Molière und sein dramatisches Werk. Analysen ausgewählter Werke


Fachbuch, 2014

128 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Thomas Heim: La Cour et la Ville. Zur Publikumsstruktur bei Molières Komödienaufführungen
La cour et la ville: Bezeichnungen für das Publikum im 17. Jahrhundert
Die Publikumsstruktur bei Molières Komödienaufführungen
Zusammenfassung der Ergebnisse
Bibliographie

Hannah-Kristin Elenschneider: Die komische Konfliktsituation in: Molière «Le Misanthrope ou l'Atrabilaire amoureux» (1666)
Einleitung
Grundzüge der klassischen Komödientheorie
Molière: Le Misanthrope ou l'Atrabilaire amoureux (1666)
Einführung der komischen Konfliktsituation in Le Misanthrope
Auflösung der komischen Konfliktsituation
Schluss
Literaturverzeichnis

Frank Lorenz: Molière „Le Misanthrope“. Die Frauenfiguren
Einleitung
Die drei Frauenfiguren des Misanthrope
Die Gesellschaft des 17. Jahrhunderts
Die Frauen in der Gesellschaft ihrer Zeit
Schlussworte
Bibliographie

Selin Sahin: „Dom Juan ou Le festin du pierre“ von Molière
Einleitung
Die Komödie in der französischen Klassik
Der Don-Juan-Mythos und seine Umsetzung bei Molière
„Dom Juan ou Le festin du pierre“ von Molière
Tartuffe und Dom Juan
Schluss
Bibliographie

Maria Lang: Die “Aulularia” des Plautus als Vorlage von Molières “L‘Avare”
Einleitung
Inhalt der beiden Theaterstücke
Kurzer, allgemeiner Vergleich der beiden Theaterstücke
Der Geizige und sein Gold
Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis

(Anonym): Molière: „Le Tartuffe ou L´Imposteur“-
Leben, Werk und Spracheinordnung der Komödie
Einleitung
Molières Vita
„Les Querelles de Tartuffe“ (1664 - 1669)
Sprachentwicklung im Frankreich des 17. Jahrhunderts
Sprachanalyse und Spracheinordnung des Werkes „Le Tartuffe“
Fazit / Schlussbemerkung
Bibliographie

Einzelbände

Thomas Heim: La Cour et la Ville. Zur Publikumsstruktur bei Molières Komödienaufführungen

La cour et la ville: Bezeichnungen für das Publikum im 17. Jahrhundert

Etwa in der Mitte des 17. Jahrhunderts kommt zu den allgemeineren Bezeichnungen für das Lese- und Theaterpublikum – lecteurs, spectateurs, auditeurs, assemblée, peuple, public[1] – und eher veralteten Begriffspaaren wie le peuple et la cour, le courtisan et le bourgeois, le noble et le bourgeois, Paris et la cour die Bezeichnung la cour et la ville hinzu und wird zu einer „feststehende[n], allgemein verbindliche[n] Formel zur Bezeichnung der literarisch-gesellschaftlichen Öffentlichkeit“ (Grimm 2002: 39, cf. auch Auerbach 1951: 13 ff. und Lough 1978: 154 f.).

So taucht la cour et la ville etwa in Molières 1666 uraufgeführtem Misanthrope auf (Molière 1965b: 26; Sz. I, 1); Boileau, ein Freund Molières, schreibt 1674 in seinem ein Jahr nach Molières Tod veröffentlichten Art poétique, dass sich ein Komödiendichter mit Vertretern von la cour und la ville beschäftigen soll (cf. Boileau 1966: 178); und auch Chappuzeaus im selben Jahr veröffentlichtes Buch Le théâtre françois enthält das Begriffspaar: Chappuzeau lobt darin den Menschen Molière, der bei la cour wie bei la ville beliebt war (cf. Chappuzeau 1875: 126).

Auf welche Gesellschaftsschichten aber bezieht sich la cour et la ville genau? Im Folgenden soll die Zusammensetzung des molièreschen Publikums eingehend beleuchtet und die Charakterisierung der Publikumsstruktur durch la cour und la ville um eine dritte Komponente erweitert werden: le parterre. Außerdem soll der Einfluss des Publikums, inwieweit sich Molière dem Publikum anpasst und es seiner Karriere dienlich macht, sowie der Zusammenhang zwischen den Komponenten des Publikums und den Formen der molièreschen Komödie untersucht werden.

Die Publikumsstruktur bei Molières Komödienaufführungen

Untersucht man das molièresche Publikum, das mit la cour et la ville umschrieben wurde, hinsichtlich seiner Soziologie genauer, fällt eine soziale Mehrschichtigkeit auf, die besser mit einer Dreiteilung beschrieben wird: das Publikum setzt sich aus la cour, la ville und le parterre zusammen.

La cour: Königliche Familie und Hofadel

La cour steht zu Molières Zeiten für Versailles und bezieht sich auf die königliche Familie und den Hofadel[2], im Grunde auf die gesamte Umgebung des Königs (die nicht immer adligen, sondern bisweilen auch großbürgerlichen Ursprungs ist, wie Auerbach (1951: 14) und Elias (2003: 369) anmerken). Der Großteil des Hofes Ludwigs XIV.[3] ist aber adlig:

Zwar liegt die eigentliche politische Macht in den Händen von wenigen Beamten meist bürgerlichen Ursprungs; aber die gesellschaftliche Atmosphäre des Hofes bestimmt der sich dort zusammenfindende Adel“ (Auerbach 1951: 35).

Dieser ist „ein Stand ohne Funktion, der aber trotzdem als privilegierter Stand anerkannt wird“ (Auerbach 1951: 40). Elias (2003: 254) berichtet:

Aus dem über das ganze Land hin verstreuten Adel wuchs als Zentrum und maßgebende Macht der um den König zentrierte höfische Adel heraus, […] [der] in einem Ort, in Paris, und in einem sozialen Organ, dem Königshof, [sein] maßgebendes Zentrum [findet].

Für den Adel typisch ist die „traditionelle Geringschätzung geschäftlichen Gelderwerbs“, so Elias (2003: 168).[4] Es ist ihm sogar per Gesetz verboten, sich an irgendwelchen kommerziellen Unternehmungen zu beteiligen. Auf diese Weise sein Einkommen zu vermehren, gilt als unehrenhaft und hat den Verlust des Titels und des Ranges zur Folge (Elias 2003: 119).

Die Bezeichnung la cour darf aber nicht zur Annahme verleiten, der König und seine Umgebung würden nicht auch in den Theatern der Stadt auftauchen, im Hôtel de Bourgogne, dem Petit-Bourbon[5] oder dem Palais Royal (cf. Duchêne 1998: 184 f., 306). Unbestritten ist der Hof aber ein wichtiges intellektuelles Zentrum:

Die höfische Gesellschaft wurde im 16. und 17. Jahrhundert in vielen Ländern langsam zu einer maßgebenden Kultur, weil die höfische Gesellschaft, besonders in Frankreich, im Zuge der zunehmenden Zentralisierung des Staatsgefüges zur maßgebenden gesellschaftlichen Eliteformation des Landes wurde (Elias 2003: 318).

Innerhalb dieser höfischen Gesellschaft um Ludwig den XIV. fand Molière ein begeistertes Publikum. Caldicott (1998: 84 ff.) errechnet bis zu 344 Aufführungen am Hof (und vermutet, dass diese Zahl noch viel zu niedrig ist), was etwa einem Viertel der molièreschen Gesamtproduktion für la ville entspricht.

