Medien und Journalismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

37 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Prolog

2. Medien und Journalismus
2.1 Was sind Medien?
2.2 Was ist Journalismus?

3. Die soziologische Basierung des Sozialsystems Journalismus
3.1 Reduktion der Komplexität durch Differenzierung
3.2 Journalismus als soziales System
3.2.1 Code
3.2.2 Programme
3.2.3 Autopoiesis
3.2.4 Organisationen und Institutionen
3.2.5 Rollen

4. Der soziale Kontext des Systems Journalismus
4.1 Massenmedien und ihre Wirkungen
4.2 Exkurs: Erläuterung der Wirklichkeitskonstruktion durch Medien am Beispiel der Reaktionen auf die US Attacken vom 11. September 2001:
4.3 Two Step Flow
4.4 Uses and Gratification
4.5 Gatekeeper

5. Epilog

Literaturverzeichnis

Homepageverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Prolog

Diese Arbeit entstand aus dem Hauptseminar ‚Soziologie der Medien und Kommunikation’ unter der Leitung von Prof. Dr. Richard Münch im Sommersemester 2001 an der Otto-Friedrich Universität Bamberg. Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Thema ‘Medien und Journalismus’, das aus soziologischer Perspektive dargestellt werden soll. Die Grenzen des Themas ‚Medien und Journalismus’ sind weitläufig. Es existieren zahllose Beiträge von renommierten Autoren und der Inhalt der ‚Medien und Journalismus’ wird von mindestens drei Studiengängen, nämlich der Soziologie, der Journalistik und der Publizistik bearbeitet. Trotzdem bietet die Systemtheorie einen Ansatz, der es möglich macht, das Thema in einer kurzen Arbeit wie dieser in seinem Aufbau zu strukturieren. Daher folgt diese Arbeit in soziologietheoretischer Perspektive Niklas Luhmanns Systemtheorie. Leider kann die Systemtheorie hier nur ansatzweise dargestellt werden, da sonst der Umfang der Arbeit bei weitem die übliche Seitenzahl überschreiten würde. Das Thema dieser Ausarbeitung entstammt der Speziellen Soziologie der Medien und Kommunikation. Diese bildet eine Schnittstelle zwischen den Kommunikationswissenschaften und der Soziologie. Aus der Kommunikationswissenschaft werden maßgeblich Weischenbergs Ausführungen dargestellt und mit den Beiträgen von Blöbaum, Rühl und Merten ergänzt. Diese Autoren haben mit der soziologischen Perspektive des Journalismus gearbeitet. Die Darstellung des Journalismus als Sozialsystem mit seinen Codices, Programmen, den Organisationen und Institutionen, Rollen und der selbsterhaltenden Autopoesis, nimmt den Hauptteil der Ausführungen ein. Die Medien nehmen in diesem System die Position sozialer Institutionen ein[1].

Doch die schlichte Darstellung des Systems Journalismus genügt nicht, um die Bedeutung des Journalismus in der Gesellschaft darzustellen. In welchem gesellschaftlichen Kontext befindet sich das Sozialsystem? Welche Effekte haben seine Leistungen auf die Gesellschaft? Dieser Frage wird im zweiten Teil der Arbeit nachgegangen. Am Beispiel zweier Ansätze aus der Wirkungsforschung, dem Two

Step Flow und dem Uses and Gratification Ansatz, soll die Wirkung der Medien und des Sozialsystems Journalismus auf die Individuen und Gruppen der Gesellschaft verdeutlicht werden. Aus der Kommunikatorforschung wird der Gatekeeper-Ansatz belangt, um darzustellen, welche Faktoren Journalisten bei der Themenselektion tangieren.

Um die theoretischen Effekte des Systems Journalismus anschaulich zu präsentieren, werden die Wirkungen von Medien mit einem Beispiel belegt. Dieser Exkurs beschäftigt sich mit der jüngeren politischen Vergangenheit. Am Beispiel der Zuschauerreaktionen auf die Attacken in den USA am 11. September 2001 werden die grundlegende Annahmen der Medienwirkungsforschung erklärt.

