Mündliches Argumentieren im schulischen Unterricht


Seminararbeit, 2013

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Mündliches Argumentieren
2.1 Begriffsbestimmung - Enges und erweitertes Argumentationsverständnis
2.2 Anforderungen beim mündlichen Argumentieren

3 Förderung der mündlichen Argumentationsfähigkeit im schulischen Unterricht
3.1 Curriculare Vorgaben
3.2 Formate zur Förderung
3.2.1 Die Plenumsdiskussion
3.2.2 Die Podiumsdiskussion
3.2.3 Die Amerikanische Debatte
3.2.4 „Jugend debattiert“

4 Zusammenfassung

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Was nützt der beste Standpunkt, wenn man ihn nicht plausibel darlegen kann? In nahezu allen Lebenslagen brauchen wir die richtigen Argumente, um unsere Ansichten und Standpunkte überzeugend zu vermitteln. Für unser tägliches Zusammenleben stellt Argumentationsfähigkeit, als Teil einer allgemeinen Gesprächskompetenz, „[] eine wesentliche Schlüsselkompetenz [dar], die es im Laufe der schulischen Ausbildung zu erwerben gilt [].“ (Grundler 2006: 77). In diesem Zusammenhang gehört es zu einer der zentralen Aufgaben der Schule, und insbesondere des Deutschunterrichts, zum einen argumentative Fertigkeiten nachhaltig zu fördern, und zum anderen den Wert des Argumentierens zu verdeutlichen.

Das Seminar Textformen im Deutschunterricht im Sommersemester 2012 hat sich im Rahmen einer Kurseinheit eingehender mit dem Bereich des Mündlichen Argumentierens befasst, welches mein Interesse aufgrund der Vielfältigkeit der didaktischen Umsetzungsmöglichkeiten wecken konnte. Die vorliegende Arbeit wird sich daher vertiefend mit dem Thema des mündlichen Argumentierens in der Schule beschäftigen. Dabei wird versucht, herauszufinden, wie und in welchem Umfang im schulische Unterricht, und insbesondere im Deutschunterricht der Sekundarstufe I und II, die spezifischen Fertigkeiten gefördert werden können, welche Voraussetzung für das mündliche Argumentieren sind.

Im Folgenden wird sich die Arbeit unter Einbezug verschiedener Publikationen, wie jene von Grundler & Vogt (2012), Pabst-Weinschenk (2006), oder Vogt (2007), dem mündlichen Argumentieren in der Schule zuwenden. Zu Beginn der Arbeit möchte ich näher auf den Begriff “mündliches Argumentieren“ eingehen, wobei zwischen einem “engen und einem erweiterten Verständnis von Argumentieren“ unterschieden werden soll, vgl. (2.1). Daraufhin folgt in (2.2) eine Darstellung der verfahrensspezifischen Herausforderungen und der daraus folgenden spezifischen Fertigkeiten, welche für eine argumentative Auseinandersetzung im schulischen wie außerschulischen Rahmen erforderlich sind. Nachdem die argumentationsspezifischen Anforderungen besprochen wurden, soll unter Punkt (3) auf die Möglichkeiten zum Aufbau argumentativer Fähigkeiten im konkreten schulischen Kontext eingegangen werden. Dahingehend wird zunächst der gegenwärtige didaktische Diskurs zum mündlichen Argumentieren vorgestellt (vgl. 3) und eine Verortung im Rahmenlehrplan Deutsch für die Sekundarstufe I und II vorgenommen, vgl. (3.1). Anschließend werden unter (3.2) diverse Argumentationsformate vorgestellt und mit Blick auf Punkt (2.2) hinsichtlich ihrer “Wirksamkeit“ zur Förderung argumentativer Fertigkeiten untersucht, wobei unter (3.2.4) vertieft auf das Format „Jugend debattiert“ eingegangen wird. Abschließend sollen die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und ein Resümee gezogen werden, vgl. (4).

