Pilotprojekt "Inverted Classroom". Das Vertauschen von Wissensvermittlung und Üben

Reflektierende Dokumentation


Praktikumsbericht / -arbeit, 2015

53 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Praktikumsstelle
2.1 Projekt
2.2 Auftraggeber und Rahmenbedingungen
2.3 Analyse der Zielgruppe

3 Projektablauf und bildungstheoretische Rahmung
3.1 Die Planung - Analyse und Design
3.2 Die Durchführung - Development und Implementation
3.3 Die Auswertung – Evaluation

4 Projektmanagement

5 Qualitätssicherung

6 Evaluation

7 Reflexion des Blogs

8 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Umsetzung des „Four-Step Combo“ im Projektablauf (Eigene Darstellung, angelehnt an Cox, 2009, S. 11)

Abbildung 2: Umsetzung der Qualitätssicherung im Projekt (Eigene Darstellung, angelehnt an Deming, 2000, S. 88)

1 Einleitung

Diese Arbeit ist die reflektierende Dokumentation eines Praktikums, die der Prüfungsabschluss des Moduls 3B „Praxis der Mediendidaktik“ im Studiengang Bildungswissenschaften ist. Reflektiert wird die Planung, Durchführung und Evaluation eines Pilotprojektes zum „Inverted Classroom“, welches die Autorin an der FernUniversität in Hagen von Oktober 2014 bis Januar 2015 absolviert hat. Das Modell des „Inverted Classroom“ fokussiert den Lernenden und seine Aktivitäten. Die selbstständige Auseinandersetzung mit Lerninhalten und die Zeit für gemeinsame Übung und Anwendung des erlernten Wissens in der Präsenzphase ist der Mittelpunkt des Konzeptes. Im Rahmen des Projektes wurde diese Theorie mit der Praxis verknüpft und konzeptionell umgesetzt. Im zweiten Kapitel wird das Projekt skizziert. Beginnend mit dem Tätigkeitsfeld des Projektes und der Analyse der Zielgruppe, wird die Autorin den Auftraggeber vorstellen und die Rahmenbedingungen erläutern. Im dritten Kapitel wird der gesamte Prozessablauf des Projektes systematisch dargestellt. Bildungstheoretisch werden für die Prozessphasen des Projektes das ADDIE-Model, für die didaktische Strategie das Ur-Model von Gagné sowie die Pädagogik John Deweys herangezogen. Im vierten Kapitel werden das Projektmanagement im Allgemeinen und seine Bedeutung für dieses Projekt dargestellt. Im fünften und sechsten Kapitel werden Qualitätssicherung und Evaluation theoretisch dargelegt und auf die im Projekt durchgeführten Maßnahmen bezogen. Im siebten Kapitel wird der projektbegleitende und selbstentwickelte Blog reflektiert. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und mit einem Ausblick in Bezug auf die Entstehung und Entwicklung einer bildungswissenschaftlichen Profession im Spannungsfeld von Theorie und Praxis. Zur Vereinfachung wird in dieser Arbeit nur die männliche Personenform verwandt, die jedoch als geschlechtsneutral verstanden werden und dazu dienen soll, den Lesefluss zu erleichtern.

2 Praktikumsstelle

Die Autorin hat sich bereits während ihres Studiums der Bildungswissenschaften mit dem Modell des „Flipped Classroom“ in Bezug auf den Schulbereich beschäftigt. Im Rahmen einer mündlichen Prüfung im Modul „Mediale Bildung und Medienkommunikation“ hat die Autorin die Potentiale digitaler Medien zur Förderung unterschiedlicher Bedürfnisse von heterogenen Schülern reflektiert. In diesem Themenzusammenhang unterhielten sich die Autorin und die Professorin über das Modell des „Inverted Classroom“. Durch die Begeisterung der Autorin für das Konzept und das konstruktive Gespräch ist die Idee entstanden, das Modell des „Inverted Classroom“ im Einführungsmodul des Lehrgebietes auszuprobieren und als Pilotprojekt durchzuführen. Nachfolgend wird das Projekt genauer beschrieben, eine Übersicht über Arbeitgeber und Rahmenbedingungen gegeben und die Zielgruppe analysiert.