Zu Beginn sollen die grundlegenden Begriffe ‚Medien’ und ‚Journalismus’ definiert werden.

2. Medien und Journalismus

2.1 Was sind Medien?

„Medium“ ist das lateinische Wort für Mittel, Mittler, Vermittler. Es wird in der Kommunikationswissenschaft verwendet für Vermittlungsinstanzen, die natürliche oder technische Botschaften übermitteln. Zu diesen Medien gehören also Körpersprache und Mimik genauso wie Farbe und Papier, Telefon, Internet und Rundfunk (der Begriff Rundfunk steht für Hörfunk und Fernsehen gemeinsam).

In der Fachliteratur hat sich die Unterscheidung der Medien am Grad ihrer Technisierung durchgesetzt[2]. Dabei bezeichnen Primärmedien jene Vermittlungsinstanzen, die ohne den Einsatz von Technik auskommen (wie zum Beispiel das Theater). Sekundärmedien setzen Technik auf der Produzentenseite ein (Zeitung) und um tertiäre Medien empfangen zu können, muß sowohl auf der Produktionsseite als auch auf der Rezipientenseite Technik eingesetzt werden. Dies ist der Fall, wenn zur Rezeption ein Empfangsgerät notwendig ist und das Signal von einem Sender oder Provider ausgestrahlt wird (Radio, Fernsehen, Internet).

Neben den technischen Medien existieren materielle Medien, kommunikative Zeichensysteme und Medien, die soziale Institutionen verkörpern[3]. Materielle Medien sind Licht, Zelluloid und Papier; kommunikative Medien sind Zeichensysteme wie Sprache, Bilder und Töne und Medien als soziale Institutionen bezeichnen die einzelnen Formate oder die „Gesamtmedien“ wie „der Film“ oder „das Fernsehen“.

Die elementarsten Vermittlungsinstanzen[4] sind heute die Massenmedien Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet. Als Gutenberg 1450 den Buchdruck erfand, wurde erstmals die massenhafte Produktion zur Verbreitung von Informationen unter Nicht-Anwesenden möglich. Dies führte im Jahre 1609 zu den ersten periodisch erscheinenden Wochen- und Tageszeitungen in Deutschland. Das nächste Massenmedium trat erst 300 Jahre später in die Öffentlichkeit: in der Weimarer Republik wurden erstmals Radiosendungen ausgestrahlt[5]. Auf der Funkausstellung 1932 begrüßt Albert Einstein als Gastredner schließlich das neue Medium ganz offiziell. Seine Rede, die via Hörfunk zu empfangen war, begann mit den Worten: „Verehrte An- und Abwesende! ...“; dieser Satz illustriert die Faszination, die dem neuen Medium galt: es war nun möglich, mit Abwesenden zu kommunizieren! Schließlich wurde die moderne Kommunikation durch die Television erweitert: seit 1935 gibt es in Deutschland ein regelmäßiges Fernsehprogramm und 1967 wurde in Berlin das Farbfernsehen vorgestellt[6]. Mit dem ausgehenden 20.ten Jahrhundert ist heute das Internet, das interaktive Mediennetzwerk, das aus einem militärischen Projekt der United States of America entstand, weltweit auch unter Privatpersonen auf dem Vormarsch.

Bentele und Beck[7] beschreiben die Massenkommunikation als Interaktion, die öffentlich mit Hilfe technischer Verbreitungsmedien erfolgt. Die Massenkommunikation ist in der Regel ein einseitiger, unidirektionaler Prozeß, bei dem ein Feedback durch das Publikum sehr eingeschränkt möglich ist. Allerdings versuchen die neuen Massenmedien, wie das Internet, ihre Feedbackschleifen mit interaktiven Formate zu erweitern.

Im Folgenden sollen die Medien als elementare Institutionen im Sozialsystem Journalismus betrachtet werden[8].