La ville: Großbürgertum und oberes mittleres Bürgertum

La ville lässt zuerst an Paris denken, Molières Heimatstadt und die Stadt, in die er und seine Theatertruppe 1658 nach 13jähriger Wanderzeit durch die Provinz zurückkehren, um sich endgültig dort niederzulassen. Paris ist Hauptstadt Frankreichs und Hauptstadt des Königs und somit ein einflussreiches Zentrum: Literatur ist „firmly concentrated in Paris where the court and government [are] now established at the centre of an increasingly centralized country“ (Lough 1978: 68). Mit la ville wird aber nur auf einen bestimmten Teil der Stadtbevölkerung Bezug genommen: auf das Großbürgertum – Steuereinnehmer, Großhändler, Bankiers – und das obere mittlere Bürgertum – „altbürgerlich-solide und sehr wohlhabende Familien“ (Auerbach 1951: 28), die als gebildet gelten dürfen und „nicht durch bloße Geburt hoffähig sind“ (Auerbach 1951: 40). Je nach Rang des Amtes zählen hierzu auch die Vertreter der Beamtenklasse (robe), aus der die meisten der geistig führenden Personen der Epoche stammen (cf. Auerbach 1951: 41 ff.). Grimm (2002: 40) beschreibt diese Komponente des Dritten Standes als jenen Teil, der dem Erwerbsbürgertum bereits entwachsen ist oder zu entwachsen im Begriff ist, […] die zunehmend parasitär [und funktionslos] werdende Schicht eines ehemals erwerbstätigen Bürgertums, das jetzt von seinen Vermögenseinkünften leben kann, […] ‚des bourgeois vivant noblement’[, die sich dem Adel angleichen].

Besonders L’Avare, Le Bourgeois gentilhomme, Les Femmes savantes und Le Malade imaginaire spielen im gehobenen bürgerlichen Umfeld: in wohlhabenden Häusern, in denen man offensichtlich keinem Gewerbe nachgehen muss, zumindest erfährt man keinen Beruf, den die Figuren ausüben würden (cf. Auerbach: 1951: 46-48). Auch Molières Gesellschaftssatire Les Précieuses Ridicules gibt einen Einblick in das gehobene Bürgertum, deren Jugend sich an illusorischen „aristokratischen“ Lebens- und Liebesidealen orientiert: die beiden précieuses setzen die verkannten adligen Verehrer vor die Tür, weil diese nicht die Stationen der Carte du Tendre durchmachen, wie es die Romanvorbilder tun.[6] Als die beiden geprellten Verehrer ihre verkleideten Diener schicken, bewundern die précieuses die Mode der vermeintlichen Aristokraten, bejauchzen deren Verse und allzu galantes Auftreten. Die bürgerlichen Anhängerinnen des Preziösentums verdeutlichen die Tendenz zur Klassenflucht – sie ändern ihre Namen, leugnen so ihre Herkunft und wollen einen Adligen heiraten –, die Auerbach (1951: 44) als bürgerliche Eigentümlichkeit feststellt.

„[L]a cour et la ville / Ne m’offrent rien qu’objets à m’échauffer la bile“ (Molière 1965b: 26, cf. 1.). Dieser Satz des jungen Aristokraten Alceste aus Le Misanthrope verweist auf den gesellschaftlichen Kreis, mit dem Alceste Umgang hat. Dies ist einer der Hinweise dafür, dass la ville – in jedem Fall zu Zeiten Molières – nicht einfach pauschal mit dem Volk in der Stadt gleichgesetzt werden kann (würde sich ein Adliger mit dem gemeinen Volk abgeben?). Auerbach (1951: 14 f.) hebt zudem den Elitecharakter des Wortes ville hervor. Boileau stellt ville in Gegensatz zu (dem „fratzenhaften“?) peuple, wenn er über Molière schreibt:

Etudiez la cour et connaissez la ville;

L’une et l’autre est toujours en modèles fertiles.

C’est par là que Molière, illustrant ses écrits,

Peut-être de son art eût remporté le prix,

Si moins ami du peuple, en ses doctes peintures

Il n’eût point fait souvent grimacer ses figures (Boileau 1966: 178).[7]

Auerbach berichtet weiter von La Bruyère, aus dessen Kapitel De la ville er folgert, dass es sich bei la ville

um einen rein gesellschaftlichen Kreis handelt, bei dem Eitelkeit und das gegenseitige Bestreben, auf einander Eindruck zu machen, die Hauptmotive des Handelns sind; ferner, dass diese Gesellschaft sich aus den Mitgliedern der Amtsaristokratie (robe) und dem reichen Bürgertum zusammensetzt. […] [La Bruyère] behandelt die Albernheit dieser Menschenklasse, wie sie sich in der Nachahmung höfisch-aristokratischer Sitten und im Unmaß der von Eitelkeit geforderten Geldausgaben zeigt, er greift in einigen Porträts ihre Herzensleere, ihre Volks- und Naturfremdheit zusammen […] (Auerbach 1951: 16).

Es erscheint nun sinnvoll, das Stadtpublikum neben Großbürgertum und oberem mittlerem Bürgertum noch in eine zweite Komponente zu unterteilen: le parterre.

Le parterre: Wenig gebildetes, gewerbetreibendes Bürgertum

Der Begriff parterre taucht in Molières Les Fâcheux (Molière 1964: 412, Sz. I) und der Critique de l’Ecole des Femmes (Molière 1965a: 122 f., Sz. V) auf. In letzterer erfahren wir, dass die parterre-Plätze bei normalen Aufführungen mit 15 sols (= sous; cf. Molière 1965a: 123) die billigsten sind.[8] Hier findet – besonders zu Beginn des 17. Jahrhunderts, als das Theater noch eine relativ billige Art der Unterhaltung darstellt – die eher wenig gebildete Schicht des Dritten Standes und das gewerbetreibende Bürgertum Platz: Handwerker, clercs[9], Lehrlinge, Dienstboten, Lakaien, Soldaten und filous. Hier finden sich also Berufsschichten, die allein schon wegen der Tatsache, dass sie Geld erwerben müssen, vom Adel nicht geschätzt und als unehrenhaft gebrandmarkt werden (cf. 2.1). Elias (2003: 99 f.). führt weiter aus:

Vom Standpunkt der höfischen Gesellschaft her gesehen, sind die Menschen der Berufsschichten Außenseiter. Sie existieren am Rande der ‚monde’ – das Wort ist bezeichnend – am Rande der ‚großen Welt’. Es sind kleine Leute.

Besonders die Soldaten, allen voran die mousquetaires, sind häufig in lautstarke Schlägereien verwickelt. Der „Großstadtpöbel“ (Auerbach 1951: 24) ist vielfach Urheber der Diebstähle und Gewalttaten:

Immer wieder muss gegen das ungebärdige Parterre, gegen die Pagen und Lakaien, gegen die lärmenden Soldaten und gegen filous aller Art vorgegangen werden. Von Streit und Lärm im Theater, von Personen und Gruppen, die gewaltsam eindringen, ohne zu zahlen, von verwundeten oder getöteten Portiers liest man immer wieder (Auerbach 1951: 25).

Diese Ausschreitungen – zusammen mit einer neuen Auffassung einer Erziehungs- (instruire) und Propagandafunktion des Theaters (cf. Einfluss Richelieus[10], corneillesches Theater[11] ) – führt zu einer Reihe von Verordnungen und Erlassen, darunter der Erlass Ludwigs XIII. von 1641. Durch ihn soll

nicht nur die Gesellschaft in den Logen und auf der Bühne vor dem Parterre geschützt werden, sondern auch ein Teil des Parterrepublikums selbst, das heißt dessen bürgerlicher Teil von den ‚filous’ und dem ‚Lumpenproletariat’ (Grimm 2002: 41).

Noch 1663 allerdings werden in Molières Critique de l’Ecole des femmes Lakaien erwähnt, die im Theater waren (cf. Molière 1965: 118 f.). Der Versuch der sozialen „Veredelung“ des Publikums bzw. der „Säuberung“ des Theaters scheint allgemein aber doch zur Folge zu haben, dass im parterre ab etwa 1641 weniger der Großstadtpöbel, sondern (auch) ein Publikum sitzt, „das über Kunstverständnis, Geschmack und gesunden Menschenverstand verfügt, das aber nicht der großbürgerlichen Schicht von ‚la ville’ angehört“ (Grimm 2002: 41).

Wahrscheinlich hat Molière diesen Teil des parterre – darunter Schriftsteller und Kritiker – im Sinn, wenn er Dorante in seiner Critique de l’Ecole des Femmes das parterre verteidigen lässt:

[Entre] ceux qui le composent, il y en a plusieurs qui sont capables de juger une pièce selon les règles, et que les autres en jugent par la bonne façon d’en juger, qui est de se laisser prendre aux choses, et de n’avoir ni prévention aveugle, ni complaisance affectée, ni délicatesse ridicule (Molière 1965a: 123).

