Integration von Sinti und Roma in das deutsche Schulsystem. Maßnahmen für eine bessere Eingliederung


Studienarbeit, 2015

46 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 H intergrundwissen über Sinti und Roma
2.1 Deutsche Sinti und Roma
2.2 Zugewanderte Sinti und Roma
2.3 Werte, Normen, Regeln und Sprache
2.4 Berufe der Sinti und Roma

3 Integration, ein Weg mit Stolpersteinen?
3.1 Allgegenwärtigkeit von Antiziganismus
3.2 Zwischen Integration, Assimilation und Segregation

4 Bildungswege der Sinti und Roma
4.1 Persönliche Bildungsbemühungen und innerfamiliäre Unterstützung
4.2 Bildungsabschlüsse der Eltern
4.3 Abgebrochene Bildungskarrieren
4.4 Die Bildungsmotivation
4.5 Der Kindergartenbesuch
4.6 Stellenwert der Bildung
4.7 Erfahrungen mit Bildungsinstitutionen
4.8 Hindernisse auf dem Bildungsweg und Probleme der Beschulung
4.9 Der Unregelmäßiger Schulbesuch fordert pädagogische Aufmerksamkeit
4.10 Zahlen zur Bildungssituation
4.11 Hypothesen zur Bildungssituation

5 Möglichkeiten zur Integration und Bildungsförderung
5.1 Einbindung von „Geschichte und Gegenwart“ der Sinti und Roma
5.2 Schulpflicht und generelles zur Leistungserbringung in NRW
5.3 Multiperspektivität als Handlungsbasis
5.4 Interkulturelle Vermittlung
5.5 Schulische und außerschulische Förderung am Beispiel NRW
5.6 Zugang zur Bildung - Integrations- und Teilhabeprojekt des Ministeriums

6 Schlussfolgerungen für die Soziale Arbeit

7 Schluss

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Seit Jahrhunderten gehören Sinti und Roma zu unserer Gesellschaft. Sie sind in fast allen Ländern vertreten und die alteingesessenste Minderheit Europas. Weltweit sollen rund 10 bis 12 Millionen Sinti und Roma leben.1 Laut Schätzungen des Bundesministeriums lebten 2011 rund 70.000 Sinti und Roma in Deutschland.2 Mittlerweile sollen es laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes zwischen 80.000 und 120.000 Menschen sein.3

Häufig werden sie noch immer als „Zigeuner“ bezeichnet, ein Begriff der von Ihnen als diskriminierend angesehen wird. „Zigeuner“ bedeutet:

„Angehörige einer über viele Länder verstreut lebende, meist nicht sesshafte Volksgruppe. Die Bezeichnung Zigeuner, Zigeunerin wird vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma als diskriminierend abgelehnt. Die gesamt Volksgruppe wird demnach als Sinti und Roma bezeichnet; die Bezeichnungen im Singular lauten Sinto bzw. Sintiza (für im deutschsprachigen Raum lebende) und Rom bzw. Romni (für im europäischen Raum lebende Angehörige dieser Volksgruppe).“4

Oftmals von Vorurteilen belastet, wird der Begriff „Zigeuner“ teilweise noch immer mit Eigenschaften wie Kriminalität, unhygienischen Zuständen und Unsesshaftigkeit verbunden. Dabei haben die meisten Sinti und Roma mittlerweile einen festen Wohnsitz und leben nicht mehr als fahrendes Volk.

Institutionelle Bildung war für Sinti und Roma vor vielen Jahren nicht von Bedeutung, da nützliches Wissen in Bezug auf handwerkliche oder künstlerische Fähigkeiten von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Mit diesem Wissen gelang es den Familien ihre wirtschaftliche Situation meist ausreichend zu sichern. In der heutigen Zeit verlieren diese spezifischen Kenntnisse jedoch an Bedeutung, sodass die Schulausbildung und die abgeschlossene Berufsausbildung für eine erfolgreiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben tragend geworden sind. Bildung ist daher ein wichtiges Ziel für Sinti und Roma.

Dennoch ist häufig zu hören, dass Sinti und Roma nur die Haupt- oder Sonderschule besuchen würden, nur wenige das Gymnasium. Laut dem Buch „Opre Roma!“ würden Sinti und Roma meist unangepasstes Schulverhalten zeigen. Dies stelle ein Problem dar, welches es zu lösen gilt. Nach Auffassung der Lehrer beruhen darauf die hohen Fehlzeiten, die fehlende Leistungsmotivation und das fehlende Durchhaltevermögen. Ebenso stelle die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Eltern ein Problem dar.5

Aus diesem Grund möchte ich mich in dieser Arbeit mit der schulischen Integration von Sinti und Roma Kinder und Jugendlichen beschäftigen. Damit ist gemeint, ob die Kinder regelmäßig in die Schule gehen d.h. ihrer Schulpflicht nachgehen, warum sie meist häufiger in niedrigeren Schulsystemen zu finden sind, wie die schulische Zusammenarbeit mit den Eltern verläuft, was es für Probleme und Hindernisse auf dem Bildungsweg gibt und wie sie dem Leistungsdruck standhalten. Ebenso soll der Begriff der „schulischen Integration“ in meiner Arbeit Möglichkeiten aufzeigen, wie es gelingen kann die Kinder und Jugendliche für die Schule zu begeistern, um gemeinsam mit ihnen das Klassenziel bzw. einen Schulabschluss zu erreichen.

