Islamismus und Saudi-Arabien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die wahhabitische Ideologie

3. Die Geschichte des Hauses Saud bis zur Staatsgründung

4. Das politische System und das Regime heute
4.1 Ist Saudi-Arabien ein Gottesstaat ?

5. Islamistische Strömungen gegen das Königshaus
5.1 Wie stabil ist das Regime ?

6. Vom Wahhabismusexport zur Terrorismusförderung

7. Schluß

8. Literaturliste

1. Einleitung

Die saudische Monarchie steht immer wieder im Blickpunkt der Debatten, wenn es darum geht, den Islamismus in seiner Entstehung, seiner Ausrichtung und seiner Gefährlichkeit für sowohl die westliche als auch die islamische Welt zu untersuchen. Das Königreich Saudi-Arabien bietet bei Betrachtung der letzten siebzig Jahre seit seiner Gründung die Palette der signifikanten Entwicklungen der Problematik des Islamismus. Es ist Ursprungsland der strengsten und rückständigsten islamischen Lehre, des Wahhabismus und steht für den Ausgangsort ihrer Verbreitung. Es wird von einer Dynastie beherrscht, die von einem Kurs abkam, den sie währenddessen weiter propagierte. Es steht für die Widersprüche seiner Herrscher, die sich bis heute einer Gefahr ausgesetzt sehen, die sie mit einem entscheidendem Anteil selbst erzeugten.

So soll das Hauptinteresse der vorliegenden Arbeit darin bestehen, die Paradoxie darzustellen, die sich in der Tatsache offenbart, daß das wahrscheinlich islamischste Land der Erde islamistischer Opposition, die bis zum Terror reicht, ausgesetzt ist.

Die einzelnen Kapitel bedienen sich dabei einer fast chronologischen Beschreibung der Entwicklungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Diese Bezugnahme auf die jüngere Geschichte des Landes, der das Hauptaugenmerk dieser Arbeit gilt, ist notwendig, um die heutige Situation des Staates, das seit dem 11. September 2001 in Erklärungsnot geraten ist – siehe Spiegel-Interview mit dem ehemaligen saudischen Geheimdienstchef Prinz Turki Ibn al-Feisal in der Ausgabe 11/2004 -, darzustellen.

Diese Arbeit verzichtet weitestgehend auf die Beschreibung aktueller Entwicklungen seit dem 11. September 2001, es soll nur hier kurz erwähnt werden, daß Saudi-Arabien den USA ihre Unterstützung im Anti-Terror-Kampf zugesagt hat.

2. Die wahhabitische Ideologie

Die wahhabitische Ideologie geht auf den islamischen Rechtsgelehrten Ibn Abd al-Wahhab (1703-1792) zurück, der diese islamische Reformlehre in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte. Sie basiert auf der strengen sunnitischen Rechtsschule und intendiert eine rigoristische Rückbesinnung auf den wahren, unverfälschten Islam, der sich einzig auf den Propheten Mohammed und die von ihm offenbarte und praktizierte Lehre bezieht. Der Wahhabismus setzt so einen strengen Polytheismus voraus und lehnt jegliche Form der Heiligenverehrung ab, da es keinen Mittler zwischen dem einzelnen und Gott geben dürfe. Diese Haltung kollidiert mit der des schiitischen Glaubens, weshalb die wahhabitische Lehre neben Christen, Juden, Säkularisten und Feministen die Schiiten als unislamisch verachtet. Auch jegliche Neuerungen und Hinzufügungen, die nach dem 3. Jahrhundert der Hidschra, der Auswanderung des Propheten von Mekka nach Medina, eingeführt wurden, wie der Genuß von Kaffee oder Tabak, werden abgelehnt.

Abd al-Wahhab, der sich mit dieser strengen Auslegung islamischer Verhaltensvorschriften an seinen geistlichen Vorfahren orientierte, stieß mit seinem Aufruf zur Askese, zur absoluten Gottesverehrung und zur strengsten Einhaltung religiöser Riten auf Empörung und Ablehnung seitens der Menschen in seiner Heimatoase, fand aber bald Anschluß an einige Stammeskonföderationen der arabischen Halbinsel, nachdem er den Beduinen reiche Beute im Zuge der geplanten kriegerischen Verbreitung seiner Lehre, sowie das Paradies im Falle des Todes im Dschihad versprach.