Der Name parterre für diese sehr heterogene Publikumsschicht ist natürlich auf den Platzbereich zurückzuführen, wie im Folgenden veranschaulicht werden soll: Während les loges (Logen) und le théâtre (die Plätze auf der Bühne, vgl. Abb. 1) la cour et la ville vorbehalten waren, war das parterre (das Parterre oder Parkett) der Stehplatz[12] dieses Teils des Bürgertums. Dass sich ab 1641 nach und nach immer mehr auch der bourgeois[13] im Parterrepublikum befindet, mag auch daran liegen, dass man von hier mit am besten sehen konnte, besser als in den meisten Logen (cf. Sorel in Auerbach 1951: 26 f.).

Blick in Molières Theater im Palais Royal: Sitzplan und Zuschauerschaft

Abbildung 1 zeigt die Bühne, Abbildung 2 den Sitzplan von Molières Theater im Palais-Royal.[14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Zuschauer links und rechts auf der Bühne (Howarth 1982: 50 ff. [ohne Seitenzahl]).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Sitzplan von Molières Theater im Palais-Royal (Howarth 1982: 35).

Wenn der Stich (Abb. 1) wahrheitsgetreu abbildet, so sind auf beiden Seiten der Bühne (engl. stage, Abb. 2) zwei oder drei Reihen von chaises de paille[15] und eine gewisse Anzahl an Stehplätzen. Diese Plätze sind die teuersten und das théâtre – wie auch das parterre – ausschließlich Männern vorbehalten. Es ist der Platz der jungen Adligen, zudem der „fashionable exhibitionist noblemen who [go] to the play to be seen, and who would not for the world mix with the common run of spectators in the parterre (Howarth 1982: 36).

In den loges nehmen die gens de qualité Platz, in den premières loges in erster Linie die grandes dames[16]. Reiche Bürger mit ihren Frauen und Kindern sitzen hier oder im amphithéâtre, dem Rang, ansteigenden Bänken hinter dem parterre, das „gewöhnlich von bürgerlichem Publikum […], auch gelegentlich für Prinzen des königlichen Hauses reserviert“ ist (Auerbach 1951: 30). Dass hier zunehmend auch die grands du royaume Platz nehmen, hängt damit zusammen, dass Molières Theatertruppe ab 1665 zur „Troupe du Roi“ wird und fortan für la cour spielt, d. h. praktisch keine visites particulières mehr durchgeführt werden dürfen:

[A]u Palais-Royal, les effets de l’adoption de la troupe par le Roi si firent sentir dans une tendance vers ce que l’on peut appeler ‘l’aristocratisation’ du public payant. Privés dorénavant du programme des visites particulières mais sans être sûrs d’avoir toujours accès aux spectacles de la Cour, ceux des hôtes d’autrefois qui désiraient voir les nouveaux succès de Molière devaient se rendre plus nombreux et plus souvent au théâtre du Palais-Royal (Caldicott 1998: 85 f.).

Es liegt nahe, dass Molière sich nicht nur um das gebildete, einflussreiche Publikum in den loges und auf dem théâtre kümmert, sondern auch um das parterre, denn auch – und besonders – hier sind die potentiellen Ruhestörer (cf. 2.3), die lautstark Einfluss nehmen können auf den Erfolg eines Stückes.[17] Zudem befindet sich im parterre mehr als die Hälfte der gesamten Zuschauerschaft (cf. Grimm 2002: 39 und Lough 1978: 157). „This mass of men, packed together like sardines, [are] obviously in a position to express their reactions in a way which [has] a considerable effect on the fate of the play“, so Lough (1978: 157).[18]

In Les Facheux (I, 1) portraitiert Molière unter anderem jedoch einen fâcheux, einen ungezügelten Störenfried, des théâtre (wenn auch in einer vermutlich etwas ausgeschmückten Beschreibung). Eraste berichtet, wie ein prätenziöser Marquis nach Beginn der Aufführung lautstark auf das théâtre stürzt, ebenso lautstark seinen Sitzplatz einfordert, lärmend sich so setzt, dass er den anderen Zuschauern die Sicht versperrt, die Schauspieler mit seinen Fragen und Kommentaren übertönt, um bereits vor dem Ende zu gehen, wie es sich für die gens du bel air gehört:

J’étais sur le théâtre, en humeur d’écouter

La pièce, qu’à plusieurs j’avais ouï vanter;

Les acteurs commençaient, chacun prêtait silence,

Lorsque d’un air bruyant et plein d’extravagance,

Un homme à grands canons est entré brusquement,

En criant: «Hoà-ho! un siège promptement!»

Et de son grand fracas surprenant l’assemblée,

Dans le plus bel endroit a la pièce troublée.

[…]

Les acteurs ont voulu continuer leurs rôles;

Mais l’homme pour s’asseoir a fait nouveau fracas,

Et traversant encor [sic] le théâtre à grands pas,

Bien que dans les côtés il pût être à son aise,

Au milieu du devant il a planté sa chaise,

Et de son large dos morguant les spectateurs,

Aux trois quarts du parterre a caché les acteurs.

[…]

Il m’a fait à l’abord cent questions frivoles,

Plus haut que les acteurs élevant ses paroles.

[…]

Là-dessus de la pièce il m’a fait un sommaire,

Scène à scène averti de ce qui s’allait faire;

Et jusques [sic] à des vers qu’il en savait par cœur,

Il me les récitait par tout haut avant l’acteur.

[…]

Et s’est devers la fin levé longtemps d’avance;

Car les gens du bel air, pour agir galamment,

Se gardent bien surtout d’ouïr le dénouement (Molière 1964a: 411 f.).

Es liegt auf der Hand, dass sich der zunehmende Anteil an gens de qualité ab 1665 auf die Qualität des Publikums von la ville auswirkt. Die von La Grange zusammengetragenen Zahlen spiegeln wider, dass ab diesem Zeitpunkt die Einnahmen steigen, mehr Logenplätze besetzt werden bzw. mehr gens du bel air in die Vorstellung kommen, bald in den Logen nur noch Adlige sitzen (cf. Caldicott 1998: 85 f.).

Drei Komponenten des Publikums – drei Formen des Theaters?

Grimarest (1955: 125 f.), Biograph und Zeitgenosse Molières, hat 1705 schon auf den Zusammenhang zwischen der Publikumsstruktur und den molièreschen Komödienformen aufmerksam gemacht (cf. auch Grimm 2002: 42 f.). Er unterscheidet drei Komponenten des Publikums, die mit drei Formen der Komödie korrespondieren.

La cour (bzw. le courtisan) ordnet er die von Molière entwickelten comédies-ballets – Komödien mit umfangreichen Musikeinlagen mit Tanz und Gesang – wie La princesse d’Elide, Les amants magnifiques und Psyché zu, die er als spectacles bezeichnet, in denen die beaux sentiments dargestellt werden. Hier steht das Ästhetische im Vordergrund – „das ‚émerveiller’ vor dem ‚(faire) rire’, das ‚(In-)Staunen-(Versetzen)’ vor dem Lachen“ (Grimm 2002: 90) – und verrät somit die Zielgruppe, für die es konzipiert wurde:

Das Hofballett ist eine narzisstische Kunst, die ihren Zweck mit der genüsslich ausgekosteten Selbstdarstellung einer höfischen Gesellschaft voll und ganz erfüllt. Daher sollen diese Stücke keine Probleme aufwerfen, sondern zielen auf das ‚divertissement’ einer schmalen gesellschaftlichen Oberschicht und sind Vorwand für einen Entfaltung von Pracht und Luxus, die Spiegelbild realer politischer Macht sein möchte (Grimm 2002: 90).

