Der Einsatz der Bundeswehr im Ausland: Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Bündnispflicht


Seminararbeit, 2003

27 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


GLIEDERUNG

A: Einleitung
I: Geschichtlicher Hintergrund
II: Die Entwicklung bis heute

B: Hauptteil
I: Was ist erlaubt?
1. Art. 24 II GG als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt
2. Auslegung des Art. 24 II GG und Einordnung von UNO und NATO
3. Bestimmung der konkreten Einsatzmöglichkeiten im Rahmen von UNO und NATO
4. Zusammenfassung der Einsatzmöglichkeiten
II: Wer hat zu erlauben?
1. Notwendigkeit der Feststellung des Verteidigungsfalles gemäß Art. 115a GG
2. Notwendigkeit der parlamentarischen Zustimmung
3. Ausblick: Das Entsendegesetz nach der FDP-Fraktion

C: Fazit

A: Einleitung

I: Geschichtlicher Hintergrund

Nach dem 2. Weltkrieg wurden die deutschen Streitkräfte mit Beschluss vom 20.09.1945 durch die Oberbefehlshaber der Besatzungsstreitkräfte aufgelöst.

1949 wurde das Grundgesetz erlassen. Zumindest ausdrücklich sah es keine deutschen Streitkräfte vor. Auch nach dem Ende der Besatzung war es zunächst umstritten, ob Deutschland nun wieder Streitkräfte aufstellen durfte. Erst 1954 wurde dies per Grundgesetzänderung bejaht. 1956 folgte die Etablierung der Bundeswehr.

Mit Zustimmungsgesetz von 1955[1] ist Deutschland der NATO, mit Zustimmungsgesetz von 1973[2] der UNO beigetreten.

II: Die Entwicklung bis heute

Im Anbetracht seiner Geschichte hat sich Deutschland lange Zeit militärisch sehr zurückgehalten. Nicht zuletzt um dem Misstrauen Frankreichs vorzubeugen wurde die Bundeswehr nach ihrer Etablierung lange nicht aktiv in die internationalen Bündnisse eingebracht. Deutschland verlegte sich auf politische Präsenz, militärisch beschränkte es sich jahrzehntelang auf eine passive Rolle, indem es sein Territorium zur Stationierung westlicher Streitkräfte als Abwehrriegel gegen die kommunistischen Staaten zur Verfügung stellte.

Seit 1990 änderte sich dies aber nach und nach. So betreuten 1992/93 deutsche Sanitätssoldaten UN-Truppen in Kambodscha, 1992 bis 1996 waren Marine- und Luftwaffeneinheiten an der Überwachung des Waffenembargos gegen Jugoslawien beteiligt, 1993 bis 1995 nahmen deutsche AWACS-Besatzungen an der Überwachung des Flugverbots über Bosnien teil, 1999 beteiligte sich die deutsche Luftwaffe am Luftkrieg gegen Jugoslawien, und auch an der KFOR-Truppe im Kosovo waren deutsche Soldaten beteiligt.[3]

Auch die internationale Sicherheitslage hat sich in den letzten Jahren drastisch gewandelt. Während die Bedrohung durch die ehemalige Sowjetunion durch deren Zerfall und die zunehmende Annährung zwischen den einzelnen resultierenden Staaten und der westlichen Welt stark an Bedeutung verloren hat, haben andere Gefahren an Bedeutung zugenommen.

So werden einerseits regionale Konflikte durch die zunehmende Verbreitung von Massenvernichtungswaffen immer mehr zu einer Gefahr für den Weltfrieden. Genannt sei beispielhaft der seit Jahrzehnten andauernde Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan. Nachdem beide Länder mittlerweile sowohl über Atomsprengköpfe als auch über eine ausgereifte Raketentechnologie verfügen, würde eine Eskalation dieses Konflikts sich schwerlich regional begrenzen lassen.

Andererseits führt die Verbreitung der Massenvernichtungswaffen aber auch zu einem enormen Anstieg des Bedrohungspotentials von terroristischen Angriffen. Mit dem sogenannten „Terrorismus der dritten Generation“[4] geht heute eine große Gefahr von einem weltweiten Terrorismus aus, der durch seine überregionalen Hintergründe und Zielsetzungen, die weltweite Vernetzung seiner Akteure und Aktionsfelder, den Einsatz brutalster Mittel und der Betroffenheit der Weltgesellschaft als Ganzer gekennzeichnet ist. Spätestens seit die Anschläge vom 11. September 2001 der Welt schmerzlich vor Augen geführt haben, dass terroristische Vereinigung auch vor der Ermordung unzähliger Zivilisten nicht zurückschrecken und dass sich derartige Anschläge auch inmitten einer Supermacht wie den USA nicht verhindern lassen, muss die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass zukünftig ähnliche Anschläge auch unter Verwendung von biologischen und chemischen, eventuell sogar atomaren Waffen versucht werden.

