Gehlen als Anthropologe und Moralphilosoph unter besonderer Berücksichtigung des Institutionenbegriffs


Hausarbeit, 2004

33 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Der Mensch
1.1 Anthropogenese und Anthropina
1.2 Kritik der Gehlenschen Anthropologie
1.2.1 Mensch und Instinkte
1.2.2 Gehlen und der Evolutionismus
1.2.3 Die Mängelwesen-Theorie
1.2.4 Die Sonderstellung des Menschen

2. Die Institutionen
2.1 Bedeutung der Institutionen
2.1.1 Institutionen als mentale Ordnungsfunktion
2.1.2 Institutionen als Selbstschutz
2.1.3 Institutionen als Bedingung der Möglichkeit zum Handeln
2.1.4 Institutionen als Voraussetzung für Kultur
2.1.5 Institutionen als Wurzel der Ethik
2.2 Institutionen und historische Analyse: „Heading for Destruction“
2.3 Fragen des Institutionenbegriffs
2.3.1 Psychologische Probleme: Institutionen als Zwang
2.3.2 Institutionenwandel
2.3.3 Gefahren von Institutionalisierung
2.3.4 Sinn von Institutionen
2.3.5 Abschließende Diskussion: Institutionen und Rationalismus

3. Moral
3.1 Gehlens ethische Konzeption
3.2 Kritik der Ethik
3.2.1 Aufteilung der Ethikbereiche
3.2.2 Verkürzung der Ethik
3.2.3 Das Problem der legitimierten Aggressivität
3.2.4 Widerlegung Gehlens innerhalb seiner ethischen Konzeption
3.3 Alternative zur pluralistischen Ethik

4. Fazit

Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Neben Scheler und Plessner war Arnold Gehlen (1904 – 1976) einer der bedeutendsten Anthropologen des 20. Jahrhunderts.

Thema meiner Arbeit ist eine umfassende Diskussion und Kritik der Gehlenschen Konzeption. Ich werde zuerst auf Gehlens Anthropologie, danach auf seine Institutionenlehre und zum Schluß auf die Moralphilosophie eingehen, wobei einem deskriptiven Teil jeweils eine Erörterung verschiedener Kernpunkte aus diesen Bereichen folgt.

Die Auswahl der betrachteten Problemkomplexe erfolgte danach, welche der Thesen m.E. am meisten kontroverse Fragen aufwerfen und am ehesten einer konsequenten Analyse und Aufzeigung ihrer impliziten Konsequenzen bedürfen.

1. Der Mensch

1.1 Anthropogenese und Anthropina

Gehlen lehnt die Herleitung des Menschen vom Tier oder von Gott ab. Gegen die Metaphysik argumentiert er, der Mensch sei nicht durch seine Geistigkeit, sondern als Ganzes ein einmaliger Gesamtentwurf der Natur.[1] Ebenso lehnt er die klassische Abstammungslehre ab, die eine unmittelbare Abstammung des Menschen von den Großaffen behauptet.[2]. Eine Abstammung von „relativ unspezialisierten Anthropoiden“ ist nur mit der Zusatzhypothese der Sonderstellung des Menschen zu akzeptieren.[3]

Diese besteht in der Bewahrung von onto-und phylogenetischen Primitivismen (Hand, Gebiß, Schädel, Haarlosigkeit, als Sekundärfolgen u.a. retardierte Geschlechtsreife, Hilflosigkeit des Kleinkindes; Retardierung nach Bolk bzw. Protogenese nach Schindewolf),[4] einer defizitären Ausstattung des Menschen als „Mängelwesen“:[5] Ihn kennzeichnen fehlender Witterungsschutz, lange Aufzucht, Instinktreduktion (Instinktresiduen: Schutz- und Pflegereaktion, Auslöserfunktion der Mimik, „Macht und Sich-Fügen“, Herdentrieb) sowie Unangepaßtheit an eine spezielle Umwelt (Weltoffenheit).[6]

Durch die konstitutive Unspezialisierheit entbehrt der Mensch der Einpassung in einen Umweltausschnitt; daher erzeugt er eine zweite Natur – die Kultur – als Kompensat seiner Mängel, er ist „von Natur aus ein Kulturwesen“.[7] Durch Handeln arbeitet er die Natur um und macht sie verfügbar. Handeln ist damit die Voraussetzung der Menschwerdung,[8] der Mensch ist also quasi ein homo agens und homo compensator.

