Faunistische, wasserchemische und vegetationsökologische Untersuchungen an ausgewählten Quellen der Halbinsel Jasmund (Rügen)


Diplomarbeit, 2003

156 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet
2.1 Allgemeiner Überblick
2.1.1 Lage und naturräumliche Einordnung
2.1.2 Geologie und Hydrogeologie
2.1.3 Böden
2.1.4 Klima
2.1.5 Vegetation
2.1.6 Landnutzung auf Jasmund seit dem Mesolithikum
2.2 Die Jasmunder Kalkquellen und -bäche
2.2.1 Allgemeine Charakterisierung
2.2.2 Quellkalkbildungen
2.2.3 Schwefelwasserstoffquellen
2.2.4 Eisenockerausscheidungen
2.3 Gesetzliche Rahmenbedingungen

3 Beschreibung und allgemeine Charakterisierung der untersuchten Quellen
3.1 Quelle 1 - Brunnenaue
3.2 Quelle 2 - Kalkquellmoor Nardevitz
3.3 Quelle 3 - Mühlengrund
3.4 Quelle 4 - Uferquelle
3.5 Quelle 5 - Höllgrund
3.6 Quelle 6 - Hohes Holz
3.7 Quelle 7 - Kleiner Steinbach
3.8 Quelle 8 - Schwefelquelle Kollicker Bach
3.9 Quelle 9 - Tümpelquelle Kollicker Bach
3.10 Quelle 10 - Lenzer Bach
3.11 Quelle 11 - Großer Steinbach

4 Methodischer Teil
4.1 Ermittlung chemisch-physikalischer Parameter
4.1.1 Schüttung
4.1.2 Luft- und Wassertemperatur
4.1.3 pH-Wert und elektrische Leitfähigkeit
4.1.4 Sauerstoffgehalt und Sauerstoffsättigungsindex (SSI)
4.1.5 Säurekapazität
4.1.6 Bestimmung von Anionen
4.1.7 Bestimmung von Kationen
4.2 Erfassungsmethodik des Makrozoobenthos
4.2.1 Qualitative Bestandserhebung
4.2.2 Köderung der Strudelwürmer
4.2.3 Zusätzliche Erhebungen
4.3 Vegetationskundliche Erfassungsmethodik
4.3.1 Vegetationsaufnahme
4.4 Auswertungsverfahren
4.4.1 Ermittlung des Saprobienindex und der Gewässergüte
4.4.2 Ähnlichkeitsvergleiche

5 Ergebnisse und Auswertung
5.1 Chemisch-physikalische Parameter
5.1.1 Ergebnisdarstellung und Auswertung der einzelnen Parameter
5.1.2 Zusammenfassende Bewertung der Wasseranalysen
5.2 Makrozoobenthos
5.2.1 Arteninventar
5.2.2 Saprobienindex und Gewässergüte
5.2.3 Ernährungstypen
5.2.4 Ökologische Bewertung der Quellfauna
5.2.5 Ähnlichkeiten der Quellzoozönosen
5.2.6 Zusammenfassende Bewertung der Jasmunder Quellfauna
5.3 Vegetationszusammensetzung
5.3.1 Pflanzengesellschaften der Jasmunder Quellen
5.3.2 Pflanzensoziologische Beschreibung der einzelnen Standorte
5.3.3 Berechnung der Flächenähnlichkeiten
5.3.4 Zusammenfassende Bewertung der Vegetationsverhältnisse

6 Diskussion
6.1 Gesamtbeurteilung der Quellfluren
6.2 Maßnahmenvorschläge

7 Zusammenfassung

Glossar

Abkürzungsverzeichnis

Literatur- und Kartenverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anlagenverzeichnis

1 Einleitung

Reinheit, Klarheit und Ursprünglichkeit - noch heute verbinden die meisten Menschen diese Eigenschaften mit den Quellen (LAUKÖTTER et al. 1992). Lange galten sie als heilig, waren Orte der Weissagung, Sitz von Göttern und Nymphen und wurden als Naturheiligtümer ver- ehrt. Auf die Verunreinigung des Quellwassers stand vielerorts die Todesstrafe. Oft beruhten die praktizierten Quellenkulte auf tatsächlichen medizinischen Eigenschaften des Quellwas- sers. Chemische Untersuchungen wiesen in zahlreichen als heilkräftig verehrten Quellen das Vorhandensein „heilender“ Substanzen wie Bor oder Schwefel nach. Zunächst verbot die Kirche die Praktizierung von heidnischen Quellenkulten, später nutzte sie den Symbolwert der Quellen für ihre Zwecke und erbaute Kapellen in deren Nähe. Der Dom zu Paderborn soll beispielsweise auf 80 Quellen ruhen. Solche Stätten, an denen man zugleich Religion praktizieren und Heilung erfahren konnte, zogen Wallfahrer an (GRAICHEN 1990).

Damals wie heute wurden Quellen für die Nutzung erschlossen und eingefasst. Sie sind zu- dem durch Grundwasserabsenkung, Versauerung, Trittschäden, Bebauung und andere anthropogene Einflüsse in ihrem Restbestand gefährdet (BOBBE et al. 1996). In unserer in- tensiv genutzten Kulturlandschaft werden diese gesetzlich geschützten Biotope oft aus Un- wissenheit verfüllt oder als Viehtränke genutzt. Sie sind vielfach in Vergessenheit geraten. Das Bild, das viele Menschen von Quellen haben, ähnelt meist sprudelnden Sturzbächen, viel häufiger treten sie jedoch in Form unscheinbar sickernder Rinnsale auf.

Die Halbinsel Jasmund ist ein außergewöhnlich quellenreiches Gebiet in MecklenburgVorpommern. Schon vor fast 100 Jahren standen die Jasmunder Quellen und Bäche im Mittelpunkt der faunistischen und wasserchemischen Untersuchungen des Limnologen AUGUST THIENEMANN, nachdem er hier das Eiszeitrelikt Crenobia alpina, den Alpenstrudelwurm, entdeckt hatte. Die Quellmoore der Halbinsel wurden vor etwa 45 Jahren von HELGA HOLDACK eingehend floristisch untersucht. Es folgten diverse Kartierungen, Bestandsaufnahmen und faunistische Untersuchungen der Fließgewässer Jasmunds.

Mit der vorliegenden Diplomarbeit wurden nun erstmalig ausgewählte Quellstandorte umfas- send untersucht und charakterisiert. Ziel der Untersuchung war es, in einem ersten Schritt den Ist-Zustand der Quellen zu erfassen, um danach eine Bewertung des ökologischen Zu- standes vornehmen zu können. Ein Schwerpunkt der Untersuchung lag auf einer faunisti- schen Bestandsaufnahme des Makrozoobenthos. Diese Gruppe bietet sich als Indikator an, da die Quellen durch die Präsenz einiger weniger hoch spezialisierter Arten gut zu charakte- risieren sind. Außerdem wurden Wasseranalysen durchgeführt sowie floristische Daten er- hoben.

Quellen sind höchst empfindlich gegen Eingriffe und somit ideale „natürliche Laboratorien“, in denen die Auswirkungen klein- und großklimatischer Veränderungen sowie anthropogener Einflüsse auf das Grundwasser beobachtet werden können. Die bei dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse können somit für die Indikation der Umweltverhältnisse im Einzugsgebiet der Quellen genutzt werden.

Nicht zuletzt soll diese Arbeit dazu beitragen, diese faszinierenden Biotope wieder stärker in den Mittelpunkt naturschutzfachlicher Aktivitäten zu rücken.

2 Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet

2.1 Allgemeiner Überblick

2.1.1 Lage und naturräumliche Einordnung

Das Untersuchungsgebiet liegt auf der Halbinsel Jasmund im Nordosten der Insel Rügen.

Nach der limnogeographischen Gebietseinteilung von ILLIES (1978) befindet sich Jasmund in der Zone 14, welche die „[...] norddeutsche Tiefebene einschließlich der Inseln in der Nordsee und der westlichen Ostsee [...]“ (ILLIES 1978 zitiert in BAYERISCHES LANDESAMT FÜR WASSERWIRTSCHAFT 1992) umfasst.

