The Global Village. Kommunikation über technologische Innovation


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2008

23 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. „Die mechanische Braut“

2. „Explorations: Kultur ohne Schrift“

3. „Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters“ (1962)

4. „Die Magischen Kanäle“ (1964)

5. „Krieg und Frieden im globalen Dorf“

6. „Vom Klischee zum Archetyp“ (1970)

7. „The Global Village“
7.1 Die globalen Wirkungen videoverwandter Technologien
7.2 Krieg der Medien – Power of a Third Kind

Literatur

Einleitung

McLuhans montageartige Texte zum Wandel der Kommunikationsmedien und den damit verbundenen Auswirkungen auf die globale Gemeinschaft stießen Mitte des vorigen Jahrhunderts sowohl auf Bewunderung als auch auf Ablehnung. Dabei wurden seine oft negativ-kritischen Schlussfolgerungen hinsichtlich der Auswirkungen neuer Medien auf die Gesellschaft sowie die Struktur und Gestalt seiner Texte meist von jenen kritisiert, die ihn nicht verstanden oder nicht verstehen wollten. Selbst Bewunderer hatten oft Schwierigkeiten hinsichtlich der Verständlichkeit seiner Aussagen, forderte McLuhan doch die Abkehr von festgelegten Wahrnehmungs- und Denkkonventionen. Eine seiner zentralen Aussagen besteht darin, dass Medien, Technologien, Werkzeuge und Artefakte Ausweitungen des eigenen Körpers sind. Der Mensch erfindet und nutzt diese, um seine Wahrnehmungsfähigkeit, Geschwindigkeit oder Macht zu erhöhen. Diese neuen Techniken wirken jedoch zurück auf den Menschen, wodurch dessen Körper ständig umgeformt wird.[1] McLuhan ist nicht auf der Suche nach einer Strukturierung der Wahrnehmung oder den Auswirkungen der Wahrnehmungen. Vielmehr plädiert er für die Simultaneität rezeptiver Vorgänge und fokussiert die nicht reflektierten Auswirkungen der Massenmedien. In dieser Arbeit sollen in chronologischer Form die Aussagen McLuhans zur Wirkung der Medien in komprimierter Form dargestellt werden, die er am Ende seines Lebens in „The Global Village“ zusammenfasste und bewertete. „The Global Village“ war ein Resümee seiner vorherigen Arbeiten und der Versuch seine Ergebnisse und Beobachtungen dem Blick in die Zukunft auszusetzen. Im letzten Kapitel, welches sich diesem Werk widmet, sollen zugleich Aussagen McLuhans anhand der derzeitigen Realität und den Aussagen anderer Sozialforscher überprüft werden.

1. „Die mechanische Braut“

Bereits in seiner ersten Publikation aus dem Jahre 1951 verglich McLuhan die „von Presse, Radio, Kino und Werbung“ getriebene moderne Welt mit der Erzählung Poes vom Malstrom, in den uns die zerstörerischen Kräfte der Medien wie ein Strudel in den Abgrund zu ziehen drohen.

„Wir leben in einem Zeitalter, in dem zum ersten Mal Tausende höchstqualifizierter Individuen einen Beruf daraus gemacht haben, sich in das kollektive öffentliche Denken einzuschalten, um es zu manipulieren, auszubeuten und zu kontrollieren. […] Der Sinn vieler Werbeanzeigen sowie zahlreicher Produktionen der Unterhaltungsbranche besteht darin, jeden Einzelnen durch permanente geistige Aufgeilung in einem Zustand der Hilflosigkeit verharren zu lassen.“[2]

Doch könne der Mensch, wie der Protagonist in Poes Erzählung, durch die Studien der Strudelbewegung, durch Wachheit, Witz und geistige Flexibilität „situativ richtiges Verhalten“ erlernen.[3] Nicht die Verweigerung, sondern die Durchdringung der Medien in Gestalt, Inhalt und reziproker Wirkweise müsse das Ziel des medienkompetenten Menschen sein. Besonders in der Tagespresse tritt „die gewaltige Landschaft der menschlichen Gattung“ auf, werden Informationen aus aller Welt nebeneinander gestellt und präsentieren so „die Vergleichbarkeit menschlicher Angelegenheiten“ und die „Beseitigung jeder provinziellen Anschauung“, wodurch ein „tiefer Sinn für menschliche Solidarität erzwungen wird“[4]. Durch „Überbetonung von Werten“ und die Notwendigkeit und Durchsetzung von „korrekten Anschauungen“ erziehen die Menschen letztlich zur Übernahme dieser Werte und „machen den Menschen blind für die wirklichen Veränderungen unserer Zeit.“[5] Gefahr droht dem menschlichen Geist zudem in der Werbung. Die Werbung betont, dass Knowhow zugleich eine Sphäre der Technik und der Moral ist:

„Es ist die Pflicht einer Frau, ihren Ehemann so zu lieben wie die Seife, die ihren Mann dazu bringen wird, sie zu lieben. […] Und so verspricht ihr die Werbung ein Mittel, körperliche Arbeit zu erledigen, ohne dabei den Ehemann zu hassen, der sie in diese Haussklaverei gelockt hat.“[6]