Als Reflex der chronischen Bedürftigkeit eines nichtspezialisierten Wesens besitzt der Mensch einen gefährlichen Antriebsüberschuß (Triebhypertrophie).[9] Durch seine Unabhängigkeit der Handlungen und des Bewußtseins von den Bedürfnissen und Antrieben, die Fähigkeit, beide Seiten „auszuhängen“ („Hiat“), besitzt er jedoch andererseits die Fähigkeit zur Triebhemmung[10] und damit zur Stellungnahme, zur Freiheit. Diese schließt allerdings aufgrund der Triebentdifferenzierung und Instinktreduktion des Menschen das Risiko des Scheiterns ein[11] Daher muß eine Orientierung der Triebe durch die Institutionen stattfinden (s.u.). Kultur bedeutet Überlebenshilfe durch Institutionen (Instinktentlastung) sowie durch Technik (Organentlastung).[12] Auf Kultur ist der Mensch bereits durch seine lange Erziehungszeit ontogenetisch angelegt (Gehlen nimmt hier einen Gedanken von Uexküll auf: Der Mensch als Frühgeburt, extrauterines Jahr zwecks Enkulturation).[13] Die Entlastung des Verhaltens vom Druck instinktiver Antriebe bzw. biologischer Bedürfnisse mittels der Institutionen eröffnet dem Menschen die Chance zum Lernen ohne unmittelbare Belohnung und somit zu höheren intellektuellen bzw. kulturellen Leistungen.[14]

1.2 Kritik der Gehlenschen Anthropologie

Der Hypothese von der Sonderstellung des Menschen ordnet sich teleologisch Gehlens gesamte „anthropo-biologische“[15] Konzeption unter. Im Folgenden werde ich einige dieser Punkte darstellen und diskutieren.

1.2.1 Mensch und Instinkte

Seine Theorie der Instinktreduktion sieht Gehlen besonders durch Lorenz im Grundsatz bestätigt; im Unterschied zu Lorenz und Eibl-Eibesfeld, die in der Instinktarmut des Menschen einen durch Selbstdomestikation ausgelösten Reduktionsvorgang sehen, besteht Gehlen jedoch auf der durch die Sonderstellung des Menschen bewirkten primären Instinktreduktion.[16]

Tendenziell versucht Gehlen daher, die Rolle der Instinkte zu relativieren. So spricht er von „Instinktresiduen“ und modifiziert das ethologisch zentrale Reiz-Reaktion-Schema[17] durch die Unterscheidung von erb- (Tiere) und erwerbsmotorischen (Mensch) Reaktionen.[18] Vor allem betont er die spezifisch menschliche Plastizität, Entdifferenzierung und Konvertierbarkeit der Instinkte[19] Auch kann der Mensch den sich in einem „Gefühlstoß“ äußernden Trieb durch die Interferenz des Hiats, d.h. das Innehalten zwischen aktueller Erregung und Aktualisierung, modifizieren. Diese Modifizierung schließt die Totalhemmung, d.h. das wiederum ausschließlich menschliche Neinsagen-Können ein. Die Hiat-Hypothese Gehlens ist konstitutiv für seine Institutionenlehre.[20]

1.2.2 Gehlen und der Evolutionismus

Die vergleichende Anatomie, wie von den Evolutionsbiologen betrieben, kann nach Ansicht Gehlens die Entwicklung des Menschen nicht erklären. Der Mensch stellt eine neue „sonst nicht vorhandene, noch nie ausprobierte Richtung der Entwicklung“ dar;[21] dies erweist sich für die klassische Abstammungslehre, die versucht, die Unterschiede zwischen Anthropoiden und Menschen zu nivellieren, als „unübersehbares Problem“.[22]

Die klassische Deszendenztheorie vertritt laut Gehlen fälschlicherweise eine direkte Entwicklung (Höherentwicklung) durch Mutation und Selektion vom Anthropoiden zum Menschen. Gehlen bezweifelt aufgrund der von ihm angenommenen Charakteristika des Menschen die Anwendbarkeit dieser Prinzipien, da ihm z.B. nicht einleuchtet, worin der Selektionsvorteil der „lebensgefährlich“ verlängerten schutzlosen Jugendzeit des Menschen bestünde.[23]

