Die Kontroverse um den normativen Gehalt der humanistischen Universitätsidee wird im 20. Jahrhundert an einer entscheidenden Konfliktlinie ausgetragen: Es geht dabei um die entscheidende Streitfrage, ob normative Prämissen der institutionellen Selbstbeschreibung sich als für Bildungsprozesse integrierende, bewahrenswerte (Ideen-)Ressource oder als hinderliche Blockade der Effizienz von Bildungsprozessen erweisen. Jene Bildungsprozesse sind in modernen Gesellschaften nicht mehr ohne Weiteres unabhängig von gesellschaftlich-technischem Wandel und Prozessen wie einer massiven Bildungsexpansion zu denken. Sowohl die bedingungslosen Fürsprecher, reformistischen Erneuerer als auch die Kritiker der neuhumanistischen Idee haben sich dabei im gesamten 20. Jahrhundert am „Mythos Humboldt“ abgearbeitet. Zwischen C. H. Beckers entschiedener Bejahung des neuhumanistischen Erbes, Max Schelers soziologisch informierter Ernüchterung und schließlich der systemtheoretischen Verabschiedung einer über normative Semantiken integrierten akademischen Vergemeinschaftung bleibt Humboldt der zentrale diskursive Bezugspunkt, zu dem sich jeder Neuansatz implizit oder explizit positioniert. Die Untersuchung zeigt, dass es offenbar falsch ist, dass Humboldt für die moderne Universität nur noch im Rahmen akademischer Sonntagsreden bedeutsam ist, vielmehr kommt kein bedeutender bildungspolitischer Entwurf und keine ernsthafte Theorie der Institution Universität an ihm vorbei.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Glanz und Elend der Universitätsidee
2. Der Mythos Humboldt als Erfindung des 20. Jahrhunderts
3. Universität und Krise der Geistesaristokratie
4. Versuch einer Rehabilitierung der „Gralsburg“
5. Max Scheler und das Ernüchterungspotential des soziologischen Realismus
6. Der Streit um die Universität in der „verwissenschaftlichten Zivilisation“
7. Das kommunikative Potential der Universität und seine systemtheoretische Hinterfragung
8. Fazit
Literatur
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