Die Halbinsel Jasmund wird im Süden und Westen vom Großen und Kleinen Jasmunder Bodden sowie im Norden, Osten und Süden von der Ostsee begrenzt. Sie ist nur durch zwei holozäne Nehrungen, die Schmale Heide im Süden und die Schaabe im Nordwesten, sowie einen künstlichen Damm im Südwesten mit anderen pleistozänen Inselkernen Rügens ver- bunden (Abb. 1).

Die höchste Erhebung Rügens ist der Piekberg auf Jasmund mit 161m über NN. Ein Teil der untersuchten Quellen befindet sich in der Stubnitz im Ostteil der Halbinsel, die heute zum Nationalpark Jasmund gehört. Die Stubnitz stellt das größte zusammenhängende Waldgebiet Rügens dar (LANGE et al. 1986). Weitere Quellstandorte wurden an der Nordküste bzw. in Zentraljasmund untersucht (Übersichtskarte siehe Anhang).

2.1.2 Geologie und Hydrogeologie

Die Insel Rügen gehört nach LIEDTKE & MARCINEK (1994) zum Jungmoränenhügelland der Vorpommerschen Inseln. Die Halbinsel Jasmund ist ein von Schreibkreide und glazialen Se- dimenten kompliziert aufgebauter Inselkern (WAGENBRETH & STEINER 1990). LANGE et al. (1986) bezeichnet sie als ein „glazial überformtes präweichseleiszeitliches Kreide- Hochgebiet“. Die Kreide der Halbinsel Jasmund entstand vor etwa 65 Millionen Jahren als marines Schelfsediment durch Akkumulation von Algenskeletten im temperaten Kreidemeer.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Übersichtskarte des Untersuchungsgebietes (Grundlage: TÜK Mecklenburg-Vorpommern 1:200 000, verkleinert)

Das Kreide-Hochplateau im Osten Jasmunds erhielt im Spätpleistozän und Frühholozän seine heutige Oberflächengestalt. Das Gebiet der heutigen Insel Rügen lag inmitten des skandinavisch-nordeuropäischen Vereisungsgebietes und wurde in Zeiten der Maximalvereisung mehrfach vollkommen vom Inlandeis überfahren. Im Weichselspätglazial bildete der Jasmunder Stauchkomplex die Eisscheide zwischen dem Oder- und dem Beltseegletscher, welche von Skandinavien bis ins Norddeutsche Tiefland vordrangen (HAVERSATH 1997). Durch gewaltige Stauchungskräfte wurden die Kreide und die darüber lagernden älteren glazialen Sedimentschichten in Schollen zerbrochen und aufgeschuppt (Abb. 2).

Als Ergebnis dieser glazitektonischen Überformung entstand die Falten-Schuppenstruktur des Jasmunder Höhenrückens (slawisch: Stubnitz = Stufenland) (HAVERSATH 1997, LANDESNATIONALPAR- KAMT MV 1998). Dieser Höhenrücken wurde von jün- gerem Geschiebemergel überlagert. Aufgrund der stark gestörten Lagerungsverhältnisse muss das O- berflächenrelief jedoch „nicht unmittelbar mit der Struktur des Untergrundes in Zusammenhang stehen“ (JESCHKE 1964, 12).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Glaziale Schuppung der Kreide- schichten Jasmunds (GRIPP 1927, Zeichn. nach HERRIG)

Nach Abschmelzen des Inlandeises und Anstieg des Meeresspiegels zur Zeit der Litorina- Transgression (vor 7900 bis 5700 Jahren) setzten Materialumlagerungen in Form von Abra- sion, Transport und Sedimentation ein (HAVERSATH 1997). Die Brandung der Ostsee trug die Außenküste des Jasmunder Inselkerns ab und schuf dadurch steile Kliffs mit vorgelagerten Blockstränden. Windbedingte Küstenströmungen formen seit der Mitte des Holozäns aus dem abgetragenen Material die Nehrungen Schaabe und Schmale Heide (WAGENBRETH & STEINER 1990).

Der Höhenrücken der Stubnitz besteht aus mehrfach übereinander gestapelten Einheiten, die im Liegenden aus Schreibkreide und im Hangenden aus saalezeitlichen und weichselzeitlichen Ablagerungen bestehen (STEINICH 1972). Diese „Stapelung“ wird lückenhaft vom jüngsten Geschiebemergel aus dem späten Weichselglazial überdeckt. Die Schreibkreide steht nur sehr kleinflächig an der Oberfläche an. An der Ostküste ist sie dagegen in Kliffs aufgeschlossen (Abb. 3), die sich regelmäßig mit weniger steilen Geschiebemergel- und Sandufern abwechseln (JESCHKE 1964, LANGE et al. 1986).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Aktive Kreidekliffs und Blockstrand an der Ostküste Jasmunds

Die aktiven Kliffs reichen vom Fährhafen Sassnitz über die Stubbenkammer bis nach Lohme, während die Nordküste westlich von Lohme überwiegend inaktive Kliffstrecken aufweist. Ho- lozäne Sedimente, wie z.B. Torfe und Quellkalke, findet man auf Jasmund ebenfalls in be- grenztem Umfang.

Im Norden fällt die durchschnittlich 125 m hoch gelegene Stubnitz-Hochfläche mit deutlicher Stufe gegen die im Durchschnitt 80 m hohe nördliche Küstenrandzone ab. Diese flachwelligen Plateaus bestehen aus Geschiebemergel und Kreideschollen. Die Nordküste Jasmunds ist durch einen Blockstrand weitestgehend vor Abtragung geschützt (LANGE et al. 1986).

Der westliche und südliche Teil Jasmunds ist durch zahlreiche Erhebungen und mehrere Bachtäler, wie z.B. den Sagarder Bach, gegliedert und fällt zum Großen Jasmunder Bodden hin ab. Der Untergrund besteht auch hier hauptsächlich aus Geschiebemergel (LANGE et al. 1986).

Die Wasserscheide Jasmunds verläuft durch die Stubnitz, nahe am östlichen Steilufer entlang. Daher sind die Bäche, die nach Westen in den Großen Jasmunder Bodden abfließen, sehr lang (z.B. Sagarder Bach 8 km), die Bäche nach Osten jedoch nur kurz und steil (z.B. Kleiner Steinbach 1km) (PETERSEN 1926).

Aufgrund der stark gestörten Lagerungsverhältnisse im Untergrund herrschen auf Jasmund komplizierte hydrologische Bedingungen. Ausgedehnte Grundwasserleiter mit gleichbleibender Mächtigkeit existieren nicht (WERZ 1999).

Als Grundwasserleiter dienen Geschiebesande und z.T. auch Kreide. Diese stellt einen sog. Kluftwasserleiter dar, da das Grundwasser nur innerhalb der Spalten und Klüfte zirkulieren kann. Die tonreichen Geschiebemergelschichten fungieren hingegen als Grundwasserstauer. Auch die Kreide wirkt oft als Barriere, da die meisten Klüfte geschlossen und somit nicht hydraulisch wirksam sind. Werden die wasserführenden Schichten am Kliff durch Erosion angeschnitten und freigelegt, treten oft Schichtquellen aus (WERZ 1999).

Da die Steilufer erst in Folge der Litorina-Transgression entstanden, können diese Quellen nicht älter als 6 000 Jahre sein. Deutlich älter sind hingegen diejenigen Quellen in Zentral- jasmund, die Wasseraustrittsstellen aus der Kreide darstellen. Sie bestanden theoretisch bereits am Ende der Vergletscherung Jasmunds vor etwa 14 000 Jahren (SCHNICK & SCHÜ- LER 1996).

2.1.3 Böden

Für die Bodenbildung stehen auf Jasmund Geschiebemergel, pleistozäne Sande, Schreib- kreide und organische Sedimente zur Verfügung (JESCHKE 1964). Daraus bildeten sich im Laufe der Zeit Kreideböden, wie z.B. Kalkbraunerden und Rendzinen, sowie Moränenbö- den, wie z.B. Parabraunerden, Pararendzinen, Podsole, Gleye und Pseudogleye, welche in kleinräumigen Wechsel stehen (HAVERSATH 1997, JESCHKE 1964). Echte Gleyböden treten nur lokal in Quellbereichen und Bachtälern auf. Moorgleye findet man dagegen häufig in Quellmooren in Form von eutrophem basischem Bruchwaldhumus (JESCHKE 1964).

