Frühes Christentum bei Alemannen und Bajuwaren im 6. und 7. Jhd.


Seminararbeit, 2004

31 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Stand der Forschung

3 Spätantike Traditionen
3.1 Geschichtliche Einordnung
3.2 Archäologische Spuren
3.3 Spätantike Missionszentren oder christliche Minderheiten?
3.4 Fazit

4 Schriftquellen
4.1 Columban-Vita
4.2 Gallus-Vita

5 Archäologische Zeugnisse
5.1 Kirchbauten
5.1.1 Aussage über das christliche Bekenntnis der Erbauer
5.1.2 Aussage über „Adelsschicht“ im Frankenreich
5.1.3 Fränkischer Einfluss
5.1.4 Beispiele für Kirchbauten
5.2 Goldblattkreuze
5.3 Christliche Symbolik auf Trachtbestandteilen
5.3.1 Christlich interpretierbare Symbolik
5.3.2 Schmuck
5.4 Amulettkapseln

6 Synkretismus
6.1 Heidnische Beigabentradition
6.2 Heidnische und christliche Trachtbeigaben
6.3 Heidnische und christliche Symbolik auf einem Fund

7 Ausblick/ Ergebnis
7.1 Das Ende der Reihengräberzeit
7.2 Bonifatius

8 Anhang
8.1 Deckblatt
8.2 Quellenauszüge
8.3 Quellenverzeichnis
8.4 Literaturverzeichnis
8.5 Abbildungen

1 Einleitung

Eine Arbeit über die Aussagemöglichkeit der Archäologie zu einem bestimmten Thema, zumal eine, die in ihrem Umfang begrenzt ist, kann nicht alle historischen und archäologischen Erkenntnisse über die entsprechenden Subjekte (hier also die Alemannen und Bajuwaren im 6. und 7. Jh.) erfassen und darstellen. Um eine befriedigende Tiefe zu erreichen muss sie sich deshalb auf einige Beispiele konzentrieren und immer wieder die Frage stellen, inwieweit sich aufgrund des Beispiels eine Aussage treffen lässt über den Grad der Christianisierung, damit über das intrinsische und von außen immer unsichtbare christliche Bekenntnis der entsprechenden Person und der Gesellschaft in der sie lebte. Dass dieses interpretierte Bekenntnis dem entspricht, was wir heute, rund 1500 Jahre später unter christlichem Bekenntnis verstehen, mehr noch, dass wir unser heutiges Verständnis als Messlatte verwenden, um zwischen „noch-heidnisch“ und „schon-christlich“ zu trennen, ist gewagt, aber wohl unumgänglich. Anders als die Geschichtswissenschaft konzentriert sich die Vor- und Frühgeschichte dabei auf Bilder und Symbole, auf „handfeste“ Überreste der damaligen Zeit und trifft sie damit vielleicht sogar besser - diese (fast) schriftlose Zeit, in der eben Bilder und Symbole eine so bedeutende Rolle spielten.

2 Stand der Forschung

Das frühe Mittelalter ist geprägt von seiner Armut an schriftlichen Hinterlassenschaften. Schriftliche Quellen über die hier behandelte Zeit sind so spärlich, dass die Bedeutung von archäologischen Quellen naturgemäß mehr in den Vordergrund rückt. Die archäologischen Spuren der Alamannen und der Bajuwaren im 6. und 7. Jahrhundert sind dabei seit vielen Jahrzehnten außerordentlich gut erforscht und dokumentiert worden. Insbesondere zur religionsgeschichtlichen Frage, wann und wie der Prozess der Christianisierung ablief, gibt es eine Vielzahl von Veröffentlichungen in den maßgeblichen archäologischen Zeitschriften, Ausstellungskatalogen und einige Monographien. In zuweilen harten wissenschaftlichen Auseinandersetzungen sind dabei zunehmend aufeinander aufbauend, und sich gegenseitig befruchtend die Grenzen der archäologischen Interpretationsmöglichkeiten immer weiter nach vorne geschoben worden. Die Frage nach dem persönlichen Glauben, aber auch nach der heidnisch geprägten Aufnahme des neuen Glaubens durch die Gemeinschaft als Ganzes, wird aber weiterhin eine spannende und letztlich niemals endgültig zu lösende bleiben.

