Mit der Bezeichnungen Sturm und Drang, Empfindsamkeit benennt man die literarischen
Stile, die zwischen der Dichtung der Aufklärung, dem literarischen Rokoko und der
Klassik stehen. Die Generation der Richardson, Goethe, Lessing und Gellert eröffnete in
nahezu allen poetischen Gattungen neue Ausdrucksbezirke.
Das Zeitalter der Vernunft war auch das Zeitalter der Moral; kennzeichnend für diesen
Zeitabschnitt waren die Begriffe „Tugend“ und „Empfindsamkeit“. Der Forderung nach
einem „Gleichgewicht von Kopf und Herz“ entsprechend, sollten nun auch die
Empfindungen aufgeklärt werden. Von K. D. Küster1 stammt die Definition,
Empfindsamkeit bezeichne „die vortreffliche und zärtliche Beschaffenheit des Verstandes,
des Herzens und der Sinnen durch welche ein Mensch geschwinde und starke Einsichten
von seinen Pflichten bekömmet, und einen würksamen Trieb fühlet, Gutes zu thun.“ (Sittl.
Erziehungslexicon, 1. Probe, 1773). Gerhard Sauder2, der sich auch mit der
Periodisierung, Herkunft, so wie auch Sozialgeschichtlichen, Literarischen und
ästhetischen Aspekten der Empfindsamkeit beschäftigte, weis darauf hin, dass die
empfindsame Tendenz von der Germanistik völlig als Säkularisierung des Pietismus
verstanden wurde. In Untersuchungen der 1960er und 70er Jahre werden die
zeitgenössischen Bestimmungen des Begriffs „Empfindsamkeit“ neu entdeckt und für
dessen Präzisierung zum literarhistorischen Terminus genutzt.
In vorliegender Arbeit wird die Rede erstens von sozialen und philosophischen
Hintergründen der Empfindsamkeit sein, die, auf einer Seite, Gegenüberstellung zwischen
Bürgertum und Adel in Deutschland im 18. Jahrhundert und, auf der anderen Seite, die
moralischen und philosophischen Einflüsse auf bürgerliche Innerlichkeit umfassen. Da es
unbestritten ist, dass die englische Literatur eine zentrale Bedeutung für die empfindsame
Tendenz in Deutschland hatte, wird die englische Moralphilosophie das Thema des
zweiten Kapitels sein, das die so genannte ‚Moral-Sense’- Theorie und ‚Moral Weeklies’
zusammenfassen wird.
1 Definition Empfindsamkeit, in Wörterbuch des Christentums, München 2001
2 Definition Empfindsamkeit, in Literatur Lexikon, Hrsg. von V. Meid, Bd. 13, Bertelsmann Lexikon Verlag
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Kapitel I: Empfindsamkeit in Deutschland
1. Historischer Hintergrund: das Bürgertum
2. Sozialgeschichtlicher Aspekt
3. Pietismus als Herkunft?
4. Einige Merkmale der literarischen und ästhetischen Aspekte
5. Soziale Wirkung
Kapitel II: Das Bürgertum und Philosophie Englands
1. Frühbürgerliche Empfindsamkeit
2. „Moral-Sense“ Philosophie
3. „Moral weeklies“
Literaturverzeichnis.
Einleitung.
Mit der Bezeichnungen Sturm und Drang, Empfindsamkeit benennt man die literarischen Stile, die zwischen der Dichtung der Aufklärung, dem literarischen Rokoko und der Klassik stehen. Die Generation der Richardson, Goethe, Lessing und Gellert eröffnete in nahezu allen poetischen Gattungen neue Ausdrucksbezirke.