In dieser Arbeit soll zunächst Hintergrundwissen über Sinti und Roma dargestellt werden. Anschließend möchte ich mich damit auseinandersetzen ob Sinti und Roma wirklich schwerer in Schulen zu integrieren sind und wenn ja was hierfür mögliche Ursachen sein könnten. Abschließend stelle ich Möglichkeiten zur Integration und Bildungsförderung der Sinti und Roma in Deutschland vor, sowie mögliche Schlussfolgerungen für die Soziale Arbeit die daraus resultieren.

Zusammenfassend lautet die Fragestellung meiner Studienarbeit wie folgt:

Kommt es zu Schwierigkeiten bei der Integration von Sinti und Roma Kindern und Jugendlichen in das deutsche Schulsystem? Wenn ja, welche Maßnahmen können erfolgen um diesen Problem entgegenzuwirken?

2 Hintergrundwissen über Sinti und Roma

Um die Geschichte und die Verhaltensweisen von Sinti und Roma besser verstehen zu können, soll im folgenden Abschnitt kurz der Hintergrund dieser Minderheit aufzeigt werden. Hierzu möchte ich zuerst auf die Geschichte deutscher Sinti und Roma eingehen und anschließend auf die der zugewanderten. Abschließend möchte ich mich in diesem Kapitel den Werten, Normen, Regeln, der Sprache und den Berufen dieser ethnischen Gruppe widmen.

2.1 Deutsche Sinti und Roma

Mit dem Begriff der Sinti und Roma werden zwei unterschiedliche Gruppen bezeichnet. Die Gruppe der Sinti legt sehr viel Wert darauf nicht zum Stamm der Roma gezählt zu werden. Die seit 600 Jahren in Deutschland lebende Minderheit nennt sich Sinti und ist die älteste

Minderheitsgruppe in Deutschland und in deutschsprachigen Ländern. Die Geschichte der Roma hingegen ist nur teilweise dokumentiert und wird somit immer im Zusammenhang mit der Verfolgungsgeschichte der Sinti thematisiert. Im 18. Jahrhundert wanderten die ersten vorfahren der Roma aus Osteuropa ein, wie hoch ihr Anteil in Deutschland ist lässt sich nur sehr schwer schätzen.6

Vor allem zur Zeit des Nationalsozialismus hatten es Sinti und Roma sehr schwer. Sie sollten vollständig von der Bevölkerung isoliert werden. So wurden sie Schritt für Schritt entrechtet, ihrer Existenzgrundlage beraubt und schließlich in Vernichtungslager deportiert, wo sie zur Zwangsarbeit gezwungen wurden. Ziel des NS-Staates war die vollständige Vernichtung von Sinti und Roma. Nach Schätzungen fielen ca. 500.000 Sinti und Roma dem Holocaust zum Opfer.7

Ganze Generationen wurden vernichtet, weshalb viele Überlieferungen und Erfahrungen verloren gingen. Der Wiederaufbau und Erhalt der Gemeinschaftsstrukturen wurden dadurch erschwert. Auch gingen auf diesem Weg viele Jahre für Schule und Berufsausbildung verloren, was zum Teil weiterreichende Folgen, bis in die heutige Zeit, nach sich zieht. Traumatisierungen und fehlendes Vertrauen in den deutschen Staat sind bis heute noch zu spüren, weshalb sie lieber unter sich bleiben.

Nach langer Zeit des Leugnens der Geschehnisse im 2. Weltkrieg wurden Sinti und Roma erst im Jahr 1992 als nationale Minderheit anerkannt. In diesem Abkommen galt es als wichtig, der Bevölkerungsgruppe zu ermöglichen ihre Kultur, Sprache, Tradition und die Bräuche zu pflegen. Die Wichtigkeit der Bildungsmaßnahmen wurde ebenfalls hervorgehoben.

Dennoch hat sich über die Jahre viel verändert. Die in Deutschland lebenden Sinti und Roma sind relativ gut in die Gesellschaft integriert. Im Gegensatz zu früher ist ein fester Wohnsitz für deutsche Sinti und Roma üblich. Nur noch eine geringe Anzahl von ihnen arbeitet im saisonalen Reisegewerbe, wie z.B. als Schausteller oder Zirkusbetreiber. Jedoch sind diese ebenfalls Heimatbezogen und besitzen außerhalb der Saison einen festen Wohnsitz. Eigene Traditionen wie das Handwerk, die Musik oder die Sprache werden von ihnen jedoch stets bewahrt und von Generation zu Generation weitergegeben.8

2.2 Zugewanderte Sinti und Roma

Seit 1950 lässt sich eine Zuwanderung von Roma festhalten, jedoch fanden bedeutendere Zuwanderungen erst zwischen 1960 und 1970 statt. Zu dieser Zeit wanderten die Roma aus Ländern wie der Türkei, Griechenland und dem ehemaligen Jugoslawien ein, dabei hielten viele ihre Zugehörigkeit im Verborgenen. Als Folge von Diskriminierung und Verfolgung flohen Roma, Ende des letzten Jahrhunderts, aus den südosteuropäischen Ländern nach Westeuropa. Die Mehrheit von ihnen lebte verarmt in sogenannten „Zigeunersiedlungen“. Etwa 60.000 Menschen beantragten zu dieser Zeit Asyl. Die meisten Roma Flüchtlinge wurden jedoch in ihre Herkunftsländer zurück geschickt oder erhielten nur einen „geduldeten“ Aufenthalt in der Bundesrepublik.9