Außerdem ist Ludwig XIV. ein begeisterter und guter Tänzer, der das Ballett liebt und an manchem Divertimento selbst teilnimmt. Wie die statistischen Erhebungen in Howarth (1982: 311 ff.)[19] und Caldicott (1998: 81 ff.) nahelegen, bevorzugt la cour tatsächlich die comédie-ballet. Dies zeigt auch eine Auflistung von Molières Werken, deren Premieren auf Versailles (wenn nicht anders erwähnt) stattfinden oder bei denen der König anwesend ist (mit Asterisk gekennzeichnet) (cf. Tabelle der Aufführungen in Caldicott 1998: 142-149):

L’Impromptu de Versailles (19.10.1663)* - Prosakomödie

Le Mariage forcé (Louvre, 29.1.64)* - einaktige Ballettkomödie

La Princesse d’Elide (8.5.64)* - fünfaktige Ballettkomödie

Tartuffe (12.5.64)* - (hier dreiaktige) Verskomödie

L’Amour médecin (14.9.65)* - dreiaktige Ballettkomödie

Mélicerte (St.-Germain, 2.12.66)* - zweiaktige (unvollendete) Ballettkomödie

Pastorale Comique (?, 5.1.67)* - einaktige Ballettkomödie

Le Sicilien (14.2.67, St.-Germain)* - einaktige Ballettkomödie

Amphitryon (Premiere am 13.1.68 im Palais Royal, König am 16.1.68 im Palais des Tuileries) – dreiaktige Verskomödie

George Dandin (18.7.68)* - dreiaktige Ballettkomödie (Farce)[20]

Monsieur de Pourceaugnac (Chambord, 6.10.69)* - dreiaktige Ballettkomödie

Les amants magnifiques (St.-Germain,?)* - fünfaktige Ballettkomödie

Le Bourgeois gentilhomme (Chambord, 14.10.70)* - dreiaktige Ballettkomödie

Psyché (Tuileries, 17.1.71)* - fünfaktige Ballettkomödie (tragédie-ballet)

La Comtesse d’Escarbagnas (St.-Germain, 2.12.71)* - einaktige Ballettkomödie

Auf der Suche nach divertissement ist dem König die comédie-ballet die liebste Form der Unterhaltung. Allerdings merkt Molière auch bald, dass ebenso das Stadtpublikum dieser Form nicht abgeneigt ist: „De la cour, le goût de la comédie avec danse et musique passe à la ville“ (Duchêne 1998: 549). Ist hier la cour Vorbild, gar tonangebend für la ville? Der Erfolg des Bourgeois gentilhomme und der Psyché jedenfalls „l’ont prouvé à la troupe [de Molière]: elle peut gagner de l’argent en jouant pour le public parisien une pièce avec ballet et parties chantées […]“ (Duchêne 1998: 649). Grimm (2002: 47 f.) fasst zusammen:

Wurden die Ballettkomödien in den meisten Fällen als Auftragsarbeiten für Festlichkeiten am Hof geschrieben und dort uraufgeführt, so richtet sich dieser Komödientyp in erster Linie an das bürgerliche Parterrepublikum. Selbst wenn die Uraufführung mehrerer dieser Komödien am Hofe stattfand, sicherte ihnen doch die Aufnahme durch das ‚bürgerliche’ Publikum des ‚Palais-Royal’ erst den postumen Erfolg.

Demgemäß wird die Ballettkomödie Le Malade imaginaire in und für la ville und le parterre uraufgeführt und „attire tout Paris“ (Robinet in Duchêne 1998: 657). So wird auch für diese Komponente des Molièreschen Publikums die Form bemüht, die Grimarest la cour vorbehält.

An das Volk, le peuple[21] (bzw. le bourgeois), in unserer Terminologie le parterre, wende sich die Farce, eine Gattung, die einem sozialen Niveau gehörte, „das eine ernsthafte Würdigung gebieterisch ausschloss“ (Boileau in Krauss 1953: 6). Zudem gebietet die Ständeklausel, dass die Figuren der Farce dem Volk entstammen. Grimarest weist aber darauf hin, dass auch der Hof dieser Gattung zugeneigt ist. Howarth zeigt ebenso, dass „among straight plays, the more light-hearted and farcial comedies were much more popular than ‚la haute comédie’“ (Howarth 1982: 41 f.). Caldicott (1998: 88) berichtet, dass Molière die Farce bewusst auch am Hof spielt:

Ayant découvert par hasard que le vieux répertoire farcesque des années ’40 paraissait nouveau et qu’il plaisait à la Cour, Molière l’exploita au maximum. […] Nul doute que c’était le Roi qui les réclamait car Molière les jouait souvent […].

„Le roi […] aimait aussi la comédie. Surtout la farce“, schreibt Duchêne (1998: 652). Das Volk ergötzt sich offensichtlich ebenso wie der Adel an der Farce, hat aber sicher – etwa aus Gründen des sozialen Hintergrunds und unterschiedlichen Bildungsstands[22] – nicht immer denselben Zugang. Andererseits fehlt es manch gebildetem Zuschauer an intellektuellem Stimulus, wenn ihm eine Farce vorgesetzt wird (cf. Howarth 1982: 47). Und schließlich passt Molière Farcen wie Le Mariage forcé, L’Amour médecin und George Dandin an den Geschmack des Hofes an (cf. Caldicott 1998: 88) bzw. verbindet nach dem Vorbild der commedia dell’arte die „niedere“ Komik (Alte, Diener) mit der „gehobeneren“ Komik (junge Liebende und ihre edlen Gefühle).

Wie Corneille schafft es Molière, verschiedene Publikumserwartungen zu befriedigen und allgemein Gefallen zu finden. Und es ist nicht untypisch für Werke der Hochklassik, unterschiedliche ästhetische Vorlieben zu vereinen. Les précieuses ridicules sind zum Beispiel eher Farce als Komödie (cf. auch Grimm 2002: 59). In allen molièreschen Komödien lassen sich Farcenelemente nachweisen, zu denen Elemente der Commedia dell’arte[23] hinzukommen. Auch die Ballettkomödie kann mit der Commedia dell’arte in Verbindung gebracht werden: die Hälfte der zwölf Ballettkomödien Molières ist dreiaktig. Allen gemein ist, dass sie „aufgrund der Integration von Musik und Tanz und Ballett ein hohes Maß an nicht an das Wort gebundenem autonomen, theatralischen Spiel aufweisen“ (Grimm 2002: 47).

L’habile homme oder le savant (in unserer Terminologie Teile von la ville), auf dessen Urteil Molière laut Grimarest am meisten gibt, entspreche schließlich die große, klassische Komödie – nach dem Vorbild antiker Vorlagen und der italienischen commedia sostenuta –, eine hohe fünfaktige Verskomödie im „erhabenen“ Alexandriner wie L’Ecole des femmes oder Le Tartuffe.[24] Diese beiden Stücke tauchen allerdings in der Statistik auch am Hof recht weit oben auf. Der Misanthrope wird erst gar nicht bei la cour gespielt, trifft aber auch bei le parterre nicht auf den gewünschten Erfolg.[25] Köhler (1983: 67) vermutet diesbezüglich,

dass Molière diesmal vom Parterre-Publikum im Stich gelassen [wird], […] während das aristokratische Publikum [in Paris], la cour, das Stück [schätzt]. Auffällig ist jedoch, dass Ludwig XIV. den Misanthrope niemals am Hof aufführen [lässt].