3 Spätantike Traditionen

3.1 Geschichtliche Einordnung

Die rasante Ausbreitung des christlichen Glaubens in den ersten drei Jahrhunderten erfolgte in erster Linie innerhalb des infrastrukturell sehr gut funktionierenden römischen Weltreiches. Erste christliche Zentren entstanden in den römischen Provinzhauptstätten wie in Korinth, Athen, Ephesus, oder Karthago und diese frühchristliche Dynamik machte auch vor den germanischen Provinzen nicht halt. So bezeugt der Kirchenvater Irenäus[1] von Lyon bereits im Jahr 185 Christen in den Provinzen Ober- und Unter-Germaniens.[2] Der Afra-Kult in Augsburg gründet sich auf die heilige Afra, eine Märtyrerin um 304, die in einer der letzten Christenverfolgungen auf einer Lechinsel verbrannt worden sein soll.[3] Aufgrund der schriftlich überlieferten Afraverehrung Mitte des 6. Jahrhunderts, kann man auf eine Kontinuität derselben seit römischer Zeit schließen. Mit der sogenannten Konstantinischen Wende im Jahr 312 veränderte sich die Situation für die frühen Christen radikal. Von einer verfolgten Minderheit wurden sie schnell zu Begünstigten, später, mit den sich entwickelnden kirchlichen Strukturen, auch in großem Maße zu Trägern der Verwaltung des römischen Reiches. Ein relativ enges Netz aus Bischofssitzen entstand im Weltreich. Nachdem der obergermanisch-rätische Limes im Jahr 260 aufgegeben wurde, siedelten Alamannen im ehemals zum römischen Reich gehörenden, in Tacitus’ Germania als agri decumates[4] bezeichneten rechtsrheinischen Gebiet. Neben den neu eingeteilten Provinzen Germania I und Raetia I und II, jenseits des 294 errichteten Rhein-Iller-Donau-Limes, lebten nun Föderierte Roms, deren Ethnogenese wohl auch erst in diese Zeit fällt[5]. Bereits in dieser Zeit gab es zwangsläufig intensive Kontakte kultureller und wirtschaftlicher Art zwischen Alamannen und Romanen. Im 5. Jahrhundert expandierten die Alamannen und besiedelten nun Gebiete, die lange Zeit unter römischer Herrschaft standen und in welchen nach wie vor Romanen weiterlebten, christliche Bewohner unter alamannischer Herrschaft. Die Frage drängt sich auf, ob diese christliche Tradition entscheidend zur Christianisierung der Alamannen beigetragen haben könnte.