Diesen Bedrohungen muss sicherlich in erster Linie auf diplomatischem Wege begegnet werden, indem Spannungen soweit wie möglich abgebaut werden. Trotzdem muss die internationale Gemeinschaft aber auch bereit und in der Lage sein, derartigen Gefahren im Ernstfall schnell und flexibel militärisch zu begegnen.

Sowohl hinsichtlich der bereits erfolgten Einsätze als auch in Anbetracht dieser künftigen militärischen Aufgaben stellt sich die Frage, ob und in welcher Form das Grundgesetz den internationalen Einsatz der Bundeswehr gestattet.

Besondere Berücksichtigung muss dabei eine grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994[5] finden, nach deren Grundgesetzinterpretation sich die Praxis seither richtet.

B: Hauptteil

Zu untersuchen ist, inwieweit sich Deutschland an militärischen Maßnahmen zur Sicherung des Weltfriedens beteiligen darf, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen also das GG den Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen von Bündnissystemen wie der UNO und der NATO gestattet.

I: Was ist erlaubt?

Zunächst stellt sich die Frage, welche Art von Einsätzen der Bundeswehr das GG vorsieht, inwieweit also der Einsatz von Streitkräften im Rahmen von Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit, wie sie Art. 24 II GG[6] vorsieht, zulässig ist.

1. Um die Grenzen möglicher Bundeswehreinsätze untersuchen zu können ist es zunächst notwendig herauszufinden, welche Grundgesetznormen die grundsätzliche Ermächtigung für die Aufstellung und den Einsatz von Streitkräften enthalten und so den Ausgangspunkt weiterer Überlegungen darstellen. Dabei kommt es entscheidend auf Art. 87a an. Diese Vorschrift, die dem GG erst nachträglich hinzugefügt wurde und in ihrer heutigen Fassung durch Gesetz vom 24.06.1968[7] erlassen wurde, enthält im Gegensatz zu den ursprünglichen Vorschriften des GG, also insbesondere den Art. 24 und 26, ausdrückliche Regelungen bezüglich deutscher Streitkräfte.

a) Fraglich ist zunächst, ob das GG vor dem Erlass des Art. 87a überhaupt Streitkräfte vorsah.

aa) Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass das GG schon in der Form von 1949 Regelungen über – aus damaliger Sicht zukünftige – deutsche Streitkräfte enthielt. Insbesondere Art. 24 II, der die Einordnung in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit ermöglicht, enthalte notwendiger Weise auch die Ermächtigung zum Einsatz von Streitkräften im Rahmen dieses Systems, da eine Teilnahme an einem Sicherheitssystem ohne die Bereitschaft zur militärischen Unterstützung nicht denkbar sei.[8],[9] Sowohl der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee als auch der Parlamentarische Rat sei sich darüber bewusst gewesen, dass Deutschland zukünftig wieder eigene Streitkräfte haben werde und habe dies bei der Abfassung des GG auch berücksichtigt.[10]

Demnach hätte das GG schon seit seiner Entstehung eine grundsätzliche Ermächtigung zur Aufstellung und zum Einsatz von Streitkräften enthalten.

bb) Demgegenüber wird vertreten, dass das Grundgesetz ursprünglich keine Regelung hinsichtlich deutscher Streitkräfte enthalten habe. Zum einen sei eine solche Regelung 1949 innen- wie außenpolitisch unmöglich gewesen.[11] Zum anderen sei eine Teilnahme an einem System i.S.d. Art. 24 II durchaus auch ohne einen eigenen militärischen Beitrag sinnvoll, da sich ein Mitglied eines derartigen Systems auch im Rahmen der zahlreichen Aufgaben der nichtmilitärischen Konfliktbewältigung zur Genüge einbringen könne.[12] Ein Beitritt in ein solches System umfasse daher nicht automatisch die Bereitstellung von Streitkräften. Dies belege auch die UN-Charta, die die Bereitstellung von Streitkräften nicht als notwendiges Aufnahmekriterium vorsehe.[13] Eine Grundlage für den Einsatz der Bundeswehr sei erst mit Art. 87a geschaffen worden, dieser sei daher Ausgangspunkt und Grenze für die Bewertung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr.[14]

cc) Weiterhin wird vertreten, dass zwar die Berechtigung für die Aufstellung und den Einsatz von Streitkräften nicht aus Art. 24 II zu entnehmen sei, dass diese aber jedem Staat als ungeschriebenes Recht, als eine Art „Volkssouveränität“ zustehe.[15] Nachdem das Grundgesetz von 1949 jedenfalls nicht ausdrücklich auf Streitkräfte verzichtet oder diese verboten hat, wäre die Aufstellung und der Einsatz deutscher Truppen dem GG nach dieser Ansicht von Anfang immanent gewesen.