McLuhan vergleicht den Verlust oder die Auslöschung des Ich durch die technologische Innovation mit der Totemkultur der Vor- und Frühgeschichte des Menschen. So wie der Mensch damals Totemwesen, halb Mensch halb Tier schuf, um sich seine Umgebung zu eigen zu machen, so präsentiert er seine Totemvorstellung heute in Werbung und Unterhaltung.[7]

„Es ist schon lange klar, dass die Geschäftsführer für Produktion und Verkauf in militärischen Begriffen denken, wobei sie den öffentlichen Widerstand mit einem sorgfältig geplanten Sperrfeuer zerschlagen, damit die nachfolgenden Stoßtrupps der Vertreter die Widerstandsnester der Geldbeutel ausräumen.“[8]

Hilfreich ist dabei die menschliche Gier nach Knowhow, ein Bedürfnis welches

„…nur der vielfältigen Lust nach Macht und Erfolg dient… So kommt es in dieser Periode leidenschaftlicher Beschleunigung dazu, dass die Welt der Maschinen das bedrohliche und unfreundliche Gesicht einer unmenschlichen Wildnis anzunehmen beginnt, die weniger zu beherrschen ist als jene, mit der einst der prähistorische Mensch konfrontiert war. Die Vernunft wird dann schnell durch den von panischer Angst ausgelösten Wunsch überwältigt, sich eine Schutzfärbung zuzulegen. So wie die verängstigten Menschen früher rituell und psychisch in die Haut der Tiere schlüpften, so haben wir es bereits weit darin gebracht, die Verhaltensmechanismen der Maschinen, die uns erschrecken und überwältigen zu übernehmen und heranzuzüchten.“[9]

Auf Knopfdruck per Handy oder Mail steht der Mitarbeiter zum Dienst bereit, Daten strukturieren und organisieren sein Leben, Arbeit und Freizeit verschwimmen ineinander und zum Ausgleich stülpt sich der User die Totemmaske von Second Life oder Ego-Shootern über. Neben der Anhäufung von Knowhow wecken und befriedigen Werbung und Marketing Träume, die „verborgenen Antrieben Entfaltungsmöglichkeiten“ einräumen. Ebenso verhält es sich mit dem Kino:

„Der Zuschauer träumt die Träume, die man für Geld kaufen kann, die er sich aber in der Tagwelt weder leisten noch verdienen kann. Im dunklen Theater träumt er die Träume, die dazu neigen, sogar seine Frustration in einer Traumwelt festzuhalten. […] So ringt Hollywood ebenso wie die Werbeagenturen ständig darum, in die unbewussten Wünsche eines riesigen Publikums einzudringen und sie zu beherrschen, nicht um sie zu verstehen oder darzustellen, wie es der seriöse Romanschriftsteller tut, sondern um sie gewinnträchtig auszubeuten.“[10]

2. „Explorations: Kultur ohne Schrift“

Als Ergebnisplattform seiner zweijährigen Forschungsarbeit zum Thema Kommunikation brachte McLuhan ab Dezember 1953 die Zeitschrift Explorations heraus, deren erste Ausgabe McLuhans Essay „Kultur ohne Schrift“ enthielt. Von zentraler Bedeutung war für den Autor die Frage, was mit den bestehenden Gesellschaften geschieht „wenn sie durch Presse, Bildgeschichten, Wochenschauen und Düsentriebwerke miteinander so eng in Berührung kommen? Was geschieht, wenn der neolithische Eskimo sich genötigt sieht, die Raum- und Zeitkonventionen des technologischen Menschen zu teilen?“[11]. Bei der simultanen Anwesenheit verschiedenster Orte in den Medien verändert der Mensch nicht nur den Raum, sondern vielmehr noch die geschichtliche Zeit durch den unterschiedlichen Entwicklungsstand der Kulturen. McLuhan gelangt zu der Überzeugung, dass sich der „historische Mensch als der alphabetisierte Mensch erweisen wird. Als Episode.“[12] So haben zwei oder drei Generationen Schrifttum das Denken nachhaltiger beeinflusst als mehrere Tausend Jahre der mündlichen Überlieferung. Erst mit Erfindung des Buchdrucks veränderte sich die visuelle hin zu einer abstrakteren Buchkultur, von der wir heute wieder in eine sinnlich–plastisch-bildliche Kultur zurückzukehren scheinen:

„Im Zeitalter der Druck- und Wortkultur verlor der Körper immer mehr seinen Ausdruckswert. Zugleich wurde der menschliche Geist hörbar, aber unsichtbar. Das Kameraauge hat diesen Prozess umgekehrt, indem es die Menschenmassen erneut mit der Grammatik der Gesten vertraut machte.“[13]

