Ethik und Politik in der Philosophie Aristoteles - Eine Betrachtung der ´Nikomachischen Ethik´ und der ´Politeia´


Seminararbeit, 2001

34 Seiten, Note: sehr gut -


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Statt einer Einleitung: Persönliche Begründung des gewählten Themas

Aristoteles - Leben und Werk

Zur Unterscheidung von theoretischer und praktischer Philosophie

Die Gleichsetzung der praktischen Philosophie mit der politischen Philosophie

Der Gegenstand der politischen Philosophie

Das Ziel des Handelns: die Glückseligkeit (eudaimonia)

Der Mensch - ein staatenbildendes Lebewesen (zoon politikon)

Gerechtigkeit - Basis für die politische Gemeinschaft

Grundformen der menschlichen Gemeinschaften: oikos und polis

Die Lehre von den Formen politischer Herrschaft

Statt eines Fazits: Inwiefern ist die Ethik Aristoteles’ politisch noch aktuell ?

Literaturverzeichnis

Das Bild Aristoteles’ stammt von folgender Internetseite:

www.zum.de/Faecher/D/Saar/gym/philosop/arist_ges.htm

Statt einer Einleitung: Persönliche Begründung des gewählten Themas

Im Rahmen meines Studiums der Geschichte und Politischen Wissenschaften habe ich mich schon vor längerer Zeit schon sehr intensiv mit den Gedanken Aristoteles’ auseinandergesetzt. Naturgemäß lag dabei der Schwerpunkt meiner Auseinandersetzung zum einen aus historischer Sichtweise auf der theoretischen Begründung speziell der athenischen Demokratie, zum anderen aus politikwissenschaftlicher Sicht auf der philosophischen Begründung der Staatsform „Demokratie“. Ergiebig für beide Ansätze war u.a. das Studium der „Politeia“[1], welches ich sowohl für Seminare als auch für die Erste Staatsexamensprüfung in beiden Fächern intensiv bearbeitet habe.

Neu für mich war hingegen der rein philosophische Ansatz, welcher das tugendhafte Leben des Menschen in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Insofern stellte für mich dieser Ansatz eine interessante und spannende Erweiterung meines eigenen Fokus dar. Spannend auch deshalb, weil ich durch die Lektüre der „Nikomachischen Ethik“ sehr starke Gemeinsamkeiten zur „Politeia“ entdeckt habe und so die mir bisher bekannte Gedankenführung Aristoteles’ auf eine breitere theoretische Basis gestellt wurde.

Insofern ist es nicht überraschend, daß ich in der vorliegenden Arbeit versuche, Altbekanntes mit Neuem zu verbinden. Ich habe den Eindruck, die „Nikomachische Ethik“ stellt in vielen Punkten theoretische Vorüberlegungen zur „Politeia“ dar, jedoch ist m.E. das Ziel Aristoteles, die Beschreibung, theoretische Herleitung und Analyse der idealen Staatsform, welcher er in der „Politeia“ leistet, in der Nikomachischen Ethik“ schon deutlich angelegt.

Ähnlich argumentiert auch Olof Gigon im Vorwort seiner Ausgabe der „Nikomachischen Ethik“:

„Wohl übernimmt die Philosophie die Aufgabe, den Menschen zum tüchtigen Bürger heranzubilden, eine politische Wissenschaft zu schaffen und die Frage nach dem vollkommenen Staate zu beantworten. Dennoch strebt sie insgeheim, [...], aus der menschlichen Gemeinschaft heraus in eine Autarkie, in welcher der Mensch souverän mit der Welt fertig wird und an seinem eigenen Geist genug hat. [...], daß Aristoteles ihn übernimmt und daß er in der „Nikomachischen Ethik“ besonders deutlich zum Ausdruck kommt. Die Frage nach dem Lebensziel und dem vollkommenen Leben, die in sich ein Ganzes darstellt, ist von demjenigen, der die „Nikomachische Ethik“ redigiert hat, auf zwei Bücher verteilt worden, das erste und das letzte. Das erste führt die Untersuchung bis zu dem Punkte, wo die vollkommene Tätigkeit der Seele als das Lebensziel bezeichnet wird. Das letzte beschreibt den Inhalt dieser Tätigkeit, nämlich die Erkenntnis. [...] Und außerdem beginnt und endet die „Nikomachische Ethik“ mit einer Anknüpfung an die Politik. Die umfassendste aller Wissenschaften ist die politische, da sie das gesamte Leben der umfassendsten Gemeinschaft, des Staates, zu organisieren hat. Der einzelne verhält sich zur Gemeinschaft wie der Teil zum Ganzen. So ist denn auch das Ziel des Ganzen höher als das Ziel des Teiles.“[2]