2.2 Was ist Journalismus?

Die Diskussion, was Journalismus sei, wird in der Fachliteratur immer wieder aufgenommen. Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle Kommunikationswissenschaftler und Publizisten einigen können, lautet: „Journalismus ist das, was Journalisten tun“. Diese Aussage ist banal. Dennoch verdeutlicht diese Tautologie, wie schwer es fällt, den Journalismus wissenschaftlich zu definieren. Die traditionellen Aufgaben des Journalismus sind Informationsvermittlung, Kritik an gesellschaftlichen Mißständen und Kontrolle der Politik. Der Journalismus soll Integrations- und Orientierungsleistungen erbringen und sein Publikum dadurch politisch (weiter)bilden. Seine Primärfunktion ist laut Manfred Rühl „die Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation“ (Rühl 1980: S. 319). Diese normativen Arbeitsaufträge entstanden aus allgemeinen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und wurden bereits vor mehr als 150 Jahren als Elemente des Journalismus beobachtet:

„Der Journalismus überhaupt, in seinen vielfachen Verzweigungen und der ergänzenden Mannigfaltigkeit seiner Organe, stellt sich als das Selbstgespräch dar, welches die Zeit über sich selber führt. Er ist die tägliche Selbstkritik, welcher die Zeit ihren eigenen Inhalt unterwirft; das Tagebuch gleichsam, in welches sie ihre laufende Geschichte in unmittelbaren, augenblicklichen Notizen einträgt [...]“ (Prutz 1971 [1845]: S. 7).

Diese philosophische Sichtweise des Journalismus wird in der modernen Kommunikationswissenschaft anhand von analytischen Modellen seziert. Zu diesen Analysen dient unter anderem das „Zwiebelmodell“ nach Weischenberg (vgl. Abbildung 1, unten), dessen theoretische Basis das System/Umwelt Paradigma der konstruktivistischen Systemtheorie ist. Es dient zur systematischen Erfassung der Faktoren, die das System ‚Journalismus’ konstituieren und soll die tangierenden Einflüsse des Systems identifizieren.

Abbildung 1: Das ‚Zwiebelmodell’ von Siegfried Weischenberg, 1992

Das Modell klopft die diversen Umwelten, mit denen das System Journalismus in Verbindung steht, auf Formen ‚struktureller Kopplung’ ab. Der Begriff ‚strukturelle Kopplung’ stammt von Niklas Luhmann und bezeichnet die Kontaktaufnahme und Interpenetration der verschiedenen Systeme miteinander. Die Interpenetration funktioniert wie eine Brücke[9] zwischen den Systemen. Durch die Kontaktaufnahme können beide Teilnehmer ihre Leistung steigern. So kann zum Beispiel eine Interpenetration zwischen dem System Journalismus und dem System Wirtschaft dazu führen, daß die Wirtschaft dem Journalismus Geld zahlt, damit dieses eine Anzeige einer Institution (zum Beispiel einer Bank) veröffentlicht. In Ihren System-Umwelt-Beziehungen können Systeme also fruchtbare Beziehungen zueinander unterhalten. Trotzdem bleiben sie aber operativ geschlossen. Das bedeutet, daß sie im endogenen Kern des Interpenetrationspartners keine Steuerungsfunktion übernehmen.

In der Betrachtung durch Weischenbergs Zwiebelmodell wird von verschiedenen Perspektiven untersucht, ob das System Journalismus Optionen zur Interpenetration mit Systemen seiner Umwelt bietet. Folgt man der Graphik im Uhrzeigersinn und beginnt mit der Betrachtung des Segments „Normenkontext“, so bildet die Gesellschaft selbst den Umweltbezug. Die Mediensysteme, also das System Journalismus oder das System Publizistik, werden anhand der Normen der Gesellschaft analysiert. Wie oben bereits erwähnt wurde, ergeben sich die Handlungsanweisungen für das System Journalismus aus den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den historischen und rechtlichen Grundlagen der Umwelt, der praktizierten Kommunikationspolitik und den professionellen und ethischen Standards der ‚Journalistengilde[10] ’. Die Normen, die in diesem Kontext an das System heran getragen werden, ergeben sich aus den habitualisierten Werten des vorliegenden Kollektivs. So gilt in der Bundesrepublik Deutschland der Gegenwart für Journalisten beispielsweise die Norm, ihre Informationen vor der Veröffentlichung auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Anhand des Normenkontexts lassen sich auch internationale Mediensysteme und ihre politischen und traditionellen Basen vergleichen[11].