2.1.4 Klima

Die Halbinsel Jasmund lässt sich dem stärker maritim beeinflussten Klima des mecklenburgischen Binnenlandes zuordnen (LANGE et al. 1986).

Die starke Prägung durch die umgebende Ostsee spiegelt sich u.a. in

- einer niedrigeren Jahresmitteltemperatur (7-8°C),
- einer geringeren jährlichen Temperaturamplitude (16-18 K),
- einer höheren Luftfeuchte (83 % Jahres-Luftfeuchtemittel),
- größeren Windhäufigkeiten und
- einem um ein bis zwei Wochen verzögerten Frühlingsbeginn

gegenüber dem vorpommerschen Festland wider (JESCHKE 1964, LANGE et al. 1986, RABIUS & HOLZ 1993).

Weiterhin unterscheiden sich die Jahresniederschläge auf Jasmund teilweise erheblich vom Niederschlagsmittel für Mecklenburg-Vorpommern von 598 mm (WEIß 1996). In normalen Jahren fällt auf Jasmund etwa 670 mm Niederschlag (KUTSCHER 1998).

Innerhalb Jasmunds existieren jedoch sehr starke Unterschiede in der Niederschlagsvertei- lung. LANGE et al. (1986) gibt für die hochgelegene Stubnitz einen Jahresniederschlag von 680 bis 700 mm an, wogegen auf Süd-, West- und Nordwestjasmund nur 600 bis 660 mm Niederschlag fallen.

Messungen des Nationalparkamtes auf Ostjasmund ergaben für die Jahre 1993 bis 1995 sehr hohe Niederschläge von 811 mm (LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998). In der Station Lohme-Nipmerow (95 m über NN) auf Nordjasmund wurde im Jahre 1993 sogar ein Niederschlag von 815 mm erreicht (DEUTSCHER WETTERDIENST 1996).

Die Ursache liegt in der Stauwirkung des Stubnitzplateaus, das somit zu den niederschlags- reichsten Gebieten des Mecklenburg-Vorpommerschen Küstenraums zählt (LANGE et al. 1986).

Nach KOPP et al. (1973, zitiert in LANGE et al. 1986) kann die Halbinsel Jasmund zwei klimatisch-pflanzengeographischen Makroklimaformen zugeordnet werden:

1. Stubnitz-Klima (Makroklimaform sigma), ein wind- und niederschlagsreiches (>620
mm/Jahr) Hochflächenklima
2. Westliches Küstenklima (Makroklimaform lambda), durch geringere Niederschläge (600- 620 mm/Jahr) und geringe thermische Kontinentalität gekennzeichnet, umfasst die Gebiete der Halbinsel ohne Stubnitz

2.1.5 Vegetation

Im 12. und 13.Jh. n. Chr. verdrängte die Rotbuche (Fagus sylvatica) die bis dahin auf Jas- mund vorherrschenden Eichenmischwälder. Sie dominiert seither auf allen nicht vom Grundwasser beeinflussten Mineralbodenarten. Ihre natürlichen Begleiter, Stiel-Eiche (Quer- cus robur) und Hainbuche (Carpinus betulus) fehlen auf Grund der hohen Niederschläge, niedriger Jahresmitteltemperaturen und einer zu kurzen Vegetationsperiode (KUTSCHER 1998).

Natürlich waldfrei sind auf Jasmund nur die Moore, einige großflächige Quellfluren, Küstendünen, Strände (z.T. mit Salzrasengesellschaften), frische Uferabbrüche und trockene, südexponierte Steilhänge.

Das regenreiche Hochflächenklima der Stubnitz begünstigt eine optimale Entfaltung ver- schiedener Buchengesellschaften (LANGE et al. 1986). Auf Kreide stocken Heckenkirschen- Buchenwälder, auf Geschiebemergel Zahnwurz-Buchenwälder und auf ärmeren Sandstand- orten sind Siebenstern- und Blaubeer-Buchenwälder zu finden. In den kühlen, feuchten Bachtälern und auf grundwasserbeeinflussten Böden werden die Buchenwälder dagegen von Erlen-Eschenwäldern abgelöst. In den kesselartigen Hohlformen ehemaliger Toteisblö- cke haben sich Zwischenmoore mit Torfmoos-Seggenrieden und Moorbirken-Gehölzen ent- wickelt (JESCHKE 1964, LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998, LANGE et al. 1986).

Das Steilufer bietet einem Mosaik verschiedener Pflanzengesellschaften einen Lebensraum, wie z.B. Winkelseggen-Erlen-Eschenwäldern, Orchideen-Buchenhangwäldern, ZahnwurzAhorn-Hangwäldern, Elsbeeren-Buchenbuschwäldern, Hartriegel-Wacholder-Gebüschen, Pionierfluren und Riesenschachtelhalm-Quellfluren (JESCHKE 1964 zitiert in LANGE et al. 1986, LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998).

Xerotherme Standorte an südexponierten Steilhängen begünstigen ein Mosaik aus Leimkraut-Buchenwald, Schwalbenwurz-Eichentrockenwald, Schlehen-Trockengebüsch und Blutstorchschnabelsaum. Inaktive Schräghangufer und entwaldete Kuppen in niederschlagsarmen Gebieten Jasmunds sind mit Halbtrockenrasen bedeckt.

Die durch Strandwälle vom Bodden oder der Ostsee abgetrennten Niederungen auf Jas- mund beherbergen heute Teiche mit Resten naturnaher Uferzonierung (Großer und Kleiner Wostewitzer Teich), Großseggensümpfe, artenarmes Wirtschaftsgrünland, Hochstaudenflu- ren und Röhrichte. Bei extensiver Grünlandnutzung entwickeln sich Kohldistel- und Pfeifen- gras-Feuchtwiesen. Die natürliche Vegetation der Boddenufer ist durch Salzröhrichte oder Salzwiesen gekennzeichnet.

Auf den reichen bis mittleren Kalkäckern Jasmunds gedeihen Klatschmohn- und andere Ackerwildkraut-Gesellschaften, während an stark vom Menschen beeinflussten Standorten Ruderalpflanzengesellschaften dominieren (LANGE et al. 1986).

2.1.6 Landnutzung auf Jasmund seit dem Mesolithikum

Anhand pollenanalytischer Untersuchungen in Jasmunder Mooren konnte eine menschliche Besiedlung der Halbinsel seit der Mittleren Steinzeit (= Mesolithikum, 6000-3000 v. Chr.) nachgewiesen werden. Die Jäger, Fischer und Sammler nutzten die zu dieser Zeit auf Jas- mund vorherrschenden Eichenmischwälder, ohne sie nachhaltig zu beeinflussen (LANGE et al. 1986).

In der Jungsteinzeit (3000-1800 v. Chr.) begannen die Menschen mit gebietsweisen Wald- rodungen, um Ackerbau und Viehhaltung zu betreiben. Zeugnisse dieser alten Siedlungs- form sind die noch heute erhaltenen Großsteingräber auf Jasmund. Während der Bronzezeit (1800-600 v. Chr.) wurde die bäuerliche Besiedlung in den Hochlagen Jasmunds stark aus- gebaut und der Wald weiter zurückgedrängt. In der Eisenzeit (600 v. Chr.-650 n. Chr.) setzte durch die zunehmende Humidität des Klimas ein starkes Moorwachstum sowie eine allmähli- che Ausbreitung von Fagus sylvatica und Carpinus betulus ein. Nach KÜSTER (1999) konnte sich die Rotbuche sogar erst nach den ersten Rodungen in Mitteleuropa großflächig etablie- ren. Denn dort, wo Ackerbau aufgegeben wurde, kamen zunächst Birken-Pionierwälder auf, die dann oft von der konkurrenzstarken Rotbuche statt von der Stiel-Eiche verdrängt wurden. Die Ausbreitung der Rotbuche wurde demnach indirekt durch die Siedeltätigkeit des Men- schen gefördert (KÜSTER 1999).