Und auch der Autor der beiden Werke selbst schreibt im siebten Buch der „Politeia“:

„Da nun unsere Aufgabe ist, nach der vollkommenen Verfassung zu fragen, also derjenigen, nach der ein Staat am besten zu leben vermag, und ein Staat wohl nach derjenigen Verfassung am besten lebt, in der die Glückseligkeit am ehesten verwirklicht werden kann, so müssen wir natürlich wissen, was die Glückseligkeit ist. Wir behaupten nun (wir haben dies in der Ethik untersucht und machen uns das dortige zunutze), daß sie eine Tätigkeit und ein vollkommener Gebrauch der Tugend sei, und dies nicht bedingungsweise, sondern unbedingt.“[3]

Was liegt also näher, sich mit dieser spannenden Verknüpfung der beiden Werke zu beschäftigen ?

Die „Nikomachische Ethik“ wird in der vorliegenden Arbeit zitiert nach der Reclam-Ausgabe von 1999, übersetzt von Franz Dirlmeier, mit Anmerkungen versehen von Ernst A. Schmidt; die „Politeia“ folgt der Ausgabe von Olof Gigon, erschienen bei dtv München von 1996.

Aristoteles - Leben und Werk

Aristoteles, 384 v. Chr. in der makedonischen Stadt Stagira geboren, war Philosoph, Logiker und Naturforscher.

Aristoteles kam erst mit 17 Jahren 367 v. Chr. nach Athen, um an Platons Akademie zu studieren. In den 20 Jahren, die er dort blieb, entwickelte er eigene philosophische Auffassungen, die von denen des Lehrmeisters immer weiter abwichen. Obwohl Platon Aristoteles mit großer Achtung begegnete, überließ dieser 347 v. Chr. die Leitung der Akademie seinem Neffen Speusippos. Aufgrund beträchtlicher Differenzen mit dem neuen Leiter über das rechte Philosophieverständnis verließ Aristoteles die Akademie und reiste nach Kleinasien und Lesbos. Dort gründete er eine Familie und befaßte sich in den nächsten Jahren mit biologischen Studien.

343 v. Chr. folgte Aristoteles angeblich einem Ruf Philipps von Makedonien, dessen Leibarzt Aristoteles’ Vater gewesen war, um die Erziehung des 13jährigen Sohns Alexander, des späteren Alexander des Großen, zu übernehmen. Acht Jahre lang soll er in Makedonien tätig gewesen sein, was allerdings nicht mit Sicherheit belegt werden kann.

Als Alexander 336 v. Chr. den Thron bestiegen hatte, kehrte Aristoteles nach Athen zurück und gründete dort seine eigene Schule, das Lykeion. Die folgenden Jahre waren für Aristoteles außerordentlich fruchtbar. Er hielt Vorlesungen, betrieb Forschungen auf diversen Gebieten und arbeitete an zahlreichen Manuskripten über Themen der Naturwissenschaft, Psychologie, Metaphysik, Ethik, Dichtkunst und Rhetorik.

Nach Alexanders Tod (323 v. Chr.) erhoben sich die Athener gegen die makedonische Herrschaft und Aristoteles war in Gefahr, wegen Hochverrats zum Tode verurteilt zu werden. Deshalb floh Aristoteles nach Chalkis auf Euböa, wo er 322 v. Chr. im Alter von 62 Jahren im politischen Exil starb.