dd) Festzustellen ist zunächst, dass das GG vor dem Erlass des Art. 87a zumindest keine ausdrückliche Regelung bezüglich deutscher Streitkräfte enthielt. Daraus könnte man schließen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der deutschen Wiederbewaffnung bewusst nicht geregelt hat und dass das GG ursprünglich keine Rechtsgrundlage für die Aufstellung und den Einsatz deutscher Streitkräfte enthalten habe. Tatsächlich belegt die Entstehung des Art. 24 II, dass deutsche Streitkräfte zunächst nicht vorgesehen waren. So wurde in den Vorberatungen die Einordnung in ein System gegenseitiger Sicherheit angesichts des Verzichts auf eine militärische Selbstverteidigung und die Entwaffnung als letzte verbleibende Möglichkeit zur Gewährung eines effektiven Schutzes Deutschlands betrachtet.[16]

Allerdings enthielt das GG in seiner ursprünglichen Fassung auch kein Verbot von Streitkräften, wie es etwa die japanische Verfassung von 1946 vorsah.[17] Vielmehr enthielt es mit dem Verbot des Angriffskrieges in Art. 26 I eine Vorschrift, die darauf hindeutet, dass künftige eigene Streitkräfte keineswegs ausgeschlossen wurden. Dies legt nahe, dass das GG zwar angesichts der Situation nach dem Ende des zweiten Weltkrieges bewusst keine konkreten Regelungen über den Einsatz deutscher Streitkräfte enthielt – alles andere wäre wohl in der Tat innen- wie außenpolitisch schwer vertretbar gewesen –, dass es dabei aber durchaus für künftige Entwicklungen offen bleiben sollte. So deutet schon der Begriff der gegenseitigen Sicherheitssysteme in Art. 24 II darauf hin, dass Deutschland prinzipiell bereit war, nicht nur zu nehmen sondern auch zu geben, sich also zukünftig auch selbst militärisch am Erhalt der Sicherheit zu beteiligen[18], dass also der Einsatz deutscher Streitkräfte im Rahmen eines solchen Systems für den Fall der Wiederbewaffnung bereits in der ursprünglichen Fassung des GG angelegt war.[19]

[...]


[1] BGBl. II 1955, S. 256.

[2] BGBl. II 1973, S. 430.

[3] Eine Übersicht über sämtliche Einsätze der Bundeswehr seit 1990 findet sich unter: http://www.einsatz.bundeswehr.de/einsatz_abgeschl/abgeeins.php.

[4] So Bruha / Bortfeld, VN 2001, S. 161.

[5] BVerfG NJW 1994, S. 2207ff.

[6] Art. ohne Gesetzesangabe sind solche des GG.

[7] BGBl. I 1968, S. 709.

[8] Vgl. BVerfG NJW 1994, S. 2207ff., 2208 sowie BVerfG NJW 1999, S. 2030.

[9] Ebenso: Brenner / Hahn, JuS 2001, S. 730 m.w.N.

[10] BVerfG NJW 1994, S. 2207ff., 2208f.

[11] Bähr, ZRP 1994, S. 102f.

[12] Bähr, ZRP 1994, S. 103.

[13] Bachmann, MDR 1993, S. 399.

[14] Bähr, ZRP 1994, S. 97f.

[15] Roellecke, Der Staat 1995, S 416f.

[16] Vgl. Eichen, NZWehrr 1984, S. 231f.

[17] Vgl. Eichen, NZWehrr 1984, S. 232.

[18] Emde, NZWehrr 1992, S. 138.

[19] Ähnlich Fink, JZ 1999, S. 1018.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Der Einsatz der Bundeswehr im Ausland: Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Bündnispflicht
Hochschule
Universität Bayreuth  (Lehrstuhl Öffentliches Recht)
Veranstaltung
Verfassungsrechtliches Seminar
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
2003
Seiten
27
Katalognummer
V26394
ISBN (eBook)
9783638287418
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einsatz, Bundeswehr, Ausland, Grenzen, Bündnispflicht, Verfassungsrechtliches, Seminar
Arbeit zitieren
Marcel Greubel (Autor:in), 2003, Der Einsatz der Bundeswehr im Ausland: Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Bündnispflicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26394

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