2.1 Das Projekt

Der Grundgedanke des „Inverted Classroom“ ist es, die Wissensvermittlung und das Üben zu vertauschen. Bereits seit den 1990er Jahren gab es die Idee, Präsentationen zu Kursthemen vor dem Präsenzunterricht zur Verfügung zu stellen, so dass die Lernenden sich vorbereiten konnten. Das Konzept wurde hauptsächlich in Feldern eingesetzt, wo die Anwendung des Wissens im besonderen Fokus stand oder bei Einführungsvorlesungen mit gleichbleibend zu vermittelnden Basiswissen. Zunächst wurde das Modell an Präsenzuniversitäten und nachfolgend auch im Schulbereich umgesetzt. An einer Präsenzuniversität erfolgt dann die Inhaltsvermittlung zeit- und ortsunabhängig zum Beispiel über elektronischen Medien, wie Lernvideos, Zuhause und die Übung und Anwendung der Inhalte in den Vorlesungen. Studierende können sich die Inhalte in Ihrem eigenen Tempo und individuell über die Lernvideos aneignen und sich zusätzlich über weiterführende Links oder Materialien mit den Themen noch stärker auseinandersetzen (Handke & Sperl, 2012, S. 5-7). Im Rahmen des Pilotprojektes ist das Konzept bei der Inhaltsvermittlung sowie der Struktur der Präsenzveranstaltung eingesetzt worden. Die Projektidee beinhaltete die Einrichtung einer speziellen virtuellen Lernumgebung, die Konzeption des Lernarrangements sowie die strukturelle Modifikation der Präsenzveranstaltung. Zu den Aufgaben der Autorin gehörten die Konzeption und Umsetzung eines Erklärfilms zum Pilotprojekt „Inverted Classroom“ (Anhang I), der den Studenten neben den Lernvideos in der Lernumgebung (Anhang II) zur Verfügung gestellt werden sollte. Des Weiteren war sie sowohl für die kreative Bearbeitung und Umsetzung der Lernvideos, der Einrichtung der Lernumgebung, der Entwicklung unterstützender Lernmöglichkeiten, wie Crosswords, Aufgaben, Quizfragen (Anhang III) und weitere Features, als auch für die organisatorische Betreuung der Studenten zuständig. Darüber hinaus erstellte sie das Gesamtkonzept für die physische Lernumgebung (Anhang IV), entwickelte die einzelnen Übungen und wirkte aktiv in der Präsenzveranstaltung mit.

2.2 Auftraggeber und Rahmenbedingungen

Die FernUniversität Hagen ist die erste und einzige öffentlich-rechtliche Fernuniversität in der deutschen Hochschullandschaft. Das Studiensystem unterscheidet sich von anderen Präsenzuniversitäten durch sein „Blended Learning“ Konzept. Das Studienmaterial wird den Studenten zur selbstständigen Wissensaneignung zugesandt. Die Betreuung erfolgt online, persönlich oder über Präsenzveranstaltungen. Das System des „Blended Learning“ kann man mit dem Konzept des „Inverted Classroom“ vergleichen, da es ähnliche Merkmale aufweist, wie zum Beispiel die Abwechslung von selbstständigen und kooperativen Lernphasen. Der „Inverted Classroom“ erlaubt jedoch mehr ein personalisiertes und individualisiertes Lernen, da die ausgewählten Inhalte genau auf die Gruppe der Lernenden abgestimmt sind und die Auseinandersetzung mit diesen Lerninhalten eine zwingende Voraussetzung für die Präsenzphase ist (Handke & Sperl, 2012, S. 6). Innerhalb der Fakultät „Kultur und Sozialwissenschaften“ wird der Bachelorstudiengang „Bildungswissenschaften“ angeboten. Der Einstieg in diesen Studiengang ist das Modul „Einführung in die Bildungswissenschaften“. Das Modul beinhaltet insgesamt drei Kurse. Für das Pilotprojekt wurden aus einem der drei Kurse vier Themenbereiche ausgewählt. Die Autorin arbeitete in ihrem Projekt eng mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Lehrgebietes zusammen, die Ansprechpartner für die Inhalte der einzelnen Themenbereiche waren. Der Einsatz von unterschiedlichsten Medien an der FernUniversität sowie im Lehrgebiet ist ein zentrales Element des Studiensystems. Insofern konnte die Autorin im Hinblick auf die Produktion des Erklärfilms interdisziplinär mit dem Zentrum für Medien und IT der FernUniversität zusammenarbeiten. Zur selbstständigen Aufnahme der thematischen Lernvideos stand den wissenschaftlichen Mitarbeitern die passende Software im Lehrgebiet zu Verfügung. Des Weiteren konnte die Systemadministratorin des Lehrgebiets bei den technischen Details alle Beteiligten kompetent unterstützen. Für die Durchführung der geplanten Präsenzveranstaltung standen die Lehrgebietsinhaberin, die drei wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Autorin zur Verfügung. Räumlichkeiten und Technik waren vorhanden und wurden rechtzeitig reserviert.