Um die Hauptwerke Aristoteles’ zu würdigen, ist ein Hinweis auf seinen Lehrmeister Platon vonnöten. Während dessen Werke vollständig überliefert sind, da er seine in Dialogform aufgebauten Werke selbst der Öffentlichkeit übergab, ist von Aristoteles’ Werken nur wenig und auch das nur fragmentarisch erhalten geblieben. Es bleibt zu vermuten, daß seine Schriften beim zeitgenössischen Publikum gegen die platonischen nicht bestehen konnten und deshalb in Vergessenheit gerieten. So stützt sich sein heute bekanntes Werk auf seinen Nachlaß (Vorlesungsmanuskripte, Skizzen und Zusammenfassungen), welche erst 70 v. Chr. von Andronikos von Rhodos, dem Leiter der peripatetischen Schule, nach der damals gebräuchlichen Systematik der Philosophie in Logik, Physik und Ethik geordnet und zusammengestellt wurden. So hat der Leser den Eindruck, es handelt sich bei den Schriften Aristoteles’ nicht um homogene Darstellungen, sondern vielmehr um heterogene Versatzstücke seiner Textfragmente. Besonders gilt dies für seine beiden Hauptwerke, der „Nikomachischen Ethik“[4] und der „Politeia“. Neben der NE und der Politeia sind im Bereich der praktischen Philosophie noch die „Eudemische Ethik“ und die „Große Ethik“ überliefert, sowie aus einem Zyklus über griechische Verfassungen das Bändchen „Der Staat der Athener“.

Die Bedeutung der NE liegt unter anderem in der erstmaligen Unterscheidung zwischen theoretischer und praktischer Philosophie, danach stellt die praktische Philosophie nach Aristoteles die politische Philosophie dar, wohingegen in der Politeia seine Vorstellungen eines idealen Staates auf Basis der in der NE geleisteten Überlegungen dargestellt sind.[5] Der Staat der Athener hingegen ist eine Deskription der Geschichte Athens und des politischen Systems der athenischen polis des 5. Jahrhunderts v. Chr., demnach gegliedert in einen historischen und einen systematischen Teil.

Schließlich ist noch die Schrift „Über die Ökonomie“ zu nennen, welche allerdings nicht gesichert auf Aristoteles zurückzuführen ist.

Zur Unterscheidung von theoretischer und praktischer Philosophie

Grundlegend an Aristoteles’ NE ist die erstmalige Trennung zwischen theoretischer und praktischer Philosophie; sein Lehrer Platon ging noch von einer gesamten Philosophie, einer Ideenlehre aus. Eng verknüpft mit der aristotelischen Trennung ist auch die Zuordnung der Gegenstände der (praktischen) Philosophie in eigenständige Disziplinen: der Ethik, der Politik und der Ökonomie, die sich trotz allen Wandels bis heute beobachten läßt.

Aristoteles trennt die Gegenstände, die dem Menschen in der Welt begegnen, in Gegenstände des Betrachtens und Gegenstände des Tuns. Erstere liegen von sich aus zufällig vor, ein Stein, eine Pflanze oder der Mond, sie alle existieren unabhängig vom Menschen und sind daher Gegenstand der theoretischen Philosophie. Diese werden betrachtet im Hinblick auf das Notwendige, auf das Absolute, auf das, was so und nicht anders sein kann. Ein zentraler Begriff ist hier die Natur (physis). Natur ist für ihn zum einen der physikalische Bereich des Entstehens und Vergehens, der Vermehrung und der Verminderung, eine Welt, welche aus sinnlichen Elementen zusammengesetzt ist. Damit ist der Zweck der theoretischen Philosophie bestimmt: die Erkenntnis. Zum anderen faßt er Natur theologisch auf, als die nichtmaterielle Welt der Gestirne, die ewig ihre gleichförmigen Bahnen ziehen. Der gesamte Kosmos wird zusammengehalten durch das allumfassende Göttliche, welches unabänderlich ist. Daraus resultieren zwei Grundwissenschaften der theoretischen Philosophie: die Theologie und die Physik, die als der Theologie nachgeordnet betrachtet wird, da das Göttliche das Höchste und Ehrwürdigste ist.

Dem entgegengesetzt existieren ein Tongefäß, ein Weizenfeld oder auch eine Verfassung als Gegenstände des Tuns nicht von sich aus, sondern gehen in ihrer Existenz, in ihrer Beschaffenheit auf das Handeln des Menschen zurück. Mit ihnen als dem Werk des Menschen, dem Ergebnis seiner Praxis beschäftigt sich die praktische Philosophie. Sie beschäftigt sich daher mit dem menschlichen Handeln und dessen Werken, die eben nicht absolut sind, sondern „eben auch anders sein können“. Entscheidender Begriff in Abgrenzung zur theoretischen Philosophie ist hier nomos (Gesetz). Damit bezeichnet Aristoteles alles, was von Menschenhand stammt. Aristoteles nennt sie die „Philosophie der menschlichen Angelegenheiten[6] Ziel der praktischen Philosophie ist das „gute, sittliche Handeln des Menschen“.[7] Wirkungsbereich der praktischen Philosophie ist der Raum politischer Öffentlichkeit, demnach muß sie allen Menschen, die in der athenischen polis Bürgerrecht genießen, offenstehen.[8] Praktische Philosophie besteht demnach in der Erziehung der Bürger zur sittlichen politischen Praxis. Sie erhebt damit den Anspruch, höchste Instanz zu sein, die zu entscheiden vermag, was Menschen zu guten Bürgern bildet, sie ist damit Pädagogik, politische Erziehungslehre oder anders ausgedrückt: Ethik.