Die Situation der Roma Familien stellt sich sehr unterschiedlich dar. Jede dieser Flüchtlingsfamilien bringt andere Voraussetzungen mit, da sie sich sowohl in ihrem Herkunftsland, als auch in ihre Fluchtbiografie unterscheiden. So gibt es Familien deren Kinder bereits in Deutschland geboren wurden und zweisprachig aufwuchsen, aber auch Kinder und Jugendliche die den Krieg selbst miterlebt haben. Viele von ihnen haben sowohl Traumatische-, als auch Armutserlebnisse und besitzen keinerlei oder nur sehr geringe Deutschkenntnisse. Diese Kinder besuchen mit neun Jahren oder älter das erste Mal die Schule. Da viele dieser Flüchtlingsfamilien nur mit einem Duldungsstatus in Deutschland leben sind sie einem ständigen Abschiebungsdruck ausgesetzt, welcher sich auf die Schulsituation der Kinder und Jugendlichen auswirkt. Sogenannte „Vorbereitungsklassen“ (auch „Auffangklassen“ oder „Integrationsklassen“ genannt) werden nur noch selten von Roma-Kindern besucht. Die meisten von ihnen müssen sich dem Regelschulsystem stellen, bei dem sie jedoch selten eine Förderung erhalten, welche an ihre Biografie und Lebenssituation angepasst ist. Diese Lernvoraussetzungen stellen ebenfalls eine große Herausforderung für die Lehrkräfte dar, welche dazu führt, dass häufig als Lösung nur noch ein Verfahren bezüglich der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs gesehen wird. Die Lebensbedingungen und Biografien der Flüchtlingsfamilien machen pädagogisches Handeln schwierig. Um sich auf Schule und Ausbildung konzentrieren zu können wäre ein gesicherter Aufenthaltsstatus für Familien von großer Bedeutung. Ebenso müssten die Kinder der zugewanderten Roma Sprachförderungsmaßnahmen erhalten, um ihnen so erst einen Schulbesuch zu ermöglichen.10

Die Flüchtlingsfamilien reagieren unterschiedlich auf die gesellschaftlichen Anforderungen die das Leben in Deutschland mit sich bringt. Bei einigen von ihnen sind große Bemühungen zu verzeichnen sich zu integrieren, wozu auch eine Bildungskarriere gehört. Hierbei spielt

auch der Wunsch nach einem besseren Leben eine große Rolle. Andere hingegen wollen an ihren Traditionen festhalten und verweigern einen regelmäßigen Schulbesuch. Ebenso gibt es junge Roma, die sich weder an die eigenen Traditionen halten, noch auf die Anpassung an die Gesellschaft aus sind. Diese versuchen häufig einen eigenen Lebensweg einzuschlagen, da sie im Regelschulsystem gescheitert sind.11

2.3 Werte, Normen, Regeln und Sprache

Um die Kultur der Sinti und Roma besser kennen zu lernen ist es wichtig ihre Sprache, die Werte und Normen, sowie die vorherrschenden Regeln innerhalb der Gemeinde zu betrachten. Die sozialen Strukturen spielen bei Sinti und Roma Familien eine große Rolle.

Forscher wandten sich bereits sehr früh der Sprache von Sinti und Roma zu. Beide Gruppen haben ihre eigene Sprache, diese wird als „Romenes“ bezeichnet, in ihr gründet auch die kulturelle Identität. Romenes gehört zu den geschützten Minderheitssprachen, hierbei handelt es sich um eine eigenständige Sprache, die in verschieden Varianten gesprochen wird. Ein Zentraler Aspekt hierbei ist, dass die Sprache nur innerhalb der Familie und in Familienverbänden gesprochen wird. Schriftliche Aufzeichnungen der Sprache gibt es nicht, diese wird von Generation zu Generation mündlich weitergegeben. Auf diese Art der Weitergabe legen Sinti und Roma besonders viel Wert, da sie nicht möchten, dass die Sprache durch ein Bildungssystem erlernt werden kann bzw. das sie öffentlich für „Nicht- Sinti“ wird.12

Mit den Sitten und Normen versuchen sie sich teilweise von der Gesellschaft abzugrenzen. Jedoch sind Sitten und Gebräuche von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich und lassen sich nicht festlegen. Es gibt viele Regeln und Gesetze die nicht von allen, aber immer noch von einigen Familien eingehalten werden. Einige der Regeln können auch als veraltet angesehen werden, dies ist jedoch vom jeweiligen Familienverband abhängig. Eine Verallgemeinerung macht dies nicht möglich. Es sind folgende Gesetze die sich von der allgemeinen Gesellschaft unterscheiden können:

- Die Regeln vor, während und nach einer Geburt
- Der Stellenwert des Mannes im Gegensatz zur Frau
- Die Erziehung der Kinder
- Unterschiede beim ehelichen und gesellschaftlichen Umgang
- Der Umgang mit Nahrungsmitteln und Tischgebräuchen
- Der Totenkult und die Verehrung der Toten
- Bestimmte Kleidervorschriften innerhalb der Familie und den Geschlechtern
- Reinlichkeitsregeln, Wohnkultur und Haushaltführung
- Die Rechtsprechung, die Blutrache und die Bestrafung

