Deutsches Medienrecht in der Anwendung


Hausarbeit, 2003

24 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Fallaufgaben aus dem Medienrecht

1. Der Bauauftrag

2. Kanzleraffäre

3.“Bild” versus Joachim Deutschland

4. Persönlichkeitsrecht eines Adligen

5. Pacta sunt servanda?!

6. Trennung von Redaktion und Werbung

Quellenangaben

Literaturverzeichnis

1. Der Bauauftrag

Ein Lokalredakteur entnimmt dem Hörfunk die Nachricht, ein Landtagsabgeordneter habe sich bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags von einem Bauunternehmer bestechen lassen. Der Redakteur lässt sich daraufhin von dem angegebenen Informanten die “Richtigkeit” des Vorwurfs bestätigen und publiziert am nächsten Tag den Bestechungsvorwurf als Tatsachenmeldung in seinem Blatt. Wenige Tage später stellt sich dieser Vorwurf als unwahr heraus.

Nunmehr stellt sich die Frage, welche presserechtlichen Ansprüche der Landtagsabgeordnete dem Redakteur beziehungsweise dem Verlag gegenüber angesichts dieser Falschmeldung geltend machen kann. Um diese Ansprüche genauer abschätzen zu können, soll zunächst das Verhalten des Redakteurs kritisch beleuchtet werden: Genügt sein Handeln den allgemein anerkannten Standards des Berufsstandes, bewegt er sich im Rahmen der vom Grundgesetz herleitbaren Pressefreiheit und, vor allem, hat er seiner journalistischen Sorg- faltsverpflichtung Genüge getan?

Zunächst kann die Quelle der Information, die abendlichen Radionachrichten, darauf hindeuten, dass der erhobene Vorwurf nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Der Redakteur der örtlichen Lokalnachrichten wird vermutlich davon ausgehen können, dass üblicherweise auch beim gehörten Sender ein Mindestmaß an journalistischer Sorgfalt bei der Auswahl und Prüfung gesendeter Nachrichten angewandt wird. Diese Mutmaßung ist meines Erachtens aber nicht ausreichend, um die gehörte Nachricht ohne weitere Überprüfung im eigenen Medium zu übernehmen.

Der Schritt, sich bei dem Gewährsmann der Nachricht zu erkundigen, ob der Bestechungsverdacht richtig wiedergegeben sei, ist als solcher ein korrektes Element journalistischer Sorgfalt. Angesichts der Schwere des vorgebrachten Vorwurfs und dem damit verbundenen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des bezichtigten Abgeordneten wird jedoch auch diese Nachprüfung nicht ausreichen, um den journalistischen und presserechtlichen Anforderungen an eine Publikation der Nachricht zu genügen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil dem Redakteur aufgefallen sein musste, dass die Vertrauenswürdigkeit des Informanten fraglich ist. Immerhin wurde dieser von eben dem Bauunternehmer erst kürzlich entlassen, den er jetzt der Bestechung bezichtigt.

Daher wären aus Gründen journalistischer Sorgfaltspflicht weitere Recherchen vor einer möglichen Veröffentlichung des Vorwurfs erforderlich gewesen. Dazu gehört des Weiteren die Befragung des bezichtigten Politikers selbst, um einerseits weitere Informationen und ein umfassenderes Bild der Vorgänge gewinnen zu können, und vor allem dem Beschuldigten selbst die Möglichkeit der Stellungnahme einzuräumen.

Gegen dieses Argument könnte der Redakteur einwenden, es sei “Gefahr in Verzug” gewesen durch eine Vorteilsnahme zum Schaden öffentlicher Interessen, und dadurch eine schnelle Verbreitung der Meldung gerechtfertigt. Der Einwand entkräftet sich aber durch den Inhalt der ursprünglichen Radionachricht selbst: Ein Bauauftrag wurde zwar von der Gemeinde erteilt, doch der Bau und damit die Schaffung “vollendeter Tatsachen” solle erst in einem Jahr beginnen.

Zu den Mängeln bei der Verifizierung der Nachricht kommt der problematische Wortlaut, in dem die Nachricht dann im Blatt wiedergegeben wird. Der vom Informanten geäußerte Vorwurf der Bestechung (und Bestechlichkeit) wird in einem Satz quasi als erwiesen, als Tatsachenbehauptung geäußert. Weder wird auf den Sender der ursprünglichen Radionachricht als Quelle verwiesen, noch wird der Vorwurf als Zitat eines Informanten wiedergegeben. Damit stellen sich Redaktion – und Verlag – voll hinter die geäußerte Tatsachenbehauptung.