„Der Staatsmann hat demnach als Gesetzgeber auf alles zu achten im Hinblick auf die Seelenteile und ihre Tätigkeiten, und vor allem in Richtung auf das Bessere und das Ziel. Dasselbe gilt bei der Entscheidung über die Lebensformen und die Gegenstände. Denn man muß arbeiten und Krieg führen können, aber noch eher Frieden halten und Muße üben, und das Notwendige und das Nützliche tun, aber noch eher das Edle. Auf diese Ziele hin muß man schon die Kinder unterrichten, und so auch die anderen Lebensalter, solange sie der Erziehung bedürfen. [9]

Demnach ist das sittliche Handeln in der Polis eine Lebensform, in welcher der Bürger das gute Leben verwirklichen kann. Jedoch setzt er diese Lebensform erst an die zweite Stelle der höchsten möglichen Lebensformen. Die theoretische Lebensform überragt sie noch, insofern liegt hier ein Bruch zwischen NE und Politik vor.[10]

Die Gleichsetzung der praktischen Philosophie mit der politischen Philosophie

Es wurde gesagt, der Mensch sei ein handelndes Wesen, Ziel der praktischen Philosophie ist das gute, sittliche Handeln. Ort des menschlichen Handelns ist die polis. Ein vernünftiges Handeln außerhalb der polis ist für Aristoteles nicht vorstellbar. Daraus ergibt sich für ihn, daß der Mensch ein „staatenbildendes Wesen“ (zoon politikon) ist.[11] Insofern setzt Aristoteles die praktische Philosophie mit der politischen gleich. Dies ist die weiteste Bedeutung des Politischen. Gegenstück hierzu ist die theoretische Philosophie.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Bedeutung der politischen Philosophie, sie ist die Lehre von der menschlichen Gemeinschaft. Die polis als Gemeinschaft setzt sich zusammen aus den einzelnen Menschen in seinen Teilen. Gemäß seines Einleitungssatzes in der NE strebt der Mensch nach Glückseligkeit, nach dem Guten.[12] Es darf angenommen werden, daß dies auch für die Bürger einer polis und die polis selbst gilt. Da aber das Ganze (hier: die polis) mehr ist als seine einzelnen Teile (die Bürger) ist das Gute für das Ganze höher zu bewerten als das Gute für den Einzelnen. Daraus resultiert die Differenzierung der praktischen Philosophie in verschieden Teildisziplinen. Die Frage nach dem Streben nach Glückseligkeit ist Thema der Ethik, das Gute für die polis ist Bestandteil der politischen Philosophie: Ethik ist die Lehre vom guten Handeln des Einzelnen, Politik hingegen die Lehre von der guten Gemeinschaft.

Der aristotelische Gemeinschaftsbegriff bedarf jedoch einer genaueren Erläuterung, denn das menschliche Zusammenleben setzt sich aus mehreren verschiedenen Gemeinschaften zusammen, welche verschiedene Zwecke verfolgen und unterschiedliche Ausprägungen haben. Vorrangig unterscheidet Aristoteles die häusliche Gemeinschaft (oikos), welche der Erhaltung des natürlichen Lebens dient und die politische Gemeinschaft (polis), deren Zweck erst das gute Leben ist.[13] Dem entsprechend stellt er die Lehre von der richtigen Führung der häuslichen Gemeinschaft (Ökonomie) der engsten Bedeutung des Politischen, der Lehre von der politischen Verfassung, ihren Formen und ihrer besten Form, gegenüber.

Die Unterscheidung von oikos und polis bildet das Kernstück der aristotelischen Lehre von der Politik. Auf ihr basiert der zweite Begriff des Politischen: die Lehre von den menschlichen Gemeinschaften.