Auch Grimm (2002: 124) und Howarth (1982: 41) merken diese Auffälligkeit an. Sie wird wohl aber auch damit zusammenhängen, dass am Hof ein Jahr um die Mutter Ludwigs XIV., Anne d’Autriche, getrauert wird und Le Misanthrope deshalb unter Umständen gar nicht für den Hof geschrieben wird (cf. auch Molière 1965b: 17 f.).[26]

Boileau stört sich daran, dass Molière sich mit seinen Farcen aber nicht nur – und dies bewusst – an la ville richte.[27] „[Statt] seine Modelle in ‚la cour et la ville’ zu suchen [cf. 2.2] und allein für dieses Publikum zu schreiben, habe Molière, ‚trop ami du peuple’, mit seinen Farcen auch das ‚niedere Volk’ zu belustigen versucht“ (cf. Boileau in Grimm 2002: 7).[28] In Anbetracht der intellektuell leicht zugänglichen Komik der Farce ist es naheliegend, dass Molière sich mit ihr auch an das „niedere Volk“ richten will. Zudem mag die bisweilen obszöne und skatologische Sprache der Farce nicht immer dem goût von la ville entsprechen. Andererseits ist Farce bei Molière nicht gleich Farce:

[There] is a considerable difference between the comic flavour of the early farce Le Médecin Volant, written for provincial audiences, and that of Le Médecin malgré lui, written for the more sophisticated audiences of the capital (Howarth 1982: 60).[29]

Die Derbheiten und der Fäkalhumor etwa, die sich in Le Médecin Volant finden (Sz. IV; cf. Molière 1964: 40 f.), kommen in der Form in Le Médecin malgré lui nicht vor. Zeitgenossen Molières berichten über die Zugeständnisse und „Verfeinerungen“, die Molière zu machen gezwungen ist (und mit Weitblick wohlüberlegt macht?), um dem Pariser Stadtpublikum, allen voran den honnêtes gens[30], den höfischen und städtischen Eliten, zu gefallen:

Dans le comique même, on veut que les obscénités soient enveloppées et Molière, tout Molière qu’il était, s’en aperçut bien dans le Malade imaginaire … Il y a dans cet ouvrage un Monsieur Fleurant apothicaire, brusque jusqu’à l’insolence, qui vient, une seringue à la main, pour donner un lavement au Malade imaginaire. Un honnête homme, frère du ce prétendu malade …, le détourne de le prendre, dont l’apothicaire s’irrite et lui dit toutes les impertinences dont les gens de sa sorte sont capables. La première fois que cette comédie fut jouée, l’honnête homme répondait à l’apothicaire : ‘Allez, Monsieur, allez, on voit bien que vous avez coutume de ne parler qu’à des culs’. (Pardon, Monseigneur, si ce mot m’échappe ; je ne le dis que pour le faire mieux condamner.) Tous les auditeurs qui étaient à la première représentation s’en indignèrent, au lieu qu’on fut ravi à la seconde d’entendre : ‘Allez, Monsieur, allez, on voit bien que vous n’avez pas coutume de parler à des visages.’ C’est dire la même chose et la dire plus finement (Boursault in Howarth 1982: 60 f.).

Derbe Komik mit sexuellen Anspielungen (oder eindeutigen sexuellen Bildern) und skatologischen Elementen, wie man sie etwa bei Shakespeare durchgängig findet, kommt daher in Molières Komödien (und hiermit sind nicht seine Farcen gemeint) eher selten oder nicht im Übermaß vor. Die honnêtes gens der salons[31], die im 17. Jahrhundert Mittelpunkte des gesellschaftlichen Lebens darstellen und aktiv an der Ausbildung neuer sozialer wie ästhetischer Normen (Sprache, Umgangsformen, Bildungsideal, aristokratische Ästhetik) beteiligt sind,[32] hätten daran Anstoß genommen. So ist die Komödie mehr der bienséance verpflichtet, also dessen, was die Kirche und die gute Gesellschaft als schicklich, sittlich und moralisch vertretbar erachten. Weiter wird das Prinzip des plaire und des goût zu einem ästhetischen Kriterium.[33] Nicht die Regeln der doctes, sondern der Geschmack der honnêtes gens entscheidet über die Beurteilung von Kunst (cf. auch La critique de L’école des femmes, Szene 6).[34]

So zutreffend Grimarests Zuteilung also auf den ersten Blick scheint, so sehr werden bei genauerer Betrachtung die Grenzen verwischt und die einzelnen Schichten scheinen hinsichtlich ihres Geschmacks recht schnell zu verschmelzen, besonders, wenn man die Vielschichtigkeit des Parterrepublikums im Auge behält. Auerbach (1951: 27) stellt fest:

Dass der Geschmack des bourgeois sich in irgend einer Hinsicht ständig und grundsätzlich von dem des höfischen Publikums unterschieden hat, lässt sich nicht feststellen, ich bin geneigt, es zu verneinen.

Hinzu kommt, dass das parterre eine Schicht [ist], die hervorragend geeignet [ist], mit der höheren höfischen Gesellschaft innerlich zu verschmelzen, sich von ihr führen zu lassen, aus Snobismus und Ehrgeiz ihre Gesichtspunkte zu übernehmen“, so Auerbach (1951: 30). Lough (1978: 160) geht davon aus, dass „the aristocracy [does] not exhibit any particular refinement of taste“.

Duchêne (1998: 466) unterstreicht, dass sich Molière mit derselben Ernsthaftigkeit dem public des connaisseurs wie dem public populaire zuwendet:

Si on suppose Molière converti aux règles classiques et à la hiérarchie des genres, on est conduit, comme le fera Grimarest, à opposer public des connaisseurs et public populaire. Après avoir soigneusement écrit pour le premier une pièce longuement méditée, Molière aurait vite bâclé une farce par le second. Mais il a toujours prétendu s’adresser en même temps à ces deux publics. Rien ne prouve qu’il ait trouvé moins important d’écrire et de jouer Le Médecin malgré lui que Le Misanthrope. Signe qu’il met sur le même pied sa farce en trois actes et sa grande comédie en cinq actes et en vers : il les publie toutes deux chez le même éditeur, Ribou, en deux volumes séparés […].

Es ist in jedem Fall sicher nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Molière bewusst bestimmte Komödienformen wählt, um zielgruppenspezifisch sein Publikum zu erreichen. Dieses Vorgehen darf als Bestandteil seiner „Karrierestrategie“ angenommen werden.

Réussite und succès: Molières publikumsorientierte Karrierestrategien

“It is fairly certain that the man who made the most money out of writing plays in seventeenth-century France was Molière”, so Lough (1978: 96). Aber „playwriting […] did not offer what one could call a career“ (ibid.: 95):

Paradoxically, the position of the writer in what is one of the greatest ages of French literature was decidedly precarious. Unless he had private means or a comfortable job, he seldom rose above hardship or even poverty (ibid.: 131).

Autoren, auch erfolgreichen, ist es Anfang des 17. Jahrhunderts nicht möglich, allein vom Verkauf ihrer Werke ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ein Urheberrecht gibt es noch nicht; lediglich der Buchhändler, dem der Schriftsteller mit dem Verkauf seines Manuskripts alle Rechte überlässt, hat ein so genanntes privilège, um Raubdrucke zu verhindern (cf. Lough 1978: 76 ff. und Viala 1985: 94 f.).[35] Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Theaterautoren wie Molière: sie haben nur das Recht an der Uraufführung und der ersten Aufführungsreihe und erhalten nur hierfür eine finanzielle Beteiligung.

Eine mögliche Einnahmequelle stellt das Mäzenatentum dar (cf. Viala 1985: 51-84).[36] Molière kommt eine Zeit lang in den Genuss des aristokratischen Mäzenatentums durch verschiedene adlige Protektoren (Epernon, Aubijoux, Conti, die alle von der Gunst Gastons von Orléans abhängen, dem Bruder des verstorbenen Ludwig XIII.). Aubijoux und Conti laden Molière auch zu privaten Vorstellungen in ihren Schlössern ein, den visites (privées). Freie Kost und Logis neben regelmäßigen finanziellen Zuwendungen (cf. Caldicott 64 ff., 81 ff. und Duchêne 1998: 748 ff.) seitens der Gönner verschaffen Molière und seiner Truppe ein beträchtliches finanzielles Polster.

Herausragend ist aber vor allem das staatliche bzw. königliche Mäzenatentum durch Ludwig XIV.[37] Nachdem dieser vom Auftritt von Molières Theatertruppe am Hof so sehr begeistert ist, überlässt er Molière den Petit-Bourbon. Die Ernennung zur „Troupe du Roi au Palais Royal“ ist für Molière eine außergewöhnliche Beförderung. Der Biograph Duchêne (1998: 423) schreibt:

Après avoir réussi à devenir dans les faits le chef de la troupe préférée du roi, il partageait désormais un privilège jusque-là réservé aux comédiens de l’hôtel de Bourgogne. C’était un signe visible de sa grande faveur, la meilleure des garanties contre toutes les attaques qu’on pouvait diriger contre lui.