Bereits in dieser frühen Schrift liegen Ansätze zum späteren Verständnis der Medien als Erweiterung des menschlichen Körpers. In den Aussagen über die globale Berichterstattung der BBC finden sich bereits Anklänge dazu, dass nicht die Inhalte des Mediums zählen, sondern das Medium selbst die Botschaft ist. Nicht ausgebildet ist hingegen McLuhans Begriffsapparat: Noch meint er mit „visuell“ das bildmäßige Sehen von Bildern, während er den Begriff, wie wir im Verlauf der Arbeit sehen werden, später als eine Art von Sehen und Wahrnehmen bezeichnet. Das Fernsehen bezeichnet er als „taktiles“ Medium im Sinne Deleuzes als das gleichzeitige Zusammenwirken aller Sinne. Gemeinsam ist hingegen den Medien Presse, Film und Fernsehen, dass sie anonym und durch Mangel an Dialogfähigkeit nicht mit der Möglichkeit zur Selbstkorrektur ausgestattet sind. Während Politiker oder Medienvertreter ihre Standpunkte präsentieren können, bleibt der Zuschauer mit seinen eigenen allein. Um sprachliche Differenzen zwischen den Kulturen aufzuheben wird, so McLuhan, der technologische Mensch auf die universale Verständlichkeit von Bildsymbolen zurückgreifen.[14] Die Anwendung von Bildsymbolen ist sowohl im WWW (Navigationsikons) als auch im Bereich der Logistik bereits gebräuchlich.

3. „Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters“ (1962)

Das Ergebnis einer fast zwanzigjährigen Recherchearbeit in literarischen, philosophischen, anthropologischen und technikgeschichtlichen Werken war McLuhans Schlussfolgerung vom Ende der „Gutenberg-Galaxis“, jener fünf Jahrhunderte der Typografie, die das Ergebnis von einem Jahrtausend des phonetischen Alphabets sind und dem Beginn einer neuen, elektronischen Zeit, die McLuhan als „Marconi-Galaxis“ (Guglielmo Marchese Marconi, Pionier des Funks) bezeichnet.[15] McLuhan beschreibt wie die zuvor herrschende orale Kultur durch Formen der Schrift zunehmend verdrängt wurde; „der Mensch erhielt ein Auge für ein Ohr“[16]. Diese Entwicklung hält McLuhan für die Vorrausetzung moderner Errungenschaften wie dem Nationalismus und Individualismus und der modernen arbeitsteiligen Produktion, die er in mechanischen Druckverfahren präfiguriert sah, die Entdeckung der Perspektive und der Trennung von Kunst und Wissenschaft. Die Schrift führte jedoch zur Angewohnheit Erkenntnis auf das Vorhandensein und die Interpretation „linearer Reihen“ zu beschränken, wodurch die Sinneserfahrung „visuell homogenisiert und die Vielfalt der Hör- und anderer Sinneswahrnehmungen in den Hintergrund“[17] gedrängt wurden. Der so konditionierte Betrachter konnte dadurch eine starre Haltung, einen Gesichtspunkt einnehmen, wodurch die perspektivische Malerei entstand, mit der die Raumbeziehung wie auch die Perspektive der Wissenschaft durch die Begriffe der Relativität und Kontinuität verändert wurden. Die scholastische Methode des „simultanen Mosaiks, einem Verfahren, viele Aspekte und Bedeutungsebenen gleichzeitig und implizit zu behandeln“[18] hatte somit ausgedient. Die Macht der Deutung und Erfahrung, basierend auf verbaler Kommunikation wurde verdrängt durch den Monopolismus des Buchinhalts und der darin vertretenen Perspektive. Erst die nicht-gegenständliche Kunst gab die statische Beschränkung des Darstellungsbegriffes auf und versuchte Dynamik und Komplexität von Sinneseindrücken Ausdruck zu verleihen.[19] Erinnert sei an dieser Stelle nochmals an das Werk Gilles Deleuzes zur Überwindung präfigurierter Sehgewohnheiten sowie an die Frühzeit des Films mit den Werken von Antonioni, Fellini, Syberberg, Bunuels und der Nouvelle Vague, die die Kategorien Thema und Zeit zu überwinden suchten.

[...]


[1] Baltes, S. 8

[2] McLuhan in: Baltes, S. 29

[3] Vgl. Baltes, S. 14

[4] McLuhan in: Baltes, S. 35

[5] McLuhan in: Baltes, S. 35

[6] McLuhan in: Baltes, S. 35

[7] Vgl. Baltes, S. 42

[8] McLuhan in: Baltes, S. 44

[9] McLuhan in: Baltes, S. 47

[10] McLuhan in Baltes, S. 51

[11] McLuhan in Baltes, S. 68

[12] Baltes, S. 15

[13] McLuhan in Baltes, S. 73

[14] Vgl. Baltes, S. 75f

[15] Vgl. Baltes, S. 18

[16] McLuhan in Baltes, S. 18

[17] McLuhan in Baltes, S. 89

[18] McLuhan in Baltes, S. 89

[19] Vgl. Baltes, S. 87

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Details

Titel
The Global Village. Kommunikation über technologische Innovation
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V283829
ISBN (eBook)
9783656839996
ISBN (Buch)
9783656840008
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
global, village, kommunikation, innovation
Arbeit zitieren
MA Guido Maiwald (Autor:in), 2008, The Global Village. Kommunikation über technologische Innovation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/283829

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