3.2 Archäologische Spuren

Im für uns interessanten Raum entstanden also bereits früh Bistümer in Chur, Augst/Basel, Straßburg, Speyer, Worms, Mainz und wahrscheinlich auch in Augsburg. Diese spätantike christliche Tradition lässt sich anhand vieler Fundbeispiele auch gut archäologisch nachweisen. Besonders die Vielzahl an Grabsteinen mit teilweise komplett erhaltenen Inschriften, die den Bestatteten und seine Bestatter eindeutig als Christen ausweisen, sei hier hervorgehoben. Allein in und in der Nähe von Mainz wurden etwa 100 solche Funde gemacht[6]. Der Grabstein in Abbildung 1 des 4. bis 5. Jh. aus St. Alban in Mainz soll als Beispiel dienen. Man erkennt sofort das Christogramm mit Alpha und Omega, sowie zwei Tauben, im christlichen Kontext ein Symbol für den heiligen Geist, außerdem die stilisierten Palmblätter. Die Inschrift lautet übersetzt: „Hier liegt Saturnus, der neun Jahre glücklich lebte. Sein frommer Vater...“ und man kann etwa vermuten „...setzte diesen Stein“. Neben diesen eindeutig interpretierbaren Quellen gibt es aber auch noch viele andere, zum Beispiel Brotstempel, Taubenfiguren, sowie Alltagsgegenstände mit christlichen Symbolen oder biblischen Szenen. Eine weitere Quellengattung für den Nachweis spätantiken romanischen Christentums sind die frühen Kirchenbauten, insbesondere der Dom und St. Stephan in Chur, St. Johann in Augsburg, sowie Kirchen in Mainz, Speyer und Straßburg, aber auch an vielen Orten im alten Rätien. Diese Spuren christlichen Lebens beschränken sich allerdings auf die romanisierten Gebiete, also auf Gegenden jenseits des Limes, grob gesagt also auf Gebiete westlich des Rheins und südlich der Donau und dort auf die städtischen Zentren der römischen Verwaltung. Eine christlich geprägte Landbevölkerung kann man dagegen ausschließen. Jenseits der Grenzen des römischen Reiches finden sich bis auf ganz vereinzelte Stücke (evtl. Beutestücke?) keinerlei archäologische Zeugnisse des Christentums. Spätere frühmittelalterliche Spuren der frühchristlichen städtischen Gemeinden lassen darauf schließen, dass mit der Landnahme der germanischen Völker in ehemals römischen Gebieten nicht zwangsläufig die christlichen Gemeinden aufhörten zu existieren. Im Zuge der Expansion der Alamannen lagen also romanische christliche Gemeinden, die weiterhin auf ihren Friedhöfen bestatteten und ihre Kirchen nutzten, im alamannischen Siedlungsgebiet.

3.3 Spätantike Missionszentren oder christliche Minderheiten?

Die Frage lautet nun, ob sich die christlichen Gemeinden in den ehemals römischen Provinzzentren halten konnten, vielleicht sogar eine gewisse Art von Strahlkraft entwickeln konnten, nachdem das Gebiet vom Römischen Reich aufgegeben worden war und es zu den Siedelgebieten der Bajuwaren und Alamannen wurde. Hatten diese frühen christlichen Zentren Anteil an der Christianisierung der Alamannen und Bajuwaren?

Christlich interpretierbare Funde in diesen Gebieten setzen erst wieder im 6. und 7. Jahrhundert ein. Außerdem nehmen die dann christianisierten Germanen nicht die spätantike Tradition auf, die Gräber ihrer Toten mit Grabsteinen zu schmücken, sondern benutzen eine völlig andere Bestattungssitte: die Reihengräber mit einfacher Erdbestattung. Die Beigabensitte wird an dieser Stelle für die Archäologie von zentraler Bedeutung, ist sie doch der einzige Anknüpfungspunkt um zu Aussagen über ein mögliches Christentum des Bestatteten zu gelangen. Diese Nicht-Übernahme der christlichen Grabsitte spricht deutlich gegen einen großen Anteil der romanischen Restbevölkerung an der Christianisierung. Sicher ist aber, dass die neu im Land siedelnden Alamannen früh Kontakt zu diesen „christlichen Inseln“[7] hatten, insbesondere im Elsass und der heutigen Schweiz, wo eine kontinuierliche kirchliche Struktur zu vermuten ist. Die eigentliche Phase der Christianisierung ließ nach der Besiedelung noch einige Zeit auf sich warten, sie fällt erst in 7. Jh., wie wir sehen werden, auch das ein Indiz gegen die allzu große Bedeutung der Romanen. Letztlich ist auch die Frage nach der Kontinuität der Bischofssitze sehr aufschlussreich. Zwar hielten sich die bereits in der Spätantike existierenden Diözesen von Curia/ Chur und Sabonia/ Säben, alle anderen Bischofssitze der für uns interessanten römischen Provinzen Raetia I und II und Noricum weisen entweder eine Unterbrechung auf, oder verschwinden gar völlig[8]. Im ehemaligen Germania Superior hält sich dagegen recht deutlich eine kontinuierliche Bistumsorganisation mit Augst/ Basel, Straßburg, Speyer, Worms und Mainz[9].