2 Mündliches Argumentieren

2.1 Begriffsbestimmung - Enges und erweitertes Argumentationsverständnis

Mündliches Argumentieren kann als thematisch festgelegter und zwischen mehreren Interaktanten sprachlich realisierter Austausch von Begründungen verstanden werden (vgl. Spiegel 2006: 64). Weiter sind Argumentationen stets in komplexere sprachliche Situationen, wie alltägliche Gespräche oder Debatten und Diskussionen – als prominentester Ort des Argumentierens (vgl. 1)[1] -, integriert.

Grundler & Vogt (2012: 487) unterscheiden in ihrem Aufsatz zwischen einem engen und einem erweiterten Argumentationsverständnis, welche weniger als zwei konträre Sichtweisen, denn als verschiedene Ausprägungen einer Auffassung interpretiert werden sollten. Da beide Konzepte Einfluss auf die Realisierung mündlicher Argumentationen im schulischen Kontext haben, sollen sie nachfolgend umfassend dargestellt werden.

Der engen Perspektive von Argumentieren nachgehend, findet beim mündlichen Argumentieren ein Austausch von Argumenten mit dem Ziel der Anerkennung des Geltungsanspruchs einer ungesicherten Behauptung statt (vgl. ebd.; Pabst-Weinschenk 2011: 115). Geht es beim mündlichen Argumentieren lediglich darum, den Gegenüber von einer strittigen These zu überzeugen, so vertreten die einzelnen Argumentationsteilnehmer bereits zu Beginn der argumentativen Auseinandersetzung vorgefestigte Haltungen, welche „auf allgemein anerkannte Werte, Überzeugungen oder Tatsachen rückbezogen werde[n]“ (Grundler & Vogt 2012: 488). Im schulischen Unterricht kommt dies der weit verbreiteten Pro-Kontra-Diskussion gleich, bei welcher auf der einen Argumentationsseite die Stützung und auf der anderen Seite die Widerlegung der These ohne angestrebte Veränderung der Standpunkte fokussiert wird (vgl. Kotthoff 2009: 48). Doch, wie Grundler & Vogt (2012: 488) diesbezüglich anmerken, verfügen die Gesprächsteilnehmer in real existierenden Argumentationen zumeist nicht über fertige Positionen zur Fragestellung. Sie entfalten ihre Standpunkte häufig erst in der argumentativen Auseinandersetzung mit den Interaktanten. In dieser erweiterten Auffassung wird den Teilnehmern folglich eine gewisse Offenheit hinsichtlich ihrer Haltungen zugesprochen. In der Schule könnte somit einem sturen Abarbeiten von vorgefertigten Standpunkten entgegengewirkt werden, was förderlich für eine lebendige Argumentation sein würde.

Eine zweite Erweiterung bezieht sich auf den Ausgangspunkt von Argumentationen. In einer engen Auffassung von Argumentieren sind der Ausgangspunkt einer Argumentation strittige Behauptungen, „[] die in ihrem Geltungsanspruch unstrittig gemacht werden.“ (Kotthoff 2009: 48). Autoren, wie Kotthoff (ebd.), verstehen Argumentieren demzufolge als einen Aushandlungsprozess kontroverser Standpunkte, welcher das Überzeugen der anderen zum Ziel hat. Dabei scheint das Augenmerk dieser Auffassung von Argumentieren weniger auf dem Argumentieren selbst zu liegen. Vielmehr wird durch die kontroverse Ausgangslage eine Wettbewerbssituation erzeugt, welche einer Kooperation der Interaktanten entgegenwirken würde. Ein erweitertes Verständnis von Argumentieren hält dagegen offene Fragen, die entlang verschiedener Lösungsansätze gemeinsam mit den Argumentationspartnern diskutiert werden können, als durchaus sinnvoll. Offene Ausgangsfragen könnten beispielsweise die Besprechung des nächsten Schulausflugs oder einer Problemsituation im schulischen Bereich thematisieren. Dabei stünden der Handlungscharakter der Argumentation sowie die Zusammenarbeit der Interaktanten im Vordergrund des argumentativen Austauschs.