Die Übertretung dieser Gesetze kann einen Ausschluss aus der Gemeinschaft zur Folge haben, bzw. führt dazu, dass derjenige als „unrein“ angesehen wird. Eine Vielzahl dieser Gesetze ist mit Reinheits- und Meidungsvorschriften verbunden.13

So gibt es Vorschriften die im Zusammenhang mit dem weiblichen Organismus stehen. Ein Tabu ist es, die Frau kurz vor und nach der Geburt und während der Menstruation zu berühren, da dies sonst eine „Verunreinigung“ des Mannes zur Folge hätte. Ebenso ist es untersagt die Unterwäsche der Frau während der Menstruation gemeinsam mit der Wäsche des Mannes zu waschen. Die geschilderten Tabus beziehen sich allerdings nur auf geschlechtsreife Frauen ab der Pubertät. Eine Hebamme gilt in der Gesellschaft der Sinti und Roma, die sich an diese Regeln halten, als unrein, da sie mit diesen Bereichen konfrontiert ist. Auch ist es verboten mit Ärzten oder Krankenschwestern an einem Tisch zu essen.

Als weitere Regel herrscht die soziale Trennung zwischen Mann und Frau vor, dies findet vor allem bei offiziellen Anlässen statt, wo Männer und Frauen getrennte Gesprächsgruppen bilden.

Das Essen von Pferdefleisch ist in einigen Familien strengstens untersagt. Dies hängt wahrscheinlich mit dem engen Kontakt zwischen Familien und Pferden zusammen der früher bestand.

Vor allem im Kontakt zu “Nicht-Zigeunern“ besteht die Gefahr sich „unrein“ zu machen, da diese die genannten Tabus missachten.

Vorschriften die den Tod betreffen gibt es zahlreiche. So ist es früher üblich gewesen alles zu verbrennen was den Verstorbenen gehörte oder auch das Lieblingsessen für eine längere Zeit nicht mehr zu zubereiten. Dies fand statt, um den schmerzhaften Erinnerungen entfliehen zu können. In der heutigen Zeit werden von sesshaften Sinti und Roma nur ungern Wohnungen bezogen die Verstorbenen gehört haben oder wenn jemand innerhalb der Wohnung verstorben ist. Als Todsünde gilt es jedoch einen Verstorbenen zu beleidigen. Dies kann große Streitigkeiten zur Folge haben und auch körperliche Auseinandersetzungen zwischen Betroffenen Familien nach sich ziehen.

Bezüglich der Kleiderordnung ist zu erwähnen, dass Sinti und Roma Frauen Röcke bevorzugten oder dies noch immer tun. Grund hierfür ist, dass Hosen zu Figurbetont seien und dies streng abgelehnt werde.14

Wie bereits erwähnt gibt es Familien die sich an diese Vorschriften halten. Jedoch haben viele Familien den Wunsch moderner und aufgeschlossener zu leben, weshalb sie sich von den besagten Regeln losgesagt haben. Innerhalb einer Familie können dann Schwierigkeiten auftreten, wenn Uneinigkeit bezüglich der genannten Vorschriften besteht. So dürfen „reine“ nicht mit „unreinen“ essen. Dies hat zur Folge, dass Familienmitglieder untereinander nicht immer gemeinsam essen können. So kann es zu Isolation und Ausgrenzung kommen.

Der Familie ist im Leben der Sinti und Roma die größte Bedeutung zuzuordnen. Vor allem in der Vergangenheit bestanden Haushalte oft aus mehreren Generationen, mittlerweile fand eine Verkleinerung auf zwei Generationen pro Haushalt statt. Trotz Abnahme der Geburtenzahlen sind Kinder innerhalb der Familie sehr wichtig. Das Ausbleiben von ihnen ist für die Familien mit einem großen Unglück verbunden, ebenso sind sie wichtig für das Bestehen einer Ehe. Die Liebe der Familien zu ihren Kindern ist sehr groß. Die Erziehung ist meist kein bewusster, sondern ein spontaner Prozess und die Emotionale Bindung zwischen Eltern und Kindern ist durch ein starkes Band geprägt. Durch das ständige und enge zusammenleben wachsen die Kinder schnell in die Welt der Erwachsenen hinein und übernehmen häufig die Berufe der Eltern. Bereits sehr früh beginnen sie ihren Beitrag zum Lebensunterhalt zu leisten. Diese Selbstständigkeit kann sich auf das Schulverhalten negativ auswirken. Während sie in der Schule noch als Kind angesehen werden, gelten sie in ihrer Familie als junger Erwachsener.15

Der Status des Erwachsenen wird innerhalb der Familie mit dem Eintritt der Ehe komplett erreicht. Eine Beziehung zwischen Mann und Frau, oder Junge und Mädchen, kann sich nicht vor den Augen der Eltern entwickeln. Sobald ein Junge um ein Mädchen wirbt, sollte dies auch die Ehe nach sich ziehen. Nur einen „Freund“ zu haben kommt in den traditionellen Familien nicht in Frage. Häufig liegt das Heiratsalter bei den Mädchen unter 20 Jahren. Die Wahl eines Verwandten zum Bräutigam oder zur Braut hatte oftmals Vorrang. Heute kommt dies auch noch vor, jedoch ist es ebenfalls erlaubt einem Nicht-Sinto zum Partner zu nehmen.16