Molière versucht geschickt, sich diese Gunst aufrechtzuerhalten. Schon der Prolog zu Les Fâcheux (1661) ist ein wahres Loblied an den „plus grand Roi du monde“, der ein „miracle visible“, „[j]eune, victorieux, sage, vaillant, auguste, [a]ussi doux que sévère, aussi puissant que juste“ und mit einem „grand coeur“ ausgestattet sei (Molière 1964: 409). Auch im Tartuffe wird der Monarch in der letzten Szene in den höchsten Tönen (wenn auch indirekt) gelobt (cf. Molière 1965a: 344 f.).

Es entsteht eine geschichtlich einzigartige Freundschaft zwischen Molière und dem Sonnenkönig. 10 Jahre lang wird Molière unter dem Schutz des Königs bleiben, was dem Theaterautor Molière zu einer außergewöhnlich privilegierten Stellung[38] verhilft, denn in der französischen Gesellschaft des 17. Jahrhunderts rangieren

die Zugehörigkeit zum Hofe des Königs oder gar das Privileg des Zutritts zur Person des Königs […] als Lebenschance in der Skala der gesellschaftlichen Werte außerordentlich hoch (Elias 2003: 130).

Diese Karrierechance[39] hat Molière offensichtlich von Anfang an erkannt. Molière wird als „homme sociale désireux de réussir“ (Guellouz in Caldicott 1998: i) beschrieben. Caldicott (1998) und Duchêne (1998) sehen Molière als

zielstrebigen, karriereorientierten ‚homme de théâtre’, für den der künstlerische und materielle Erfolg des Werkes Vorrang hat gegenüber jedem wie auch immer gearteten gesellschaftlichen ‚Engagement’. Für Caldicott ist Molières Karriere das Ergebnis eines Spannungsfeldes, das aus Gönnern und Mäzenen einerseits und mehr oder minder skrupellosen Verlegern andererseits besteht, aus dem sich der Dramaturg als einer der ersten ‚écrivains’ im neuzeitlichen Sinn des Wortes befreit habe (Grimm 2002: 10).

Viala (1985: 183 ff.) unterscheidet zwei Strategien[40] professioneller Autoren: la réussite und le succès. Mit réussite (sociale) meint Viala „des acquis successifs et cumulés de positions dans les secteurs institutionnalisés“, einen „progrès dans la hiérarchie au moyen des gains lents, prudents, mais stables“ (Viala 1985: 184). Er erklärt weiter, ein derartiges Vorgehen sei

pour une large part soumise aux pouvoirs extra-littéraires qui assurent la stabilité des institutions de la littérature toujours peu solides par elles-mêmes. Elle correspond à une production qui s’adresse avant tout à ces institutions et, à travers elles, aux détenteurs des pouvoirs (Viala 1985: 184).

Diese Strategie entspricht der des Höflings Molière, der es versteht, sich bei den grands zu beweisen. Bereits während der Wanderjahre in der Provinz erhält Molières Truppe von zahlreichen Protektoren und Gönnern beträchtliche finanzielle Zuwendungen (cf. Caldicott 1998: 43-52[-62]). Er knüpft über seine Mäzene wichtige Kontakte, ein Netz elitärer, einflussreicher, adliger Personen,[41] das er mittels der visites weiter ausbaut,[42] und steigt die soziale wie Karriereleiter so weit hoch, dass er 1658 schließlich, zurück in Paris, über Monsieur frère unique du Roi in die Gunst Ludwigs XIV. gelangt und Molière einen außergewöhnlich privilegierten Status genießt:

C’était non seulement l’acteur et chef de troupe qui chassait ses concurrents de la Cour, mais aussi l’auteur qui y introduisait le monopole exclusif de son œuvre. Seul Molière était admis à jouer avec sa troupe devant le Roi, et seule l’œuvre de Molière y était représentée. Mieux encore, aucune autre troupe ne jouait l’œuvre de Molière, et Molière daignait de moins en moins jouer l’œuvre d’autrui (Caldicott 1998: 88).

Caldicott fasst Molières Karrierestufen zusammen:

En passant de la protection d’une grande cour princière en 1644 à celle du roi en 1665, Molière avait donc traversé trois étapes, progressant des derniers sursauts d’un mécénat féodal vers un triomphe de la mode parisienne la plus élégante, pour être enfin élevé au rang d’auteur officiel, le premier dramaturge ainsi attitré, sous l’absolutisme monarchique d’une ère nouvelle (Caldicott 1998: 40).

Die Biographien über Molière machen es deutlich: er wollte nie etwas anderes werden als homme de théâtre. La Grange unterstreicht lobend, wie Molières Begabung zum Höfling (courtisan) seine frühzeitige Karriereorientierung positiv beeinflusst und zeigt uns, dass Molière nicht nur als Autor, sondern auch als Höfling – also auf der Bühne des Theaters wie auf der des Hofes – brilliert und sein Spiel dem König gefällt:

[L]’estime dont Sa Majesté l’honorait augmentait de jour en jour, aussi bien que celle des courtisans les plus éclairés, le mérite et les bonnes qualités de Monsieur de Molière faisant de très grands progrès dans tous les esprits. Son exercice de la comédie ne l’empêchait pas de servir le Roi dans sa charge de valet de chambre, où il se rendait très assidu. Ainsi il se fit remarquer à la Cour pour un homme civil et honnête, ne se prévalant point de son mérite et de son crédit, s’accommodant à l’humeur de ceux avec qui il était obligé de vivre, ayant l’âme belle, libérale : en un mot possédant et exerçant toutes les qualités d’un parfaitement honnête homme (La Grange in Caldicott 1998: 27).

Grimm resümiert, dass Molière sich

in einem fünfzehnjährigen Umgang mit Vertretern des Hochadels […] die Umgangsformen eines vollkommenen ‚courtisan’ zu eigen gemacht [und verkehrt] mit seinen Gönnern ‚von gleich zu gleich’ […]. Grimarest hat ihm die Eigenschaften eines ‚parfaitement honnête homme’ zuerkannt […]. Für das höfische Publikum ist [Molière daher] als Schauspieler in sozialer Perspektive eine Identifikationsfigur [cf. auch Caldicott 1998: 69 f.]; seine Kriterien des Lächerlichen sind mit denen des Publikums identisch, so dass es sich auch über die von ihm dem Gelächter preisgegebenen Figuren rückhaltlos ergötzen kann“ (Grimm 2002: 33 f.).

Wie wir gesehen haben, ist die Voraussetzung für eine réussite sociale Molières Anerkennung durch die cours (princières), letztlich durch la cour (Ludwigs XIV.). Aber Molière genießt auch die Unterstützung des zahlenden bürgerlichen Publikums – es geht hierbei in erster Linie um Geld –, was Viala mit einer stratégie de succès verbindet:[43]

[Le succès] se fonde sur une production destinée en priorité au public élargi [et] repose sur la reconversion des ces profits de renommée publique en signes de reconnaissance et légitimation décernés par les institutions (Viala 1985: 184).

Diese Strategie „privilégie les gains rapides d’argent et de notoriété [et] se plie moins au principe de hiérarchisation dominant tel qu’il s’exprime dans l’échelle des pouvoirs littéraires” (Viala 1985: 185).

Durch den Erfolg am Hof wird Molière zunächst das Palais du Petit-Bourbon und schließlich das Palais-Royal angeboten, wo er die stratégie de succès (populaire) weiter verfolgen kann. Die Gunst des Königs „[permette] de s’épanouir dans ses activités multiples non seulement de courtisan mais en un homme de théâtre: acteur, chorégraphe, metteur en scène, et auteur” (Caldicott 1998: 90).

Molières Erfolgs- bzw. Karrieregeheimnis scheint ein ausgewogenes, gut kalkuliertes Gleichgewicht[44] zwischen den Strategien réussite und succès und – was die Zielgruppenorientierung betrifft – zwischen la cour und la ville zu sein.

Dieses Gleichgewicht spiegelt sich auch in Molières Critique de l’Ecole des femmes wider. Fasst man Dorante als Sprachrohr Molières auf, so kommt in dem Stück Molières – reale oder opportune – Achtung gegenüber la cour sowie la ville bzw. le parterre zum Ausdruck:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lough (1978: 157) sieht hier Molière als

actor-manager who knew on which side his bread was buttered and was very conscious of the fact that the spectators who bought the tickets for the parterre generally represented more than half his audience.