2.3 Analyse der Zielgruppe

Zielgruppe waren die im gesamten Einführungsmodul eingeschriebenen Studenten. Ihnen wurde im Rahmen des Pilotprojektes die freiwillige Teilnahme an der ergänzenden Lernumgebung in Verbindung mit der dazu abgestimmten Präsenzveranstaltung angeboten. Wichtig bei der Analyse der Zielgruppe ist ein spezifisches Merkmal, welches die Studenten der FernUniversität von Studenten an einer Präsenzuniversität unterscheidet – die Heterogenität. Die Studenten bringen sehr unterschiedliche Bildungsbiographien, Voraussetzungen und Gründe für das Studium mit. Die Altersstruktur ist durchmischt und eher fortgeschrittener. Der größte Teil der aktiven Studenten sind berufstätig. Ein gemeinsames Handlungsfeld ist jedoch vorhanden. Die Studenten zeigen auf der einen Seite durch ihre Immatrikulation die Bereitschaft zum „Blended Learning“, müssen jedoch auf der anderen Seite in hohem Maße Fähigkeiten, wie Selbstständigkeit und Selbstorganisation, mitbringen. Die selbstbestimmte Wissensaneignung kann gerade Studenten des ersten Semesters überfordern. Das Konzept des “Inverted Classroom” sollte hier ansetzen und den Studenten in ihrem Lernprozess weiterhelfen, ihre Selbsttätigkeit aktivieren, die Auseinandersetzung mit den Inhalten intensivieren, die Studierbarkeit erleichtern und die Inhaltsvermittlung flexibel gestalten.

3 Projektablauf und bildungstheoretische Rahmung

Den systematischen Projektablauf hat die Autorin in die fünf Entwicklungsphasen, Analyse, Design, Development, Implementation und Evaluation, des sogenannten ADDIE-Modells eingebettet. Das ADDIE-Modell ist der Oberbegriff für Instruktions-System-Design-Modelle. Diese Modelle beziehen sich auf den gesamten Gestaltungs- und Planungsprozess einer Instruktion (Bastiaens, Schreiber, Deimann, Orth, 2010, S. 36-37). Eine Instruktion besteht aus definierten Ereignissen, die von außen auf den Lernenden einwirken und ihn in seinem Lernprozess unterstützen sollen (Gagné, Wager, Golas, Keller, 2005, S. 194). Für die Identifikation von Lehr- und Lernzielen wurde das Ur-Modell von Gagné herangezogen. Die Basis für das Modell ist die Instruktionsgestaltung in Verbindung mit didaktischen Verfahren, welche in Lernzielkategorien und Lernschritte aufgeteilt sind. Die Pädagogik des Pragmatismus von John Dewey ist der Autorin nicht nur bereits zu Beginn ihres bildungswissenschaftlichen Studiums begegnet, sondern hat sie immer begleitet und fortwährend begeistert. Im Mittelpunkt seiner „kommunikativen Interaktionspädagogik“ steht das erfahrungsbezogene, verständige Lernen, welches selbstständige Denk- und Forschungsprozesse anregt und handlungsbezogene Reaktionen in einer für den Lernenden förderlichen Umgebung hervorruft (Schäfer, 2005, S. 135f). Insofern betrachtet sie Deweys Pädagogik als Rahmung des Projekts, insbesondere bei der Umsetzung der Präsenzveranstaltung. Nachfolgend wird der Handlungsablauf dokumentiert.