Die Deszendenz lehnt Gehlen nicht grundsätzlich ab - er nimmt eine gemeinsame Abstammung der Hominiden (Menschen) und Anthropoiden (Großaffen) von einem gemeinsamen tertiären Vorfahren (vor ca.15-20 Millionen Jahren) an, der vielleicht dem unspezialisierten Proconsul africanus nahestand[24] und stimmt damit eigentlich mit führenden Darwinisten wie z.B. E. Mayr und O. Schindewolf überein[25] - aber die „strukturelle“ Sondergesetzlichkeit des Menschen und seine „autonome evolutive Entwicklung“[26] muß gewahrt werden, die Höherentwicklung darf nicht als höhere Spezialisierung interpretiert werden: Die Spezialisierung der Menschenaffen bedeutet einen Verlust der Fülle der Möglichkeiten, eine Umkehr von der Spezialisierung zurück zur Nichtspezialisierung hält Gehlen für nicht möglich: ein entsprechendes Zwischenglied müßte widersprüchliche Eigenschaften haben. Daher kann die Abstammung des Menschen von engen Verwandten der heutigen Affen nicht direkt erfolgt sein, es ist eine Zusatzhypothese erforderlich (s.o.).[27]

Das Postulat der Sonderstellung des Menschen erweist sich jedoch letztlich nicht nur für die Abstammungslehre, sondern auch für Gehlen selbst als „unübersehbares Problem“.

So kann man mit Lorenz einwenden, daß nach den Gesetzen der Evolution das Entstehen eines biologisch unangepassten Wesens schlechterdings unmöglich ist: Es überlebt jeweils das an seine Umwelt angepasste und nicht das unangepasste Wesen[28]. Immerhin könnte man den Widerspruch innerhalb der Evolutionstheorie auflösen: Alfred Lefelder nimmt an, der Mensch sei in einer seinem Verhalten und seiner Morphologie entsprechenden Umwelt (Afrika) entstanden und dann durch für ihn nachteilige Umweltveränderungen (Klimaänderungen vor und während der Eiszeiten) zum an eine konkrete Umwelt unangepaßten biologischen Wesen geworden.[29]

Gehlens Herleitung der Sonderstellung aus der Anthropogenese erscheint jedoch abenteuerlich und wenig logisch: Bis zum Prä-Anthropoidenstadium erfolgte die Evolution des Menschen offenbar normal (Zustimmung Gehlens ex silentio) nach den Regeln der Adaption, Mutation und Selektion. Dann erscheint plötzlich wie ein „deus ex evolutione“ der unspezialisierte Mensch. Nach Bolk, den Gehlen zustimmend zitiert, haben „endokrine Faktoren“[30] die Retardierung bewirkt, die verlängerte Jungendzeit etc. wird durch „autonome evolutive Kräfte“ und nicht primär durch Selektion (da kein Vorteil) bewirkt,[31] aber was versteht Gehlen genau unter diesen Kräften, und warum treten sie auf? Die von Gehlen nicht näher erläuterte „evolutive Autonomie“[32] und die damit verbundene Ausschaltung oder Reduzierung der evolutionären Mechanismen von Mutation und Selektion[33] werfen die Frage nach der Entstehung von Vielfalt (Varianz) innerhalb der Hominidenreihe und deren unspezialisierten Vorläufer auf. Wie sind zudem Varianz und Auslese innerhalb einer vom Menschen umgeformten Natur möglich? Gehlen vermeidet eine Diskussion dieser Problematik.

Ein weiterer Schwachpunkt der Gehlenschen Anthropogenese: Die Scheidelinie zwischen Anthropoiden und Hominiden (Werkzeugherstellung) nimmt man bei 2-2,3 Mill. Jahren an. Die Stabilisierung des Menschen durch Totemismus setzt Gehlen aber erst im Jungpaläolithikum - vor 40-50000 Jahren - an (Übergang von der Jägerkultur zur Sesshaftigkeit: eine differenzierte Sprache machte die symbolische Darstellung von Globalsituationen und damit rituell-darstellendes Verhalten möglich[34]). Es besteht also eine Lücke von 2 Mill. Jahren. Wie hat der morphologisch defiziente Mensch, der damals weder Instinkte noch Institutionen und Kultur hatte, in dieser Zeit überlebt?[35] Gehlen spricht einmal (m.E. etwas naiv) von einer „optimalen paradiesischen Zufallsumwelt“.[36]

Trotz dieser Ungereimtheiten ist für Gehlen die Abgrenzung gegenüber dem klassischem Darwinismus und dem traditionellem Evolutionismus essentiell, da deren uneingeschränkte Akzeptanz die Sondergesetzlichheit des Menschen aufhöbe und die gesamte Institutionentheorie (als Kompensat der Sonderstellung) zu Fall brächte.