Rechtlich läge damit eine unwahre Tatsachenbehauptung vor. Unterstellt wird damit dem Politiker ein pflichtwidriges Verhalten, das ihn in den Augen der Öffentlichkeit herabsetzen und sein Ansehen und politisches Wirken beeinträchtigen kann. Um ermessen zu können, ob und ggf. welche Abwehrmittel dem Landtagsabgeordneten gegen die Falschmeldung zur Verfügung stehen, ist ein Blick auf das möglicherweise anwendbare Recht nötig. Grundsätzlich ist dabei ein Konflikt zu sehen zwischen zwei Grundrechten: Auf der einen Seite steht das Recht auf freie Meinungsäußerung und der daraus abgeleiteten Pressefreiheit, auf deren Basis auch journalistisches Handeln grundsätzlich legitimiert ist. Auf der anderen Seite kann der Bezichtigte allgemein geltende Persönlichkeitsrechte für sich in Anspruch nehmen, die ihn gegen ehrverletzende, unrechtmäßige Angriffe gegen seine Person in Schutz nehmen.

In seiner Übersicht zur “Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland” stellt Prof. Dr. Hermann Avenarius fest: “Persönlichkeitsrecht und Meinungsäußerungsrecht sind grundsätzlich gleichrangige Verfassungswerte”1. Im Einzelfall komme es daher auf eine Rechtsgüter- und Interessenabwägung an. Für die Praxis der Rechtsprechung konstatiert Avenarius jedoch gleichzeitig: “Das Bundesverfassungsgericht räumt der Meinungsfreiheit gegenüber dem Ehrenschutz in der Regel den Vorrang ein2.”

Wird einer anderen Person ein strafbares Verhalten, in diesem Fall Bestechlichkeit, fälschlich und öffentlich unterstellt, kann das unter die Straftatbestände fallen, die im StGB unter den §§ 185 (Beleidigung), bzw. 186 (üble Nachrede) definiert sind. Eine bewusste Verleumdung im Sinn von § 187 StGB, also eine falsche Tatsachenbehauptung wider besseres Wissen, wird im vorliegenden Fallbeispiel dagegen keine Rolle spielen, da sich der Verdacht der Bestechlichkeit erst nach Verbreitung der Pressemeldung als falsch herausgestellt hat.

Ein Tatbestand der üblen Nachrede kann dagegen schon gegeben sein, da der betreffende Redakteur eine (ex post als falsch erwiesene) Tatsachenbehauptung öffentlich aufgestellt hat, die geeignet ist, den Ruf und möglicherweise die berufliche Stellung des Bezichtigten zu gefährden.

Dagegen ist das Recht der Presse abzuwägen, “beleidigende Äußerungen zur Wahrnehmung berechtigter Interessen” 3 zu tätigen. Eine entsprechende Einschränkung erfährt der persönliche Ehrenschutz in § 193 StGB. Pressemeldungen mit beleidigenden Inhalten sind demnach privilegiert, wenn das öffentliche Interesse an einer solchen Information höher wiegt als der Schutz des Betroffenen vor öffentlicher Herabsetzung. Voraussetzung der Rechtmäßigkeit ist nach Avenarius jedoch, dass die verbreiteten Tatsachen auf ihren Wahrheitsgehalt hin sorgfältig recherchiert wurden.

Ist dieser Sorgfaltspflicht nicht Genüge getan worden, eröffnen sich für den Geschädigten eine Reihe zivilrechtlicher Abwehrmaßnahmen. Dazu gehört der Anspruch auf Unterlassung der inkriminierten Tatsachenbehauptung sowie der Anspruch auf Richtigstellung der erwiesen unwahren Behauptung. Unter Umständen kann eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts auch finanzielle Ansprüche des Betroffenen nach sich ziehen. Dies wäre der Fall, wenn die publizierte Tatsachenbehauptung nachweisbare (oder glaubhafte) Schäden für den Betroffenen bewirkt hat oder aber ein entstandener immaterieller Schaden durch Zahlung eines Schmerzensgeldes abgegolten wird. Eine vierte Sanktionsmöglichkeit eröffnet das deutsche Presserecht dem Betroffenen durch das Instrument der Gegendarstellung.

Im Folgenden soll erörtert werden, ob und ggf. in welchem Ausmaß diese Abwehrrechte in dem geschilderten Fall zum Tragen kommen können.

Der Anspruch auf Unterlassung einer drohenden Rechtsverletzung begründet sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch. Dort sind Unterlassungsansprüche nur für spezielle Fälle, wie die Verletzung des Namens- oder Eigentumsrechts, vorgesehen. Der daraus abgeleitete Rechtsgrundsatz besagt jedoch für die Praxis, dass jeder, “[...] dem ein Angriff auf seine Rechte ernstlich droht, gegen den Angreifer einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Unterlassung der Rechtsverletzung” hat. Dieser Anspruch kann auch auf dem Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden und ist mit hohen Ordnungsgeldern oder Ordnungshaft von bis zu zwei Jahren bewehrt.