Das Zeitalter der Vernunft war auch das Zeitalter der Moral; kennzeichnend für diesen Zeitabschnitt waren die Begriffe „Tugend“ und „Empfindsamkeit“. Der Forderung nach einem „Gleichgewicht von Kopf und Herz“ entsprechend, sollten nun auch die Empfindungen aufgeklärt werden. Von K. D. Küster[1] stammt die Definition, Empfindsamkeit bezeichne „die vortreffliche und zärtliche Beschaffenheit des Verstandes, des Herzens und der Sinnen durch welche ein Mensch geschwinde und starke Einsichten von seinen Pflichten bekömmet, und einen würksamen Trieb fühlet, Gutes zu thun.“ (Sittl. Erziehungslexicon, 1. Probe, 1773). Gerhard Sauder[2], der sich auch mit der Periodisierung, Herkunft, so wie auch Sozialgeschichtlichen, Literarischen und ästhetischen Aspekten der Empfindsamkeit beschäftigte, weis darauf hin, dass die empfindsame Tendenz von der Germanistik völlig als Säkularisierung des Pietismus verstanden wurde. In Untersuchungen der 1960er und 70er Jahre werden die zeitgenössischen Bestimmungen des Begriffs „Empfindsamkeit“ neu entdeckt und für dessen Präzisierung zum literarhistorischen Terminus genutzt.
In vorliegender Arbeit wird die Rede erstens von sozialen und philosophischen Hintergründen der Empfindsamkeit sein, die, auf einer Seite, Gegenüberstellung zwischen Bürgertum und Adel in Deutschland im 18. Jahrhundert und, auf der anderen Seite, die moralischen und philosophischen Einflüsse auf bürgerliche Innerlichkeit umfassen. Da es unbestritten ist, dass die englische Literatur eine zentrale Bedeutung für die empfindsame Tendenz in Deutschland hatte, wird die englische Moralphilosophie das Thema des zweiten Kapitels sein, das die so genannte ‚ Moral-Sense ’- Theorie und ‚ Moral Weeklies ’ zusammenfassen wird.
Kapitel 1. Empfindsamkeit in Deutschland
Wie es in der Einleitung angedeutet wurde, es ist wichtig die Hintergründe des Begriffs „Empfindsamkeit“ zu beleuchten, um alle Prozesse der Epoche verständlich zu machen, die nicht nur in Literatur, sondern überwiegend in sozialen und philosophischen Bereichen zustande kamen.
1. Historischer Hintergrund: das Bürgertum
Es ist bekannt, dass Empfindsamkeit als Literaturstil ihren Anfang dort gefunden hat, wo das neue Bürgertum zu Wort kommt; die so genannte Verbürgerlichung, d. h. die Ersetzung des feudalistischen Ständestaates durch die bürgerliche Gesellschaft, woran die Empfindsamkeit als ein neues Denksystem der frühbürgerlichen Mentalität gegen den Ethos des Adels einen Anteil hat. Aber was ist das neue Bürgertum und wie kam es dazu, dass wir heute Empfindsamkeit in erster Linie mit bürgerlichen Bewegungen assoziieren?
Ernst und Erika von Borries[3] weisen darauf hin, dass der Westfälische Friede, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete, bedeutete auch das Ende für den Aufstieg des frühneuzeitlichen Stadtbürgertums: Die Städte waren weitgehend zerstört, verarmt und entvölkert. Nur in ganz wenigen Städten, die vom Krieg mehr oder weniger verschont und durch ihre geographische Lage begünstigt waren, konnten sich als Stadtbürgertum weiter entwickeln. Auf der anderen Seite, gleichzeitig mit dem Niedergang des Stadtbürgertums war in den Residenzstädten und Verwaltungszentren der absolutistischen Fürsten ein neues Bürgertum entstanden, das keinen Anteil an den Zünften, Gilden usw. hatte, in denen das Stadtbürgertum traditionell politisch und gesellschaftlich repräsentiert war, sondern stand in unmittelbarer Abhängigkeit des Landesherrn; konnte aber durch bestimmte Leistung in Wirtschaft oder Verwaltungsapparat zu Ansehen und Wohlstand gelangen. Eine ganz wichtige Rolle spielte auch eine neue Schicht akademisch, vielfach juristisch gebildeter Beamter. Um die Qualifikation der Beamten zu verbessern, gründeten und förderten die Landesherrn bewusst neue Universitäten und verbesserten das Schulsystem. Aus diesen Gruppen setzte sich das neue Bürgertum zusammen, das die sozialen und philosophischen Einzelheiten der Epoche darstellten. In diesem Zusammenhang wird es in der Forschung von der Entstehung des bürgerlichen Selbstbewusstseins gesprochen, das sich durchaus gegen die Ideologie des Standesstaates, die von Aristokratie gepflegt wurde, durchsetzte. Auch Gerhard Kaiser in seiner Forschung „Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm und Drang“[4] betrachtet das Bürgertum als kulturtragende Schicht. Er sagt, dass obwohl in England im Laufe des Jahrhunderts die industrielle Revolution und die Ausbildung der parlamentarischen Monarchie beginnen, die beide das Bürgertum in den Vordergrund treten lassen, gewinnt trotz aller Hindernisse auch im Deutschland des 18. Jahrhunderts das Bürgertum allmählich an wirtschaftlicher und vor allem kultureller Kraft.