1.2.3 Die Mängelwesen-Theorie

Den mit der Sondergesetzlichkeit des Menschen verbundenen Begriff des nicht-festgelegten, umweltenthobenen, instinktreduzierten und -entdifferenzierten Mängelwesens benötigt Gehlen, wie bereits dargestellt, zur Erklärung des Handlungsbegriffs und für seine Institutionenlehre (s.u.). Trifft er jedoch zu? Der Gehlensche Begriff des Mängelwesens hat zwei Aspekte:

1. die fehlende Angepasstheit an eine spezielle Umwelt
2. die Organprimitivismen und die mangelhafte Ausstattung des Menschen.

Beide Punkte kann man widerlegen:

Ad 1. Eine Spezialisiertheit auf eine bestimmte Umwelt kann ebenso als Mangel im Sinne von Unflexibilität und fehlender Anpassungsfähigkeit aufgefasst werden – die der Mensch hingegen besitzt. Der Widerspruch deutet sich bereits bei Gehlen selbst an: Einerseits bezeichnet er den Menschen als Mängelwesen, andererseits werden ihm seine Mängel zum Vorzug und erweisen sich geradezu als Bedingung seiner Menschwerdung. Die konkrete Unangepasstheit, die mit der Möglichkeit der Anpassung an alle möglichen Situationen verbunden ist, stellt jedoch m.E. keinen Mangel dar, sondern befähigt den Menschen zum Leben auf der gesamten Erde (und vielleicht bald auf anderen Planeten). Lorenz hat darauf hingewiesen, daß „keine Tierspezies in summa so gut schwimmen, tauchen, klettern, springen und laufen kann wie der Mensch, daß wir Spezialisten für's Unspezialisiertsein sind“.[37] Unspezialisiertsein in Bezug auf Reiz-Reaktionsschemata und in Bezug auf einen bestimmten Lebensraum ist eine Spezialisiertheit in Bezug auf die Bewältigung der Gesamtheit des denkbar Möglichen und somit die höchste Form der Überlebensstrategie.

Ad 2. Untersuchungen haben belegt, dass der Mensch seine Kulturfähigkeit einer besonders ausgefeilten biologischen Ausstattung verdankt – er ist also kein Mängelwesen.[38] Mit gleichem Recht wie den Menschen könnte man insofern die Tiere als Mängelwesen bezeichnen, da ihnen die Eigenschaften des Menschen fehlen (Landmann.157): Er besitzt im Gegensatz zu den Tieren z.B. eine einzigartige Motorik (wie Gehlen selbst zugibt[39]) und weist neben „Primitivismen“ auch Verbesserungen (z.B. Vermehrung von Sinnes-Nervenbahnen auf der von Haaren freie Hautfläche[40]) auf sowie verschiedene Spezialisierungen, die Gehlen selbst nennt (insofern widerspricht er sich), in Bezug auf soziales Zusammenleben (Auge hochempfindlich für hochkomplexe Andeutungen[41]), Werkzeuggebrauch (Hände, Tasten, Greifen[42]), Abstraktionsvermögen, gedankliche Vorwegnahme[43] und das Denken von Handlungsalternativen (Hiatbegriff). All dies wurde durch das große Gehirnvolumen des Menschen und die Entwicklung des Neokortex ermöglicht, so daß Otto Ullrich den Menschen zutreffend als gehirnspezialisiertes Wesen bezeichnet.[44] Die Entwicklung des Gehirns hat nicht nur zur Weiterentwicklung der instrumentellen Intelligenz und der Vernunft beigetragen, sondern auch zur Ausbildung von Selbstbewußtsein, Gedanken und Sprache, die Gehlen selbst als Anthropina ansieht.[45] Er interpretiert diese Fähigkeiten jedoch als Ausgleich eines Mangels und nicht als Vorteil (der Mensch denkt, weil er keine Instinkte hat).

[...]