Die Menschen entwickelten die Technik der Eisenverhüttung aus Raseneisenerz, entsprechend stieg der Holzbedarf für die Schmelzöfen (LANGE et al. 1986). Zur Zeit der Völkerwanderung kam es zu einer Abwanderung der Germanen aus Rügen, wodurch sich der Wald weitestgehend regenerieren konnte.

Im 6. und 7.Jh. drangen slawische Stämme in das nur noch spärlich besiedelte Rügen vor und begannen erneut mit großflächigen Rodungen. Allerdings wurden davon die Hochlagen Jasmunds nicht berührt (LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998). Moore sind zu dieser Zeit das prägendste Element der Insellandschaft. Gleichzeitig verdrängt die Rotbuche allmählich die Eichenmischwälder und wird dominierende Baumart auf Jasmund. Die Slawen legten Burgen (z.B. Herthaburg in der Stubnitz) an, für deren Bau gezielt Eichen geschlagen wurden. Im 11. und 12.Jh. kam es zu einer starken Bevölkerungszunahme und der Ausweitung der Siedlungen, bäuerliche Landwirtschaft und Fischerei waren vorherrschend.

Mit dem Einmarsch der Dänen wurde der letzte freie heidnische Slawenstamm im Ostseeraum christianisiert. Um 1200 errichtete man in Sagard die erste massive Dorfkirche Jasmunds (LANGE et al. 1986).

Jasmund ist zu dieser Zeit bereits größtenteils dicht besiedelt und entwaldet, nur im ausgedehnten Waldgebiet der Stubnitz können sich die Buchenwälder voll entfalten. Die Siedlungsstruktur der Halbinsel wird von Einzelhöfen und slawischen Weilern geprägt. Nur die Siedlung Hagen bildet als ein deutsches Hagenhufendorf eine Ausnahme. An der Boddenküste kommt es durch die Beweidung der Küstenüberflutungsmoore zur Ausbildung von Salzgrünland (LANGE et al. 1986).

Seit dem Mittelalter stieg der Nutzungsdruck des Menschen auf die Stubnitz (LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998). Man betrieb Nieder- und Mittelwaldwirtschaft. Massive Rodungen setzten ein, Vieh wurde zur Waldweide in den Wald getrieben. Dieser Raubbau wurde erstmals im Jahre 1551 vermindert, als man den Zugang in die Stubnitz und den jährlichen Holzeinschlag einschränkte (JESCHKE 1964).

Gegen Ende des 16.Jh. entstanden die ersten Gutshöfe und Rittergüter (z.B. Spycker) auf Jasmund und prägten zunehmend das Bild der Agrarlandschaft.

Um das Jahr 1700 ist der Anbau von Roggen, Gerste, Hafer, Erbsen, Lein, Kohl und Obst dokumentiert. Der Getreideanbau wurde als 4-5-Felderwirtschaft betrieben. Feuchte Standorte nutzte man als einschürige Streuwiesen. Die Dörfer waren von großflächigen Viehweiden umgeben. Schweine trieb man zur Mast in den Wald (LANGE et al. 1986). Bis zum Jahre 1695 kamen allerdings in der Stubnitz noch Wölfe vor, was die Waldweide riskant machte. In den Dörfern Sassnitz, Lohme und Glowe wurde zudem in größerem Umfang Fischerei betrieben (SCHWEDISCHE LANDESAUFNAHME 1995).

Zu Zeiten schwedischer Herrschaft (1648 bis 1815) genoss die bereits stark devastierte „Stubbenitz“ (SCHWEDISCHE LANDESAUFNAHME 1995) als Kronwald besondere Schonung. Der Holzeinschlag wurde eingeschränkt und die Waldweide durch Ziegen verboten. Die stark waldschädigende Köhlerei wurde jedoch weiterbetrieben (JESCHKE 1964).

Nachdem die 4-5-Felderwirtschaft jahrhundertelang die Böden ausgelaugt hatte, wurde auf Rügen im 18.Jh. die Bewirtschaftung mittels Rotation von Weide- und Ackerflächen eingeführt. Dies ermöglichte eine natürliche Bodendüngung und Ertragssteigerungen.

Seit dem 19.Jh. setzte eine starke Intensivierung der Landwirtschaft ein. Auf Jasmund be- gann man mit der mineralischen Düngung, der Entwässerung vieler Felder und dem Hack- fruchtbau (Rüben, Kartoffeln, Mais). Niederungen und Bruchwälder wurden entwässert und in Grünland umgewandelt. Außerdem setzte der Kreideabbau ein (LANGE et al. 1986).

In der Mitte des 19.Jh. hatten wirtschaftsbedingte Waldformen wie Nieder- und Mittelwälder die größte Ausdehnung erreicht, die natürliche Waldentwicklung auf Rügen war jedoch auf dem Tiefpunkt (LANGE et al. 1986). In der Stubnitz wurde um 1815 unter preußische Verwal- tung eine „geregelte“ Forstwirtschaft eingeführt. Um den Waldanteil zu erhöhen, begann man mit der Aufforstung der Kahlflächen mit Eichen und gebietsfremden Nadelhölzern (JESCHKE 1964, LANGE et al. 1986).

Ende des 19.Jh. setzte auch auf Jasmund die Industrialisierung ein. Man baute ein festes Straßennetz sowie eine Eisenbahnlinie nach Sassnitz, die schon bald die ersten Badegäste auf die Halbinsel brachte.

Noch im 18. und 19.Jh. war Jasmunds bäuerliche Kulturlandschaft aufgrund zahlreicher Feuchtwiesen, Magerrasen und Hutungen von größter Mannigfaltigkeit geprägt. Seitdem erfolgte jedoch durch die immer intensivere Landnutzung auf großen Flächen ein ständiger Rückgang der Arten- und Biotopvielfalt. Naturnahes Salzgrünland wurde eingedeicht.

All dies machte zu Beginn des 20.Jh. erste Naturschutzmaßnahmen erforderlich. So wurden 1929 erstmals 1 500 ha der Stubnitz als „Naturschutzgebiet Jasmund“ ausgewiesen.

Mit der Bodenreform von 1945/46 trat anstelle der Großflächenwirtschaft erneut eine klein- bäuerliche Wirtschaftsweise. In den Nachkriegsjahren wurden traditionelle Nutzungsformen wiederaufgenommen, was zu einer kurzzeitigen Wiederausbreitung von Feuchtwiesen, Ma- gerrasen und Niederwäldern führte. Ein Ende fand diese Entwicklung mit der Flurbereinigung in den 60er Jahren, die zu einer genossenschaftlichen, industriellen Landwirtschaft führte. Große Moorniederungen wurden entwässert und in artenarmes Grünland umgewandelt. Aus der Nutzung genommene Salzwiesen entwickelten sich zu Salzröhrichten, kleinflächiges Feuchtgrünland zu Hochstaudenfluren und Röhrichten. Kleinere Kreidegruben auf Zentral- jasmund wurden ebenfalls der Sukzession überlassen. Intensive Bautätigkeit sowie zuneh- mender Verkehr und Tourismus tragen bis heute zum Verbrauch und zur Eutrophierung der Landschaft bei (LANGE et al. 1986).

Das große, geschlossene Waldgebiet der Stubnitz wurde im Gegensatz zum Offenland nur wenig vom Menschen beeinflusst und konnte sich seit der Zeit der Völkerwanderung relativ ungestört entwickeln. Auf dem überwiegenden Teil der heutigen Waldstandorte stockt somit seit etwa 1 000 Jahren Wald (LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998). Das Vorkommen von Sand-, Lehm- und Kreideböden unterschiedlicher Feuchtestufen und Expositionen bewirkte ein abwechslungsreiches Mosaik naturnaher Buchenwaldtypen, wie z.B. dem seltenen Or- chideen-Kalkbuchenwald.