3.4 Fazit

Abschließend lässt sich also fast ausschließen, dass spätantike christliche Traditionen bei der Christianisierung der Alamannen und Bajuwaren eine allzu große Rolle gespielt hätten. Die archäologischen Funde, auf die später en detail eingegangen wird, deuten vielmehr sehr deutlich auf fränkischen und langobardischen Einfluss hin. Man muss sogar davon ausgehen, dass der Zustand der christlichen Gemeinden nach so vielen Jahrzehnten faktischer Isolation arg gelitten hatte und viele Traditionen schlicht in Vergessenheit gerieten, wenn man auch nicht von einem einheitlichen Bild für das gesamte von Alamannen und Bajuwaren besiedelte Gebiet ausgehen kann. Den Eindruck vermitteln uns sehr bildhaft die wenigen Schriftquellen.

4 Schriftquellen

Neben spätantiken Quellen, die uns Aufschluss über frühes romanisches Christentum in dem für uns interessanten Raum bieten, gibt es nur sehr wenige schriftliche Zeugnisse über die eigentliche Christianisierung der Alamannen und Bajuwaren und den Zustand des dortigen Christentums im 6. und 7. Jahrhundert. Es ragen vor allem zwei Werke aus dieser schriftarmen Epoche heraus: Die hagiographischen Viten der beiden Heiligen Columban und Gallus.

4.1 Columban-Vita

Autor der 643 veröffentlichten Heiligen-Vita des Columban ist der italienische Mönch Jonas, der im Jahr 618, nur drei Jahre nach dessen Tode in das Kloster Bobbio eintrat, das jener gegründet und als Abt bis zu seinem Tod geleitet hatte. Er beruft sich in seiner Vita auf einige Zeitzeugen und Gefährten Columbans und ist für unser Thema sehr ergiebig, auch wenn er als Hagiograph nicht dem heutigen Bild eines Historikers entsprechen kann. Columban gehörte zu den iro-schottischen Wandermönchen und kam über das Frankenreich, wo er das Kloster Luxeuil gründete, von welchem auch in späterer Zeit großer Einfluss auf die Christianisierung der Alamannen und Bajuwaren ausging, auch bis zu den Alamannen selber. Interessant ist, dass er und seine Nachfolger ausschließlich auf ehedem romanisierten Gebiet missionierten. Der Textauszug in Anhang 8.2 vermittelt etwas von der Missionsrealität und verschafft uns ein Bild von der Situation des Christentums spätantiker Prägung in den Jahren um 600. Heidnische Bräuche und christlicher Kult kamen demnach nicht selten parallel zueinander vor und bereits getaufte Christen konnten sehr wohl auch an Götzendiensten teilnehmen[10]. Interessant ist der Hinweis, dass in der Stadt offenbar sowohl Getaufte und Nicht-Getaufte lebten. Erstere mussten zwar von dem Heiligen ermahnt werden, gewissermaßen eine Auffrischung der christliche Lehre bekommen, aber offenbar war für Columban die Taufe sehr wohl gültig. Das bedeutet, dass es zwangsläufig Priester in der Stadt gegeben haben muss, die zur Spendung dieses Sakraments von Columban für bevollmächtigt gehalten wurden. Ob es sich bei der Gemeinde um eine kontinuierlich seit der Spätantike bestehende handelte, oder um jüngere Missionierungserfolge von uns unbekannten Vorgängern des Columban, ist nicht festzustellen. Christen und Heiden lebten aber offenbar friedlich nebeneinander und vollzogen das gleiche heidnische Ritual.

4.2 Gallus-Vita

Die Vita des Heiligen Gallus steht in direktem Zusammenhang mit der Columban-Vita, schöpft teilweise aus ihr und ergänzt sie in anderen Teilen. Um 820 wurde sie von dem Reichenauer Mönch Wetti geschrieben, der sich an eine Vorlage aus dem frühen 8. Jh. anlehnte, die vita vetustissima, die und heute allerdings nur noch in Teilen überliefert ist. Gallus war ein Schüler Columbans, der mit ihm aus Schottland zum Festland reiste und sich später von ihm trennte, um eigenständig im Bodenseegebiet zu missionieren. Der Textauszug im Anhang 8.2 macht deutlich, dass es verschüttete spätantik-christliche Traditionen gab, an die die Missionare zwar anknüpfen konnten, bei welchen man aber auch nicht gerade von Kontinuität sprechen kann[11]. Vielerorts war demnach offenbar die Erinnerung an eine ehemalige christliche Gemeinde verschüttet, ein christliches Gemeindeleben verloren und die Funktion christlicher Kultstätten hatte sich gewandelt.