Die soziale Bedeutung innerhalb der Familie wächst mit dem Alter. So haben Großeltern ein sehr hohes Ansehen. Trotz des Alters sind sie immer noch in die wirtschaftliche Absicherung der Familie mit eingebunden und gehen nicht in Rente. Darüber hinaus steigern sich auch der Einfluss und das Sagen mit dem Alter. So müssen jüngere Familienmitglieder auf das hören was ihnen durch die Ältesten zugetragen wird. Ihnen wird die Aufgabe zu Teil sich um die Vermittlung und Wahrung der Traditionen und Erfahrungen zu kümmern und diese Weiterzugeben.17

2.4 Berufe der Sinti und Roma

Die Tätigkeiten von Sinti und Roma unterscheiden sich meist deutlich von den Berufen eines Nicht-Sinti („gadsche“). Als „Gadsche“ werden all diejenigen bezeichnet, die nicht zu der Gruppe der Sinti und Roma gehören. Am häufigsten dienen die Berufe nur dazu, den Unterhalt für die Familie zu Erwirtschaften. Die ausgeübten Tätigkeiten können nicht als Beruf im Wortsinn angesehen werden. So unterscheidet man zwischen alten und neuen Berufen, zwischen Männer- und Frauenberufen, aber auch zwischen Sommer- und Winterberufen.18

Berufe die zu früheren Zeiten ausgeübt wurden waren vor allem Schmiedearbeiten, Pferdehandel und Musiktätigkeiten. Ebenso zählten das Flicken von Schirmen und Kesseln und das Fertigen von Sieben dazu. Durch die Industrialisierung veränderten sich auch die beruflichen Perspektiven, da die Massenproduktion viele Güter produzierte, die sonst durch Sinti und Roma hergestellt und vertrieben wurden.19

Bei den neueren Arbeiten findet sich eine Differenzierung zwischen Männern und Frauen wieder. So sind die Händlerberufe bei den Männern vordergründig zu finden. Zählt man auch das Hausieren dazu, so waren es laut der Untersuchung von FALQUE (1971) rund 70% der Männer, die dieser Beschäftigung nachgingen. Damals, wie auch heute, wird der Hauptanteil der Händlertätigkeiten durch das Sammeln und Verwerten von Altmetall bestimmt. Hierzu zählt auch das Ausschlachten von Altautos. Mit dem Verkauf von alten Möbeln und Antiquitäten soll zusätzlich der Lebensunterhalt gesichert werden. Bei Frauen hingegen gehört neben dem Haussieren auch das Wahrsagen zur Einnahmequelle. Meist konzentrieren sich die Frauen jedoch auf den Haushalt, dennoch können sie die finanzielle Lage der Familie deutlich aufbessern.

Die typischen Tätigkeiten von Sinti und Roma lassen sich wie folgt zusammenstellen:

1. Der Verkauf von Waren. Hierzu zählt vor allem der Verkauf von Marktwaren und gebrauchten Waren (z.B. Autos, Kleidung, Schmuck) ebenso wie das Haussieren von Haushaltswaren und Fabrikerzeugnissen.
2. Das Anbieten von Dienstleistungen, wie z.B. die Abholung und Verwertung von Altmetall, Altautos oder recycelbaren Stoffen. Messerschleifen, Schmiedearbeiten oder Schaustellertätigkeiten zählen ebenfalls zu den angebotenen Dienstleistungen.
3. Saisonarbeiten wie z.B. die Landarbeit oder auch das Zirkusgewerbe.20

Häufig ist gerade in den Wintermonaten eine höhere Arbeitslosigkeit zu verzeichnen, dies lässt sich durch die saisonale Arbeit erklären. Schaustellertätigkeiten werden vorüberwiegend in den Sommermonaten ausgeübt, weshalb sich Händlertätigkeiten mehr auf die Wintermonate konzentrieren. Sinti und Roma sind geübt darin, mehrere Tätigkeiten parallel auszuüben. Je nach Gelegenheit wird eine Arbeit mehr oder weniger ausgeführt, immer mit dem Hintergedanken wie die finanzielle Situation am besten auszuschöpfen ist. Lohnabhängige Tätigkeiten, sowie Fabrikarbeiten, scheinen deutlich unterrepräsentiert zu sein. Die Unabhängigkeit, die weitestgehend erhalten werden soll, ist ein sehr wichtiger Aspekt im Leben der Sinti und Roma und spiegelt sich auch in ihrer Arbeit wieder. So findet man nur einen geringen Teil von ihnen in einem angestellten Verhältnis, da es ihnen auf diesem Weg gelingt ihr eigener Herr zu bleiben. Eine berufliche Zusammenarbeit mit einem „gadscho“ wird so gut es geht vermieden.21

In der beruflichen Unabhängigkeit liegt häufig das Problem bezüglich einer Schul- oder Berufsausbildung. Da die Eltern mit ihrer Selbstständigkeit als Vorbild dienen, wird der Grund für eine Ausbildung meist nicht gesehen. Junge Männer sollen einmal mit dem Vater das „Geschäft“ weiterführen und dies später übernehmen. Junge Frauen hingegen heiraten meist sehr früh und zählen dann zu der Familie des Mannes, der ab Zeitpunkt der Heirat für die finanzielle Absicherung verantwortlich ist. Aus dieser Perspektive gesehen scheint meist sowohl für Sinti Frauen, als auch für Sinti Männer kein Platz für Bildung zu sein, da anhand der Traditionen der Weg bereits vorbestimmt ist.