Seit dem 1. Oktober 1990 gehört die Stubnitz zum Nationalpark Jasmund. Zum Schutzgebiet zählen weiterhin eine 500 m breite Flachwasserzone der Ostsee sowie ein kleinerer Bereich mit ehemaligen Kreidebrüchen, Gewässern, Feuchtwiesen und Trockenrasen. Deutschlands kleinster Nationalpark umfasst eine Fläche von 3 003 ha, davon sind 2 123 ha mit Wald be- stockt (davon 73 % nutzungsfrei) sowie 673 ha Ostseefläche (Grenzen siehe Übersichtskarte im Anhang). Die restlichen Flächen gliedern sich in Offenland und Siedlungen. Der National- park differenziert sich in eine Kernzone (2 600 ha) und eine Pflegezone (403 ha). Die Kern- zone umfasst hauptsächlich Wald, Moore, Küste und Wasserfläche der Ostsee sowie Fließ- gewässer. Hier können Naturprozesse ohne menschliche Eingriffe ablaufen. Planmäßig ent- fernt werden jedoch die wenigen vor der Ausweisung des Nationalparks gepflanzten Nadel- bäume und Pappeln. In der Pflegezone greift der Mensch „pflegend“ ein, um seltene Pflan- zengesellschaften zu bewahren und die verbliebenen Reste von Nieder- und Mittelwäldern als Zeugnisse alter Waldnutzungsformen zu erhalten. In dieser Zone wird auch der im §24 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) gestellten Forderung nach Erholung und naturkundli- cher Bildung der Menschen im Nationalpark nachgekommen (LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998).

2.2 Die Jasmunder Kalkquellen und -bäche

2.2.1 Allgemeine Charakterisierung

Jasmund ist aufgrund seiner komplizierten geologischen Struktur reich an Quellen und Bächen. Der Anteil des in den Untergrund versickernden Wassers ist besonders hoch. Während Kreide und Geschiebemergel das Wasser stauen, bilden zwischengelagerte Schmelzwassersande sowie Klüfte in der Kreide die Grundwasserleiter. Das Wasser tritt an den unterschiedlichsten Stellen wieder zutage, so in den Quellmooren der Bäche, entlang der tief eingeschnittenen Bachtäler oder direkt am Kreidekliff.

Zu den Quellen des Ufers gehören alle unmittelbar über der Strandterrasse entspringenden Wasserläufe, an die sich kein eigentlicher Bachlauf, sondern ein unbedeutendes Rinnsal anschließt. Viele davon versickern, bevor sie die Ufergerölle erreicht haben, oder schütten nur temporär. Diese sogenannten Frühjahrsrinnsale befinden sich vor allem am Nordufer Jasmunds zwischen Lohme und Nardevitz (NOACK 1993). Die Jasmunder Quellen schütten unterschiedlich mineralisierte Wässer und speisen natürli- che bis sehr naturnahe Bäche (z.B. Kieler, Brisnitzer, Kollicker Bach, Großer und Kleiner Steinbach). Speziell die Stubnitzbäche zeichnen sich durch eine große Struktur- und Sub- stratvielfalt aus und besitzen z.T. deutlich ausgeprägte Temperaturanomalien (SCHNICK & SCHÜLER 1996). Interessant sind ebenfalls mehrere Bachversickerungen (z.B. am Brisnitzer Bach), dolinenartige Einsenkungen und Schlucklöcher (Ponore), die als Karstphänomene gedeutet werden können (PETERSEN 1926, SCHNICK & SCHÜLER 1996, THIENEMANN 1926, 1931). Solche Erscheinungen hängen mit der leichten Löslichkeit der Kreide sowie dem stark gestörten geologischen Untergrund zusammen, welcher durch Spalten und Hohlräume zer- klüftet ist.

Grundwasser - und somit auch Quellwasser - besitzt eine relativ konstante Temperatur, die ungefähr der Jahresdurchschnittstemperatur der Umgebung entspricht. Die Jasmunder Kalkquellen sind kaltstenotherm, d.h. sie weisen ganzjährig eine Wassertemperatur von 7 bis 8°C auf (vgl. Kapitel 2.1.4 Klima) (THIENEMANN 1907, 79). Da die Quellen im Winter nicht zufrieren, sind einige der in der Quelle lebenden Pflanzen in der Lage, das ganze Jahr über Photosynthese zu betreiben (z.B. Cardamine amara, Caltha palustris). Bei einigen Pflanzen beginnt das Wachstum schon im sehr zeitigen Frühjahr (Abb. 4) (UHLMANN & HORN 2001).

Auch für z.T. hochspezialisierte Fließgewässerorganismen stellen Quellen einen bedeuten- den Lebensraum dar. Im Winter liegt die Quellwassertemperatur oft über der umgebenden Lufttemperatur, so dass frostempfindliche atlantische Organismen („warme Fauna“) überwin- tern können. In der warmen Jahreszeit sind Quellen kühl genug, um alpin-arktischen oder subalpin-borealen Organismen („kalte Fauna“) das Übersommern zu ermöglichen (ELLEN- BERG 1996, PETERSEN 1926).

Faunistisch stellen die Bäche Jasmunds ein wichtiges Bindeglied zwischen den Bergbächen Mitteleuropas und denen Skandinaviens dar (NOACK 1993). Die Tierwelt der Bäche und Quellen ist zwischen 1906 und 1936 von dem Limnologen AUGUST THIENEMANN intensiv er- forscht worden. Den Anstoß dazu gab die Entdeckung der Alpenplanarie (Crenobia alpina, Alpenstrudelwurm) im Jahre 1905, einem kaltstenothermen Glazialrelikt. Auf die Sonderstel- lung von Crenobia alpina wird im Kapitel 5.2.1 ausführlich eingegangen. In zahlreichen Arbeiten befasste sich THIENEMANN ausführlich mit der hydromorphologischen Ausprägung und faunistischen Besiedlungsstruktur der Quellen und Bäche Rügens (THIENEMANN 1906, 1907, 1926, 1931, 1934). Der Nationalpark Jasmund verdankt übrigens u.a. AUGUST THIENEMANN sein Bestehen, da dieser im Jahre 1926 mit einem Gutachten über die Quellen Rügens den geplanten Kreideabbau an der Kreideküste verhinderte und die Ausweisung eines Naturschutzgebietes auf den Weg brachte (HINTERLANG & LISCHEWSKI 1993, 16).

Nach THIENEMANN (1907) wird durch das Auftreten von kalten Quellen und Bächen auf Jas- mund die Existenzmöglichkeit für eine typische Kaltwasserfauna mit Mittelgebirgscharakter geschaffen. Diese ist jedoch gegenüber vergleichbaren Mittelgebirgsbächen als artenarm zu betrachten. Gründe hierfür sind die räumliche Begrenztheit des Gebietes, die Isolierung von den Fließgewässern des Festlandes nach dem litorinen Meeresspiegelanstieg sowie der sehr hohe Kalkgehalt, den nur wenige spezialisierte Arten ertragen können (PETERSEN 1926).

2.2.2 Quellkalkbildungen

An zahlreichen Jasmunder Quellen und Bächen sind Quellkalkausscheidungen zu beobachten, so z.B. am Limmer Bach und im Höllgrund (Abb. 5 und 6).

Quellkalke werden auch als Kalktuffe, Travertine oder Kalksinter bezeichnet (SUCCOW & JOOSTEN 2001). Sie entstehen durch biogene oder chemische Entkalkung in stark kalkhaltigem Wasser. Hier liegen schwerlösliches Calciumcarbonat (CaCO3) und leicht lösliches Calciumbicarbonat (Ca(HCO3)2) in einem empfindlichen Gleichgewicht vor, welches anhand folgender Reaktion verdeutlicht werden kann:

Ca(HCO3)2 < CO2 + H2O + CaCO3;

Bei der biogenen Entkalkung entziehen Moose und Wasserpflanzen dem Wasser für die Assimilation Kohlendioxid (CO2). Calciumbicarbonat liefert durch Zerfall CO2 nach, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Dies führt zur Ausfällung von schwerlöslichem CaCO3 auf den submersen Pflanzenteilen (BARNDT & BOHN 1996, SCHWOERBEL1999). Das Veränderli- che Starknervmoos (Cratoneuron commutatum) inkrustiert dabei an seinen unteren Pflan- zenteilen.

Biogene Quellkalkausscheidungen führten auch zur Entstehung jener „prächtigen Tufftreppe am Stubbenhörn zwischen Stubbenkammer und Lohme, wohl das großartigste Quelltuffvorkommen in Norddeutschland“ (THIENEMANN 1931, 670).