[1] Gehlen, Arnold: Der Mensch. 8. Auflage. Frankfurt 1966, S. 14f. Im Folgenden zitiert als: Gehlen, Mensch. Gehlen will mit seiner Anthropologie den Natur-Geist-Dualismus Descartes´ überwinden (Gehlen, Arnold: Anthropologische Forschung. München 1961, S. 17. Im Folgenden zitiert als: Gehlen, Anthropologische Forschung), ebenso die Geistmetaphysik Schelers (Gehlen, Anthropologische Forschung, S. 14f.; Gehlen, Mensch, S. 22-24). Dies gelingt ihm aber nicht ganz: In den Institutionen folgt der Mensch unbewußt den Zwecken der Natur - ein Gedanke, der letztlich mit der „List des Weltgeistes“ Hegels verwandt scheint. Zudem ist der Mensch geradezu teleologisch „zur Handlung bestimmt“ (Jansen, Peter: Arnold Gehlen: Die Anthropologische Kategorienlehre. Bonn 1975, S. 80-82). Ist Gehlen nicht letztlich ein verkappter Metaphysiker und idealistischer Anthropologe, wenn sich der Mensch in der Hiat-Situation von seinen natürlichen Antrieben aufgrund einer ethischen Reflexion zu distanzieren vermag?

[2] Gehlen, Mensch, S. 14f.

[3] Gehlen, Mensch, S. 127.

[4] Gehlen, Mensch, S. 88, S. 91; Gehlen, Anthropologische Forschung, S. 47; Gehlen, Arnold: Philosophische Anthropologie und Handlungslehre. In: Siegberg, Karl (Hg.): Arnold Gehlen: Gesamtausgabe. Bd. 4. Frankfurt 1983, S. 214. Im Folgenden zitiert als: Gehlen, Handlungslehre.

[5] Den Mängelwesen-Begriff hat Gehlen von Herder übernommen, dieser verweist auf Plinius (Plin. nat. 7,1-4). Die eigentliche Quelle dürfte jedoch der Protagorasdialog Platons sein, dort findet sich m.W. erstmalig ein Hinweis auf die Kompensation menschlicher Mängel (Nacktheit, Waffenlosigkeit) mittels Kulturtechnik (Plat Prot. 321c 5-6, 321d). Ähnlich bei Xenophon (Xen mem. I,4). Es lassen sich jedoch auch für andere zentrale Begriffe Gehlens antike Parallelen aufzeigen: Unspezialisiertheit: Aristoteles verweist auf die Möglichkeit des Menschen, sich mit der Hand vielfältig zu verteidigen (Aristot. part. an. IV, 687a-b). Weltoffenheit: Poseidonios: Im Gegensatz zur tierischen Instinktgebundenheit besitzt „der Mensch inviduelle Freiheit [...] vermag schöpferisch zu wirken [...] [und] hat die Vielseitigkeit, die ihn die [...] Kultur erschaffen ließ.“ (Zitiert nach: M. Pohlenz: Stoa und Stoiker. Die Gründer. Panaitios Poseidonios. Stuttgart 1950, S. 328); Handlungsprimat: Aristoteteles betont, daß das Wesen des Menschen auf Handeln (praxiV) ausgerichtet ist. (Aristot. EN 1139a) Auch die lange Kindheitsphase wird bereits in der Vorsokratik, bei Anaximander, als Anthropinon erkannt (Anaximand. fr. 30.10)

[6] Gehlen, Arnold: Urmensch und Spätkultur. 5. Auflage. Wiesbaden 1986, S. 45. Im Folgenden zitiert als: Gehlen, Urmensch. Gehlen, Mensch, S. 33, S. 35.

[7] Gehlen, Mensch, S. 38, S. 80.

[8] Gehlen, Mensch, S. 32f., S. 37.

[9] Gehlen, Mensch, S. 57.

[10] Gehlen, Anthropologische Forschung, S. 64; Gehlen, Mensch, S. 34f., S. 53; GA 340-343.

[11] Gehlen, Mensch, S. 32; Gehlen, Anthropologische Forschung, S. 59.

[12] Gehlen, Handlungslehre, S. 244.

[13] Gehlen, Mensch, S. 45.

[14] Gehlen, Mensch, S. 29f.

[15] Gehlen, Mensch, S. 15.

[16] Gehlen, Mensch, S. 26f; GA 220f.

[17] vgl Lorenz, Konrad: Die Rückseite des Spiegels. München 1973, S. 79.

[18] Gehlen, Anthropologische Forschung, S. 110f.