3 Integration ein Weg mit Stolpersteinen?

Die Integration von Sinti und Roma ist immer wieder ein Thema im Deutschland. Wie dies von Betroffenen und Gesellschaft gesehen und empfunden wird soll im folgendem aufgezeigt werden. Aus diesem Grund möchte ich mich in folgendem Kapitel der Allgegenwärtigkeit von Antiziganismus und der Integration, Assimilation und Segregation von Sinti und Roma befassen.

3.1 Allgegenwärtigkeit von Antiziganismus

Der Begriff „Antiziganismus“ wird seit 1970 verwendet. Durch die Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit der „Gesellschaft für Antiziganismusforschung“ hat sich der Begriff in Deutschland während der letzten Jahre durchgesetzt.22 Antiziganismus bedeutet:

„Unter dem Begriff Antiziganismus wird im Folgenden ein historisch gewachsenes und sich selbst stabilisierendes soziales Phänomen verstanden, das eine homogenisierende und essentialisierende Wahrnehmung und Darstellung bestimmter sozialer Gruppen und Individuen unter dem Stigma „Zigeuner“ oder anderer verwandter Bezeichnungen, eine damit verbundene Zuschreibung spezifischer devianter Eigenschaften an die so Stigmatisierten sowie vor diesem Hintergrund entstehende, diskriminierende soziale Strukturen und gewaltförmige Praxen umfasst.“23

„Antiziganismus ist ein Sammelbegriff für alle gegen die Minderheit als „Zigeuner“ gerichteten Vorstellungen, Vorurteile, Gefühle, Verhaltensweisen.“24

Hierdurch werden Sinti und Roma meist als primitiv, kulturlos, kriminell und nomadisch gekennzeichnet. Antiziganismus weist gezielt die Feindseligkeit gegenüber Sinti und Roma auf und verletzt und diskriminiert damit bewusst. Durch Musik und Literatur geprägt gehören „Zigeunerbilder“ bis heute zur bürgerlichen Bildung.

In Bezug auf Stigmata und Integration gab es eine Vielzahl von Umfragen, so ergab eine Studie die zwischen 1960 und 1994 geführt wurde, dass 60 % der Deutschen feindlich gegenüber Sinti und Roma eingestellt sind. Ebenso ergab eine Umfrage aus dem Jahr 2006, dass 76 % der befragten Sinti und Roma bereits Diskriminierung erfahren haben. Zahlreiche Teilnehmer gaben des Weiteren an, dass sie ihre Herkunft aus Angst vor Diskriminierung verheimlichen. 40% der Befragten sahen eine Benachteiligung in der Schule ihrer Kinder. „Stigmatisierende Zigeunerbilder“ sind keineswegs nur eine Angelegenheit zwischen Erwachsenen, auch Schülerinnen und Schüler verfügen über diese.25

Darüber hinaus wurden weitere Quantitative Daten zu antiziganistischen Einstellungen und zu Erfahrungen mit Antizigansimus erhoben. Im Jahr 1994 ergab eine Umfrage von 1469 Befragten, dass 63,90 % keine Sinti und Roma in der Nachbarschaft wünschen. Eine weitere Umfrage ergab, dass 58% massive Vorurteile gegen die Minderheit hegen. Im Jahr 2007

fand eine Befragung mit Bürger_innen aus allen EU Ländern statt. Diese ergab, dass 77% aller Befragten angaben, dass es für Sinti und Roma eher ein Nachteil sei dieser Minderheit anzugehören, in Deutschland gaben dies 78% an. Im Jahr 2008 fand erneut eine Befragung bezüglich der Akzeptanz von Sinti und Roma statt. In dieser sollten die Befragten, auf einer Skala von 1 bis 10 angeben wie wohl sie sich fühlen würden, wenn sie in der Nachbarschaft von dieser Minderheit leben würden. Die Kennziffer 1 stand dabei für „sehr unwohl“ und 10 für „vollkommen wohl“. Der Durchschnittliche Wohlfühlgrad lag dabei bei 5,8 in Deutschland. Verglichen mit anderen ethnischen Gruppen, die bei 7,9 lagen, ist ein deutlicher Unterschied zu verzeichnen. Einer der aktuellsten Studien wurde im Jahr 2011, von Daniel Strauß, herausgegeben. In dieser ging es um die Bildungssituation von Sinti und Roma. Nach 261 geführten Interviews konnte folgendes Ergebnis verzeichnet werden: 57% der befragten verfügen über keinen Schulabschluss. Weiter gaben 81,2% der Befragten an, Opfer von Diskriminierungen geworden zu sein. Dabei gab die Hälfte der Befragten an, Diskriminierung durch das Lehrpersonal erfahren zu haben und ein Drittel nannte dies als Grund für die abgebrochene Schulausbildung. Die Jahrhunderte lange Diskriminierung und die damit verbundenen fehlenden materiellen und kulturellen Ressourcen, die zu einer fehlenden Unterstützungsmöglichkeit durch Familienangehörige für den Schulbesuch führen, wurden bei den Befragungen nicht berücksichtigt. Bei der aktuellsten Studie von 2011 handelt es sich um eine Langzeitstudie. Diese wurde von 2002 bis 2011 einmal jährlich durchgeführt. 40,1% der Befragten gab an Probleme damit zu haben, wenn Sinti und Roma sich in ihrer Gegend aufhalten würden. 27,7% stimmten zu, dass Sinti und Roma aus der Innenstadt vertrieben werden sollten und 44,2% sind der Meinung Sinti und Roma würden zu Kriminalität neigen.26

Aufgrund der Umfragen, die über Jahre hinweg getätigt wurden, lässt sich festhalten, dass Antiziganismus in Deutschland bis zum heutigen Zeitpunkt weit verbreitet ist. Die Vorurteile gegenüber Sinti und Roma scheinen im Gegensatz zu Vorurteilen gegenüber anderen Minderheitsgruppen deutlicher zu bestehen.