Die chemische Entkalkung läuft dagegen ohne Beteiligung von Pflanzen ab. Erreicht kalk- reiches, kohlendioxidübersättigtes Grundwasser die Erdoberfläche, entweicht CO2 durch Turbulenz, Erwärmung sowie Druckentlastung in die Atmosphäre. Um das chemische Gleichgewicht wiederherzustellen, wird ein Teil des gelösten Ca(HCO3)2 als CaCO3 ausge- fällt. Das Substrat kalkreicher Quellen und Bäche ist dadurch oft mit Kalksinterkrusten über- zogen, vor allem im Bereich von Quellabflüssen können mächtige Gesteinsbänke abgelagert werden (SCHWOERBEL 1999, ZILLES 1999). Nach OHLE (1937, 306) können diese um mehrere Millimeter pro Jahr wachsen.

2.2.3 Schwefelwasserstoffquellen

Schwefelwasserstoffreiche Quellen sind oft schon von weitem an ihrem charakteristischen fauligen Geruch zu erkennen. Wiederholt wurden sie auf Jasmund beschrieben, so z.B. die Quellen bei Clementelvitz (BOLL 1858, CREDNER 1893), am Kollicker Bach (THIENEMANN 1926: 244-250) sowie einige bei Kartierungsarbeiten des Nationalparkamtes neu entdeckte Schwefelwasserstoffquellen.

Der Schwefelwasserstoff (H2S) der Quellwässer entsteht durch Desulfurikationsprozesse (Sulfatreduktion) bereits im Grundwasser. Obligat anaerobe, schwefelreduzierende Bakterien wandeln das dort vorhandene Sulfat (SO42-) unter Sauerstoffabschluss in Schwefelwasserstoff um, welcher dann an der Quelle frei wird.

SO42- + organische Stoffe : Acetat + H2S + Energie (aus SCHWOERBEL 1999) Eine mögliche Ursache des hohen Sulfatgehalts des Grundwassers sind nach THIENEMANN (1926) die FeS2-Konkretionen (bestehend aus Pyrit und Markasit) in der Kreide. Diese schwerlöslichen Eisenverbindungen werden im Untergrund bei Sauerstoffdefizit durch reduzierende Bakterien aufgelöst. SCHNICK und SCHÜLER (1996) vermuten hingegen, dass H2S- haltige Wässer infolge der Torfmineralisation in Mooren freigesetzt werden.

An der Erdoberfläche (Quelle) oxidieren anschließend chemoautotrophe, aerobe, farblose Schwefelbakterien (wie z.B. Beggiatoa alba) den H2S zu Schwefel (S) und nutzen die freigesetzte Energie für ihren Stoffwechsel.

H2S + ½ O2 : S + H2O + Energie (aus UHLMANN & HORN 2001)

Der Schwefel wird entweder in die Zellen der Bakterien eingelagert oder nach außen abge- geben (SCHWOERBEL 1999, UHLMANN & HORN 2001). Kolonien dieser Schwefelbakterien ü- berziehen das Substrat im Quellbereich mit einem weißen Belag (Abb. 7, vgl. Kapitel 3.8).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Winterliche Sickerquelle in der Brunnenaue: blühende Caltha palustris und Eisenocker

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Abb. 6: Mit Kalksinter überzogenes Substrat im Höllgrundbach (Fotos 5 und 6: EMONDS et al. 1996)

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Abb. 5: Quellkalkbildung am Limmer Bach

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Abb. 7: Schwefelquelle am Kollicker Bach mit Schwefelbakterienkolonien (Fotos 4 und 7: SCHNICK)

2.2.4 Eisenockerausscheidungen

Großflächige Eisenockerausscheidungen wie z.B. in der Rognick (vgl. auch Kapitel 3.10 und 3.11) sind eine weitere Besonderheit vieler Jasmunder Quellen. Sie sind auf stark eisenhaltiges Grundwasser zurückzuführen.

Nach SCHNICK (2003, mdl. Mitt.) werden Eisenionen vermutlich hydrolytisch aus den Kristallgittern verschiedener Minerale herausgelöst, etwa aus den eiszeitlichen Mineralen in den grundwasserleitenden Geschiebesanden. Eine andere mögliche Quelle des Eisens sind die FeS2-Konkretionen in der Kreide.

z.B.: FeS2 + 2 CO2 + 2 H2O : Fe2 + + H2S + 2 HCO3- + S

Grundwässer, vor allem der Norddeutschen Tiefebene, können dadurch Eisengehalte von 1-

10 mg/l aufweisen (KELLER 1998).

Beim Austritt des Eisen(II)-reichen Grundwassers wird durch mikrobielle Oxidation Eisen(III)hydroxid (Eisenocker) gebildet.

4 Fe2 + + 8 HCO3- + O2 + 6 H2O : 4 Fe(OH)3 + 4 H2O + 8 CO2 + Energie

Die daran beteiligten eisenoxidierenden Bakterien der Gattungen Clonothrix, Crenothrix und Chlamydothrix nutzen die freigesetzte Energie für die Chemosynthese und können sich dadurch massenhaft vermehren (PETERSEN 1926: 387, UHLMANN & HORN 2001). Die Eisenockerflocken häufen sich zu orange-roten, schwammartigen Polstern an, die barrenförmig nach oben und in die Breite wachsen (PETERSEN 1926: 386).

2.3 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Nach §30 Abs.1 BNatSchG gehören „Moore, Sümpfe, Röhrichte, seggen- und binsenreiche Nasswiesen und Quellbereiche“ (BNATSCHG 2002) zu den gesetzlich geschützten Biotopen, ohne dass es einer besonderen Ausweisung als Schutzgebiet bedarf. In diesen Biotopen sind Maßnahmen verboten, die zu ihrer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhal- tigen Beeinträchtigung führen können. Zu den gesetzlich geschützten Quellbereichen zählen naturnahe Helokrenen mit oft flächigem Wasseraustritt und Vegetation der Montio- Cardaminetea (Quellflur-Gesellschaften), Limnokrenen mit ihrer Unterwasservegetation, na- türliche Rheokrenen sowie temporäre Quellen. Der §31 BNatSchG schützt oberirdische Ge- wässer einschließlich ihrer Gewässerrandstreifen und Uferzonen als Lebensstätten und Le- bensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten (BNATSCHG 2002).

Nach §20 Landesnaturschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern (LNatG M-V) sind „Quellbereiche, einschließlich der Ufervegetation“ gesetzlich geschützte Biotope. Kalktuffquellen, an denen Quellkalke gebildet werden oder wurden, sind in Mecklenburg-Vorpommern sehr selten. Diese kleinräumigen Geotope von meist geringer Standfestigkeit sind daher ebenfalls gesetzlich geschützt (§20 Abs.2) (LNATG M-V 2002).

Die FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräu- me sowie wildlebender Tiere und Pflanzen) sieht vor, ein zusammenhängendes europäi- sches Schutzgebietsnetz (Natura 2000) zu errichten. Dafür sind von den EU-Mitgliedsstaaten Gebiete mit Lebensräumen und Arten von gemeinschaftlichem Interesse (Anhänge I und II) auszuweisen. Aufgrund des Vorkommens zahlreicher Lebensräume gemäß Anhang I sowie Arten gemäß Anhang II wurde der Nationalpark Jasmund der EU-Kommission als FFH- Gebiet vorgeschlagen (LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998). Auch Kalktuffquellen werden im Anhang I der FFH-Richtlinie genannt. Sie stellen stark bedrohte „prioritäre natürliche Lebens- raumtypen“ dar, „für deren Erhaltung der Gemeinschaft eine besondere Verantwortung zu- kommt“ (FFH-RICHTLINIE 1997).

3 Beschreibung und allgemeine Charakterisierung der unter- suchten Quellen

Eine Quelle wird definiert als „örtlich begrenzter Grundwasseraustritt, der zumindest zeitweise zu einem Abfluss führt“ (DIN 4049-2 1990). HÖLTING (1996) unterscheidet grob drei Möglichkeiten der Entstehung von Quellen. Bei Verengungsquellen (1) wird Wasser zum Austritt gezwungen, weil der durchfließbare Querschnitt vermindert wird. Schichtquellen (2) entstehen, wenn der Grundwasserleiter natürlich oder durch Erosion endet. Bei Stauquellen (3) wird der Grundwasserleiter durch wasserundurchlässige Schichten oder Störungen begrenzt, wodurch das Wasser an die Oberfläche steigt.