Des Weiteren wird deutlich, was Molière für l’art de réussir hält: den goût, den Geschmack des Hofs zu treffen (nicht ohne dem Geschmack des parterre zu vertrauen). Im Impromptu de Versailles tritt Molière selbst (als Molière!) auf die Bühne und sagt:

[L]es rois n’aiment rien tant qu’une prompte obéissance […]. Nous ne devons jamais nous regarder dans ce qu’ils désirent de nous: nous ne sommes que pour leur plaire; et lorsqu’ils nous ordonnent quelque chose, c’est à nous à profiter de l’envie où ils sont. Il vaut mieux s’acquitter mal de ce qu’ils nous demandent que de ne s’en acquitter pas assez tôt; et si l’on a la honte de n’avoir pas bien réussi, on a toujours la gloire d’avoir obéi vite à leurs commandements (Sz. 1, Molière 1965a: 149).[45]

La réussite und le succès und somit sein Publikum ständig vor Augen, macht Molière eine außergewöhnliche Karriere und wird zur „première ‚vedette’ des temps modernes“ (Duchêne 1998: 673).

Zusammenfassung der Ergebnisse

Das Molièresche Publikum zeigt auch nach der sozialen Veredelung eine heterogene Struktur, die nur unzureichend mit der Formel la cour et la ville charakterisiert wird. La cour, die königliche Familie und der Hofadel, auf der einen Seite, und la ville, das Großbürgertum und das obere mittlere Bürgertum, zusammen mit le parterre, dem weniger gebildeten, gewerbetreibenden Bürgertum, auf der anderen Seite, sind hinsichtlich ihrer soziologischen Parameter höchst unterschiedlich. La cour und la ville können eher als Bezeichnung des Aufführungsortes dienen denn als soziologisch aussagekräftige Etiketten.

In Anbetracht ihrer Funktionslosigkeit und ihres Bildungsideals, besonders auch hinsichtlich ihres Geschmacks lässt sich jedoch eine Verschmelzung der Oberschichten von la cour und la ville feststellen. Beide finden Gefallen an Molières comédie-ballet. Farcen- und Commedia dell’arte-Elemente tauchen sogar in der den städtischen und höfischen Eliten zugeordneten fünfaktigen Verskomödie auf. Der Hof findet nachweislich ebenfalls Gefallen an echten Farcen, die Molière allerdings mit Blick auf den Geschmack dieser Schicht in abgewandelter Form aufführen lässt und es so schafft, die unterschiedlichen Publikumserwartungen zu befriedigen. So auch die des an die höfische Gesellschaft anpassungswilligen parterre.

Auf der Basis eines außergewöhnlichen Talents ermöglichen Molières Karrierestrategien réussite (sociale) und succès (populaire) ihm einen in der Theatergeschichte Frankreichs einzigartigen ruhmvollen sozialen Aufstieg. Über ein Netz einflussreicher adliger Gönner und Mäzene, an deren Spitze Ludwig XIV. steht, wird Molière zum perfekten courtisan und honnête homme, sichert seine materielle Existenz und entwickelt eine wohlkalkulierte Publikumsorientierung, so dass er den Geschmack von la cour zusammen mit dem von la ville und le parterre in einem ausgewogenen Gleichgewicht zielsicher trifft.

Bibliographie

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Caldicott, C. Edric J. (1998): La carrière de Molière entre protecteurs et éditeurs, Amsterdam/Atlanta (GA): Rodopi.

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Howarth, William D. (1982): Molière: A Playwright and his Audience, Cambridge u. a.: University Press.

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Lough, John (1978): Writer and Public in France, Oxford: Clarendon Press.

Merlin, Hélène (1994): Public et littérature en France au XVIIe siècle, Paris: Les Belles Lettres.

[...]


[1] Zur Verwendung von public cf. Auerbach (1951: 12 f. und 1965: 3 ff.). Einen umfassenden Überblick über die Bedeutungsdimension von public im Frankreich des 17. Jahrhunderts gibt Merlin (1994).

[2] Bis zum Regierungsantritt Ludwigs XIV. 1661 ist der Adel ein politisch einflussreicher Hochadel, der danach jedoch zum funktions- und einflusslosen Hofadel absinkt (cf. Grimm 2002: 39). Diese Entwicklung zeige sich bereits seit dem 14. Jahrhundert (cf. Auerbach 1951: 35-40).

[3] Ein ungefähres Bild von der Größe des Hofes gibt Elias (2003: 139): „Die genau Zahl der Menschen, die im Schloß von Versailles wohnten oder wohnen konnten, ist schwer zu ermitteln. Immerhin wird uns berichtet, dass im Jahre 1744 – die Dienerschaft mit eingerechnet – etwa 10 000 Personen im Schloß untergebracht waren […].“

[4] Die Geringschätzung ist vielleicht auch darin begründet, dass ein Erwerbstätiger, „qui fera fortune par le commerce ou la banque, se servira de sa puissance monétaire pour acquérir un titre, c’est-à-dire pour entrer dans l’état aristocratique“ (Russo 2002: 7).

[5] Innerhalb des Louvre gelegenes Theater.

[6] Die Carte du Tendre ist eine allegorische Karte, die den Weg von der Nouvelle Amitié zu den Städten Tendre sur Estime, Tendre sur Reconnaissance und Tendre sur Inclination aufzeichnet (cf. Scudéry 1973). Zu den salons cf. Howarth (1982: 51-63) und Baader (1995). Eine Anthologie preziöser Texte und der Aufsatz „Molière und die ‚Préciosité’“ finden sich in Baader (1997).

[7] Kursivierung nicht im Original.

[8] Grimm (2002: 38) merkt an: „Bei Uraufführungen bzw. aufwendigen Inszenierungen von Maschinenstücken [= pièces à machines, Ausstattungsstücken; Vorform der Oper] o. ä. werden die […] Preise verdoppelt, was zweifellos Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung des Parterrepublikums gehabt haben dürfte.“

[9] Junge Schreiber aus den Gerichten und Verwaltungsbehörden.

[10] Cf. Krauss (1953: 8).

[11] Cf. Krauss (1953: 9).

[12] Zu Molières Zeiten sind im parterre nur Stehplätze. Erst 1784 stellt die Comédie Française als erstes Pariser Theater einen Sitzplatzbereich für das parterre bereit (cf. Howarth 1982: 37).

[13] Auerbach (1951: 28-30) bringt mit bourgeois die marchands de la rue Saint-Denis in Paris, die Inhaber von Mode- und Luxusgeschäften, als typische Parterrebesucher in Verbindung. Cf. auch Lough (1978: 155).

[14] Cf. auch die Abbildung und Beschreibung des Petit-Bourbon in Duchêne (1998: 170 ff.).

[15] Etwa: Korbstühle.

[16] Hochadlige; weibliches Pendant zu den Grandseigneurs.

[17] Cf. hierzu auch Lough (1978: 156), der sogar von adligen Ruhestörern im parterre zu berichten weiß: „Twice during the last few months of Molières life there were disturbances in his theatre in which ‚gens d’épée’ in the parterre were involved, while in 1691 a performance at the Hôtel de Bourgogne was interrupted by an officer […] who attempted to climb on to the stage from the parterre.”

[18] Obwohl das parterre die Hälfte des Publikums ausmacht, ist es aus finanzieller Sicht weniger bedeutend, da die parterre -Plätze in der Regel die billigsten sind.

[19] Die Analyse basiert auf dem von La Grange 1659 begonnenen und bis zu Molières Tod geführten Registre, in dem 1624 Aufführungen Molières (und 779 Aufführungen von Werken anderer Autoren), in Molières Pariser Theatern und am Hof Ludwigs XIV., dokumentiert wurden.

[20] Akt III ist ein erweitertes und psychologisch vertieftes Zitat von La jalousie du barbouillé (cf. Grimm 2002: 54).