3.1 Die Planung - Analyse und Design

Der Designer einer Instruktion beschäftigt sich zunächst mit der Bedarfsanalyse und der Festlegung des Zieles. Mit der Absicht Vorhandenes zu nutzen, es in eine andere Richtung zu bewegen und weiterzuentwickeln, sichtet er zunächst das bestehende Material und legt fest, welche Modifizierungen und weiteren Ergänzungen im Hinblick auf die Bedürfnisse angebracht sind und entwickelt werden sollen (Gagné et al., 2005, S. 32). Neben der Zielgruppe stellte sich zu Beginn der Planung die Frage, wie das Konzept eingesetzt werden sollte (Analyse). Ziel war es, die Lernumgebung und die Präsenzveranstaltung, unter Berücksichtigung von Zeit- und Personalkapazitäten, für insgesamt vier ausgewählte Themenbereiche aus dem Kurs 33040 „Erziehung-Bildung-Sozialisation“ des Moduls, anhand des Konzeptes zu modifizieren und zu novellieren. Die Themenbereiche waren die Geisteswissenschaftliche Pädagogik, das Erziehungskonzept von Rousseau, Platon und das Höhlengleichnis sowie Durkheims Sozialisationstheorie. Geplant war, die zu vermittelnden Lerninhalte über die Lernvideos und individuellen handlungsbezogenen Lernmöglichkeiten in der Lernumgebung ab Anfang Dezember bis zum Ende des Wintersemesters 2014 bereitzustellen. Die Studenten sollten auch interaktiv tätig werden. Zu diesem Zweck war die Integration von Lernquizzes in die Lernvideos vorgesehen. Die Lerninhalte, als fachliches Ziel, waren eine erforderliche Voraussetzung für die Präsenzveranstaltung. Die primären didaktischen Ziele waren, der selbstständige und flexible Wissenserwerb über die Lernvideos, Interaktivität durch die Quizfragen, Selbsttätigkeit über die Lernmöglichkeiten und die intensive Auseinandersetzung mit den Lerninhalten auf der für Anfang Januar geplanten Präsenzveranstaltung. Bei der Konzeption (Design) des Lernarrangements orientierte sich die Autorin an den fünf Lernzielkategorien und innerhalb dieser an den neun Lernschritten aus dem Ur-Modell von Gagné. In den Lernzielkategorien werden unterschiedliche Einordnungen der individuellen Lernleistung vorgenommen. Jeder dieser Bereiche benötigt unterschiedliche Herangehensweisen für ein erfolgreiches Lernen (Gagné et al., 2005, S. 48). Die erste Lernzielkategorie betrifft die intellektuellen Fähigkeiten. Die Studenten sollten sich die Inhalte der Themenbereiche über die Videos aneignen, diese kennen und mit Hilfe der Crosswords, Quizfragen und Reflexionsaufgabe erklären sowie einordnen können. Die zweite und dritte Lernzielkategorie betrifft die kognitive Strategie und das verbale Wissen. Die Verknüpfung, die Übertragung und die Anwendung sowie die Präsentation von Lerninhalten wurden mittels der Videos, audiovisuell, individuell und durch die wissenschaftlichen Mitarbeiter personalisiert vorab in der virtuellen Lernumgebung vorgetragen. Die Studenten sollten in der