Der Quellbereich eines Fließgewässers wird auch als Krenal (griech. krene = Quelle) bezeichnet (UHLMANN & HORN 2001).

Nach THIENEMANN (1922) unterscheidet man nach der Art des Wasseraustritts folgende Gruppen:

a) Rheokrenen - Sturzquellen mit einem Quellbach direkt am Wasseraustritt
b) Limnokrenen - Tümpelquellen mit wassergefülltem Quelltopf
c) Helokrenen - Sicker- oder Sumpfquellen

Zwischen diesen Typen sind Übergänge und Mischformen möglich (BEIERKUHNLEIN & GOLLAN 1999).

Aufgrund seiner komplizierten Geologie weist Jasmund eine hohe Anzahl unterschiedlicher Quellen auf. Durch Befragung der Nationalparkmitarbeiter, Auswertung historischer und ak- tueller Forschungsarbeiten sowie anhand Topographischer Karten wurden zahlreiche im Un- tersuchungsgebiet Jasmund liegende Quellen ermittelt. Nach intensiver Gebietserkundung im Mai 2002 wurden folgende 11 Quellen zur näheren Untersuchung herangezogen:

Es wurde eine möglichst repräsentative Auswahl getroffen, welche die für Jasmund typi- schen natürlichen Quellgesellschaften und -ausprägungen widerspiegelt. Kriterien für diese Auswahl waren

- die Naturnähe, wobei möglichst naturbelassene und nutzungsfreie Standorte gewählt wurden

- der Quelltyp, wobei darauf geachtet wurde, dass jeweils mindestens eine Quelle aus jeder der o.g. Kategorien nach THIENEMANN (1922) ausgewählt wurde

- relativ gleichmäßige Verteilung der untersuchten Standorte auf Jasmund.

Die Benennung der Quellen erfolgte in dieser Arbeit entweder nach dem nächst größeren Bach, dem sie zufließen (Kollicker, Lenzer, Großer Steinbach, Kleiner Steinbach) oder nach dem Quell- bzw. Gemeindegebiet, in welchem sie entspringen (Brunnenaue, Höllgrund, Nardevitz, Mühlengrund, Nordufer, Hohes Holz). Fliessen zwei Quellen ein und demselben Bach zu, wurden sie durch ihre morphologischen Besonderheiten charakterisiert und unterschieden (Schwefelquelle und Tümpelquelle am Kollicker Bach).

Die Quellbäche wurden nur teilweise mit untersucht, da in ihnen oft völlig andere Bedingungen vorliegen als in der Quelle selbst.

Die Hoch- und Rechtswerte (Gauß-Krüger-Koordinatensystem, Potsdamer Datum) sowie die Höhenangaben wurden mit einem GPS-Gerät ermittelt, welches freundlicherweise von der Universität Greifswald zur Verfügung gestellt wurde.

3.1 Quelle 1 - Brunnenaue

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Besonderheiten: leichter H2S-Geruch, geringe Trittschäden, sehr geringe Hausmüllablagerungen Bei der untersuchten Quelle handelt es sich um eine kaltstenotherme Seitenquelle des Sagarder Baches, welcher in den Großen Jasmunder Bodden mündet (THIENEMANN 1926). Die mit dicken leuchtend orange-roten Eisenockermatten bedeckte Helokrene entspringt in der quellreichen Brunnenaue bei Sagard inmitten eines Eschenwaldes (Abb. 8).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Lage der Quelle 1 (Grundlage: TK 1:10 000, Abb. 9: Brunnenaue: Quellbach der Helokrene vergrößert) (Mai)

Die Quelle befindet sich linkerhand des Sagarder Baches, etwa 6 Meter unterhalb eines We- ges, der durch die Brunnenaue führt. Ein ca. 15 Meter langer Quellbach (Abb. 9) mit beider- seits üppiger Krautschicht verbindet den Quellaustritt mit dem naturnahen Sagarder Bach.

Historische Nutzung der Brunnenaue

Die Gemeinde Sagard ist dank der Brunnenaue das älteste Heilbad der Insel Rügen. Schon seit jeher nutzten einzelne Personen die eisen- und kohlensäurehaltigen Quellwässer "zur Wiederherstellung der Gesundheit" (ZÖLLNER 1797). 1794 gründete Pastor Willich die „Brunnen-, Bade- und Vergnügungsanstalt“, welche die Mineralquellen zugänglich machte und bald regen Zulauf von Kurgästen erhielt (ZÖLLNER 1797).

In seinen 1797 verfassten Reisebriefen beschreibt JOHANN FRIEDRICH ZÖLLNER sie wie folgt: "Auf einer quellreichen Stelle der Aue, die von einem kleinen Bache umflossen wird, ist ein Brunnen- und ein Badehaus erbaut worden. [...] Im Hintergrund des Gebäudes ist ein Sturz- bad, und zur Seite desselben ein Zimmer zu warmen Bädern eingerichtet. Die rechte Seite des Hauses enthält zwei voneinander abgesonderte steinerne Bäder, die [...] nach Gefallen zu warmen oder kalten Bädern gebraucht werden können [...]." (ZÖLLNER 1797). Nach einer wasserchemischen Untersuchung des Professor KLAPROTH „[...] machen Kohlensäure, koh- lengesäuerte Kalkerde und Eisenerde die Hauptbestandteile dieses Mineralwassers aus, dessen Geschmack zwar zusammenziehend aber nicht unangenehm ist“ (ZÖLLNER 1797). Mit der Blüte der Seebäder verlor Sagard allerdings seine Anziehungskraft. Heute erinnert nur noch der Flurname an die damalige Nutzung der Brunnenaue.

3.2 Quelle 2 - Kalkquellmoor Nardevitz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das größte Jasmunder Quellmoor befindet sich in einer weiten, zum Meer hin geneigten Talmulde nördlich der Ortschaften Bisdamitz und Nardevitz und westlich der Mündung des Schwieser Baches direkt am Uferweg nach Lohme (Abb. 10).

Quellmoore entstehen durch ständigen, ergiebigen und langsamen Austritt von Grundwasser an Stellen, wo keine stehenden oder fließenden Gewässer bestehen. Es kommt zur Anhäu- fung von organischen und mineralischen Sedimenten sowie zur Torfbildung (SUCCOW & JOOSTEN 2001).

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Abb. 10: Lage des Kalkquellmoors Nardevitz Abb. 11: Bestand von Equisetum telmateia (Juni) (Quelle 2) (Grundlage: TK 1:10 000, vergrößert)

Das kalkhaltige Hang-Quellmoor hat eine Ausdehnung von etwa 60 Meter Länge und 40 Meter Breite. Es wird von Süd nach Nord von einem gewundenen, flachen Quellbach durch- flossen, in dem sich das Wasser mehrerer kleinerer Rinnsale sammelt. Er mündet nach kur- zer Fließstrecke in die Ostsee. Erwähnenswert ist, dass der Bach stellenweise versickert und erst nach einer Distanz von bis zu zwei Metern wieder zutage tritt. Im Bach treten Quellkalk- ausfällungen in Form inkrustierter Wurzeln, Äste und Bachgerölle auf. Seine Ufer sind sehr morastig, während der durchfeuchtete Tonhumus- und Kalkmergelboden des Quellmoors relativ fest ist (HOLDACK 1958). Laut MENZEL-HARLOFF (2002, mdl. Mitt.) wurde hier ehemals Kreide abgebaut. Auch STEINICH (1972) erwähnt einen solchen Kreidebruch: „Nach PHILIPPI (1907, 107) soll am Kliff nördlich von Nardevitz Kreide in einem kleinen Bruch abgebaut wor- den sein. Der Bruch ist heute [um das Jahr 1972, Anm. d. Verf.] noch sichtbar.“ Der Kreide- abbau erfolgte im Zeitraum von 1870 bis 1896.

Das Quellmoor zeichnet sich durch einen üppigen Pflanzenbewuchs aus, der stellenweise von meterhohem Schilf (Phragmites australis) und Riesen-Schachtelhalm (Equisetum telma- teia) überragt wird (Abb. 11). An drei Seiten umschließen lichte Erlen-Eschenwälder die Quellflur, die in orchideenreiche Buchenwälder übergehen.

