem Einzelnen selbst. Emotionalitat und romantische Liebe wurden somit in den Mittelpunkt geruckt. Auch die Gefuhlsbindung zum eigenen Kind wurde intensiviert.

Das aufstrebende Burgertum organisiert die Familie als eine dauerhafte eheliche Lebensgemeinschaft mit Kindern. Frauen waren im Durchschnitt 25 Jahre, als sie heirateten, wahrenddessen die Manner mit 30 Jahren deutlich alter waren. Der private Raum der Familie war nun schutzenswert, es herrschte eine strikte Rollenverteilung: der Mann ging arbeiten (und hatte damit Autoritat inne) und die Frau kummerte sich um Haushalt und Kinder (zumal ihre Arbeit abgewertet wurde).

Im Gegensatz dazu waren proletarische Familien, in denen alle Mitglieder (einschlieRlich Kinder) arbeiten gingen, um ausreichend Geld fur Nahrung zu verdienen, weitaus verbreiteter. Die Existenzsicherung stand somit im Mittelpunkt des Bestrebens.

Das Modell der burgerlichen Familie setze sich bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts jedoch weitestgehend durch. Die goldene Zeit der burgerlichen Familie herrschte in den 1950er und 1960er Jahren.

Aufgrund der 1968er Jahre setze ein neuer Wandel ein, der sich am ehesten als Diversitat beschreiben lasst. Es existiert nicht mehr das eine gultige Bild von Familie, sondern vielfaltige Lebensformen sind gegenwartig in der Gesellschaft ansassig. (Vgl. Huinik, Konietzka 2007 S. 66- 70)

1.4 Die Funktionen der Familie 1.4.1 Reproduktionsfunktion

Die Reproduktionsfunktion beinhaltet die biologische Fortpflanzung und die soziale Reproduktion.

Die Aufgabe der biologischen Reproduktion liegt schon immer der Ehe zugrunde, vor allem bis in die 70er- Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Erhaltung dieser Funktion wurde durch Diskriminierung bei Nichterfullung gefestigt, insbesondere bei Kinderlosigkeit und unehelichen Geburten.

Kinderlosigkeit besaR meist medizinische Ursachen und wurde als etwas Divergierendes gesehen. Besonders Frauen wurden dafur geachtet (durch Scheidung oder Abwendung der Manner bis hin zu korperlicher

Zuchtigung), auch das Wehren gegen die Kinderlosigkeit durch Hexenkrauter und andere mystische Methoden kam durchaus haufig vor.

Dadurch wird deutlich, dass eine bewusst getroffene Entscheidung zur kinderlosen Ehe neuzeitliche Erscheinung ist, welche vor allem auf gesellschaftliche Umbruche und die Emanzipationsbewegung zuruckzufuhren ist. (Vgl. Nave-Herz 2004 S. 79-81)

Der Hauptaspekt der sozialen Reproduktionsfunktion ist die korperliche und seelische Stabilitat der Mitglieder, die u.a. in der vereinten Haushaltsfunktion (der gesamte Besitz wird als gemeinsames Eigentum angesehen) begrundet liegt. Der Austausch von Gutern, Geld, Emotionen und Kommunikationen spielt eine weitere bedeutende Rolle, nirgendwo sonst werden so viele gemeinsame Handlungen vollzogen. (Vgl. Nave-Herz 2004 S. 85-86)

1.4.2 Die Sozialisationsfunktion

Sozialisation bezeichnet den Prozess der Integration in eine Gemeinschaft. Dieser Prozess wird aktiv vom Individuum selbst ausgeubt und zwar wahrend des gesamten Lebens um sich in der sozialen, geistigen und kommerziellen Gesellschaft zu spuren. Der Mensch kommt als instinktreduziertes, schutzloses Wesen auf die Welt und ist angewiesen auf die Hilfe anderer, diese Unterstutzung ubernimmt in den meisten Fallen die Familie, die dadurch zur ersten Sozialisationsinstanz des Menschen wird. Hier wird das Fundament fur Werte, Regeln und Normen gelegt, die Kinder erfahren eine pragende Wirkung durch die Familie. Dieser Einfluss ist von verschiedenen Faktoren abhangig wie der GroRe der Familie, dem Erziehungsstil, der Haufigkeit sozialer Kontakte und der Verwendung von Konfliktlosestrategien. (Vgl. Nave-Herz 2004 S. 88- 91)

1.4.3 Die Platzierungsfunktion

Hiermit ist der soziale Status, in den das Kind hineingeboren wird, gemeint, was besonders in dem hierarchisch vorgegebenen Gefuge der Vergangenheit eine ganz entscheidende Rolle gespielt hat. Erst die gesellschaftlichen Veranderungen in den 60er- Jahren implizierten die Aussage, dass der Platz in der sozialen Rangordnung primar an der Leistung orientiert sein sollte. (Vgl. Nave-Herz 2004 S. 91- 95)

1.4.4 Die Freizeitfunktion

Die industrielle Entwicklung ermoglichte die Trennung von Arbeits- und Berufsleben. Die neue freie Zeit wurde fur die Familie genutzt.