Eine Ursache für dieses Problem wird darin gesehen, dass sowohl in Kultur, Medien und öffentlichen Darstellungen immer noch häufig stereotype und diskriminierende Darstellungen über Sinti und Roma in Umlauf kommen. Sowohl in Kinderfilmen, in Filmen für Erwachsene, aber auch in Literatur und Musik finden sich häufig die gleichen stereotypen Bilder. Vor allem liegt das Problem bei TV-Dokumentationen und Reportagen oder auch den Nachrichtensendungen. Deren Einfluss auf Stereotypen ist größer, da diese in ihrer Arbeit Realität abbilden und dokumentieren und ihnen dadurch mehr Glauben geschenkt wird. Im Gegensatz zu der Mehrheit, werden „Zigeuner“ in den Medien häufig als nomadisch, flatterhaft und spontan dargestellt. Ebenso steht der Zigeuner in Filmen häufig für das Wilde, für Musik und Lebenslust. Seit mehr als 25 Jahren führt der Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland darüber Diskussionen. Am meisten kritisiert wird dabei, dass gerade bei der Berichterstattung in Bezug auf Straftaten häufig auf die ethnische Herkunft verwiesen wird, auch wenn dies nichts mit der Straftat zu tun hat. Die aktuelle Presseberichterstattung über Roma, die aus Bulgarien, Rumänien, Mazedonien oder auch Serbien einwandern, ist fast ausschließlich mit antiziganistischen Vorurteilen bestückt. Bis auf einige Einzelfälle greifen die meisten Medien und auch die Literatur auf antiziganistische Vorurteile zurück und tragen somit zur Bestätigung dieser bei.

In Einzelfällen kommt es immer wieder zu antiziganistisch motivierten Gewalttaten in Form von Beleidigungen oder Übergriffen. Als Beispiel hierfür können die mehrtägigen Übergriffe auf die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992 genannt werden. Hierbei wurde die Zufluchtstelle mehrere Nächte hintereinander angegriffen bis die rumänischen Flüchtlinge evakuiert wurden. Im Jahr 2006 fand ein Angriff auf ein Wohnhaus statt, in dem Roma Familien wohnten. Diese waren zum Zeitpunkt des Brandes nicht zuhause, sodass keine Schädigung stattgefunden hat. 2010 wurden drei Roma Frauen entführt und zur Sexarbeit gezwungen, dabei fielen sie brutalsten Misshandlungen zum Opfer. Im Jahr 2010 wurden in Gelsenkirchen 19 Wohnwägen in Brand gesteckt, wobei 17 völlig zerstört wurden. Diese standen in einer Siedlung, in der Sinti und Roma Familien ansässig waren. Regelmäßig werden auch Gedenkstätten der im Nationalsozialismus deportieren Sinti und Roma verwüstet und beschmutzt. All diese Vorfälle erhielten nur wenig mediale Aufmerksamkeit, was das mangelnde Interesse der Öffentlichkeit zum Vorschein bringt. In Deutschland sind, im Gegensatz zu anderen EU Ländern, weniger Angriffe gegenüber Sinti und Roma zu verzeichnen.27

In politischen Parteien und Bewegungen ist das Thema des Antiziganismus unterrepräsentiert. So wird das Thema ausschließlich von rechten Parteien aufgegriffen. So fand sich folgender Wahlspruch auf den Plakaten der NPD wieder.

„Lieber Geld für die Oma anstatt für Sinti und Roma“

Gerade etablierte Parteien achten sehr darauf keine Aussagen bezüglich Sinti und Roma zu treffen die zusätzliche Vorurteile anheizen würden. Jedoch stellen die Bürger- und Anwohnerinitiativen, die sich gegen einen Zuzug von Sinti und Roma in ihre Umgebung stellen, eine Form von Antiziganismus da.28

Eine Vielzahl von Menschen, die in Deutschland leben, kennen Sinti und Roma weder persönlich, noch besitzen sie Wissen über ihre Kultur oder Geschichte. Dennoch haben sie ein klares Bild von ihnen im Kopf. Sinti und Roma Kinder die regelmäßig die Schule besuchen werden von der Gesellschaft nur selten wahrgenommen, ebenso gelten jene Sinti und Roma als besonders bei denen die üblichen Vorurteile nicht zutreffen. Als Beispiel hierfür ist zu nennen, dass Lehrkräfte ihre positive Überraschung zum Ausdruck brachten, über Sinti und Roma Kinder bei denen sie feststellten, dass diese regelmäßig und gerne zu Schule gekommen sind.29

Wie dieser Abschnitt des Kapitels zeigt, führt Antizigansimus zu einer Diskriminierung die sich über alle Lebensbereiche erstreckt und auch nicht vor dem Bildungssystem halt macht. Betrachtet man dies mit dem Hintergrund der bisherigen Informationen und Zahlen über Antizigansimus, so kann man behaupten, dass die Integration nicht im gewünschten Maße stattgefunden hat und sich dieser Ausschluss auch häufig im Bildungsweg der Sinti und Roma wiederspiegelt.