Präsenzveranstaltung die erlernten Inhalte in den kooperativen und kollaborativen Übungen in Beziehung setzen, neu einordnen und reflektieren. Die erarbeiteten Übungsergebnisse sollten dann von den Studenten kreativ, zum Beispiel durch ein Rollenspiel oder mit der selbstständigen Aufnahme eines kleinen Lernvideos über ein Tablet, dargelegt werden. Beabsichtigt war, dass der Umgang mit Medien auf der Präsenzveranstaltung zusätzlich gestärkt und intensiviert werden sollte. Bei der Aktivierung der Selbsttätigkeit in Verbindung mit Interaktionen und der selbstverständlichen Nutzung der angebotenen Medien bezog sich die Autorin auf die vierte und fünfte Lernzielkategorie, der Verstärkung einer positiven Einstellung und gleichzeitiger Unterstützung von motorischen Fähigkeiten (Gagné et al., 2005, S. 49-53). Die neun Lernschritte innerhalb der fünf Lernzielkategorien von Gagné beziehen sich auf die Aktivitäten des Lehrenden und des Lernenden. In Bezug auf die ersten beiden Lernschritte, Neugierde hervorrufen und Aufmerksamkeit erzielen, sollten durch die schriftliche Bekanntmachung der speziellen virtuellen und physischen Lernumgebung inklusive der Eingrenzung des Zeitrahmens und der Themengebiete sowie die Ankündigung der Lernvideos und des Erklärfilms, die Neugier der Studenten geweckt und die Lehr- und Lernziele klar mitgeteilt werden. Der dritte und vierte Lernschritt beinhaltet einmal auf vorhandenem Wissen aufzubauen und das passende Lernmaterial zu präsentieren. Die Studenten hatten die Themen innerhalb der drei Kurse zu Beginn des Einführungsmoduls schon kennengelernt. In der Lernumgebung „Inverted Classroom“ wurde mit den vier davon ausgewählten Themen darauf aufgebaut und somit an das Vorwissen der Studenten angeknüpft. In den Lernvideos wurden die passenden Inhalte dazu präsentiert. Der fünfte bis achte Lernschritt bezieht sich auf unterstützende Maßnahmen, wie das Angebot von Lernhilfen, Gelerntes selbst anwenden zu lassen, Feedback zu geben und Tests durchzuführen. Diese Schritte wurden in der virtuellen Lernumgebung mit in den Videos eingebundenen Fragestellungen, den Quizfragen mit Feedbackfunktion, mit den zur Bearbeitung bereitgestellten Crosswords und der Reflexionsaufgabe berücksichtigt. Für jederzeit abrufbare Lernmöglichkeiten war geplant, dass die Lernumgebung und speziell die Lernvideos auch über Tablet oder Smartphones zur Verfügung standen. Die Inhaltsvermittlung über Lernvideos hilft Studenten flexibel Lernen zu können und ihre Zeit zu managen (Bergmann & Sams, 2012, S. 22). Des Weiteren konnten in der Lernumgebung Fragen gestellt werden, die dann in die Präsenzveranstaltung integriert werden sollten. Der neunte Lernschritt, der Transfer des Gelernten und die Problemlösung sollte auf der praxis- und übungszentrierten Präsenzveranstaltung ausgeführt werden (Gagné et al., 2005, S. 194-201).