[19] Gehlen, Urmensch, S. 130; Gehlen, Anthropologische Forschung, S. 117f.

[20] Gehlen, Anthropologische Forschung, S. 112-14. Der Hiat-Begriff Gehlens, d.h. das Innehalten zwischen „Antrieb, Wünschen und Interessen und deren Ausführung“ und „sie an der Erfahrung zu orientieren“ (Gehlen, Mensch, S. 55) deckt sich m.E. weitgehend mit der stoischen Synkatastasis-Lehre. Auch hier wird als Reaktion auf äußere und innere Antriebe und Eindrücke ein Aufschub (anabolh) der Handlungsausführung empfohlen und erst nach Prüfung der Vorstellungen soll deren Ausführung oder Verwerfung erfolgen. (vgl. z.B. Epikt. ench. 34).

[21] Gehlen, Mensch, S. 17.

[22] Gehlen, Mensch, S. 18, S. 45, S. 124; GA 208.

[23] Gehlen, Mensch, S. 45, S. 124f .

[24] Gehlen, Handlungslehre, S. 441, S. 443; Gehlen, Mensch, S. 99.

[25] Mayr, E.: Artbegriff und Evolution. Hamburg 1967, S. 491. Schindewolf, O.: Phylogonie und Anthropologie aus paläontologischer Sicht. In: Neue Anthropologie. Hg. v. H. Gadamer und P. Vogler. Stuttgart 1972. Bd.1: Biologische Anthropologie. Erster Teil, S. 272. Vgl. auch: Wuketis, Franz: Evolutionstheorien. Historische Voraussetzungen, Positionen, Kritik. Darmstadt 1988, S. 161.

[26] Gehlen, Mensch, S. 125.

[27] Gehlen, Mensch, S. 87f.

[28] Lorenz, Konrad: Über tierisches und menschliches Verhalten. Zitiert nach Weißmann, Karlheinz: Arnold Gehlen. Vordenker eines neuen Realismus. Bad Vilbel 2000, S. 42. Im Folgenden zitiert als: Weißmann.

[29] Lehfelder, Alfred: Was ist der Mensch? These, Antithese, Auflösung. http://www.anthropologie-online.de/html/body_was_ist_der_mensch_.html (20.02.2004).

[30] Gehlen, Mensch, S. 104.

[31] Gehlen, Mensch, S. 124f.

[32] Gehlen, Mensch, S. 125.

[33] Gehlen, Handlungslehre, S. 115f.; Gehlen, Mensch, S. 124.

[34] Gehlen, Urmensch, S. 59.

[35] Rainer Karneth, zitiert nach Weißmann, S. 66.

[36] Gehlen, Mensch, S. 128.

[37] Konrad Lorenz: Über tierisches und menschliches Verhalten, zitiert nach Weißmann, S. 42.

[38] Schmidt-Salomon, Michael: Die Entzauberung des Menschen. Anmerkungen zum Verhältnis von Humanismus und Anthropologie. http://www.schmidt-salomon.de/ (20.02.2004). Im Folgenden zitiert als: Schmidt-Salomon.

[39] Gehlen, Mensch, S. 16, S. 175.

[40] Christi, Stanko: Adolf Portmann: Ein Mangel als Vorzug. http://www.zum.de/Faecher/kR/BW/krag/portm01.htm (20.02.2004).

[41] Gehlen, Mensch, S. 64.

[42] Gehlen, Mensch, S. 65.

[43] Gehlen, Urmensch, S. 11.

[44] Otto Ullrich, zitiert nach Fuchs, Christian: Technik als Organersatz bei Arnold Gehlen. http://cartoon.iguw.tuwien.ac.at:16080/christian/technsoz/gehlen.html (20.02.2004).

[45] Gehlen, Mensch, S. 16.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Gehlen als Anthropologe und Moralphilosoph unter besonderer Berücksichtigung des Institutionenbegriffs
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für Philosophie)
Note
1-
Autor
Jahr
2004
Seiten
33
Katalognummer
V30721
ISBN (eBook)
9783638319188
ISBN (Buch)
9783638650892
Dateigröße
624 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gehlen, Anthropologe, Moralphilosoph, Berücksichtigung, Institutionenbegriffs
Arbeit zitieren
M.A. Marion Näser (Autor:in), 2004, Gehlen als Anthropologe und Moralphilosoph unter besonderer Berücksichtigung des Institutionenbegriffs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30721

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