3.2 Zwischen Integration, Assimilation und Segregation

Schlechte Erfahrungen mit dem Schulsystem scheinen für Sinti und Roma in ganz Europa zum täglichen Leben zu gehören. Die Fertigkeit zur Erziehung der Kinder wurde Sinti und Roma Familien häufig abgesprochen, mehr noch sie wurde gleichgesetzt mit Verwahrlosung. Die Sesshaftigkeit der Familien sollte durch Schulzwang durchgesetzt werden, ansonsten hatte dies die Entfremdung der Kinder zur Folge. In Bezug auf die Schule wurde auf die Angehörigen der Minderheit zum Ende des 19. Jahrhunderts erheblicher Druck ausgeübt. Der Gewerbeschein, der dringend für die wirtschaftliche Absicherung der Familie benötigt wurde, ist nur ausgehändigt worden, wenn die Kinder die Schule besuchten. Waren die Eltern jedoch in einem reisenden Gewerbe tätig wurde dies mit der Regel erschwert, dass die Kinder dieser Familien nicht für kurze Zeit in Schulen aufgenommen wurden. Das bedeutete sich zu entscheiden zwischen Sesshaftigkeit und Bildung. Konnten sie ihrem Gewerbe nicht nachgehen, so brachte dies eine schlechte finanzielle Situation mit sich, gingen sie jedoch auf die Reise, so mussten die Kinder auf Schule und Bildung verzichten. Gingen die Familien jedoch nicht auf die Schulpflicht ein, drohte man ihnen mit dem Entzug der Kinder. All dies nur, da die Gemeinden die Kinder dieser Familie nicht für kurze Zeit unterrichten wollten. Die Schule gehörte gemeinsam mit der Polizei und der Fürsorge zu einem System das zur Verfolgung und Unterdrückung führte. Dieses System wurde immer mehr Perfektioniert bis hin zur öffentlichen Diskriminierung während der NS-Zeit. Die Schulzeit war für Sinti und Roma Kinder meist mit einem Spießrutenlauf gleichzusetzen und von Willkür geprägt. So wurde ihnen der Besuch eine Schule zwar nicht verwehrt, jedoch wurde seit dem Jahr 1941 der Schulausschluss ermöglicht, sobald der Unterricht durch sie „gestört“ wurde oder sie für die „deutschen“ Kinder zur „Gefahr“ wurden. Meist mussten sie entweder Hilfsschulen oder sogenannte „Zigeunerklassen“ besuchen.30

[...]


1 BEZIRKSREGIERUNG ARNSBERG 2011: 10

2 BUNDESMINISTERIUM DES INNEREN 2011: 12

3 ANTIDISKRIMINIERUNGSSTELLE DES BUNDES 2014

4 MEYER 2012: 17

5 LEIDGEB; HORN 1994: 140-141

6 BEZIRKSREGIERUNG ARNSBERG 2011: 13

7 DOKUMENTATIONS- UND KULTURZENTRUM DEUTSCHER SINTI UND ROMA 2014

8 BEZIRKSREGIERUNG ARNSBERG 2011: 13-14

9 BEZIRKSREGIERUNG ARNSBERG 2011: 35-36

10 BEZIRKSREGIERUNG ARNSBERG 2011: 38-39 7

11 BEZIRKSREGIERUNG ARNSBERG 2011: 40

12 HUNDSALZ 1978: 31-33

13 HUNDSALZ 1978: 34-35

14 HUNDSALZ 1978: 34-35 9

15 HUNDSALZ 1978: 42-46

16 HUNDSALZ 1978: 46-49 10

17 HUNDSALZ 1978: 49-51

18 HUNDSALZ 1978: 51

19 HUNDSALZ 1978: 53-54 11

20 HUNDSALZ 1978: 57-59

21 HUNDSALZ 1978: 59-60 12

22 BEZIRKSREGIERUNG ARNSBERG 2011: 43

23 END 2013: 13

24 BEZIRKSREGIERUNG ARNSBERG 2011: 43

25 BEZIRKSREGIERUNG ARNSBERG 2011: 44 13

26 END 2013: 15-18

27 END 2013: 19-26

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Ende der Leseprobe aus 46 Seiten

Details

Titel
Integration von Sinti und Roma in das deutsche Schulsystem. Maßnahmen für eine bessere Eingliederung
Hochschule
Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
46
Katalognummer
V337799
ISBN (eBook)
9783668271951
ISBN (Buch)
9783668271968
Dateigröße
774 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sinti, Roma, Sinti und Roma, Integration, Antiziganismus, Bildungswege von Sinti und Roma, Bildungsförderung, schulische Bildung von Sinti und Roma, Zigeuner, Förderung, Reisende
Arbeit zitieren
Julia Meyer-Rosenfeld (Autor:in), 2015, Integration von Sinti und Roma in das deutsche Schulsystem. Maßnahmen für eine bessere Eingliederung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/337799

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