Hinsichtlich der Ergebnisse von Argumentationen können abermals verschiedene Ausprägungen differenziert werden. Im engen Verständnis erscheint das Argumentieren nur funktional, wenn es zu einem Konsens bzw. zu einem eindeutigen Ergebnis führt (vgl. Grundler & Vogt 2012: 488-89). Eine solche Auffassung greift allerdings zu kurz und widerspricht überdies dem Grundgedanken einer demokratisch organisierten Gesellschaft, in der Meinungspluralismus ein anerkanntes Leitprinzip darstellt. Argumentieren sollte vielmehr auf ein gegenseitiges Verständnis der verschiedenen Positionen, statt nur auf Überzeugungsarbeit, abzielen. Im begründeten Dissens - als ein mögliches Ergebnis von Argumentationsprozessen im erweiterten Verständnis von Argumentieren- können die Standpunkte der Interaktanten bis zum Ende der Argumentation divergent bleiben (vgl. ebd.: 489; Pabst-Weinschenk 2011: 114). Eine Kompromisslösung bleibt dabei nicht ausgeschlossen. Durch das erweiterte Verständnis von Argumentieren lernen die Argumentationsteilnehmer, andere Meinungen und Standpunkte zu tolerieren und nachzuvollziehen, was maßgeblich Auswirkungen auf die sozialen Fähigkeiten haben kann. Nicht ohne Grund sprechen sich daher Autoren, wie Ludwig & Spinner (2000: 18), für ein erweitertes Argumentationsverständnis in der schulischen Praxis aus:

Schule hat die Einsicht zu vermitteln, dass argumentative Auseinandersetzung selbst dann sinnvoll ist, wenn kein eindeutiges Ergebnis erzielt wird und die Entscheidungen schließlich ohne inhaltlichen Konsens getroffen werden müssen. Die Argumentation stärkt das Verantwortungsbewusstsein der Beteiligten, zwingt zum Nachdenken und macht die Vorläufigkeit von Erkenntnis bewusst.

Die letzte Erweiterung von Grundler & Vogt (2012: 489) bezieht sich auf die Modalitäten beim Argumentieren. In einem engen Argumentationsverständnis wird eine optimale Argumentationssituation mit ausgewogenem Machtverhältnis und Vernunftdenken der Interaktanten im Argumentationsprozess vorausgesetzt. Ein derartig idealer Argumentationsprozess erscheint zwar überaus vorteilhaft, ist jedoch im alltäglichen Gespräch und insbesondere im schulisch-institutionellen Rahmen - mit Gruppenhierarchien und der Lehrperson als weisende Instanz - praktisch kaum vorstellbar. Das erweiterte Argumentationsverständnis berücksichtigt, so Grundler & Vogt (ebd.), hingegen die individuellen Interessen der Gesprächsteilnehmer, und spricht dabei von „alltäglichen strategischen Verfahren“, welche Einfluss auf den argumentativen Austausch haben können (vgl. Ludwig & Spinner 2000: 20).

Ein erweitertes Verständnis mündlichen Argumentierens fördert die Entwicklung von Toleranz und Akzeptanz, da Argumentieren die gemeinsame Bearbeitung von Problemstellungen beabsichtigt, wobei nicht zwangsläufig dieselbe Meinung, sondern vielmehr das Verstehen der anderen Sichtweise vordergründig ist.

Inwiefern im schulischen Bereich die jeweiligen Auffassungen beim mündlichen Argumentieren berücksichtigt werden, soll unter Punkt (3) abermals aufgegriffen werden.

2.2 Anforderungen beim mündlichen Argumentieren

Im Weiteren sollen die argumentationsspezifischen Anforderungen herausgestellt und die damit einhergehenden notwendigen Fertigkeiten mündlichen Argumentierens dargelegt werden. Durch die Einsicht in die verschiedenen Teilfertigkeiten beim mündlichen Argumentieren ergibt sich eine Vorstellung zu möglichen Förderschwerpunkten im schulischen Unterricht, welche nachfolgend in (3) diskutiert werden sollen.