Bei der Freizeitfunktion steht die Regeneration, also der Spannungsausgleich im Vordergrund, um die Zufriedenheit der Gesellschaftsmitglieder zu gewahrleisten und ihre Produktivitat wiederherzustellen. AuRerdem lebt die Freizeitfunktion von gemeinsamer Kommunikation und Interaktion der Familienmitglieder. Kollektiv erlebte Ereignisse starken den Zusammenhalt in der Familie. (Vgl. Nave-Herz 2004 S. 95 99)

1.4.5 Der familiare Schutzschild

Es ist von der Familienkultur abhangig, wie diese mit Problemen, Krisen und Schicksalsschlagen umgeht. Der gemeinsame Vorrat an Oberzeugungen und Bewaltigungstrategien hilft Familien mit Herausforderungen wie Krankheit und Arbeitslosigkeit fertig zu werden.

Norbert Herriger untersuchte im Rahmen eines Forschungsprojekts 14 Familien von tumorerkrankten Frauen im Hinblick auf deren gemeinsame Wertvorstellungen und Bewaltigungstrategien. Im Laufe der Interviews mit den Betroffenen kristallisierten sich vier Merkmale der psychischen Unverwundbarkeit heraus:

1. Ein gemeinschaftliches Problembewusstsein, was durch die Betroffenheit aller Familienmitglieder deutlich wird und durch die Obernahme von Verantwortung jedes Einzelnen fur den Genesungsprozess gekennzeichnet ist. Durch die Krise mussen sich die Familienmitglieder auf neue, gefahrliche Situationen einstellen, was ihnen aber gleichzeitig auch die Moglichkeit bietet an Erfahrungen zu gewinnen.
2. Gegen Emotionen wie Angst oder Ohnmachtsgefuhle des kranken Familienmitglieds helfen Vertrauen, Dauerhaftigkeit, die Liebe und die Kraft der Anderen. Man wird nicht vernachlassigt oder aufgegeben, dadurch entwickelt sich eine neue Qualitat des Klimas in der Familie.
3. Wenn Probleme in der Vergangenheit erfolgreich bewaltigt werden konnten, so ist die Familie auch nun davon uberzeugt die Krise in eigener Regie zu bewaltigen. Es wird gemeinsam an die personliche Starke und den inneren Zusammenhalt geglaubt.
4. Diese starken Familien konnen zusatzliche und weiterfuhrende Hilfe zulassen und sind oftmals bereit von ihren Erfahrungen zu berichten.

(Vgl. Ernst 1993 S.25)

1.5 Familienformen

1.5.1 Die biologische Kernfamilie

Die biologische Kernfamilie bezeichnet die traditionelle Familienform, also Vater und Mutter, die mit ihren leiblichen Kind(ern) zusammenleben. Diese Familienform wird, besonders in der alteren Literatur als Jdealtypus" angesehen. Dennoch konnen auch traditionelle Familien mannigfaltigen Problemlagen ausgesetzt sein. Dabei ist es von Vorteil, wenn jedes Familienmitglied die Moglichkeit erhalt seine Gefuhle frei zu auRern. Eine weitere List kann die klassische Rollenverteilung sein, wenn sie besteht, obwohl die Frau den Wunsch nach Arbeit hegt. Grundsatzlich ist naturlich nichts dagegen einzuwenden, solange alle Familienmitglieder zufrieden uber ihre Situation sind und ein harmonisches Gemeinschaftsleben fuhren. (Vgl. Ochs, Orban 2008, S. 60- 65)

1.5.2 Ein- Eltern- Familien

Etwa 15- 20 % aller Kinder wachsen aktuell in Ein- Eltern- Familien auf, welche in allen sozialen Schichten vorhanden sind und vor allem in GroRstadten haufig anzutreffen sind. Etwa 85% aller Alleinerziehenden sind Frauen, wobei die Bezeichnung alleinerziehend meist nicht der Realitat entspricht, da auch ferner GroReltern und Bekannte an der Erziehung beteiligt sind. (Vgl Ochs, Orban 2008, S. 70- 71)

Generell lassen sich Ein- Eltern- Familien in drei Formen unterscheiden: die groRte Form sind Geschiedene, die nach derTrennung von einem Elternteil mit dem Kind zusammenleben. Den nachstgroRten Anteil bilden Ein-Eltern- Familien, bei denen der Partner verstorben ist. Bei der kleinsten Gruppe handelt es sich um Alleinstehende mit unehelichen Kindern. (Vgl. Rauchfleisch, 1997 S. 14)