Die Verbreitung des Wahhabitentums im 18.Jahrhundert erklärt sich vor allem durch historische Veränderungen (Lewis 2003, S.136), daß heißt in der fortschreitenden Zurückdrängung des Islams durch die Christen. Der beginnende Rückzug der Osmanen, die zwar selbst Feinde der wahhabitischen Reformer waren, fand zwar in den islamischen Randgebieten statt, wurde aber bald auch im islamischen Kerngebiet als Gefahr für die gesamte islamische Welt wahrgenommen. Der wahhabitische Kriegszug richtete sich aber nicht nur gegen die Ungläubigen, sondern auch gegen die Muslime, die den strengen Auslegungen des Wahhabismus nicht gerecht wurden oder eine Form der Modernisierung anstrebten. Der Kampf gegen Sufiten, Schiiten oder andere „Verräter“ wurde mit brutaler Radikalität geführt und so die neue Herrschaft über weite Teile der arabischen Halbinsel bis nach Mesopotamien (Kerbala und Najef im Irak) ausgedehnt.

Die wahhabitische Reformlehre hat bei der saudischen Geistlichkeit und den konservativen Kräften bis heute nicht an Bedeutung verloren. Der Haß auf alle Ungläubigen wird weiterhin geschürt, der Dschihad erfährt ständige Legitimation und die Einhaltung der wahhabitischen Normen wird mit aller Schärfe überwacht. 70 Prozent der Lehrpläne in den Schulen bestehen aus wahhabitischer Indoktrination (www.jungle-world.com/seiten/2004/08/2628.php).

3. Die Geschichte des Hauses Saud bis zur Staatsgründung

Der Beginn der Verbreitung der wahhabitischen Lehre fiel mit den Anfängen der saudischen Herrschaft zusammen, als es 1744 zum Bündnis zwischen Abd al-Wahhab und dem lokal herrschenden Beduinenscheich Muhammad Ibn Saud kam. Mit der Unterstützung des jeweils anderen, versprachen sich beide, ihre Ziele verwirklichen zu können. Abd al-Wahhab hatte mit Ibn Saud einen Verbündeten, der die kriegerische Komponente der Verbreitung seiner Lehre übernahm und Ibn Saud sah mit dem Reformer an seiner Seite die Gelegenheit, seine Machtausübung vor seinen jetzigen und zukünftigen Untertanen zu legitimieren, ihr einen Sinn zu geben. Die Beutezüge Ibn Sauds wurden nun im Namen Allahs und gegen Ungläubige geführt, womit die wahhabitische Lehre ihre politische Relevanz bekam. Auf ihr basierte die sich weiter ausdehnende theokratische Herrschaft Ibn Sauds.

Auf die Eroberung und „Säuberung“ von Mekka und Medina und der schon in Kapitel 2 erwähnten Einnahme des irakischen Kerbala folgte allerdings das Ende des ersten wahhabitischen saudischen Staates, als die Osmanen mithilfe des ägyptischen Paschas die saudische Hauptstadt 1818 eroberten und Ibn Saud hinrichteten.

Die nun folgende osmanische Herrschaft über den zentralarabischen Oasengürtels hielt bis 1823, dann gelang es Turki Ibn Abdallah, einem weiteren Mitglied des Hauses Saud, mit Unterstützung der Bevölkerung, die letztendlich die strenge, aber geordnete Herrschaft im Wahhabitenreich die der von Terror und Willkür geprägten unter den Osmanen vorzogen, ein neues saudisches Reich zu gründen. Ein weiteres Mitglied der Familie Saud konnte so erneut mithilfe des Wahhabismus seine Machtansprüche durchsetzen, und diese über ein Jahrzehnt später auf seinen Sohn Faisal Ibn Turki übertragen, der die saudische Herrschaft bis zu seinem Tode 1865 gegen osmanischen Einfluß, konkurrierende Familienmitglieder und machthungrige Stämme zu verteidigen wußte.

Der Machtkampf zwischen zwei Söhnen Faisals nach dessen Tod endete im vorübergehenden Niedergang des saudischen Reiches, der Flucht des Clans und der Machtübernahme in Riad durch den Stamm Rashid.