2. Sozialgeschichtlicher Aspekt
In seiner „Sozialgeschichte der Kunst und Literatur“ vertieft sich Arnold Hauser[5] in den Gedanken, dass der Emotionalismus für das neue Bürgertum in erster Linie als Mittel der Unabhängigkeit von Aristokratie diente, indem man schriftlich, oder um genauer zu sein, literarisch und mittels der Einbringung des Gefühls seinen Protest äußerte und verschärfte.
Man konzentriert sich auf seine Gefühle, weil sie eine der aristokratischen Haltung gegensätzliche Einstellung darstellt; am Anfang war man gefühlsvoll, weil die Aristokratie zurückhaltend und selbstbeherrscht war, später aber werden Innigkeit und Expressivität zu künstlerischen Werten, die auch von Aristokratie anerkannt werden. In anderen Worten, es handelt sich um Konfrontation zwei Wertsysteme, oder, nach M. Titzmann, um das Produkt einer kulturellen Normierung und Kodierung: „Epochespezifische affektiv-emotionale Strukturen und ihre Transformationen sind nicht „irrational“: Sie resultieren aus dem kulturellen Denksystem, das festlegt, welche benennbaren Gefühle im Spektrum der affektiv-emotionalen Möglichkeiten des Menschen überhaupt unterschieden werden, und regelt, unter welchen Bedingungen, in welcher Form, welche Gefühle als gefordert, zulässig, verboten gelten.“[6] Das Denksystem des Bürgertums stellt sich auch dem Lebensstil der höfischen Kreise gegenüber: das Verhalten des Hofes, und zwar zahlreiche Intrigen, Galanterie, etc. gerade weil das Bürgertum dazu neigt, seine Ideale und Normen nicht als schichtenspezifisch, sondern als algemein-verbindlich zu formulieren – von hier aus gewinnen Schlagworte wie Menschlichkeit, Humanität, Ihre Durchschlagskraft -, können Adel und Hof nicht nur am Maße des Bürgertums gemessen und von ihm aus kritisiert werden; sie können umgekehrt auch als Träger Bürgerlicher Zielvorstellung Verwendung finden – zum moralisch bösen Adeligen gehört als Pedant der aufgeklärte, im bürgerlichen Sinne moralisch gute.[7] Das Bild höfischer Bosheit und Unmoral der Fürsten werden in Literatur zum Angriffsziel, aber eher indirekt. Hauser unterstreicht, dass es genügt, die Sitten, Einfachheit, Redlichkeit und Frömmigkeit des Bürgers zu loben, und, als Folge daraus, akzeptiert die Aristokratie die Gesichtspunkte und Wertsystem des Bürgertums so, dass es sogar in oberer Welt zur Mode wird.
[...]
[1] Definition Empfindsamkeit, in Wörterbuch des Christentums, München 2001
[2] Definition Empfindsamkeit, in Literatur Lexikon, Hrsg. von V. Meid, Bd. 13, Bertelsmann Lexikon Verlag
[3] Borries, Ernst und Erika, Deutsche Literaturgeschichte, Bd. 2, dtv, 1991
[4] Kaiser, Gerhard, Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm und Drang, 1976
[5] Hauser, Arnold, Sozialgeschichte der Kunst und Literatur, München, 1993
[6] Titzmann, Michael, „Empfindung“ und „Leidenschaft“: Strukturen, Kontexte, Transformationen der Affektivität/Emotionalität in der deutschen Literatur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Empfindsamkeiten, Klaus P. Hansen (Hrsg.), Passau 1990
[7] Kaiser, Gerhard, Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm und Drang
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