Das nächste Segment von Weischenbergs Zwiebelmodell verkörpert den Strukturkontext, dem das System unterliegt. Die endogene Struktur des Journalismussystems besteht aus den diversen Medieninstitutionen, die die Funktionen des Systems erfüllen. Die exogenen Institutionen sind andere soziale Funktionssysteme, wie etwa das System Wirtschaft. Sie konstruieren den Umweltbezug des Strukturkontextes und stellen ökonomische, politische, organisatorische und technologische Handlungsaufforderungen an den Journalismus. Diese Imperative werden in Medienordnungen wirksam. In ihrem Zentrum steht das jeweilige Mediensystem, das den institutionalisierten, modernen Journalismus beinhaltet. So verlangt ein Verlag (als Institution des Wirtschaftssystems) zum Beispiel von seinen verschiedenen Magazinen (die die Arbeit des Journalismussystems ausführen), daß sie ökonomisch und gewinnerzielend arbeiten.

In der dritten Schale der ‚Zwiebel’, die sich dem Kern des Modells nähert, wird der Funktionskontext des Systems Journalismus definiert. Hier wird das System parallel zu anderen sozialen Informations- und Kommunikationssystemen seziert. Dazu gehören zum Beispiel die Public Relations oder das Publikum. Diese Umweltsysteme können als Informationsquellen und Referenzgruppen dienen. Sie bieten Berichterstattungsmuster und Darstellungsformen, derer sich der Journalismus bedienen kann. Durch ihre Wirkungen und Rückwirkungen auf das System, konstruieren die auswärtigen Systeme eine Realität, die auch auf den Journalismus Auswirkungen hat. Darauf soll in Kapitel 4 ausführlich eingegangen werden.

Im Kern des Zwiebelmodells steht der Rollenkontext des Journalismus. Die Individuen, die als Journalisten und Redakteure im System Journalismus wirken, werden durch die demographischen Merkmale der Gruppe, ihre sozialen und politischen Einstellungen, ihr Rollenselbstverständnis und Publikumsimage sowie den Grad ihrer Professionalisierung und Sozialisation beeinflusst.

[...]


[1] Siehe unten

[2] Faulstich 1998, S. 21

[3] Bentele & Beck, in: Jarren 1994, S. 40, 43

[4] Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, sollen die Eckdaten der Mediengeschichte in der Bundesrepublik Deutschland an dieser Stelle nur kurz erläutert werden.

[5] ab 1923

[6] http://www.br-online.de/bildung/tk-deutsch/medien/folge_1/fakten.html, siehe Homepageverzeichnis

[7] Bentele & Beck, in: Jarren 1994, S. 40f

[8] vgl Kapitel 3.2.4 Organisationen und Institutionen

[9] Sinnbild übernommen von Scholl 1998, S.48

[10] In Deutschland gibt es keine Journalistengilde. Dennoch nimmt der Deutsche Journalistenverband einige der Aufgaben wahr, die im Mittelalter eine Handwerkergilde innehatte. Dazu gehört zum Beispiel die Rüge jener Mitglieder, die sich in Ausübung ihrer Profession unehrenhaft verhalten haben.

[11] Scholl 1998, S. 21ff

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Medien und Journalismus
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Lehrstuhl fuer Soziologie II)
Veranstaltung
HS Soziologie der Medien und Kommunikation
Autor
Jahr
2001
Seiten
37
Katalognummer
V287
ISBN (eBook)
9783638102100
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Auf Seite 5 fehlt die Graphik des Zwiebelmodells von Weischenberg, da ich kein Bild im Internet finden konnte und kein Scanner verfuegbar war. Die Graphik ist bei Weischenberg 1992, Journalistik, Band I einsehbar. In der gedruckten Version wurde dieses Bild {ganz unprofessionell} per Kopierer eingefuegt. Sorry! 128 KB
Schlagworte
Journalismus als soziales System, Medienwirkungsforschung
Arbeit zitieren
Sarah Pust (Autor:in), 2001, Medien und Journalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287

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