1.5.3 Patchworkfamilien

Eine Patchworkfamilie setzt sich aus zwei Erwachsenen unterschiedlichen Geschlechts und mindestens einem Kind von einem Partner aus einer fruheren Verbindung, zusammen. Patchworkfamilien werden auch als Stieffamilien oder offene Familien bezeichnet. Gerade in dieser Konstellation ist es wichtig, dass sich die Beteiligten vor Augen halten, dass es in der Vorzeit oft schmerzliche Verluste und gravierende Einschnitte gab. Deshalb ist es von Vorteil, wenn jedes Familienmitglied die Moglichkeit erhalt seine Gefuhle frei zu auRern. (Vgl. Ochs, Orban, 2008, S. 80- 81) Die Rolle des Stiefelternteils ist im deutschsprachigen Raum durch alten Mythen und Marchen immer noch sehr negativ besetzt. Dennoch ist die Tatsache die Rolle eines Stiefelternteils zu besetzen nicht mehr als, dass es die Gegebenheit umfasst, nicht der leibliche Elternteil zu sein. (Vgl. WiemannS. 129, 2001)

1.5.4 Adoptivfamilien

Eine Adoption ist die Annahme eines Kindes, bei der das Vormundschaftsgericht ein eheliches Kindschaftsverhaltnis zwischen dem Annehmenden und dem Adoptivkind festsetzt. Die Herkunftseltern verlieren mit der Adoption die gesamte elterliche Sorge. Als Hauptgrund nennen die meisten leiblichen Mutter die schlechte wirtschaftliche Situation. Fruher wurden auch viele unehelich geborene Kinder zur Adoption freigegeben. Das Mindestalter fur Adoptiveltern betragt 25 Jahre, die Bewerber sollten miteinander verheiratet sein und wirtschaftlich und sozial gut situiert dastehen. Entscheidend fur die Bewerbung als Adoptiveltern ist meistens die Unfruchtbarkeit eines Ehepartners. (Vgl. Peuckert, S. 130- 131 1991)

Bei der Adoption wird unterschieden zwischen der Inkognito- Adoption diese besteht wenn die Herkunftseltern die Adoptivfamilie nicht kennenlernen und der offenen Adoption, bei welcher die Kindeseltern der aufnehmenden Familie bekannt sind. Nach der Adoption kann regelmaRiger Informationsaustausch durch Briefkontakt und/ oder tatsachlicher Kontakt herrschen.

Desweitern gibt es bei dein Verhaltnissen der Adoption folgende Unterscheidungen: eine Form ist die Fremdadoption, bei der zwischen dem Kind und den Adoptiveltern kein Verwandtschaftsverhaltnis besteht. Eine andere Form ist die Verwandtenadoption, bei der das Kind von einer Person adoptiert wird, die mit einem leiblichen Elternteil des Kindes verwandt ist. Die Adoption durch Stiefeltern ist eine weitere Form, bei der das Kind von dem neuen Ehepartner eines Elternteils angenommen wird. (Vgl. Peuckert 2005 S. 247)

Die Haufigkeit der Adoptivfamilien ging in den letzten Jahren stark zuruck. Der Anteil der Adoptivkinder liegt in Gesamtdeutschland weit unter einem Prozent, was auf die niedrigen Geburtenraten zuruckzufuhren ist, die infolge optimierter Verhutungsmethoden und in haufigeren Schwangerschaftsabbruchen begrundet liegt. In der Bundesrepublik hatte es bis 1965 noch mehr Adoptivkinder als Adoptivfamilien gegeben. (Vgl. Peuckert 2005 S. 247- 248)

1.5.5 Pflegefamilien

§ 33 SGB VIII beschreibt die Vollzeitpflege, welche entsprechend des Alters und Entwicklungsstandes und den personlichen Bindungen des Kindes oder Jugendlichen Moglichkeiten von verbesserten Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie als zeitlich begrenzte Hilfe zur Erziehung oder dauerhafte Lebensform bieten soll. Entsprechende Formen der Familienpflege sind fur stark entwicklungsbeeintrachtige Kinder und Jugendliche zu schaffen und auszubauen. (Vgl. SGB, S. 1150, 2008)

Demnach leisten Pflegeeltern eine vollstationare Hilfe zur Erziehung und sind eine Institution des Jugendamtes. Ein junges Dauerpflegekind hat meist eine vergleichbare Bindung und Beziehung zu seinen Pflegeeltern wie ein Adoptivkind. Der grundlegende Unterschied besteht in dem rechtlichen Verhaltnis. Leibliche Eltern behalten das Sorgerecht oder ein Vormund vom Jugendamt oder ein Pfleger fur bestimmte Bereiche des Sorgerechts ist vorhanden.

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Details

Titel
Homosexuelle Pflegeeltern
Hochschule
Duale Hochschule Gera-Eisenach (ehem. Berufsakademie Thürigen in Gera)
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
90
Katalognummer
V189788
ISBN (eBook)
9783656141358
ISBN (Buch)
9783656141587
Dateigröße
830 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Sandra Grießl (Autor:in), 2009, Homosexuelle Pflegeeltern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189788

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