Aufgrund des größten zusammenhängenden Bestands von Equisetum telmateia auf Rügen wurde das Biotop 1988 als Flächennaturdenkmal unter Schutz gestellt.

3.3 Quelle 3 - Mühlengrund

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die untersuchte kaltstenotherme Sickerquelle entspringt in der erlen- und eschenreichen Mühlengrundschlucht nordwestlich von Blandow (Abb. 14). Die kesselförmige Quellmulde befindet sich rechterhand des Mühlengrundbaches, etwas nördlich der Mündung eines vom Dollenitzberg kommenden Seitenbaches. Durch einen etwa 15 Meter langen, sehr flachen Quellbach steht die Helokrene sekundär mit dem Mühlengrundbach, einem der „größeren Bäche Nordjasmunds“ (THIENEMANN 1926), in Verbindung.

Oberhalb der schwer zugänglichen steilwandigen Quellmulde befindet sich Dauergrünland. Von diesen landwirtschaftlichen Flächen findet offensichtlich eine Verkippung von Schnittgut und organischen Abfällen in den äußersten Randbereich der Helokrene hinein statt. Erwähnenswert ist der hohe Anteil an Totholz und Moospolstern sowie der tiefe morastige Boden des strukturreichen Quellsumpfs (Abb. 12 und 13).

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Abb. 12: Quelle 3 im Mühlengrund mit

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Abb. 13: Quelle 3 im Frühjahrsaspekt mit Caltha palustris (Mai) Blick in Abflussrichtung (Juni)

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Abb. 14: Lage der Quelle 3 im Mühlengrund und der Quelle 4 am Nordufer (Grundlage: TK 1:10 000, vergrößert)

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Abb. 15: Quelle 4 am Nordufer (Mai) Abb. 16: Quellaustritt mit Eisenocker

3.4 Quelle 4 - Uferquelle

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Am Nordufer Jasmunds wurden durch rückschreitende Erosion wasserführende Sande angeschnitten. Dadurch bildeten sich hier zahlreiche ganzjährig oder zeitweise schüttende Quellrinnsale (THIENEMANN 1926).

Die untersuchte Sturzquelle entspringt nur wenige Meter über dem Meeresspiegel im schattigen Steilufer, etwa 30 Meter westlich der Mündung des Mühlengrundbaches (Abb. 14). Die ganzjährig schüttende Quelle hat eine steile Erosionsrinne in das lehmige, stark durchwurzelte Ufer eingeschnitten (Abb. 15).

Diese Rinne ist mit Eisenocker (Abb. 16) und fädigen Algenmatten bedeckt, es ist auch eine leichte Quellkalkbildung zu beobachten. Ansonsten ist für die Rheokrene eine auffallende Vegetations- und Strukturarmut kennzeichnend. Das Quellrinnsal versickert nach wenigen Metern im Geröll des Blockstrands und tritt erst unmittelbar am Ufer wieder aus.

3.5 Quelle 5 - Höllgrund

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Höllgrund ist eine weite Uferschlucht westlich von Lohme (Abb. 17). Zahlreiche Sickerquellen treten hier über stauenden, tonreichen Geschiebemergeln zutage und entwässern das Gebiet über mehrere Bäche.

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Abb. 17: Lage der Quelle 5 im Höllgrund Abb. 18: Quellsumpf im Höllgrund (Juni) - gelb: Quellbereich (Grundlage: TK 1:10 000, vergrößert)

Der untersuchte Quellsumpf (Abb. 18) liegt in einer steilen, schattigen Hangmulde im Osten des Höllgrunds direkt unterhalb eines Ackers und eines derzeit nicht bewohnten Grundstücks. Von diesem stammen vermutlich auch die Hausmüllablagerungen in der Quelle. Am Hang oberhalb der Sickerquelle befindet sich ein verfallenes Pumpenhaus.

Im oberen Teil der Helokrene herrscht tiefer, anmooriger Boden vor, während die Bodenoberfläche weiter hangabwärts aufgrund von Quellkalkkrusten fester wird. Dort ist eine undeutliche Kalktuffschwelle ausgebildet, die vermutlich durch Stauwirkung zur Entstehung des Quellsumpfes führte.

Das großflächig austretende Sickerwasser bildet rasch einen kräftigen Quellbach, der über die Tuffschwelle in Richtung Meer fließt. Der Quellbach wurde nicht untersucht. Die totholzreiche Sickerquelle wird hauptsächlich von Moosen bewachsen. Nur wenigen Makrophyten gelingt es, unter dem schattigen Laubdach der ringsum stockenden Schwarz-Erlen, Eschen und Rotbuchen zu gedeihen.

3.6 Quelle 6 - Hohes Holz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Hohe Holz bezeichnet ein zum Nationalpark Jasmund gehörendes Waldgebiet nördlich der Ortschaft Gummanz. Die untersuchte Tümpelquelle entspringt nördlich des Langen Berges, oberhalb des tief eingeschnittenen Kaderbachtals in einem lichten Eschen-Ahorn- Buchenwald (Abb. 19) (LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998). Das Wasser tritt mit vergleichsweise hoher Schüttungsrate (Schätzung: 3 bis 5 Liter/Sekunde) aus dem Untergrund aus und spült den Quelltopf ständig frei (Abb. 20).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 19: Lage der Quelle 6 im Hohen Holz Abb. 20: Quelltopf der Tümpelquelle (Juni) (Grundlage: TK 1:10 000, vergrößert)

Auf dessen Grund lagert sich eine sandige Substanz ab. Der etwa 50 Meter lange, schnellfließende Quellbach mündet in den Kaderbach. Nur die ersten Meter des Quellbaches wurden in die Untersuchung einbezogen. Der Quellaustritt wurde vermutlich zur schnelleren Entwässerung des sumpfigen Gebiets angelegt oder künstlich erweitert und mit Brettern eingefasst (Abb. 20 linker Bildrand). Diese sind heute fast vollständig mit Vegetation überwuchert. Etwa 25 Meter weiter südwestlich befindet sich ein ähnlicher Quellanstich, dessen Quellbach nahezu parallel zum ersten verläuft. Weitere Sickerquellen in unmittelbarer Nachbarschaft speisen ebenfalls den Kaderbach. In der Umgebung der untersuchten Limnokrene stockt ein quelliger Erlenbruchwald auf anmoorigem Boden.

3.7 Quelle 7 - Kleiner Steinbach

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Kleine Steinbach entspringt etwa 500 m südlich der Stubbenkammer aus einer „eurythermen Quellwiese“ (THIENEMANN 1926, 236) und entwässert diese durch einen künstlichen Grabenanstich. Er mündet nach etwa einem Kilometer in die Ostsee.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 21: Lage der Quelle 7 (Grundlage: TK 1:10 000, Abb. 22: Helokrene am Kleinen Steinbach (Mai) vergrößert)

Die hier untersuchte Helokrene tritt jedoch nicht aus dieser ostwärts geneigten Mulde aus (feuchtes Weidegrünland, ehemaliges Versumpfungsmoor), wie es zunächst den Anschein hat (Abb. 21). Es handelt sich vielmehr um eine der zahlreichen kaltstenothermen Neben- quellen des Bachlaufs (LANDESNATIONALPARKAMT MV 1998). Dies zeigt auch der Tempera-

[...]

Ende der Leseprobe aus 156 Seiten

Details

Titel
Faunistische, wasserchemische und vegetationsökologische Untersuchungen an ausgewählten Quellen der Halbinsel Jasmund (Rügen)
Hochschule
Hochschule Anhalt - Standort Bernburg  (Fachbereich 1)
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
156
Katalognummer
V24982
ISBN (eBook)
9783638277280
ISBN (Buch)
9783638901680
Dateigröße
7347 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Faunistische, Untersuchungen, Quellen, Halbinsel, Jasmund
Arbeit zitieren
Sindy Irmscher (Autor:in), 2003, Faunistische, wasserchemische und vegetationsökologische Untersuchungen an ausgewählten Quellen der Halbinsel Jasmund (Rügen), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24982

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