5 Archäologische Zeugnisse

Will man archäologisch den Prozess der Christianisierung der Alamannen und Bajuwaren fassen, so ist man auf christlich interpretierbare Funde angewiesen. Diese Funde geben in ganz unterschiedlichem Maße mal mehr und mal weniger deutlich Auskunft über ein zu vermutendes christliches Bekenntnis der entsprechenden Menschen. Eine Interpretation fällt nicht immer leicht und ist fast nie unumstritten. Im folgenden möchte ich archäologische Zeugnisse in ihrer Wertigkeit vorstellen, d.h. mit solchen anfangen, die am klarsten auf den christlichen Glauben hinweisen.

5.1 Kirchbauten

5.1.1 Aussage über das christliche Bekenntnis der Erbauer

Dabei beginnt man am besten mit den frühen Kirchen. Es ist vorstellbar, dass ein Mensch Schmuck mit christlicher Symbolik aus modischen Gesichtspunkten trug und vielleicht sogar dass nicht jeder Tote, der mit einem Goldblattkreuz beerdigt wurde, zwangsläufig an den christlichen Gott geglaubt haben musste. Eine Gemeinschaft aber, die sich eine Kirche baut um darin Gottesdienste zu feiern, die Sakramente zu erhalten und liturgische und sakrale Handlungen zu vollziehen, eine solche Gemeinschaft ist im Christianisierungsprozess sicher bereits weit fortgeschritten. In jedem Fall trifft dies auf den Erbauer oder Gründer der Kirche zu, der einer wie auch immer zu bezeichnenden und rechtlich sich darstellenden Oberschicht angehört haben dürfte und in der Literatur auch Stifter genannt wird. Mittlerweile gibt es eine große Zahl solcher Fundstellen, die sich als frühe Holzkirchen interpretieren lassen können. Naturgemäß lassen sich diese Holzbauten nur mehr dort aufspüren, wo zum Beispiel Nachfolgebauten aus Stein erhalten geblieben oder bis heute als Kirchen genutzt werden[12]. Man muss also davon ausgehen, dass es noch weit mehr Kirchen gegeben hat, ohne jedoch abschätzen zu können wie hoch ihre Zahl gewesen sein mag.

5.1.2 Aussage über „Adelsschicht“ im Frankenreich

Die frühen Kirchbauten im Merowingerreich lassen neben dem Grad der Christianisierung noch Aussagen zur wachsenden Separierungstendenz der merowingischen Oberschicht zu. Ausgehend vom Kernland der Merowinger setzt sich zunehmend die Sitte durch, Angehörige einer Oberschicht separat zu bestatten und damit posthum von den übrigen, sozial untergeordneten Stammesmitgliedern abzugrenzen. Dabei lassen sich nach Horst Wolfgang Böhme vier Separierungsmöglichkeiten unterscheiden: Die Grablegung innerhalb eines Reihengräberfeldes, aber hervorgehoben durch einen Grabhügel, die Grablegung in einer separierten Grabgruppe, die Bestattung bei, sowie die Bestattung in einer Kirche, wobei dann noch zu unterscheiden ist, ob die Kirche zu diesem Zweck, bereits vorher, oder erst später an dieser Stelle erbaut wurde. Diese Grabsitte ist trotz eines Verbotes von Papst Pelagius I. (556-561) im gesamten Merowingerreich verbreitet. Die Tatsache, dass seit dem 6. Jahrhundert auf mehreren Synoden versucht wurde, diese Sitte abzuschaffen oder wenigstens einzuschränken lässt darauf schließen, wie stark sie verbreitet war[13]. Zur zeitlichen Dynamik und die deutlich erkennbare Entwicklung, ausgehend vom westlichen Frankenreich in die Gebiete, die uns besonders interessieren, mögen die vier Karten in den Abbildungen 2 bis 5 dienen. Wir sehen darauf die Fundorte von separierten Grablegungen in 4 Zeiträumen. Interessant sind für uns hauptsächlich die Bestattungen in und bei Kirchen, die mit einem Quadrat mit Rahmen gekennzeichnet sind. Während diese Sitte im 6. Jahrhundert noch ausschließlich links des Rheins verbreitet war, gewinnt sie in den folgenden 2 Jahrhunderten auch rechts des Rheins deutlich an Bedeutung. Die Karten bilden die im jeweiligen Zeitraum neu errichteten Kirchen ab, in oder bei welchen bestattet wurde. Die jeweiligen Kirchen wurden aber teilweise über mehrere Generationen hinweg von einer Familie als Bestattungsort genutzt.