[21] Lough (1978: 134) weist darauf, dass peuple nicht wortwörtlich verstanden warden sollte, „when it is applied by writers of the time to the reading public or to theatre audiences; it does not necessarily have the exclusively plebeian meaning which it was later to acquire [,auch wenn peuple manchmal in dieser Bedeutung verwendet wird, cf. Chapelain in Lough (1978: 134)]. […] Peuple is in fact frequently used by writers of the time to cover those of their readers who, while standing outside the relatively restricted circle of ‚la cour et la ville’, in other words the upper classes of the capital, were none the less capable of taking an intelligent interest in literature.” Cf. hierzu auch Lough (1978: 153 f.).

[22] Zur Bildung bzw. dem Bildungsstand des Publikums cf. Howarth (1982: 47-51). Andererseits darf der Bildungsstand des Adels nicht überschätzt werden: „[T]he accomplishments which the author demands of the nobleman are not very great. What he requires above all is a stock of general knowledge sufficient to equip him for an ordinary conversation among men of his class on such subjects as war, hunting, and horses” (Lough 1978: 140). Selbst Ludwig XIV. wird nicht gerade als sonderlich gebildet beschrieben: “Seine Intelligenz war nach St.-Simon unter dem Mittelmaß. […] Es kam hinzu, dass seine ganze Erziehung, auch die Erziehung seines Intellekts, ziemlich vernachlässigt war. Die aufgeregten Zeiten, in die seine Jugend fiel, hatten seinen Praezeptoren […] nicht viel Muße gelassen, sich um seine Ausbildung zu kümmern. […] ‚Man lehrte ihn kaum lesen und schreiben, und der blieb so unwissend, dass er von den bekanntesten Ereignissen der Geschichte nichts wusste’“ (Elias 2003: 219).

[23] Neben der äußeren Einteilung in drei Akte und einer komplexeren Handlung als die Farce und einem größeren Personenkreis sind improvisierte Einlagen, Possen- und Clownscherze (lazzi), akrobatische Einlagen, Gags, Prügelszenen, obszöne Gesten, Quiproquos, Verkleidungen, Aneinandervorbeireden, die Verwendung von Dialekten und Küchenlatein und sprachliche Verballhornungen typisch für die Commedia dell’arte (cf. Grimm 2002: 46).

[24] Weitere fünfaktige Komödien Molières: Les amants magnifiques und Le bourgeois gentilhomme (Ballettkomödien), L’Avare (Prosakomödie) und die Verskomödien Le dépit amoureux, Dom Juan, L’Etourdi, Les femmes savantes, Le Tartuffe.

[25] Hierzu Howarth (1982: 42): „Le Misanthrope was a failure with Paris audiences until Molière paired it in a double bill with the popular Médecin malgré lui.” Duchêne (1998: 457) dagegen: „Signe certain de réussite, la nouvelle pièce [ Le Misanthrope ] tient l’affiche seule pendant vingt et une représentations consécutives […]. C’est néanmoins un bon succès, le succès moyen d’une pièce qui n’a pas fait scandale. […] La presse l’accueille très favorablement.“

[26] Die Mutter des Königs stirbt am 20.1.1666; Le Misanthrope wird am 4.6.1666 im Palais-Royal uraufgeführt.

[27] Hier zeigt sich einmal mehr, dass die Dreiteilung von Molières Publikum in la cour, la ville und le parterre sinnvoll ist.

[28] Cf. hierzu auch Krauss (1953: 6 f.).

[29] Molières Farce intwickelt sich grundlegend weiter wandelt sich von den in der Provinz entstandenen Farcen Le médecin volant und La jalousie du barbouillé, über seine erste Pariser Farce Les précieuses ridicules (1659) und Sganarelle ou Le cocu imaginaire (1660, beides Einakter) zu den dreiaktigen Le médecin malgré lui (1666) und Les fourberies de Scapin (1671). „Die traditionelle Typenfarce wird zur ein- oder dreiaktigen Charakter- oder Sittensatire mit stark ausgeprägten Farcenelementen“, so Grimm (2002: 45).

[30] Zu den honnêtes gens bzw. hommes cf. Howarth (1982: 57-63) und Russo (2002: 123-126).

[31] Caldicott (1998: 74) bezeichnet sie als „groupe satellite de la Cour“.

[32] Cf. Howarth (1982: 51-63), Baader (1995) und Russo (2002: 90-98).

[33] Das Konzept des plaire bzw. des goût ist gleichermaßen auch das der großen Klassiker wie La Fontaine, Racine, Boileau (cf. Mongrédien in Molière 1965: 106).

[34] Eine Art direkte Zensur gibt es laut Lough (1978: 75) noch nicht: „[I]t was not until 1701, perhaps even 1706, that manuscripts of plays had to be submitted to an official censor and given his approval before they could be put on stage.”

[35] Das Vorwort zu Les Précieuses ridicules spiegelt diese Situation auch wieder: Ein Verleger hatte für eine Raubkopie des Stücks die Druckerlaubnis erwirkt, worauf Molière sie für nichtig erklären ließ und sein Stück selbst druckte (cf. Molière 1964: 224 f.).

[36] Das Mäzenatentum ist Ausdruck der adligen Tugend der largesse, der Freigiebigkeit und Fürsorge für andere. Man darf wohl aber zurecht unterstellen, dass die Mäzene auch davon ausgehen, ihre eigene „Größe“ mit dem potentiell außergewönlichen künstlerischen Schaffen in Verbindung gebracht zu wissen.

[37] Diese Förderung des Theaters von offizieller Seite lässt das französische Theater im 17. Jahrhundert eine Glanzzeit erleben.

[38] Ein Autor, „looked upon as inferior being“, genoss normalerweise alles andere als gesellschaftliche Vorrechte: “Socially the writer was despised”, notiert Lough (1978: 131).

[39] Zu Molières Karriere als Autor bzw. Herausgeber cf. Caldicott (1998: 121-149).

[40] Eine Strategie „mêle toujours du conscient et de l’inconscient, du calcul et de l’irrationnel, des choix libres et des contraintes, souvent même pas perçues comme telles“, so Viala (1985: 184).

[41] „Il avait savamment joué, certes, sur un réseau de protecteurs nobles pendant ses années en province, allant de Gaston d’Orléans (oncle du Roi), au duc d’Epernon, et au prince de Condé, mais s’il n’avait eu ni le talent ni l’expérience de courtisan nécessaires pour plaire à la Cour on ne l’aurait jamais admis à ces relations d’intimité avec la famille de Louis XIV“ (Caldicott 1998: 28).

[42] Eine Auflistung der visites particulières gibt Caldicott (1998: 64 ff.).

[43] Caldicott (1998: 69) erwähnt die geringe finanzielle Entlohnung bei den visites particulières im Vergleich zu den öffentlichen Aufführungen: „Les chiffres fournis par La Grange montrent que l’écart important entre la rémunération de la représentation publique et celle de la représentation privée fut une constante jusqu’à l’adoption de la troupe par le Roi en 1665. Mais dans une société d’ordres aussi fortement hiérarchisée, il aurait été impensable que Molière refuse les invitations d’un Colbert ou d’un Condé sous prétexte qu’il ne payaient pas assez.“

[44] „Molière n’a rien laissé au hasard“ (Duchêne 1998: 182).

[45] Cf. hierzu auch La Serre in Caldicott (1998: 28): „[Molière était] uniquement rempli du désir d’exécuter promptement les ordres du Roi, il ne songeait qu’à répondre, du moins par son zèle, à la confiance que lui témoignait ce Prince, en se chargeant du soin de l’amuser“.

[46] Fast inhaltsidentisch mit Auerbach (1951).

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Molière und sein dramatisches Werk. Analysen ausgewählter Werke
Autoren
Jahr
2014
Seiten
128
Katalognummer
V272451
ISBN (eBook)
9783656637066
ISBN (Buch)
9783956871429
Dateigröße
2381 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
molière, werk, analysen, werke
Arbeit zitieren
Thomas Heim (Autor:in)Hannah-Kristin Elenschneider (Autor:in)Dr. Frank Lorenz (Autor:in)Selin Sahin (Autor:in)Maria Lang (Autor:in)Anonym (Autor:in), 2014, Molière und sein dramatisches Werk. Analysen ausgewählter Werke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/272451

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Titel: Molière und sein dramatisches Werk. Analysen ausgewählter Werke



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