Mit der Rückeroberung Riads 1902 durch Abd al-Aziz Ibn Saud beginnt die Geschichte des dritten, bis heute existierenden saudischen Staates. Zur Durchsetzung seiner Ziele, der Vereinigung aller Gebiete der Arabischen Halbinsel, der Überwindung des Stammespartikularismus und der Zentralisierung seines Machtbereiches, bediente Ibn Saud sich der Wiederbelebung der wahhabitischen Reformlehre. Diese ließ er durch wahhabitische Prediger missionarisch unter den Beduinen verbreiten, die sich zu Bruderschaften zusammenschlossen und in der Folge als Ikhwan (Brüder) den vom Fanatismus geprägten Kern von Ibn Sauds Streitmacht bildeten.

Die erfolgreiche Bekehrung der Beduinen, die in der Folge die absolute Nachahmung der religiösen Praxis und Lebensführung des Propheten Mohammeds betrieben, richtete sich aber schon bald gegen den König, als dieser nach dem Ersten Weltkrieg militärische Modernisierungsmaßnahmen beschloß und so mit der rückwärtsgewandten, traditionsbehafteten Denkweise der Ikhwan in Konflikt geriet.

Als Ibn Saud Ende der 20er Jahre im Gegensatz zu den Ikhwan die von Großbritannien festgelegten Grenzen akzeptierte, kam es zum endgültigen Bruch und zur militärischen Auseinandersetzung. Im Jahre 1929 unterlagen die Ikhwan-Milizen den königlichen Truppen und die Bewegung verlor ihre Bedeutung. Diese Entwicklungen der 20er Jahre zeigten beispielhaft den Opportunismus des saudischen Herrscherhauses auf, das hier wie in späteren Jahrzehnten, gegen die Ideologie, auf die seine Herrschaft beruhte, und mit deren Hilfe man sich die Mittel zur Machtexpansion schaffte, verstieß, wenn es der Sicherung der Verhältnisse diente (Heine 2001, S.144).

Nach einem erfolgreichen Eroberungsfeldzug mit einem Sieg über die Haschemiten übernahm Ibn Saud die Macht über den Hidschas mit den Städten Mekka und Medina und wurde bald darauf, nachdem er sich 1926 als König des Hidschas und Sultan von Nadjd ausrufen ließ, von den europäischen Kolonialmächten und der Sowjetunion anerkannt.

Mit einem 1927 geschlossenen Vertrag mit Großbritannien wurde offiziell die Unabhängigkeit des Königreichs anerkannt. Da allerdings für die islamischen Länder der von Ibn Saud deklarierte Alleinanspruch als Hüter der Heiligen Stätten und Schutzherr der Pilger die entscheidende Konsequenz der Gründung eines neuen saudischen Staates darstellte, verzögerte sich die Anerkennung in der islamischen Welt bis 1929, als erste Freundschaftsverträge mit der Türkei und dem Iran geschlossen wurden (1930 mit Irak und 1933 mit Transjordanien).

Im September 1932 schließt Ibn Saud mit der Ausrufung des Königreich Saudi-Arabien die Staatsgründung ab.

Die Herrschaftstrukturen bestehen heute noch in der Form, wie sie von Staatsgründer Ibn Saud geprägt wurden und sind charakterisiert von einer „horizontalen“ Thronfolge, d.h. der Machtübergabe nacheinander an jeweils alle Söhne des Monarchen (vom ältesten zum jüngsten). Daraus resultiert eine Benachteiligung der Enkelgeneration, deren Prinzen erst das Königsamt innehaben können, wenn der jüngste Sohn des Großvaters verstirbt. Die Chance der heutigen rund 5000 Prinzen, innerhalb überschaubarer Zeit mächtige Positionen angetragen zu bekommen ist demnach gering und führt zu Frustration einer ganzen Generation. Die Folgen dieser Unzufriedenheit und das Ventil, diese zu mindern, bzw. zu beseitigen sind zum einen ein von Verschwendungssucht, Bereicherung und Parasitentum geprägter Lebensstil, zum anderen immer wieder Versuche einzelner Prinzen, aktiv Einfluß auf die Politik des Landes zu nehmen (Fürtig 1995, S.56f.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Islamismus und Saudi-Arabien
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V30335
ISBN (eBook)
9783638316187
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Islamismus, Saudi-Arabien
Arbeit zitieren
Benjamin Klimaschewski (Autor:in), 2004, Islamismus und Saudi-Arabien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30335

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