Jedoch können die drei Bedeutungen des Politischen nicht streng voneinander getrennt betrachtet werden. Denn eine gute Verfassung setzt sittliche, tugendhafte Bürger voraus. Politik als die Lehre von der guten Gemeinschaft muß die Ethik in sich aufnehmen, sich zur praktischen Philosophie im allgemeinen erweitern.

Doch in welchem Verhältnis stehen Ethik und Politik ? Die politische Verfassung legt fest, wer Bürger sein kann, und der Bürger soll gemäß den Gesetzen der Verfassung handeln. So schreibt Aristoteles in der Politeia:

„So ist denn auch bei den Bürgern, obschon sie untereinander verschieden sind, die Erhaltung ihrer Gemeinschaft ihr gemeinsames Werk, und diese Gemeinschaft ist eben die Staatsverfassung. Also muß die Tugend des Bürgers an der Staatsverfassung orientiert sein. Da es aber mehrere Formen der Staatsverfassung gibt, so kann offenbar die Tugend des tüchtigen Bürgers nicht eine einzige und nicht die vollkommene Tugend sein.“[14]

Damit klingt in den Gedanken Aristoteles’ Kritik am Streben des Menschen nach Glückseligkeit, an dem tugendhaften Menschen, an. Damit ergibt sich auch ein Widerspruch zur NE, denn dort schreibt Aristoteles:

„Wenn es nun wirklich für die verschiedenen Formen des Handelns ein Endziel gibt, das wir um seiner selbst willen erstreben, während das übrige nur in Richtung auf dieses Endziel gewollt wird und wir nicht jede Wahl im Hinblick auf ein weiteres Ziel treffen - das gibt nämlich ein Scheitern ins Endlose, somit ein leeres und sinnloses Streben -, dann ist offenbar das Endziel „das Gut“ und zwar das oberste Gut.“[15]

Es stellt sich daher die Frage, ob die Tugend des Menschen identisch ist mit der Tugend des Bürgers ? Wenn die Ethik, die Grundlage sittlichen Handelns, unwandelbar ist, gleichzeitig aber die Verfassungen sich ändern können[16], liegt nahe, die Ethik als den Maßstab der Beurteilung politischer Verfassungen anzulegen. Aristoteles denkt jedoch in eine andere Richtung:

„Da es aber mehrere Formen der Staatsverfassung gibt, so kann offenbar die Tugend des tüchtigen Bürgers nicht eine einzige und die vollkommene Tugend sein“ Der tüchtige Mann dagegen besitzt eine einzige, und zwar die vollkommene Tugend. Es ist also klar, daß man ein tüchtiger Bürger sein kann, ohne die Tugend des tüchtigen Mannes zu besitzen.“[17]

[...]


[1] Ich verwende hier zur Bezeichnung des Werkes den griechischen Begriff, um Mißverständnisse mit dem deutschen Begriff „Politik“ zu vermeiden.

[2] Olof Gigon, Nikomachische Ethik, Einführung, München, 1975, 91f.

[3] Politeia VII, 13.

[4] Im folgenden mit NE abgekürzt.

[5] Vgl. Politeia VII, 13.

[6] NE, X, 9.

[7] NE, I, 1.

[8] NE I, 1.

[9] Politeia VII, 14-17 sowie VIII.

[10] Vgl. NE X, 6-9.

[11] Politeia I, 2.

[12] NE I, 1.

[13] Vgl. Politeia I, 2.

[14] Politeia III, 4.

[15] NE I, 1.

[16] Vgl. hierzu auch Aristoteles’ „Staat der Athener“.

[17] Politeia III, 4.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Ethik und Politik in der Philosophie Aristoteles - Eine Betrachtung der ´Nikomachischen Ethik´ und der ´Politeia´
Hochschule
Universität Ulm  (Humboldt-Studienzentrum)
Veranstaltung
Seminar: Einführung in die philosophische Ethik - Eine Betrachtung der 'Nikomachischen Ethik' und der 'Politeia'
Note
sehr gut -
Autor
Jahr
2001
Seiten
34
Katalognummer
V2128
ISBN (eBook)
9783638113038
Dateigröße
603 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ethik, Politik, Philosophie, Aristoteles, Eine, Betrachtung, Ethik´, Seminar, Einführung, Ethik, Eine, Betrachtung, Ethik“
Arbeit zitieren
Holger Müller (Autor:in), 2001, Ethik und Politik in der Philosophie Aristoteles - Eine Betrachtung der ´Nikomachischen Ethik´ und der ´Politeia´, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2128

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