3.2 Die Durchführung - Development und Implementation

In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Medien konnte der Erklärfilm mit integriertem Scribble erfolgreich produziert werden. Bilder sagen mehr als tausend Worte. Ein Scribble soll einen Gegenstand oder eine Situation bildhaft, kurz und prägnant darstellen. Die Kernbotschaft ist auf das Wesentliche reduziert und die Darstellung ist einfach und überschaubar (Stöcker, 2013, S.95-96). Auch die thematischen Lernvideos wurden durch die wissenschaftlichen Mitarbeiter fristgerecht fertiggestellt. Die Quizfragen konnten technisch nicht, wie ursprünglich geplant, in die Lernvideos integriert werden. In Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern konnte jedoch zügig eine gute Alternativlösung gefunden werden. In den Lernvideos wurden neben den Fragestellungen, Callouts oder mündliche Hinweise auf die Quizfragen gegeben, welche dann in der Lernumgebung direkt unter dem entsprechenden Themenbereich bearbeitet werden konnten. Die virtuelle Lernumgebung wurde pünktlich Anfang Dezember freigeschaltet (Implementation). Insgesamt nahmen 35 Studenten an dem Pilotprojekt teil. Die organisatorische Betreuung und Begleitung der Studenten lief planmäßig und nach anfänglicher Zurückhaltung konnte im Zeitraum bis zur Präsenzveranstaltung eine laufende Aktivität in der Lernumgebung festgestellt werden. Die Autorin animierte die Studierenden zusätzlich mit Hinweisen zu den Lernmöglichkeiten und Features und motivierte sie mit einer Überraschung für denjenigen, der zuerst die Lösung aller Crosswords posten würde. Zu den Features gehörten neben erweiterten Literaturhinweisen auch spannende themenspezifische Filmdokumentationen. Des Weiteren wurden von den Studierenden auch Beiträge zur Reflexionsaufgabe erbracht. Die Aufgabe eines Lehrers ist es, eine Umgebung zu konzipieren, die den Lerner anregt, weiterentwickelt, tätig werden lässt und zur Selbstständigkeit befähigt. Unterricht sollte immer mit einer Tätigkeit durch Sachverhalte beginnen und eigene Erfahrung und Erkenntnis hervorrufen (Oelkers, 2011, S. 240-246). Die Präsenzveranstaltung folgte am 10. Januar 2015. In Anlehnung an Dewey, stellte die Autorin sich trotz guter Planung und intensiver Vorbereitung vor der Durchführung der Präsenzveranstaltung die Frage, ob auch die physische Lernumgebung die Studenten wirklich aktivieren und anregen würde? Zur Präsenzveranstaltung meldeten sich 33 Studenten an. Bedingt durch Krankheiten und das zusätzliche Sturmtief über NRW nahmen insgesamt 26 Studenten an der Präsenzveranstaltung teil. Das „Warm up“ begann nach dem Abspielen des Erklärfilms und einem kurzem Überblick auf den Tag sofort mit der gemeinsamen Lösung eines neuen Crosswords und der Möglichkeit weitere offene Fragen zu stellen. Hier sollten die Aktivitäten und Bedürfnisse der Studenten direkt zu Beginn in den Mittelpunkt gestellt und die Aufmerksamkeit geweckt werden. Im Anschluss wurde unmittelbar mit der ersten Übung „Netzwerk“ begonnen, in der Begriffe thematisch zugeordnet, erklärt und mit den Begriffen der Kommilitonen inhaltlich vernetzt wurden. Eine Lehrperson gestaltet Umgebungen und verwendet