Mündliches Argumentieren kann als „komplexe Fertigkeit“ (Spiegel 2006: 74) verstanden werden, die sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt. An erster Stelle bedarf es eines umfangreichen inhaltlichen Wissens zum Sachverhalt, um kompetent und engagiert argumentieren zu können (vgl. Grundler & Vogt 2012: 492ff.). Vogt (2007: 36) spricht in diesem Zusammenhang von der kognitiven Dimension mündlicher Argumentationsfähigkeit. Hinsichtlich dieses Charakteristikums unterscheidet sich das mündliche Argumentieren jedoch kaum vom schriftlichen, denn beide setzten (fundierte) Sachkenntnisse zur Bearbeitung eines Themas voraus. Fokussiert man allerdings den zeitlichen Aspekt beim Argumentieren, erklären sich die spezifischen Herausforderungen bei der mündlichen Argumentation. Grundler (2010: 57) sagt dazu, dass mündliches Argumentieren im Vergleich zum schriftlichen Bereich auf „[] die schnelle und flexible Nutzung eines differenzierten Lexikons, bezogen auf Inhaltswörter []“ angewiesen ist. Somit ist die umfassende inhaltliche Vorbereitung, bei welcher das „Erfahrungs-oder Weltwissen“ (Grundler & Vogt 2012: 493) der Gesprächsteilnehmer aktiviert und zum Abruf bereitgestellt werden soll, notwendige Voraussetzung mündlicher Argumentation (vgl. Vogt 2007: 51). Erst der rasche und flexible Zugriff auf themenspezifische Lexik ermöglicht die individuelle, aber vor allem auch interaktive Entwicklung von Argumenten (vgl. Grundler 2009: 82). Dabei zeigt sich, dass argumentative Auseinandersetzungen hinsichtlich ihrer Modalitäten anderen kommunikativen Handlungen entsprechen (vgl. ebd.: 85). In ihrer Arbeit zum mündlichen Argumentieren verdeutlicht Grundler (ebd.: 82ff.) die Konsequenzen eines defizitären Wortschatzes im Bereich des unterrichtlichen Argumentierens: Ihren Untersuchungen zufolge nehmen sich Lerner – insbesondere der Haupt-und Realschule - in schulischen Argumentationen weitestgehend zurück bzw. ihnen gelingt der komplexe und engagierte argumentative Austausch nur begrenzt, was neben weiteren Ursachen auf das mangelnde lexikalische Wissen zurückgeführt werden könne (vgl. ebd.: 82; 94). Folglich kommt Grundler (ebd.: 94) zu dem Schluss, dass eine Förderung argumentativer Fertigkeiten stets mit einem quantitativen wie qualitativen Ausbau der lexikalischen Mittel verbunden sein sollte.

Eine besondere Herausforderung mündlichen Argumentierens stellt der dialogische Austausch dar. Im Vergleich zum schriftlichen Argumentieren genügt es nicht, einem vorgefertigten Schema zu folgen. Vielmehr müssen die Interaktanten aufeinander Bezug nehmen und ihre Beiträge an den jeweiligen Vorredner inhaltlich wie grammatikalisch anknüpfen, sodass eine zügige und sinnhafte argumentative Auseinandersetzung stattfinden kann (vgl. Grundler 2010: 56; Grundler 2011: 77-79; Grundler & Vogt 2012: 493-94). Jene sogenannte Gesprächsfähigkeit entspricht im Allgemeinen der von Vogt (2007: 52) beschriebenen sozialen Dimension argumentierenden Handelns. Dabei obliegt es den Gesprächsteilnehmern, einerseits durch aufmerksames Zuhören inhaltlich kohärent zu reagieren, und anderseits durch einen ausdifferenzierten Wortschatz (vgl. Grundler 2010: 57) neue Lexeme in die Argumentation zu integrieren. Diesbezüglich erweist sich die Erarbeitung lexikalischen Wissens als vorteilhaft, da sie, wie bereits bemerkt wurde, eine flexible Nutzung der Inhaltswörter ermöglicht.

[.]


[1] Unter Punkt (3) soll detaillierter auf die beiden Formen mündlichen Argumentierens eingegangen werden.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Mündliches Argumentieren im schulischen Unterricht
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
26
Katalognummer
V230319
ISBN (eBook)
9783656464334
ISBN (Buch)
9783656467441
Dateigröße
548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mündliches, argumentieren, unterricht
Arbeit zitieren
Master of Education Babette Treptow (Autor:in), 2013, Mündliches Argumentieren im schulischen Unterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230319

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