Jene Einzelgewerkschaften, die sich seit 1949 dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) anschlossen, unterscheiden sich von anderen Gewerkschaften durch zwei Organisationsprinzipien: Dem Einheitsgewerkschafts- und dem Industrieverbandsprinzip. Den Richtungsgewerkschaften und den ihnen nahestehenden Parteien der Weimarer Republik gelang es bis 1933 nicht, ihre ideologischen Differenzen zu überwinden und eine Einheitsfront zur Abwehr des Nationalsozialismus zu bilden. Die Erfahrung des Faschismus und des antifaschistischen Widerstandes bis 1945 führten zu Bestrebungen, Einheitsgewerkschaften aufzubauen. Für DGB-Gewerkschaften gilt folglich der Grundsatz: „Ein Betrieb, eine Gewerkschaft“.
Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) auf Grundlage des Tarifvertragsgesetzes (TVG) führte bis 2010 zu einer Erweiterung dieses Grundsatzes. Tarifpluralitäten mussten grundsätzlich durch das Spezialitätenprinzip aufgelöst werden, sodass prinzipiell nur ein Tarifvertrag, der, auf den gesamten Betrieb bezogen, sachnäher war, für diesen Betrieb zulässig war. Die über fünfzig Jahre bestehende Tarifeinheit ergab sich ohne Notwendigkeit aus dem TVG und führte zu dem Grundsatz „ein Betrieb, eine Gewerkschaft, ein Tarifvertrag“. Am 27. Januar 2010 wurde dieser durch das BAG aufgegeben. Damit passte das Gericht die Rechtsprechung der gewandelten Tariflandschaft an, welche durch das Erstarken von Gewerkschaften, die nicht nach Einheits- und Industrieverbandsprinzip organisiert sind, immer häufiger Tarifkollisionen erzeugte. Dieses Urteil war Anlass einer gemeinsamen Initiative des DGBs und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mit dem Ziel, die Tarifeinheit in abgewandelter Form gesetzlich festzulegen. Diesem ungewöhnlichen Bündnis gingen Befürchtungen und Hoffnungen im Zusammenhang mit der Tarifeinheit voraus, deren Herausarbeitung und Kritik Ziel der vorliegenden Arbeit ist.
Inhaltsverzeichnis
- Exposition der Fragestellung
- Tarifkollisionen und ihre Auflösung vor dem 27. Januar 2010
- Tarifkonkurrenz
- Tarifpluralität
- Auflösung von Tarifkollisionen
- Tarifpolitische Folgen für die Gewerkschaften des DGBs
- Gefahr der Unterbietung
- Schutz vor Überbietung
- Ende des Grundsatzes der Tarifeinheit bei Tarifpluralität
- Die Initiative von DGB und BDA
- Kontroverse Diskussionen
- Spaltung der Beschäftigten
- Marginalisierung der Spartengewerkschaften
- Verhinderung der Unterbietungskonkurrenz
- Entstehung „Englischer Verhältnisse“
- Ende der Initiative…....
- Kontroverse Diskussionen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Initiative von DGB und BDA zur gesetzlichen Festlegung der Tarifeinheit. Sie analysiert die Beweggründe des DGBs, die kontroversen Diskussionen um die Tarifeinheit sowie die möglichen Folgen ihrer Umsetzung.
- Entwicklung der Tarifeinheit in Deutschland
- Tarifkollisionen und ihre Auflösung
- Die Folgen von Tarifpluralität für DGB-Gewerkschaften
- Kritik an der Initiative von DGB und BDA
- Zusammenfassung der Befürchtungen und Hoffnungen des DGBs im Bezug auf die Tarifeinheit
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beschreibt die Entstehung und Entwicklung der Tarifeinheit in Deutschland. Die Entstehung der Einheitsgewerkschaften in der Nachkriegszeit und die Einführung des Industrieverbandsprinzips werden beleuchtet. Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) führte bis 2010 zu einer Erweiterung des Prinzips „ein Betrieb, eine Gewerkschaft“. Kapitel 2 beschäftigt sich mit Tarifkollisionen und deren Auflösung vor dem Jahr 2010. Es werden die Begriffe Tarifkonkurrenz und -pluralität erklärt und die Auswirkungen der Tarifkollisionen auf Arbeitnehmer_innen, die sich in der unterlegenen Gewerkschaft organisierten, dargestellt. Kapitel 3 analysiert die tarifpolitischen Folgen der Tarifeinheit für DGB-Gewerkschaften. Es wird aufgezeigt, wie die ständige Rechtsprechung zu Gunsten der Tarifeinheit sowohl Unterbietungskonkurrenz als auch Überbietung beeinflusste.
Schlüsselwörter
Tarifeinheit, Tarifkonkurrenz, Tarifpluralität, DGB, BDA, Gewerkschaften, Arbeitnehmer_innen, Arbeitsrecht, Bundesarbeitsgericht (BAG), Tarifvertragsgesetz (TVG), Industrieverbandsprinzip, Unterbietung, Überbietung, Spezialitätenprinzip, „Englische Verhältnisse“.
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- Anonym (Autor), 2011, Die Initiative von DGB und BDA zur gesetzlichen Festlegung der Tarifeinheit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/315173