dementsprechendes Material, so dass Lernende sich damit eigenständig und selbstverantwortlich auseinandersetzen können. Die Lehrperson leitet indirekt an (Schäfer, 2005, S. 163). Die Studenten nahmen bei der Erklärung der Begriffe, der gedanklichen Zuordnung und Vernetzung der Themenbereiche innerhalb der Gruppe aktiv teil. Lernenden sollen Begriffe nicht nur kennen sondern auch wissen, welchen Sinn und Bedeutung sie im Gesamten haben (Oelkers, 2011, S. 294-295). Während der Übung regten die Professorin und die wissenschaftlichen Mitarbeiter zusätzlich durch Reflexionsfragen einen thematischen Diskurs zwischen allen Beteiligten an. Ein Lehrer, der für eine zum Denken anregende Umwelt sorgt, mit den Lernenden gemeinsam Erfahrung macht und an ihren Tätigkeiten Anteil nimmt, hat alles getan um das Lernen zu unterstützen (Oelkers, 2011, S. 213). Zu beachten war bei der Durchführung der Präsenzphase auch die veränderte Rolle der Dozenten. Da die Übungen nach dem Konzept des „Inverted Classroom“ lernzentriert und offen gestaltet wurden, waren die Tutoren nicht mehr nur Präsentierende. Auf der einen Seite geben Lehrende Prozesskontrolle ab, auf der anderen Seite können sie jedoch differenzierter erkennen und darauf reagieren, was die Studierenden verstanden haben und nicht. Der Augenmerk in der Präsenzphase des „Inverted Classroom“ liegt auf den Studierenden und der Veranstaltungsprozess kann flexibel gestaltet werden (Handke & Sperl, 2012, S. 80). In den weiteren Übungen „Anwendung und Praxis“ sowie „Studenten erklären Studenten“ hatten die Studierenden die Aufgabe kooperativ ihr Wissen anzuwenden, zu reflektieren und eine neue Art der Ergebnisdarstellung auszuprobieren. Die Gruppenergebnisse konnten durch die eigenständige Aufnahme eines kurzen Lernvideos per Tablet und die Vorführung in der Präsenzveranstaltung präsentiert werden. Das Lernvideo sollte dann in der Lernumgebung zur Verfügung gestellt werden. Diese Art der Präsentation sowie auch das Rollenspiel wurde jeweils von einer Gruppe durchgeführt. Schüler sollten angeregt werden Aufgaben direkt zu lösen, neue Herangehensweisen auszuprobieren und zu lernen, zwischen den Resultaten differenzieren zu können (Oelkers, 2011, S. 226). Die Autorin rechnete in der Planung mit einer höheren Teilnahme bei der Nutzung dieser Präsentationstechniken. Die drei anderen Gruppen entschieden sich jedoch für die klassische Flip-Chart Präsentation. Nach den unterschiedlichen Präsentationen der Gruppenergebnisse und den Feedbacks zu den Vorträgen, sollte die Präsenzveranstaltung mit der Wiederaufnahme und Klärung der Fragen sowie der Verteilung eines Fragebogens enden. Der bereits überschrittene Zeitrahmen ließ die geplante Wiederaufnahme jedoch leider nicht vollständig zu und die Tutoren und die Autorin entschieden sich, die noch immer offenen gebliebenen Fragen in der virtuellen Lernumgebung mit den Studierenden weiter zu reflektieren. Lehrstoff nur darzubieten erscheint effizient und effektiv. Der Zeitverlust den eine Methode hervorruft, in der die Lernenden selbstständig und erfahrungsbezogen Lernen, wird durch das Interesse und aktive Verständnis ausgeglichen (Oelkers, 2011, S. 290).