[...]


[1] *um 140 in Kleinasien, + um 202, Bischof von Lyon

[2] vgl.: Hauck, Albert: Kirchengeschichte Deutschlands, 1. Teil, Berlin, 1952, S. 6

[3] Mindestens bis ins 6. Jh. gab es eine Kontinuität des Afra-Kultes, wie man aus Venantius Fortunatus Vita des Heiligen Martin entnehmen kann (Vita S. Martini 4, 642 f. (F. Leo, MGH AA IV 1, Berolini 1881, p. 368). Vgl. dazu: Wolff, H.: Die Kontinuität der Kichenorganisation in Raetien und Noricum bis an die Schwelle des 7. Jh. In: Boshof, E. und Wolff, H.: Das Christentum im bairischen Raum, Köln, u.a., 1994, S.1 - 29

[4] vgl.: Neumann, u.a.: Decumates agri In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 5, S.271 - 286

[5] zur Ethnogenese der Alamannen siehe: Steuer, H.: Alemannen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 1 (1973), S. 137-163

[6] vgl.: Müller, W., Knaut, M.: Heiden und Christen: Archäologische Funde zum frühen Christentum in Südwestdeutschland, Stuttgart, 1987, S. 8

[7] Müller, W.: Die Christianisierung der Alemannen, in: Müller, W. (Hrsg.): Zur Geschichte der Alemannen, Darmstadt, 1975, S.406

[8] vgl.: Wolff, H.: Die Kontinuität, S. 3

[9] vgl.: Christlein, R.: Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes. Stuttgart 1979 (2), S. 115

[10] vgl.: Krusch, B. (Hrsg.): Vita Columbani abbatis, auctore Jona. Dt. Übersetzung: Jonas von Bobbio: Das Leben des heiligen und seligen Abtes und Bekenners Kolumban, Frühes Mönchtum im Abendland. Band 2: Lebensgeschichten. Eingeleitet, übersetzt und erklärt von Karl Suso Frank. Zürich, München 1975. S. 170-230 und 307-320.

[11] Vgl: Georg Waitz (Hrsg.): Vita S. Galli auctore Wettino. Dt. Übersetzung: Wetti: Das Leben des Gallus. Frühes Mönchtum im Abendland. Band 2: Lebensgeschichten. Eingeleitet, übersetzt und erklärt von Karl Suso Frank. Zürich, München 1975. S. 231-266 und 320-328.

[12] Roth, H.: Christentum und Bekehrungszeit. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 4 (1981), S. 584-595

[13] vgl. Philipp Hofmeister, zitiert nach: Schneider, W.: Arbeiten zur Kirchengeschichte Teil II, Tübingen 1991

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Details

Titel
Frühes Christentum bei Alemannen und Bajuwaren im 6. und 7. Jhd.
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Vor- und frühgeschichtliche Archäologie)
Veranstaltung
Proseminar: Einführung in die Vor- und Frühgeschichte (Teil II)
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
31
Katalognummer
V32198
ISBN (eBook)
9783638329767
ISBN (Buch)
9783638651769
Dateigröße
2178 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frühes, Christentum, Alemannen, Bajuwaren, Proseminar, Einführung, Vor-, Frühgeschichte
Arbeit zitieren
Sikko Neupert (Autor:in), 2004, Frühes Christentum bei Alemannen und Bajuwaren im 6. und 7. Jhd., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32198

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