Wenn, wie in unserem Beispiel, eine Rechtsverletzung bereits geschehen ist, die unrichtige Tatsachenbehauptung bereits publiziert wurde, reicht die potenzielle Wiederholungsgefahr zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs. Ob sie nun schlicht nachlässig, fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt haben – die Motivation der “Täter”, sprich Redakteur und Verlag, spielt dabei keine Rolle.

Der Berichtigungsanspruch steht dem betroffenen Landtagsabgeordneten ebenfalls zur Verfügung. Er ist im Presserecht eigens als Instrument zur Abwehr unrichtiger Tatsachenbehauptungen verankert und verpflichtet das verantwortliche Medienunternehmen, die objektiv wahren Tatbestände so wiederzugeben, dass sie gleichen Aufmerksamkeitswert erreichen wie die (falsche) Erstmeldung.

Gegenüber der Behandlung von “übler Nachrede” nach StGB §186 genießt die Presse jedoch nach überwiegender Rechtsprechung eine gewisse privilegierte Stellung, was die Beweislast angesichts unwahrer Tatsachenbehauptungen angeht. Konkret: Auch wenn sich die Meldung zum “Bestechungsfall Lausig” als falsch erwiesen hat, muss der Betroffene beim Antrag auf Berichtigung den Nachweis dafür erbringen. Dieses, in der Praxis der Rechtsprechung durchaus strittige “Medienprivileg” ist nach Branahl an folgende Voraussetzungen geknüpft:

- Der strittige Beitrag behandelt einen Gegenstand öffentlichen Interesses, wie im Fallbeispiel (lokalpolitische Entscheidung) durchaus gegeben.
- Der Beitrag ist ernsthaft auf Unterrichtung und Information der Öffentlichkeit ausgerichtet, frei von übertriebener Aufmachung und verbaler Übertreibung.
- Sorgfältige, umfassende Quellenrecherche und die Möglichkeit zur Stellungnahme aller Betroffenen kennzeichnen die Berichterstattung.
- Der Verfasser konnte nach Abschluss der Recherche von der Richtigkeit der vermittelten Angaben überzeugt sein4.

Da die fragliche Falschmeldung weder gründlich recherchiert war, noch zu Hintergründen oder Meinung Betroffener Stellung nimmt, ist es fraglich, ob der verantwortliche Redakteur und der Verlag der “Zoffhausener Post” von dieser Beweislastumkehr werden profitieren können. Im übrigen ist der Tatbestand einer üblen Nachrede auch schon dann erfüllt, unabhängig von möglichen Sanktionen, wenn die aufgestellte ehrenrührige Tatsachenbehauptung nicht eindeutig als wahr zu belegen ist.

Ein Anspruch auf Berichtigung erscheint vor diesen Hintergründen ohne Einschränkungen gegeben, wobei die Redaktion dieser Verpflichtung auch vorab und freiwillig durch eigene Richtigstellung nachkommen kann.

Weit schwieriger zu klären ist die Frage, ob im vorliegenden Fall auch Anspruch auf Schadensersatz besteht. Voraussetzung dafür wäre das Vorliegen einer rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Schuldhaftigkeit würde bedingen, dass der Redakteur vorsätzlich oder wider besseres Wissen den Korruptionsvorwurf publiziert hätte. Dass die Faktenlage jedoch erst im Nachhinein geklärt wurde, spricht gegen diesen Vorwurf. Allerdings liegt ein Moment grober Fahrlässigkeit darin, eine solche Meldung ohne ausreichende Recherche und Absicherung als schlichte Tatsachenbehauptung zu veröffentlichen.

Da die nach den Umständen gebotene journalistische Sorgfaltspflicht in den Landespressegesetzen strengen Anforderungen unterliegt 5, wird sich Jäger kaum damit rechtfertigen können, er habe bei der Recherche zum Sachverhalt unter Zeitdruck eben “business as usual” betrieben. Er kann jedoch auf einen Sachverhalt verweisen, der normalerweise Schadensersatzansprüche Betroffener hinfällig machen würde: “Die Berichterstattung über bereits bekannte, vorveröffentlichte Vorgänge verletzt auch ohne weitere Recherchen die journalistische Sorgfaltspflicht nicht, wenn der Betroffene die bisherige allgemeine, auch ihm zugängliche Berichterstattung widerspruchslos hingenommen hat.” 6

[...]


1 Avenarius, Hermann, Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2002, S. 30

2 Avenarius, S. 35

3 Avenarius, S.

4 Branahl, Udo, Medienrecht, Opladen 1997, S. 73

5 Branahl, S. 245 mit Verweis auf den § 6 der Landespressegesetze

6 Branahl, S. 246

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Deutsches Medienrecht in der Anwendung
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Journalisten-Weiterbildung JWB)
Note
2,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
24
Katalognummer
V22707
ISBN (eBook)
9783638259811
ISBN (Buch)
9783640652129
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsches, Medienrecht, Anwendung
Arbeit zitieren
Hans-Joachim Birk (Autor:in), 2003, Deutsches Medienrecht in der Anwendung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22707

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