3.3 Die Auswertung - Evaluation

Die letzte Prozessphase des ADDIE-Modells ist die Auswertung (Evaluation). In dieser Phase wird bestimmt, ob die Lösung eines Problemfeldes erfolgreich war (Gagné et al., 2005, S. 35). Im Hinblick auf die Projektziele und die Qualität der Maßnahme war es zunächst wichtig zu erfahren, wie die Teilnehmer auf die Lernumgebung mit Lernvideos und Lernmöglichkeiten reagierten. Wie und was wurde in der Lernumgebung genutzt, wie aktiv waren die Studierenden, wie wurden die Lernmöglichkeiten bisher bewertet und welche Auswirkungen hatten die Lernvideos auf die erste Lernphase bis zur Präsenzveranstaltung. Die Autorin hat zwei Umfragen in Form von schriftlichen Fragebögen erstellt um durch die Teilnehmer Informationen und Beurteilungen zu den Lernumgebungen und den novellierten Lernmöglichkeiten zu erhalten. Die erste Umfrage stellte die Autorin Mitte Dezember als Online-Umfrage (Anhang V) in der Lernumgebung bereit. Die Teilnahme an der Umfrage war freiwillig. Hier konnte schon während der Implementation eine erste Wirkungsanalyse durchgeführt werden. Die einzelnen Phasen des ADDIE-Modells stehen in einem iterativen Verhältnis zueinander. In jeder Phase können Evaluationsmaßnahmen durchgeführt werden, die eine Überarbeitung innerhalb der vier Komponenten des Modells aufzeigen kann (Gagné et al., 2005, S. 21). Aus der ersten Online-Umfrage mit 13 Teilnehmern ergab sich, dass die Lernvideos von über 90% mit einer zeitlichen Verteilung von mindestens einmal bzw. ein- bis zweimal pro Woche geschaut, und von allen Teilnehmern als nützlich bis sehr nützlich eingeschätzt wurden. Die Konzeption der Videos wurde von nahezu allen Befragten als gut bis sehr gut bewertet. Durch die Lernvideos fühlten sich 69% zum Lernen motiviert und zur Reflexion der Inhalte angeregt. 62% stellten fest, dass die Lernvideos ihnen das Lernen erleichtert und bis zu 77% teilten ein besseres Verständnis der Inhalte mit. Die Übungsaufgaben und Quizfragen wurden von 92% bis 100% als nützlich bis sehr nützlich eingestuft. Durch die Antworten erhielt die Autorin bereits während der Implementation ein erstes Feedback und hatte die Möglichkeit darauf gegebenenfalls reagieren zu können. Auf Hinweise in der offenen Schlussfrage der Online-Umfrage, zu Verbesserungen und Anregungen, konnte die Autorin schnell reagieren. Ein technischer Eingabefehler konnte unverzüglich behoben werden, so dass eine einwandfreie kooperative Bearbeitung möglich war. Die Quizfragen wurden noch einmal aktualisiert und erweitert. Zunächst konnte ein positiver Trend hinsichtlich der Aktivität sowie der Nutzung der Lernmöglichkeiten festgestellt werden. Mit den Lernvideos konnte Aufmerksamkeit erzielt und Aktivität hervorgerufen werden. Aufmerksamkeit zu erzielen unterstützt den Beginn eines Lernereignisses und löst beim Start einen anregenden Impuls aus (Gagné et al., 2005, S. 194). Den zweiten Fragebogen (Anhang VI) beantworteten insgesamt 22 Teilnehmer. Aufbau und Ablauf der Präsenzveranstaltung wurden von jeweils 87% als gut bis sehr gut, die Unterstützung und Zusammenarbeit von nahezu allen Befragten als gut bis sehr gut bewertet. 78% bis 82% bewerteten den Praxisbezug und die Problembehandlung im gleichen Notenbereich. Die Übungen, „Crossword“, „Netzwerk“ sowie „Anwendung und Praxis“ empfanden 82% bis 91% als nützlich bis sehr nützlich. Der „Fragenkatalog Brainstorming“ und die Übung „Studenten erklären Studenten“ wurden von 77% bis 78% als nützlich bis sehr nützlich angesehen. 77% der Befragten teilten in der Abschlussumfrage mit, dass die Übungen in der physischen Lernumgebung ihre Reflexionsfähigkeit angeregt haben und 64% konnten die Theorien besser verstehen. Alle Befragten sahen das Konzept als sinnvoll bis sehr sinnvoll und würden es weiterempfehlen. Im Kapitel 6 wird die Autorin im Rahmen der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Bereich der Evaluation auf die in ihrem Projekt umgesetzten Auswertungen spezifischer eingehen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 53 Seiten

Details

Titel
Pilotprojekt "Inverted Classroom". Das Vertauschen von Wissensvermittlung und Üben
Untertitel
Reflektierende Dokumentation
Hochschule
FernUniversität Hagen
Veranstaltung
Bildungswissenschaften
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
53
Katalognummer
V303003
ISBN (eBook)
9783668038431
ISBN (Buch)
9783668038448
Dateigröße
4103 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
pilotprojekt, inverted, classroom, vertauschen, wissensvermittlung, üben, reflektierende, dokumentation
Arbeit zitieren
Jessica Felgentreu (Autor:in), 2015, Pilotprojekt "Inverted Classroom". Das Vertauschen von Wissensvermittlung und Üben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303003

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Pilotprojekt "Inverted Classroom". Das Vertauschen von Wissensvermittlung und Üben



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden